Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 II 276



115 II 276

48. Urteil der I. Zivilabteilung vom 4. September 1989 i.S. Ch. AG
gegen Aufsichtsbehörde über das Handelsregister des Kantons St. Gallen
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Wiedereintragung einer Gesellschaft im Handelsregister.

    Will ein Dritter auf Ungültigkeit von Marken einer Aktiengesellschaft
klagen, die im Handelsregister bereits gelöscht worden ist, so kann er
verlangen, dass die Gesellschaft im Register wieder eingetragen wird.

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die X. AG in Liquidation wurde am 10. Mai 1988 gestützt auf Art. 66
Abs. 2 HRegV im Handelsregister des Kantons St. Gallen gelöscht, nachdem
das über sie eröffnete Konkursverfahren mangels Aktiven eingestellt worden
war. Am 5. September 1988 ersuchte die Ch. AG das Handelsregisteramt
des Kantons St. Gallen um Wiedereintragung der X. AG, weil sie auf
Ungültigkeit deren Marken 312 837 und 313 206 klagen wolle, die ihre Rechte
verletzten. Das Handelsregisteramt und auf Beschwerde hin am 14. Februar
1989 auch die kantonale Aufsichtsbehörde wiesen das Gesuch ab.

    Die Ch. AG führt gegen den Entscheid der Aufsichtsbehörde
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, mit der sie an ihrem Gesuch festhält.

    Die Aufsichtsbehörde hat unter Verweis auf ihren Entscheid auf eine
Vernehmlassung verzichtet. Das Eidgenössische Amt für das Handelsregister
beantragt, die Beschwerde gutzuheissen.

Erwägung 2

    2.- Nach ständiger Rechtsprechung hat ein Gläubiger, der die
Wiedereintragung einer Aktiengesellschaft verlangt, die Voraussetzungen
dafür und den Bestand seiner Forderung bloss glaubhaft zu machen,
weil es nicht Sache der Registerbehörden, sondern des Richters ist,
darüber endgültig zu entscheiden. Würde den Registerbehörden eine solche
Befugnis eingeräumt, so könnten sie dem Gläubiger einen Prozess gegen die
Gesellschaft verwehren; anders verhält es sich nur, wenn der Gläubiger
seine Ansprüche auf einem andern, ihm ebenfalls zumutbaren Wege durchsetzen
kann (BGE 110 II 396 E. 2, 100 Ib 37/38).

    Die letztgenannte Einschränkung beruht auf der Überlegung, dass
ein schutzwürdiges Interesse an der Wiedereintragung fehlt und damit
Rechtsmissbrauch vorliegt, wenn die Durchsetzung eines Anspruchs auf
anderem Weg als zumutbar erscheint. Gleiches gilt, wenn von vornherein
feststeht, dass der Ansprecher den Zweck, den er mit der Wiedereintragung
der Firma verfolgt, nicht erreicht (BGE 64 I 337). Wie jede Rechtsausübung
setzt auch das Begehren um Wiedereintragung ein schutzwürdiges Interesse
voraus, das vom Ansprecher nachzuweisen ist (BGE 95 I 67 E. 5, 87 I 303 mit
Hinweis). Da nach Art. 2 Abs. 2 ZGB nur der offenbare Rechtsmissbrauch
keinen Schutz findet, ist der Begriff eines solchen Interesses indes
nicht eng zu fassen (BGE 100 Ib 38, 95 I 68).

Erwägung 3

    3.- Die Aufsichtsbehörde geht zu Recht davon aus, dass die
Beschwerdeführerin ihren Anspruch auf Löschung der Marken glaubhaft
gemacht hat. Sie hält der Beschwerdeführerin jedoch entgegen, dass ihrem
Anspruch keine Verpflichtung der X. AG gegenüberstehe, sie ihn schon
zu einem früheren Zeitpunkt hätte geltend machen können und ihr zudem
ein schutzwürdiges Interesse an einer Löschungsklage abzusprechen sei,
da sie keine Verletzung eigener Markenrechte mehr zu befürchten habe.

    a) Die Löschungsklage dient insbesondere der Feststellung, dass
eine Marke nichtig oder materiell untergegangen ist; im einen wie im
andern Fall hat sie den Sinn einer negativen Feststellungsklage (BGE 40
II 288; MATTER, Kommentar zum MSchG, S. 213 und 216; H. DAVID, N. 1 zu
Art. 34 MSchG; TROLLER, Immaterialgüterrecht, 3. Aufl. II S. 968). Wird
sie gutgeheissen, so gilt das Urteil darüber als Vollstreckungsausweis
(Art. 9 Abs. 1 MSchG). Eine Verpflichtung des Markeninhabers, an der
Löschung mitzuwirken, besteht nicht (BGE 40 II 288). Dies nimmt auch die
Aufsichtsbehörde an, ist aber nicht entscheidend. Die Wiedereintragung
ist schon zu bewilligen, wenn der Gesuchsteller einen Anspruch glaubhaft
gemacht und ein Interesse an dessen Durchsetzung nachgewiesen hat; dass
er auch eine Leistung beanspruchen könne, ist nicht erforderlich.

