Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 II 237



115 II 237

40. Urteil der I. Zivilabteilung vom 22. Juni 1989 i.S. X. gegen
Schweizerische Genossenschaft für Schlachtvieh- und Fleischversorgung GSF
(Berufung) Regeste

    Art. 56 OR; Art. 3 Abs. 2 und 19 VG. Haftung eines Tierhalters.

    1. Art. 43 ff. OG. Zulässigkeit der Berufung, wenn es um die sachliche
Zuständigkeit des angerufenen Richters geht und streitig ist, ob der
Anspruch dem Bundesprivatrecht oder dem öffentlichen Recht untersteht
(E. 1a und c).

    2. Art. 48 und 49 OG. Verneint der kantonale Richter seine
Zuständigkeit, so ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 48 OG
anzunehmen. Wenn er sie bejaht, liegt entweder ein selbständiger oder ein
unselbständiger Zwischenentscheid vor, der im ersten Fall gemäss Art. 49
OG, im zweiten dagegen zusammen mit dem Endentscheid angefochten werden
kann (E. 1b).

    3. Art. 56 OR ist eine Sonderbestimmung im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VG
und geht der allgemeinen Staatshaftung grundsätzlich auch dann vor, wenn
der Tierhalter mit öffentlichen Aufgaben des Bundes betraut ist. Anders
verhält es sich nur, wenn der Halter sich des Tieres zur Ausübung
hoheitlicher Befugnisse bedient und der Schaden damit zusammenhängt (E. 2).

Sachverhalt

    A.- X. wurde am 13. Mai 1985 auf einem Schlachtviehmarkt in
St. Ursanne, den die Schweizerische Genossenschaft für Schlachtvieh-
und Fleischversorgung GSF überwachte, von einem Stier angefallen und
erheblich verletzt. Der Ablauf des Marktes und die Organisation an
Ort oblagen angeblich wie üblich der Coopérative agricole jurassienne
(JURANICO) in Courfaivre.

    B.- Am 16. März 1988 klagte X. gegen die Genossenschaft für
Schlachtvieh- und Fleischversorgung GSF auf Fr. 434'081.-- Schadenersatz
und Fr. 50'000.-- Genugtuung nebst Zins. Er berief sich auf Haftung des
Tierhalters gemäss Art. 56 OR und machte geltend, der wildgewordene Stier
sei bei einer Ausmerzaktion von der Beklagten übernommen worden und habe
damals ihr gehört.

    Der Appellationshof des Kantons Bern wies die Klage am 16. November
1988 mit der Begründung zurück, dass er sachlich nicht zuständig sei. Er
hielt dem Kläger entgegen, die streitigen Ansprüche beurteilten sich nach
öffentlichem Recht, nämlich nach den Vorschriften des Bundesgesetzes
vom 14. März 1958 über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner
Behördemitglieder und Beamten (VG; SR 170.32); nach dessen Art. 10 habe
sich einzig das Bundesgericht als Verwaltungsgericht mit der Sache zu
befassen.

    C.- Der Kläger hat die Berufung erklärt. Er beantragt, den Entscheid
des Appellationshofes aufzuheben und die Sache zur materiellen Beurteilung
an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Berufung ist einzig in Zivilrechtsstreitigkeiten im Sinne von
Art. 44 ff. OG zulässig. Sie kann denn auch nur damit begründet werden,
dass der angefochtene Entscheid Bundesrecht verletze, der kantonale Richter
solches Recht in einer Zivilsache nicht oder nicht richtig angewendet habe
(Art. 43 Abs. 1 und 2 OG).

