Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 II 279



115 II 279

49. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. Juni 1989
i.S. P. Inc. gegen C. AG (Berufung) Regeste

    In-Verkehr-Bringen von Ware in der Schweiz.

    Weder durch das Umladen auf dem Flughafen Zürich-Kloten noch durch das
Ausliefern der Produkte im Zollfreilager des Flughafens Basel-Mülhausen
werden patentrechtlich geschützte Waren in der Schweiz in Verkehr gebracht.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- Die Beklagte macht geltend, auch die letzte Lieferung der
L. sei rechtmässig in der Schweiz in Verkehr gesetzt worden, da der
Flughafen Basel-Mülhausen, in welchem die Ware unbestrittenermassen
am 31. Januar 1986, d.h. vor Ablauf der Lizenzdauer, abgeliefert
worden ist, patentrechtlich schweizerisches Territorium darstelle. Im
Eventualstandpunkt vertritt sie die Auffassung, die Ware sei am 31. Januar
1986 in Zürich in Verkehr gebracht worden.

    a) Die zu beurteilende Lieferung der L. an die Beklagte wurde nach den
verbindlichen Feststellungen des Handelsgerichts und den unbestrittenen
Präzisierungen der Beklagten am 31. Januar 1986 von der Alitalia
nach Zürich-Kloten geflogen, in eine Swissair-Maschine umgeladen und
gleichentags auf den Flughafen Basel-Mülhausen befördert. Dort wurde die
Ware in das im Schweizer Sektor liegende Zollager verbracht, am 3. Februar
1986 durch eine Speditionsfirma als Vertreterin der Beklagten in Empfang
genommen, verzollt und über die Landesgrenze gebracht.

    Die Parteien sind sich und mit der Vorinstanz darin einig, dass
sich die Rechte der Klägerin aus dem Ankerfarmpatent bezüglich dieser
Erzeugnisse nur erschöpft haben, wenn die Ware spätestens am 31. Januar
1986 durch die Lizenznehmerin in der Schweiz in Verkehr gesetzt worden
ist. Diesen Tatbestand erachtet die Klägerin entweder in Zürich-Kloten
oder auf dem Flughafen Basel- Mülhausen als erfüllt.

    b) Unter Inverkehrbringen im Sinne des Patentrechts ist jede Handlung
zu verstehen, die die tatsächliche Gewalt über die vom Patentrecht
erfasste Sache ändert (TROLLER, Immaterialgüterrecht, Band II, 3 Aufl.,
S. 624; BLUM/PEDRAZZINI, Anm. 19 zu Art. 8 PatG). Nicht darunter
fällt der blosse Transitverkehr, wenn er nicht mit einer Änderung der
Verfügungsgewalt verbunden ist (TROLLER, aaO; BLUM/PEDRAZZINI, Anm. 19
A zu Art. 8 PatG). Keine Änderung der Verfügungsgewalt in diesem Sinne
liegt sodann vor, wenn die Ware bloss einem neuen Spediteur anvertraut
wird, ohne dass sich gleichzeitig ein Veräusserungsgeschäft verwirklicht
(TROLLER, aaO, Fn. 64). Die Verfügungsmacht des reinen Spediteurs ist
nicht auf die Benützung der patentgeschützten Sache gerichtet, sondern
allein auf deren Transport. Der Begriff des "In-Verkehr-Bringens" aber
ist nicht beförderungstechnisch, sondern handelsmässig zu verstehen. In
diesem Sinne hat das Bundesgericht den Tatbestand denn auch für den Fall
bejaht, dass die Ware im Transitablauf veräussert wird, wobei für die
Annahme einer Patentverletzung im Inland ohne Bedeutung bleibt, wann der
Verkauf aus einem Zollfreilager erfolgt (Entscheid des Bundesgerichts
vom 8. November 1966 i.S. Merck & Co. Inc. c. Alpharm und Mitb. in BGE
92 II 293 nicht publizierte E. 3).

    Entgegen der Auffassung der Beklagten ist demnach das Handelsgericht
zu Recht davon ausgegangen, dass mit dem Umlad in Zürich-Kloten die Ware
in der Schweiz nicht in Verkehr gesetzt worden ist.

    c) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts gehört zur. Schweiz
das ganze innerhalb der Landesgrenzen liegende Gebiet, und nur
dieses. Insbesondere gelten danach die von der zollrechtlichen Gesetzgebung
aufgestellten Begriffe der Zollgrenze, der Zollausschlussgebiete,
der Zollfreibezirke und der Zollanschlussgebiete für den Schutz der
Erfindungspatente nicht (Entscheid des Bundesgerichts vom 8. November
1966 i.S. Merck vgt., E. 2). Patentverletzungen in einem Zollfreilager
auf schweizerischem Staatsgebiet gelten daher als im Inland begangen und
umgekehrt (BGE 92 II 297; für das Markenrecht BGE 110 IV 110, 109 IV 146;
vgl. auch BGE 113 II 73).

