Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 II 424



115 II 424

75. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 13. Dezember 1989 i.S.
M. gegen M. (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Vorsorgliche Massnahme nach Art. 145 ZGB; Bemessung des
Unterhaltsbeitrags.

    Bei sehr günstigen Einkommensverhältnissen ist der Überschuss des
Gesamteinkommens über den Zwangsbedarf der Ehegatten nicht hälftig
aufzuteilen. Vielmehr darf bei der Bemessung des dem berechtigten
Ehegatten zustehenden Unterhaltsbeitrags auf die für die Weiterführung
der bisherigen Lebenshaltung erforderlichen Kosten abgestellt werden.

Sachverhalt

    A.- Im Scheidungsprozess der Eheleute M. traf die Einzelrichterin
der March mit Verfügung vom 18. April 1989 die vorsorglichen Massnahmen
gemäss Art. 145 ZGB, wobei sie den Kläger namentlich verpflichtete, der
Beklagten für die Dauer des Prozesses einen monatlichen Unterhaltsbeitrag
von Fr. 2'000.-- zu bezahlen. In teilweiser Gutheissung eines Rekurses des
Klägers setzte das Kantonsgericht des Kantons Schwyz den Unterhaltsbeitrag
mit Entscheid vom 17. Juli 1989 auf Fr. 1'000.-- pro Monat herab. Gegen
diesen Entscheid hat die Beklagte staatsrechtliche Beschwerde wegen
Verletzung von Art. 4 BV erhoben, mit dem Antrag, er sei insoweit
aufzuheben und der Unterhaltsbeitrag sei auf Fr. 2'000.-- pro Monat
festzusetzen. Der Beschwerdegegner und das Kantonsgericht beantragen in
ihren Vernehmlassungen die Abweisung der Beschwerde.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Nach den Feststellungen des Kantonsgerichts beläuft sich
das monatliche Einkommen des Beschwerdegegners auf Fr. 12'310.--,
dasjenige der Beschwerdeführerin auf Fr. 4'380.--. Nach Abzug des
Notbedarfs beträgt der Freibetrag des Beschwerdegegners Fr. 6'990.--,
derjenige der Beschwerdeführerin Fr. 695.--. Das Kantonsgericht führt
dazu aus, dieser Betrag reiche nicht aus, um die Lebenshaltungskosten der
Beschwerdeführerin zu decken. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen,
dass die Beschwerdeführerin seit der Aufhebung des gemeinsamen
Haushalts zusätzlich für ihre Steuern aufkommen müsse und dass zur
Berechnung des gewöhnlichen Unterhalts das Existenzminimum um 20%
zu erhöhen sei. Gehe man davon aus, sei der vorhandene Überschuss
bereits weitgehend konsumiert. Eine Vermietung ihres Hauses sei der
Beschwerdeführerin nicht zuzumuten, zumal der Beschwerdegegner selber
auch in einem Einfamilienhaus wohne, diese Unterbringung dem bisherigen
Lebensstandard der Beschwerdeführerin entspreche und im Lichte der
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Parteien als durchaus tragbar
erscheine. Es sei somit festzustellen, dass der Beschwerdeführerin
grundsätzlich ein Anspruch auf Unterhaltsbeiträge von ihrem Ehemann
zustehe. Dabei sei es aber angesichts des sehr hohen Gesamteinkommens
der Ehegatten nicht gerechtfertigt, den gemeinsamen Überschuss von rund
Fr. 7'700.-- pro Monat hälftig zu teilen. Dies würde zwangsläufig zu
einer Umverteilung des Einkommens und zu einer Vermögensverlagerung
führen, was mit der neuen Unterhaltsregelung nicht vereinbar sei. Der
Anspruch der Beschwerdegegnerin gehe aber nur auf die Deckung ihres
gebührenden Unterhalts. Soweit sie hiefür auf Unterhaltsbeiträge des
Ehemannes angewiesen sei, liege es an ihr, die notwendigen Aufwendungen
für ihren Lebensunterhalt zu substantiieren und glaubhaft zu machen. Die
Beschwerdeführerin habe jedoch keine konkreten Angaben bezüglich der von
ihr geltend gemachten allgemeinen Lebenshaltungskosten gemacht. Unter
Berücksichtigung aller Umstände erscheine es als angemessen, den Beitrag
des Beschwerdegegners an den Unterhalt der Beschwerdeführerin für die Dauer
des Scheidungsverfahrens auf Fr. 1'000.-- im Monat festzusetzen. Damit
stehe der Beschwerdeführerin ein Betrag von Fr. 1'695.-- über ihren
Notbedarf hinaus zur Verfügung. Ein solcher Betrag erlaube einen durchaus
gehobenen Lebensstandard und lasse auch genügend Raum für eine angemessene
Freizeit- und Feriengestaltung. Mit monatlichen Einnahmen von insgesamt
Fr. 5'380.-- verfüge die Beschwerdeführerin denn auch über finanzielle
Möglichkeiten, die im Kanton Schwyz weit über dem Durchschnitt lägen.