    a) Unter einem Zivilrechtsstreit in diesem Sinn ist ein
kontradiktorisches Verfahren zwischen zwei oder mehreren Parteien zu
verstehen, das sich vor dem Richter oder einer anderen staatlichen
Spruchbehörde abspielt und die Streitigkeit ein für allemal erledigen
soll. Als Parteien kommen neben natürlichen und juristischen Personen auch
Behörden in Frage, wenn diese wie jene als Träger privater Rechte anzusehen
sind und ihnen nach Bundesrecht Parteistellung zukommt (BGE 107 II 501 und
106 II 366). Entscheidend für den Begriff der zivilrechtlichen Streitigkeit
ist aber, ob der Anspruch, der Gegenstand der Auseinandersetzung ist,
dem Bundeszivilrecht zuzuordnen ist (BGE 112 II 34, 110 II 94 E. 3 und 222
E. 1b mit Zitaten). Wie es sich damit verhält, wenn es um die Zuständigkeit
des angerufenen Richters geht, beurteilt sich nach den Sachvorbringen
des Klägers. Die Zuordnung obliegt dem Richter, im Berufungsverfahren dem
Bundesgericht, das gemäss Art. 63 OG weder an die rechtliche Begründung
des angefochtenen Entscheides noch an die Rechtsauffassung der Parteien
gebunden ist.

    Die Zulässigkeit der Berufung hängt vorliegend somit unter
anderem davon ab, ob der eingeklagte Anspruch aus unerlaubter Handlung
zivilrechtlicher Natur ist und als solcher dem Bundesrecht untersteht. Die
Frage gehört zur materiellen Prüfung der Streitsache und ist daher in
diesem Zusammenhang näher zu erörtern.

    b) Die Parteien halten die Berufung gemäss Art. 49 OG für
zulässig, weil der Appellationshof die Klage mangels Zuständigkeit
zurückgewiesen hat. Sie gehen somit von einem selbständigen Vor-
oder Zwischenentscheid aus, der dem Begriff des Endentscheides gemäss
Art. 48 OG gegenübersteht. Die beiden Arten unterscheiden sich namentlich
dadurch, dass beim Endentscheid das Verfahren vor der angerufenen Instanz
abgeschlossen ist, beim Vor- oder Zwischenentscheid dagegen fortgesetzt
wird. Das Bundesgericht hat bisher Erledigungsentscheide, mit welchen
kantonale Richter wegen Unzuständigkeit auf eine Klage nicht eingetreten
sind oder sie zurückgewiesen haben, nicht einheitlich behandelt. Es
hat solche Entscheide bald ohne jede Begründung (BGE 95 II 205 E. 1,
101 II 368 E. 1) oder ausdrücklich (BGE 100 II 263 E. 1, 102 II 391
E. 2) Art. 49 OG unterstellt, bald aber darauf ohne nähere Begründung
Art. 48 OG angewendet (BGE 103 II 269 E. 1). Diese Unsicherheit, die
allerdings nur in der Frage der Parteiverhandlung praktische Folgen hat
(Art. 62 Abs. 2 OG), geht einerseits auf die Entstehung von Art. 49 OG
zurück, mit dem die Möglichkeit, Vor- oder Zwischenentscheide sofort
weiterzuziehen, eingeführt worden ist. Die Anfechtung des Endentscheides
wegen Verletzung bundesrechtlicher Zuständigkeitsvorschriften sollte
gemäss Art. 48 Abs. 3 OG aber nur ausgeschlossen sein, wenn diesem
tatsächlich ein Entscheid über die Zuständigkeit vorausging (Botschaft
zur Novelle, BBl 1943 S. 122). Anderseits ist die Unsicherheit, wie dies
namentlich aus BGE 103 II 269 E. 1a und 71 III 194 E. 1 erhellt, mit dem
Begriff des Endentscheides zu erklären, der aber nicht vorbehaltlos auf
Nichteintretensentscheide übertragen werden darf.

    Der eigentliche Anwendungsfall von Art. 49 OG ist entsprechend
den Fällen von Art. 50 OG in einem Zwischenentscheid zu erblicken, mit
dem der kantonale Richter eine Unzuständigkeitseinrede verwirft, seine
Zuständigkeit also bejaht, um sodann das Verfahren bis zum Endentscheid
weiterzuführen. Um solche Fälle ging es z.B. in BGE 97 II 182 E. 1, 96
II 86 E. 5, 94 II 295. Es widerspricht jedoch seinem Wortlaut und der
Entstehungsgeschichte, wenn Art. 49 OG auch angewendet wird, wo nicht
ein selbständiger Zwischenentscheid, sondern ein Erledigungsentscheid
angefochten wird; diesem Fall entspricht vielmehr Art. 48 Abs. 1
OG. Die beiden Bestimmungen sind nach ihrem Sinn und Zweck daher
wie folgt voneinander abzugrenzen: Verneint der kantonale Richter
seine Zuständigkeit, so ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 48 OG
anzunehmen; wenn er sie bejaht, liegt entweder ein selbständiger oder ein
unselbständiger Zwischenentscheid vor, der im ersten Fall nach Art. 49
OG, im zweiten dagegen gemäss Art. 48 Abs. 1 mit der Berufung gegen den
Endentscheid angefochten werden kann (so auch LEUCH, N. 5 zu Art. 34 ZPO/
BE). Ein Nichteintretensentscheid, der auf Verletzung bundesrechtlicher
Zuständigkeitsvorschriften beruht, ist daher selbst dann nach Art. 48 OG
berufungsfähig, wenn er nicht zu einem materiellen Rechtsverlust führt.