    Der Flughafen Basel-Mülhausen liegt ausserhalb der schweizerischen
Landesgrenzen. Er stellt daher einzig dann schweizerisches Staatsgebiet
dar, wenn er in den massgebenden zwischenstaatlichen Abkommen mit
Frankreich als solches ausgegeben wird.

    Die binationale Anlage des Flughafens Basel-Mülhausen beruht auf
dem französisch-schweizerischen Staatsvertrag vom 4. Juli 1949 (SR
0.748.131.934.92, AS 1950 1200 ff.; im folgenden: SV). Sie untersteht
danach, soweit nicht statutarische oder vertragliche Absprachen vorgehen,
französischem Recht (Art. 1 Abs. 3 und Art. 6 SV). Für die zoll- und
(grenz)polizeilichen Dienste werden der Schweiz ein eigener Sektor
und eine Zollstrasse als französisches Ausschlussgebiet zur Verfügung
gestellt (Art. 2 Ziff. 6, Art. 7 SV). Die Grenzkontrolle für Reisende
und Güter erfolgt nach schweizerischem Recht (Art. 8 Ziff. 2, 4 und 6
SV). Luftverkehrsrechtlich gilt die Anlage als Inlandflughafen (Art. 15 und
16 SV). Damit ist indessen nichts anderes gesagt, als dass der Flughafen
grenzverkehrs- und luftverkehrsrechtlich als schweizerische Anlage gilt;
doch wird dadurch der Grundsatz nicht durchbrochen, dass er französisches
Territorium darstellt. Dies ergibt sich bereits aus Art. 8 Ziff. 6 SV,
wonach die schweizerischen Behörden befugt sind, auf dem Flughafen
grenzverkehrsrechtlich beschlagnahmte und zurückgehaltene Güter auf
schweizerisches Gebiet zu verbringen, mittelbar auch aus Art. 18 SV,
wonach die französische Regierung unter bestimmten Voraussetzungen der
nationalen Sicherheit den Vertrag vorübergehend ausser Kraft setzen
kann. Dieselbe Auffassung kommt in der Botschaft des Bundesrates vom
24. Oktober 1949 zum Ausdruck, wo die Anwendung des französischen Rechts
namentlich damit begründet wird, dass der Flughafen vollständig auf
französischem Gebiet liege (BBl 1949 II 750). Von einer allgemeinen
territorialen Hoheit der Schweiz auf dem Flughafengebiet kann daher
keine Rede sein. Nicht ausdrücklich vorgesehene Ausnahmen in der
Rechtszuständigkeit ergeben sich bloss dort, wo der Sachzusammenhang sie
aus der arbeitsrechtlichen Tätigkeit rechtfertigt (NOELPP, Der Flughafen
Basel- Mülhausen, BJM 1984, S. 113 ff., 143 f.). Die Rechtszuständigkeit
der Schweiz erscheint damit in jedem Fall bloss als partielle, beschränkt
auf vorbehaltene Einzelbefugnisse. Darüber hinaus aber untersteht die
Anlage der französischen Hoheit (vgl. GERMAINE LARDET, Le statut de
l'aéroport de Bâle-Mulhouse, Paris 1984, S. 89 ff., 95 ff., 175 f.).

    Daran ändert das Abkommen zwischen der Schweiz und Frankreich vom 28.
September 1960 über die nebeneinanderliegenden Grenzabfertigungsstellen
und die Grenzabfertigung während der Fahrt (SR 0.631.252.934.95)
nichts. Gegenteils ergibt sich auch aus dessen Art. 4 eindeutig, dass die
Rechtszuständigkeit des Nachbarstaates auf Belange der Grenzabfertigung
beschränkt ist.

    Patentrechtlich folgt daraus, dass die Ablieferung von Ware auf
dem Flughafen Basel-Mülhausen keine In-Verkehr-Setzung in der Schweiz
bedeutet. Die Annahme des Handelsgerichts, die letzte Lieferung der L. an
die Beklagte sei erst am 3. Februar 1986 in das Inland gelangt und habe
damit, weil nach Ablauf der Lizenzdauer erfolgt, das Ankerfarmpatent für
die daherigen Erzeugnisse nicht erschöpft, verletzt somit Bundesrecht
nicht.