    Eine Löschung des Markeneintrages von Amtes wegen sieht das
Gesetz nur als Folge des Zeitablaufs (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 2 MSchV)
sowie für besondere, hier nicht gegebene Ausnahmetatbestände vor
(Art. 16bis MSchG, Art. 24 Abs. 1 Ziff. 3 MSchV). In andern Fällen
setzt sie eine schriftliche Verzichtserklärung des Inhabers oder ein
rechtskräftiges gerichtliches Urteil voraus (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 1 und 4
MSchV). Das Bundesamt für geistiges Eigentum hat es denn auch abgelehnt,
die streitigen Marken auf einfaches Begehren der Beschwerdeführerin im
Register zu löschen. Nachdem die Inhaberin dieser Marken untergegangen
ist, lässt sich der Löschungsanspruch der Beschwerdeführerin nur noch
durch ein gerichtliches Urteil und damit nur auf dem Umweg über eine
Wiedereintragung der X. AG durchsetzen (BGE 59 I 164; MATTER, aaO, S. 216).

    b) Fragen kann sich bloss, ob die Beschwerdeführerin sich dafür auf ein
hinreichendes Interesse berufen kann. Nach Ansicht der Aufsichtsbehörde
ist dies zu verneinen, weil nach dem Untergang der X. AG faktisch nicht
mehr mit dem Gebrauch der beanstandeten Marken, folglich auch nicht mehr
mit der Verletzung von Markenrechten anderer zu rechnen sei. Eine ähnliche
Auffassung vertritt MATTER (S. 216), da die dahingefallene, nur noch ein
Registerdasein fristende Marke nicht geeignet sei, Interessen Dritter
zu verletzen.

    Eine Marke geht bei Auflösung des Geschäftes oder Geschäftszweiges,
dessen Erzeugnissen sie zur Unterscheidung dient, durch Aufgabe ihres
Gebrauchs unter (MATTER, aaO, S. 148; H. DAVID, N. 3 und 4 zu Art. 9 MSchG;
SCHLUEP, Das Markenrecht als subjektives Recht, S. 207/8). Wie nach Ablauf
der Karenzfrist gemäss Art. 9 Abs. 1 MSchG hat diesfalls jedermann,
der ein persönliches Interesse nachweisen kann, Anspruch darauf, die
Löschung der untergegangenen Marke durch den Richter anordnen zu lassen
(BGE 99 II 112/13). Dieses Interesse ist gewöhnlich wirtschaftlicher
Natur und beruht auf der Behinderung, welche die Marke eines Konkurrenten
für den Antragsteller bedeutet. Ob die materiell untergegangene, formell
aber noch eingetragene Marke als solche gültig oder - beispielsweise als
Freizeichen - nichtig sei, ist ohne Belang (BGE 103 II 341 E. 3b). Wenn es
um Marken geht, deren Gebrauch wie hier aufgegeben oder während drei Jahren
unterbrochen worden ist, kann daher der prioritätsberechtigte Inhaber
eines Warenzeichens wegen dessen Verletzung ohne weitern Nachweis einer
Rechtsgefährdung verlangen, dass die beanstandeten Marken im Register
gelöscht werden. Von einem solchen Begehren lässt sich im Ernst auch
nicht sagen, dass es offenbar rechtsmissbräuchlich sei.

    Das schutzwürdige Interesse an der Löschung der Marken reicht diesfalls
auch aus, um die Wiedereintragung einer Gesellschaft im Handelsregister zu
verlangen, wenn diese wie hier bereits liquidiert ist, ihre Marken aber im
Register bestehen liess. Insoweit ist die Liquidation nicht abgeschlossen,
weshalb der Beschwerdeführerin weder vorgeworfen werden kann, sie hätte
schon früher auf Löschung klagen müssen, noch sich sagen lassen muss,
sie habe ihren Anspruch verwirkt.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen, der Entscheid der
Aufsichtsbehörde über das Handelsregister des Kantons St. Gallen vom 14.
Februar 1989 aufgehoben und die kantonale Aufsichtsbehörde angewiesen,
die Wiedereintragung der X. AG in Liquidation im Handelsregister zu
veranlassen.