    c) Zuständigkeitsvorschriften gehören an sich zum Verfahrensrecht,
das gemäss Art. 64 Abs. 3 BV den Kantonen vorbehalten ist. Schranken
dieses Vorbehalts zur Regelung der Zuständigkeit ergeben sich vereinzelt
schon aus Sondervorschriften des materiellen Rechts, ferner aus dem
Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts, wonach die Kantone
mit ihren Verfahrensvorschriften die Wirksamkeit des Bundeszivilrechts
nicht beeinträchtigen oder gar verunmöglichen dürfen; sie haben mit
ihren Vorschriften vielmehr die Verwirklichung des materiellen Rechts
zu gewährleisten, dem Rechtssuchenden bei hinreichendem Interesse ein
Verfahren zur Verfügung zu stellen, in dem über seine Sachvorbringen
durch Urteil, d.h. kraft staatlicher Autorität entschieden wird (BGE 112
II 484/85, 111 Ia 174 E. 4c).

    Für den Anspruch des Klägers fehlt, sofern er sich auf
Bundeszivilrecht abstützen lässt, eine ausdrückliche eidgenössische
Zuständigkeitsregel. Die kantonale Zuständigkeit hängt mittelbar indes so
oder anders vom Bundesrecht ab, nämlich von der Vorfrage, ob der Anspruch
privatrechtlicher oder öffentlichrechtlicher Natur ist. Eine solche
Vorfrage kann gemäss Art. 43 OG dem Bundesgericht unterbreitet werden,
wenn das eidgenössische Recht dem kantonalen gebietet, dem Entscheid
über die Vorfrage Rechnung zu tragen (BGE 103 II 76 E. 1 und 102 II 393
E. 6 mit Hinweisen). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Der Entscheid
über die materiellrechtliche Qualifikation des Anspruchs beschlägt nicht
bloss die innerkantonale Zuständigkeitsordnung, sondern gibt auch Antwort
darauf, ob die Streitsache nach kantonalem Prozessrecht oder im Verfahren
der verwaltungsrechtlichen Klage gemäss Art. 116 ff. OG zu beurteilen
sei. Kann der Kläger sich aber auf Art. 56 OR berufen, so hat er auch
einen bundesrechtlichen Anspruch darauf, dass die Vorinstanz seine Klage
materiell beurteile (BGE 101 II 377 E. 1).

Erwägung 2

    2.- Nach Auffassung des Appellationshofes sind die eingeklagten
Ansprüche öffentlichrechtlicher Natur, weil die Veranstaltung
von Schlachtviehmärkten samt den damit verbundenen Tätigkeiten
zu den hoheitlichen Aufgaben gehöre, die der Bund gestützt auf die
Schlachtviehordnung vom 17. Februar 1982 (SVO; SR 916.341) der Beklagten
übertragen habe; die Haftung für solche Aufgaben richte sich nach dem
Verantwortlichkeitsgesetz des Bundes und sei daher nicht vom Zivilrichter
zu beurteilen. Davon geht auch die Beklagte aus. Der Kläger beharrt dagegen
darauf, dass es um zivilrechtliche Ansprüche gehe, der Appellationshof
seine Zuständigkeit folglich zu Unrecht verneint habe.

