Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 IV 17



115 IV 17

4. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 2. Februar 1989 i.S. X.
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste

    1. Art. 122 Ziff. 1 Abs. 2 StGB; schwere Körperverletzung.

    Eine erhebliche, aber nur vorübergehende Entstellung des Gesichtes
stellt noch keine schwere Körperverletzung i.S. von Art. 122 Ziff. 1
Abs. 2 StGB dar. Demgegenüber kann eine Schnittwunde vom Mundwinkel bis
zum Ohransatz, die gut verheilt, aber weiterhin deutlich sichtbar ist
und die den Geschädigten mimisch bleibend beeinträchtigt, als schwere
Körperverletzung betrachtet werden. Das subjektive Empfinden des
Geschädigten ist nicht entscheidend (E. I).

    2. Art. 68 Ziff. 2 StGB; retrospektive Realkonkurrenz.

    a) Art. 68 Ziff. 2 StGB gilt auch im Fall einer im Ausland
ausgesprochenen Grundstrafe, wenn sie Taten betrifft, die nicht in den
räumlichen Geltungsbereich des StGB fallen (E. II/5a).

    b) Grundsätze für die Bemessung einer Gesamtstrafe, die auszusprechen
ist, wenn die zu beurteilenden Taten teils vor und teils nach einer
früheren Verurteilung begangen worden sind (E. II/5b; Bestätigung von
BGE 69 IV 59 E. 4).

Sachverhalt

    A.- X. wurde am 18. August 1988 durch das Kantonsgericht des Kantons
Schwyz im Appellationsverfahren wegen zahlreicher Delikte (u.a. wegen
schwerer Körperverletzung i.S. von Art. 122 Ziff. 1 Abs. 2 StGB) zu sieben
Jahren Zuchthaus und Fr. 500.-- Busse verurteilt.

    Dem Schuldspruch wegen Körperverletzung liegt folgender Sachverhalt
zugrunde: Am 21. Dezember 1984 begab sich X. mit seiner damaligen Ehefrau
abends in eine Bar in Luzern, wo es zu einer Auseinandersetzung kam. Als
seine Frau vor Mitternacht nicht mit ihm nach Hause gehen wollte, holte
er in der Wohnung ein Küchenmesser. Damit fügte er seiner Frau eine
Schnittwunde vom linken Mundwinkel bis zum Ohransatz zu.

    X. erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, die sich zum einen
gegen die Qualifikation des Körperverletzungsdeliktes richtet, zum anderen
dagegen, dass die Vorinstanz Rückfall angenommen und es unterlassen habe,
die Regeln über die retrospektive Konkurrenz gemäss Art. 68 Ziff. 2 StGB
auf eine in Frankreich ausgesprochene Freiheitsstrafe von neun Monaten
anzuwenden. X. beantragt, das angefochtene Urteil sei teilweise aufzuheben
und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:
I. Vorsätzliche schwere Körperverletzung

Erwägung 1

    1.- Die Vorinstanz stellte zusammengefasst fest, die Schnittwunde
an der Wange der Geschädigten sei zum Zeitpunkt der Tat arg gewesen und
nach 3 1/2 Jahren zwar gut verheilt, aber weiterhin deutlich sichtbar und
auch mit kosmetischen Mitteln nicht vollständig zu verbergen; überdies
sei die Geschädigte mimisch bleibend beeinträchtigt, was namentlich beim
Lachen auffalle; nicht ausschlaggebend sei, dass sie die Narbe subjektiv
im gesellschaftlichen Leben nicht als Nachteil empfinde.

    Demgegenüber macht der Beschwerdeführer geltend, es sei unerheblich,
ob die Verletzung im Zeitpunkt ihrer Zufügung arg war; entscheidend sei
vielmehr der Zeitpunkt, da der Heilungsprozess aus medizinischer Sicht
abgeschlossen sei; zu berücksichtigen sei im übrigen das subjektive Moment,
wonach die Geschädigte sich durch die Narbe sowohl in beruflicher Hinsicht
als auch gegenüber dem anderen Geschlecht nicht benachteiligt fühle.