Erwägung 3

    3.- In der Beschwerde wird vorab als willkürlich gerügt, dass der
Beschwerdeführerin lediglich 13,5% des Überschusses des Gesamteinkommens
der Ehegatten über deren Zwangsbedarf zugewiesen worden sei. Diese
Rüge ist unbegründet. Wohl hat das Bundesgericht in dem (noch unter der
Herrschaft des alten Eherechts ergangenen) BGE 111 II 106/107 ausgeführt,
der Überschuss des Gesamteinkommens über den Zwangsbedarf sei den Ehegatten
grundsätzlich je zur Hälfte zuzuteilen. Es hat jedoch in BGE 114 II 31/32
E. 6 präzisiert, dieser Grundsatz dürfe nicht dazu führen, dass über
den Umweg der hälftigen Teilung des den Ehegatten insgesamt zustehenden
Einkommens eine Vermögensverschiebung eintrete, welche die güterrechtliche
Auseinandersetzung vorwegnehmen würde; die hälftige Teilung müsse vielmehr
dort ihre Grenze finden, wo das vorhandene Einkommen aus Arbeit und
Vermögensertrag - und zwar nach neuem Recht von beiden Ehegatten - mehr
ausmache, als es die Wahrung der von beiden Gatten gewählten angemessenen
Lebenshaltung erfordere. Insofern gibt es entgegen der Auffassung der
Beschwerdeführerin keinen absoluten Grundsatz der Gleichbehandlung
der Ehegatten bei der Regelung des Getrenntlebens. Es ist daher nicht
zu beanstanden, wenn das Kantonsgericht angesichts der sehr günstigen
Einkommensverhältnisse, wie sie hier gegeben sind, nicht eine schematische
Teilung des Überschusses über den Zwangsbedarf vornahm, sondern bei der
Bemessung des der Beschwerdeführerin zustehenden Unterhaltsbeitrags auf
die für die Weiterführung der bisherigen Lebenshaltung erforderlichen
Kosten abstellte. Soweit diese Kosten den Notbedarf der Beschwerdeführerin
überstiegen, waren sie im kantonalen Verfahren indessen nicht substantiiert
worden. Die Beschwerdeführerin bestreitet dies zwar, sagt aber nicht,
wo sie entsprechende konkrete Behauptungen aufgestellt und Beweise
angeboten habe. Im übrigen ist in diesem Zusammenhang zu bemerken, dass das
Kantonsgericht der Beschwerdeführerin die Benutzung ihres eigenen Hauses
zugebilligt und die entsprechenden Hypothekar- und Baurechtszinsen in der
Höhe von Fr. 2'340.-- pro Monat zu ihrem Notbedarf geschlagen hat. Damit
hat es der Beschwerdeführerin jedenfalls mit Bezug auf die Wohnung die
Weiterführung des bisherigen Lebensstandards gewährleistet. Weshalb ein
Betrag von Fr. 1'695.-- pro Monat über den Notbedarf mit Einschluss der
Wohnkosten hinaus zur Wahrung einer angemessenen Lebenshaltung nicht
ausreichen soll, begründet die Beschwerdeführerin auch vor Bundesgericht
nicht näher.