    a) Sieht das Gesetz für gleiche Tatbestände mehrere Rechtsbehelfe mit
unterschiedlichen Rechtsfolgen vor, so sind seine Normen vermutungsweise
alternativ anwendbar, wenn ihre Auslegung nicht ergibt, dass die eine als
Sonderbestimmung den andern vorgeht (BGE 114 II 136). Dies gilt auch im
ausservertraglichen Haftpflichtrecht, wobei eine allgemeine Einschränkung
schon darin zu erblicken ist, dass die Kausalhaftungen als lex specialis
die Verschuldenshaftung gemäss Art. 41 ff. OR ausschliessen. Unter
mehreren Sondernormen ist dagegen anzunehmen, dass sie wahlweise anwendbar
sind, wenn sich nicht durch Auslegung etwas anderes ergibt (OFTINGER,
Schweizerisches Haftpflichtrecht I, 4. Aufl. S. 479 ff.).

    Nach dem alten Verantwortlichkeitsgesetz vom 9. Dezember 1850 haftete
der Bund grundsätzlich nicht für Schaden, den Dritte als Folge einer
rechtswidrigen Amtsführung seiner Beamten erlitten (Botschaft zur Novelle,
BBl 1956 I 1393/94). Nach dem neuen vom 14. März 1958 haftet er dagegen
kausal für den Schaden, den ein Beamter in Ausübung seiner amtlichen
Tätigkeit Dritten widerrechtlich zufügt; gegenüber dem Fehlbaren hat der
Geschädigte keinen Anspruch (Art. 3 Abs. 1 und 3 VG). Eine besondere
Haftungsordnung gilt für Schädigungen durch Organe oder Angestellte
einer Organisation, die ausserhalb der Bundesverwaltung steht, aber
mit öffentlichen Aufgaben des Bundes betraut ist. Haftung und Verfahren
richten sich auch diesfalls nach dem Verantwortlichkeitsgesetz, doch hat
der Bund dem Geschädigten gegenüber nur aufzukommen, wenn und soweit
die Organisation den Schaden nicht selbst zu ersetzen vermag (Art. 19
VG). Dieser Ordnung untersteht gemäss Art. 76 Abs. 4 SVO auch die Beklagte.

    Zur Abgrenzung von Spezialerlassen schlug der Bundesrat vor,
die darin enthaltenen Bestimmungen über eine beschränkte Haftung des
Bundes vorzubehalten (BBl 1956 I 1405). Auf Antrag der ständerätlichen
Kommission wurde jedoch beschlossen, dass bei Tatbeständen, die unter die
Haftpflichtbestimmungen anderer Erlasse fallen, sich die Haftung des Bundes
nach jenen besonderen Bestimmungen richten sollte. Dabei blieb es (Art. 3
Abs. 2 VG). Nach Ausführungen in der parlamentarischen Beratung beruht
diese Lösung auf der Überlegung, dass das Verantwortlichkeitsgesetz als
lex generalis hinter den besonderen Haftpflichtnormen zurückzutreten habe
und keine Haftungskumulation anzunehmen sei (Sten.Bull. 1956 StR S. 325,
Votum von Moos); ausdrücklich hingewiesen wurde auf die Vorschriften
über die Haftung von Post und Eisenbahn (Sten.Bull. 1957 NR S. 807,
Votum Boerlin). Das Bundesgericht hat daraus auf Subsidiarität des
Verantwortlichkeitsgesetzes geschlossen und diesem z.B. Art. 55 Abs. 4 VwVG
(BGE 100 Ib 496), die Haftungsbestimmungen des PVG (BGE 95 I 83), des TVG
(BGE 95 I 288 E. 3), des EHG (BGE 93 I 292, 91 I 234) und gestützt auf
Art. 129 Abs. 1 KUVG auch die Sonderordnung des OR (BGE 93 I 293) vorgehen
lassen. Es hält das Verantwortlichkeitsgesetz in all jenen Bereichen für
nicht anwendbar, für die das übrige Bundesrecht eine Haftung des Bundes
begründet, besonders ausgestaltet oder ausschliesst (BGE 95 I 288 E. 3, 94
I 172 E. 3). Diese Rechtsprechung hat ihm den Vorwurf eingetragen, dass es
Art. 3 Abs. 2 VG unnötig eng auslege (USTERI, in Die Verantwortlichkeit im
Recht, Bd. 2 S. 731). Der Vorwurf vermag am Versuch, die privatrechtliche
Haftung des Tierhalters von der Staatshaftung abzugrenzen, nichts zu
ändern, weshalb sich vorliegend Äusserungen dazu erübrigen. Zu bemerken
ist immerhin, dass das Bundesgericht die teilweise unbefriedigenden
Ergebnisse selbst nicht verkannt hat, sich jedoch ausserstande sah, im
Rahmen der Rechtsanwendung korrigierend einzugreifen (dazu MÜLLER, in
ZBJV 105/1969 S. 341 ff. und 362; P. BISCHOF, in ZSR 104/1985 I S. 101).