Erwägung 2

    2.- a) Schwere Körperverletzung gemäss Art. 122 Ziff. 1 StGB ist
unter anderem gegeben, wenn der Täter das Gesicht eines Menschen arg
und bleibend entstellt. Aufgrund des Gesetzeswortlautes steht fest,
dass eine erhebliche, aber nur vorübergehende Entstellung für die
Erfüllung des Tatbestandes nicht ausreicht. Dies ergibt sich auch aus
dem Vergleich mit den Tatbestandsalternativen der Verstümmelung oder
des Unbrauchbarmachens. Dass die Verletzung im Tatzeitpunkt als arg
zu qualifizieren ist, genügt deshalb für die Annahme einer schweren
Körperverletzung nicht.

    b) Der Begriff der schweren Körperverletzung stellt einen unbestimmten
Rechtsbegriff dar. Wenn ein Grenzfall zur Diskussion steht, weicht
das Bundesgericht deshalb nur mit einer gewissen Zurückhaltung von der
Auffassung der Vorinstanz ab.

    Diese stellte fest, die linke Gesichtshälfte der Geschädigten sei
durch eine lange, wenn auch gut verheilte Narbe für immer gekennzeichnet;
dazu komme eine geringfügige mimische Beeinträchtigung, die namentlich
beim Lachen auffalle. Vorliegend ist einer der obengenannten Grenzfälle
zu entscheiden, und die konkreten Umstände reichen für die Annahme einer
schweren Körperverletzung aus. Die Vorinstanz ging entgegen der Ansicht
des Beschwerdeführers nicht davon aus, die Narbe werde von der Geschädigten
auch im privaten Verkehr nicht als nachteilig empfunden; im übrigen kann
das momentane subjektive Empfinden ohnehin nicht entscheidend sein,
denn es ist möglich, dass sich die Einstellung des Verletzten ändert;
auszugehen ist von objektiven Gesichtspunkten. Entgegen der Meinung des
Beschwerdeführers kommt es auch nicht auf die Dauer des Spitalaufenthaltes
und des Heilungsprozesses an, wenn schon die Verletzung als solche als arg
und bleibend eingestuft werden muss. Was die kosmetischen Möglichkeiten
betrifft, so ist zunächst darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Fall
die Narbe nur teilweise überdeckt werden kann; im übrigen führt der
Einsatz von Kosmetika ja nicht zur Beseitigung der Beeinträchtigung,
weshalb die Narbe vollständig sichtbar bleibt, wenn die Geschädigte aus
irgendwelchen Gründen (z.B. infolge einer Allergie) darauf verzichtet,
kosmetische Produkte zu verwenden. In diesem Punkt ist die Beschwerde
abzuweisen. II. Rückfall und retrospektive Realkonkurrenz

Erwägung 3

    3.- Die Vorinstanz nahm an, aufgrund einer früher in Frankreich
verbüssten Freiheitsstrafe liege ein Rückfall im Sinne von Art. 67
StGB vor. Abzusehen sei vom Miteinbezug der in Frankreich ausgefällten
Freiheitsstrafe in die vorliegend zu verhängende Strafe, da jene Taten
nicht in den räumlichen Geltungsbereich des StGB gefallen seien.

    Der Beschwerdeführer rügt, es liege kein Rückfall vor, da verschiedene
der jetzt zu beurteilenden Taten vor der Strafverbüssung in Frankreich
begangen worden seien. Überdies habe die Vorinstanz Art. 68 Ziff. 2 StGB
zu Unrecht nicht angewendet.

Erwägung 4

    4.- Gemäss Art. 67 StGB ist die Strafe wegen Rückfall zu schärfen,
wenn der Täter zu Zuchthaus oder Gefängnis verurteilt wird und zur Zeit
der Tat noch nicht 5 Jahre seit der Verbüssung einer Zuchthaus- oder
Gefängnisstrafe vergangen sind; der Vollzug entsprechender Vorstrafen im
Ausland wird dem Vollzug in der Schweiz gleichgestellt.

    Der Beschwerdeführer hat eine Strafe im Ausland verbüsst, welcher
ein Urteil zugrunde liegt, das unbestrittenermassen den Grundsätzen
des schweizerischen Rechts nicht widerspricht (9 Monate Gefängnis
wegen Einbruchdiebstählen im März/April 1986). Nach der vorzeitigen
Entlassung am 18. September 1986 beging er innert fünf Jahren weitere
Straftaten. Art. 67 StGB dürfte nur dann nicht angewendet werden, wenn die
nach der Strafverbüssung begangenen Straftaten für sich alleine nicht zu
einer Zuchthaus- oder Gefängnisstrafe geführt hätten. Der Beschwerdeführer
verübte jedoch nach der Strafverbüssung (nämlich im November/Dezember
1986 und im Januar 1987) mehrere Raubüberfälle bzw. Versuche dazu, so
dass die Rückfallvoraussetzungen offensichtlich gegeben sind. Auch in
diesem Punkt ist die Beschwerde unbegründet.

Erwägung 5

    5.- Wenn der Richter eine mit Freiheitsstrafe bedrohte Tat beurteilen
muss, die der Täter begangen hat, bevor er wegen einer anderen Tat zu
Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, wird gemäss Art. 68 Ziff. 2 StGB die
Strafe so bestimmt, dass der Täter nicht schwerer bestraft wird, als wenn
die mehreren strafbaren Handlungen gleichzeitig beurteilt worden wären.

    Die vorliegend beurteilten Taten wurden teilweise vor und teilweise
nach den Taten begangen, für welche der Beschwerdeführer in Frankreich
rechtskräftig verurteilt worden ist. Deshalb wäre an sich zuerst die
Frage zu beantworten, wieweit in derartigen Fällen Art. 68 Ziff. 2
StGB anwendbar ist. Diese Frage könnte jedoch offengelassen werden,
wenn Art. 68 Ziff. 2 StGB ohnehin nicht anzuwenden wäre in Fällen, bei
denen die Vorverurteilung im Ausland Taten betrifft, die nicht in den
räumlichen Geltungsbereich des StGB fallen.

    a) Die Vorinstanz lehnte denn auch die Anwendung von Art. 68
Ziff. 2 StGB mit der Begründung ab, Vorverurteilungen im Ausland könnten
nicht berücksichtigt werden, wenn die der ausländischen Verurteilung
zugrundeliegenden Taten nicht in den räumlichen Geltungsbereich des StGB
fallen. Die erste Instanz nannte für diese Auffassung praktische Probleme,
da es dem Richter nicht ohne weiteres möglich sei, sich ein Bild von der
ausländischen Basisstrafe zu machen, weil wohl nicht in jedem Fall die
Akten aus dem Ausland mit dem Hinweis auf eine mögliche Anwendung von
Art. 68 Ziff. 2 StGB erhältlich zu machen wären.

    aa) Das Bundesgericht hat in BGE 109 IV 90 ff. die Anwendung von
Art. 68 Ziff. 2 StGB auch im Falle einer im Ausland ergangenen Grundstrafe
bejaht für den Fall, dass die Ahndung der im Ausland beurteilten Delikte
gemäss Art. 3 ff. StGB auch in der Schweiz möglich gewesen wäre, jedoch
offengelassen, wie es sich bei einer Bestrafung wegen Taten verhalten
würde, die nicht dem räumlichen Geltungsbereich des StGB unterstehen.