    Das Verantwortlichkeitsgesetz steht somit im Verhältnis des übrigen
Haftpflichtrechts auf dem Boden der exklusiven Gesetzeskonkurrenz. Das
heisst, dass bei Zusammentreffen mehrerer Haftungsgründe in der Person
eines Haftpflichtigen die Spezialgesetzgebung nicht bloss vorgeht,
sondern das Verantwortlichkeitsgesetz ausschliesst, dieses also
bloss subsidiär gilt. Ausschliesslichkeit besteht auch im Bereiche
der Anspruchskonkurrenz, da der Geschädigte entgegen den allgemeinen
Bestimmungen über die solidarische Haftung (Art. 50 und 51 OR) keinen
konkurrierenden Anspruch gegenüber dem schädigenden Beamten hat (Art. 3
Abs. 3 VG). Diese Bestimmungen gelten selbst dann nicht, wenn der Bund auf
mehrere Beamten, die den Schaden gemeinsam verschuldet haben, zurückgreifen
kann (Art. 9 Abs. 2 VG).

    b) Schliesslich ist Art. 3 Abs. 2 VG von dessen Art. 11 Abs. 1
abzugrenzen. Nach dieser Bestimmung haftet der Bund wie ein Privater, wenn
er als Subjekt des Zivilrechts auftritt. Die Haftung ergibt sich diesfalls
nicht aus der Ausübung staatlicher Hoheit, sondern aus Beziehungen, die
zwischen dem Bund und Dritten als gleichberechtigte Subjekte entstanden
sind und in gleicher Weise auch zwischen Privatpersonen hätten entstehen
können (BBl 1959 I 1400/01). Auch diese Abgrenzung bereitet gelegentlich
Schwierigkeiten (BGE 112 Ib 336 E. 2, 111 II 151 E. 3, 108 Ib 389, 102 Ib
317 E. 3b; KAUFMANN, in ZSR 72/1953 S. 286a ff.; GRAFF, ebenda S. 457 ff.;
TERCIER, in Die Verantwortlichkeit im Recht, Bd. 2 S. 711). Art. 11 Abs. 1
VG ist vor allem von Bedeutung, wenn die öffentlichrechtliche Staatshaftung
von der privatrechtlichen Geschäftsherrenhaftung zu unterscheiden ist
(OFTINGER/STARK, Schweizerisches Haftpflichtrecht, II/l S. 286 ff.).

    Art. 3 Abs. 2 VG dagegen übergeht den Unterschied zwischen privatem
und öffentlichem Recht, weil er auf dem gleichen Grundgedanken beruht wie
dessen Abs. 1 und daher zusammen mit diesem zu lesen ist. Abs. 2 will alle
Tatbestände, die bereits von Spezialgesetzen des Haftpflichtrechts erfasst
werden, diesen Gesetzen unterstellt wissen, gleichviel ob die Frage der
Verantwortlichkeit sich letztlich aus privatem oder öffentlichem Recht
stellt, eine gefährliche Anlage z.B. dem Gemeinwesen oder einem Privaten
gehört, weil die Haftung so oder anders nach den gleichen Kriterien zu
beurteilen ist, wenn die Gefahr sich verwirklicht. So gilt die Haftung des
Werkeigentümers gemäss Art. 58 OR auch für das Gemeinwesen, wenn Anlagen
des Verwaltungsvermögens oder im Gemeingebrauch mit Mängeln behaftet sind
und Dritte deswegen geschädigt werden (BGE 112 II 230 E. 2b mit Hinweisen;
OFTINGER/STARK, a. a.O. S. 175 f. und 232 ff.; TERCIER, aaO S. 718/19). Im
gleichen Sinn sehen einige Spezialgesetze ausdrücklich vor, dass das
Gemeinwesen unbekümmert um die Art der Tätigkeit, der die Schädigung
zuzuschreiben ist, ebenfalls nach dem Sondergesetz haftet (Art. 73 Abs. 1
SVG, Art. 36 Abs. 4 GschG, Art. 27 Abs. 3 Sprengstoffgesetz).