    Aus diesem Entscheid folgt zunächst, dass das von der ersten
Instanz vorgebrachte Praktikabilitätsargument nicht überzeugt. Wenn sich
der schweizerische Richter in den Fällen, in denen der ausländischen
Grundstrafe Taten zugrunde lagen, die auch in der Schweiz hätten beurteilt
werden können, über die Vorverurteilung ins Bild setzen muss, ist nicht
zu sehen, wieso dies in Fällen der vorliegenden Art grundsätzlich anders
sein sollte. Wie der schweizerische Richter zu verfahren hat, wenn
es ihm trotz zumutbaren Aufwands nicht möglich ist, sich hinreichend
über die im Ausland ausgesprochene Strafe zu orientieren, kann heute
offenbleiben. Einerseits ist für den vorliegenden Fall nicht belegt, dass
es unmöglich gewesen wäre, sich über die in Frankreich ausgesprochene
Grundstrafe ins Bild zu setzen. Andererseits sollte es jedenfalls bei
Strafen, die in einem Europaratstaat ausgesprochen worden sind, in
der Regel möglich sein, sich die Grundlagen zu beschaffen, die für die
Anwendung von Art. 68 Ziff. 2 StGB notwendig sind. Dies gilt insbesondere
bei unseren Nachbarstaaten. Die Schweiz würde einem ausländischen Staat
in derartigen Fällen ohne weiteres Rechtshilfe gewähren (vgl. Art. 63
Abs. 1 und Art. 68 Abs. 1 des Bundesgesetzes über internationale
Rechtshilfe in Strafsachen; SR 351. 1). Umgekehrt kann sie gestützt auf
das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen (SR
0.351.1; insbesondere Art. 3 und 7) von den Vertragsstaaten, zu denen
Frankreich gehört, Rechtshilfe erlangen und gegebenenfalls gestützt auf
das Zusatzprotokoll zum Europäischen Übereinkommen betreffend Auskünfte
über ausländisches Recht (SR 0.351.21) Erkundigungen in bezug auf die
ausländische Verurteilung einholen. Nötigenfalls sind Informationen beim
Schweizerischen Institut für Rechtsvergleichung in Lausanne-Dorigny
erhältlich (vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. c des Bundesgesetzes über das
Schweizerische Institut für Rechtsvergleichung; SR 425.1).

    bb) In der Literatur vertritt SCHULTZ die Auffassung, Art. 68
Ziff. 2 StGB könne nach einer ausländischen Verurteilung nur angewendet
werden, wenn der schweizerische Richter insbesondere gestützt auf Art. 3
ff. StGB befugt gewesen wäre, die frühere Tat zu beurteilen (Einführung
in den allgemeinen Teil des Strafrechts, Zweiter Band, 4. Aufl. 1982,
S. 82; ZStrR 72/1957, S. 411). Er weist jedoch darauf hin, dass diese
Frage umstritten sei. Mehrere kantonale Urteile sowie ein Entscheid
des Militärkassationsgerichtes (MKG) befürworten demgegenüber, auch in
anderen Fällen eine Zusatzstrafe zu einer von einem ausländischen Gericht
ausgefällten Strafe auszusprechen (so Obergericht Zürich, ZR 64/1965
Nr. 28 und SJZ 60/1964 S. 176; Obergericht Luzern, SJZ 58/1962 S. 25;
Obergericht Bern, ZBJV 101/1965 S. 31; Cour de cassation du canton de
Vaud, JdT 1965 IV 120; Kantonsgericht Graubünden, SJZ 51/1955 S. 192;
Urteil des MKG vom 12. September 1950, RStrS 1951 N. 60). Diese Urteile
bestätigen im übrigen, dass die praktischen Probleme entgegen der Ansicht
der Vorinstanz zu bewältigen sind.

    cc) Die Auffassung, die den Anwendungsbereich von Art. 68 Ziff. 2 StGB
auf Auslandverurteilungen beschränken will, die sich auf Taten beziehen,
für welche auch die schweizerische Gerichtsbarkeit gegeben gewesen wäre,
stützt sich offenbar darauf, dass Art. 68 Ziff. 1 StGB nur in derartigen
Fällen Anwendung finden könne und dass es das Ziel von Art. 68 Ziff. 2 StGB
sei, für diese Fälle zu vermeiden, dass der Täter schlechter fährt. Diese
Annahme steht jedoch einer weitergehenden Anwendung von Ziff. 2 nicht
entgegen. Insbesondere aus dem Wortlaut von Ziff. 2 ergibt sich in keiner
Weise die Notwendigkeit, den Anwendungsbereich dieser Bestimmung im Sinne
der Vorinstanz einzuschränken.

    Andererseits gibt es gewichtige Argumente, die gegen die
vorinstanzliche Auffassung sprechen. Zum einen ist es oft Zufall, ob
auch der schweizerische Richter zur Beurteilung der im Ausland bereits
geahndeten Tat zuständig gewesen wäre. Bei Straftaten, für welche das
Weltrechtsprinzip gilt, wäre diese Voraussetzung regelmässig gegeben,
also etwa bei der Falschmünzerei, beim Frauen- und Kinderhandel sowie
bei Betäubungsmittelvergehen (Art. 240 Abs. 3, Art. 203 Ziff. 5 StGB;
Art. 19 Ziff. 4 BetmG); bei anderer Kriminalität, wie etwa bei Einbrüchen
und Raubüberfällen, dagegen nicht. Die Entscheidung aber, ein Delikt
dem Weltrechtsprinzip zu unterstellen, erfolgt nach Gesichtspunkten,
die nichts mit der Frage der retrospektiven Konkurrenz gemäss Art. 68
Ziff. 2 StGB zu tun haben.

    Weiter würde die von der Vorinstanz vertretene Beschränkung
des Anwendungsbereiches von Art. 68 Ziff. 2 StGB zu einer durch
nichts gerechtfertigten Privilegierung von Schweizer Tätern führen,
für welche bei Auslandsvergehen gemäss Art. 6 Ziff. 1 StGB die
schweizerische Gerichtsbarkeit regelmässig gegeben ist. Schliesslich
ist zu berücksichtigen, dass sich die Auslandsverurteilung auf Taten
beziehen kann, die nur teilweise der schweizerischen Gerichtsbarkeit
unterstehen. Wäre der Beschwerdeführer etwa im Ausland zusätzlich noch
wegen eines Betäubungsmitteldeliktes oder wegen eines Distanzdeliktes,
für welches die Gerichtsbarkeit sowohl der Schweiz wie auch von Frankreich
gegeben gewesen wäre, verurteilt worden, so hätte wohl auch nach Ansicht
der Vorinstanz Art. 68 Ziff. 2 StGB Anwendung finden können.

    Solche vom Zufall abhängende ungleiche Behandlungen kann der
Gesetzgeber nicht gewollt haben, zumal er sie nicht ausdrücklich
vorsieht. Alle diese Überlegungen sprechen dafür, Art. 68 Ziff. 2 StGB
in jedem Fall anzuwenden, wo die in der Schweiz zur Beurteilung stehenden
Taten vor einer Verurteilung im Ausland begangen wurden. Die Begründung,
die die Vorinstanz für die Nichtanwendung von Art. 68 Ziff. 2 StGB gibt,
ist mit dem Bundesrecht nicht zu vereinbaren.

    b) Folglich bleibt zu prüfen, ob und inwieweit Art. 68 Ziff. 2
StGB anzuwenden ist, wenn - wie im vorliegenden Fall - die neu zu
beurteilenden Taten teils vor und teils nach der früheren Verurteilung
zu einer Freiheitsstrafe begangen wurden.

    aa) SCHULTZ (aaO S. 83) vertritt die Ansicht, in diesem Fall
sei auf die Schwere der vor der früheren Verurteilung begangenen Tat
abzustellen. Sei diese die schwerste der neu zu beurteilenden Taten oder
wenigstens gleich schwer wie die übrigen Delikte, so sei eine Zusatzstrafe
zu der früher ausgesprochenen Verurteilung zu verhängen und diese Strafe
gemäss Art. 68 Ziff. 1 StGB zu erhöhen; seien demgegenüber die nach der
früheren Verurteilung verübten Straftaten schwerer, müsse eine neue Strafe
gemäss Art. 68 Ziff. 1 StGB zugemessen werden.

    In der Rechtsprechung wurde angenommen, dass in Fällen der vorliegenden
Art die Anwendung nur von Art. 68 Ziff. 1 StGB ohne Kombination mit
Ziff. 2 StGB das Gesetz nicht verletze (BGE 75 IV 163). Diesem Entscheid
lag die Überlegung zugrunde, dass die Kombination von Art. 68 Ziff. 1
und 2 StGB im Einzelfall zu kompliziert sein könnte; dennoch wurde die
gegenteilige Ansicht als "folgerichtig" bezeichnet, und es dürfte nicht
gemeint gewesen sein, dass in allen Fällen, in welchen Taten zu beurteilen
sind, die teils vor und teils nach einer früheren Verurteilung liegen,
Art. 68 Ziff. 2 StGB grundsätzlich ausgeschlossen sei. So geht schon
BGE 102 IV 239 ff. sinngemäss davon aus, dass Art. 68 Ziff. 2 StGB in
derartigen Fällen prinzipiell angewendet werden könne, denn in diesem
Entscheid wird festgestellt, es dürfe auf die Ausfällung einer Zusatzstrafe
verzichtet und nur eine Strafe für die nach dem ersten Urteil verübten
Taten ausgesprochen werden, wenn das zweite Urteil zum Schluss komme,
dass im ersten Urteil auch bei Kenntnis aller vor diesem Urteil begangener
Taten keine höhere Strafe ausgesprochen worden wäre.

    bb) Weder Lehre noch Rechtsprechung stehen auf dem Standpunkt,
dass in Fällen, in denen die neu zu beurteilenden Straftaten teilweise
vor und teilweise nach dem früheren Urteil liegen, die Anwendung von
Art. 68 Ziff. 2 StGB von vornherein ausgeschlossen wäre. Es ist auch
nicht einzusehen, weshalb etwa ein wegen Raub vorverurteilter Täter für
einen weiteren vor der früheren Verurteilung begangenen Raub Anspruch auf
eine Zusatzstrafe gemäss Art. 68 Ziff. 2 StGB haben, er diesen Anspruch
jedoch verlieren soll, wenn im neuen Verfahren zusätzlich ein späteres,
geringfügigeres Delikt (z.B. ein Diebstahl) zu beurteilen ist.

    Anzuknüpfen ist heute an BGE 69 IV 59 E. 4, wonach in Fällen der
vorliegenden Art grundsätzlich eine Gesamtstrafe auszusprechen ist. Diesem
Präjudiz, auf das verwiesen werden kann, sind die Grundsätze zu entnehmen,
nach welchen die Gesamtstrafe zugemessen werden muss. Ist die vor der
ersten Verurteilung begangene Tat schwerer als die nachher begangene, dann
ist die Dauer der für die frühere Tat ausgesprochenen (Zusatz-)Strafe unter
Berücksichtigung der späteren Tat angemessen zu erhöhen; ist dagegen die
nach der Vorverurteilung verübte Tat die schwerere, so ist von der für
diese Tat verwirkten Strafe auszugehen und deren Dauer wegen der vor der
ersten Verurteilung begangenen Tat angemessen zu erhöhen, und zwar unter
Berücksichtigung des Umstandes, dass für die frühere Tat eine Zusatzstrafe
auszufällen ist (s. BGE 69 IV 61 oben).

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise gutgeheissen, das Urteil
des Kantonsgerichts des Kantons Schwyz vom 18. August 1988 aufgehoben und
die Sache im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im
übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.