    Die Haftung nach einem Spezialgesetz hat dort zurückzutreten, wo
die hoheitliche Tätigkeit sich in den normierten Tatbestand nicht oder
nur unbefriedigend einordnen lässt, die öffentliche Pflichterfüllung
vielmehr nach einer Betrachtungsweise ruft, der das konkurrierende
Gesetz nicht oder bloss ungenügend gerecht zu werden vermag. Diesfalls
sind die Bestimmungen der Staatshaftung ihren Grundgedanken entsprechend
vorzuziehen und anzuwenden, weil sie Umstände berücksichtigen, die vom
Spezialgesetz nicht erfasst werden. Diese Besonderheiten liegen vor
allem in der subjektiven Seite des Behörden- oder Beamtenverhältnisses,
in der öffentlichrechtlichen Aufgabe und deren Erfüllung. Damit wird
auch dem Postulat Rechnung getragen, die Einheit der Rechtsordnung und
des Haftungssystems nicht ohne Not zu durchbrechen (TERCIER, aaO S. 724).

    c) Die Tierhalterhaftung gemäss Art. 56 OR gehört zu den gewöhnlichen
Kausalhaftungen. Sie setzt voraus, dass der Schaden durch das Verhalten
eines Tiers verursacht wird. Es kann deshalb nichts darauf ankommen,
ob der Halter eine natürliche oder juristische, eine Person des privaten
oder öffentlichen Rechts ist; entscheidend für den Begriff des Halters ist
vielmehr, dass dieser in einem Gewaltverhältnis zum Tier steht, darüber
also verfügen kann (BGE 104 II 25 mit Hinweisen). Rechtsprechung und Lehre
haben denn auch seit jeher angenommen, dass das Gemeinwesen ebenfalls als
Halter in Betracht kommt (BGE 19 S. 992/93, 27 II 227; VEB 14/1940 Nr. 42;
OFTINGER/STARK, aaO S. 383 Rz. 61). Es verhält sich gleich wie im Bereiche
der Werkeigentümerhaftung; Art. 56 ist wie Art. 58 OR eine Sonderbestimmung
im Sinne von Art. 3 Abs. 2 VG und geht daher der allgemeinen Staatshaftung
grundsätzlich vor, gleichviel ob die Haltereigenschaft des Gemeinwesens
als Ausfluss hoheitlicher oder privatrechtlicher Befugnisse erscheint und
ob die der Haftung zugrunde liegende Verletzung der Sorgfaltspflicht aus
öffentlichem oder privatem Recht zu beurteilen ist (TERCIER, aaO S. 711).

    Ein Vorbehalt drängt sich dann auf, wenn der Halter des öffentlichen
Rechts sich des Tieres zur Ausübung hoheitlicher Befugnisse bedient,
das Tier als Werkzeug zur Erfüllung öffentlichrechtlicher Aufgaben
benutzt wird und dabei Schaden verursacht. Wie in solchen Fällen die
Werkeigentümerhaftung durch die enteignungsrechtliche Ersatzpflicht
abgelöst wird, hat auch hier die allgemeine Staatshaftung an Stelle der
zivilrechtlichen Sonderhaftung zu treten. Zu denken ist insbesondere
an den Einsatz von Tieren zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung
(berittene Polizei), an die Verwendung von Hunden durch Polizei- oder
Zollbeamte, die mit ihrer Hilfe z.B. flüchtige Delinquenten verfolgen
oder Drogen aufspüren. Zwischen dem dienstlichen Einsatz des Tieres
und dem schädigenden Ereignis muss aber nicht nur ein zeitlicher und
örtlicher, sondern auch ein funktioneller Zusammenhang bestehen; dieser
ist nicht gegeben, wenn bloss bei Gelegenheit des Einsatzes Schaden
entsteht, ein Polizeihund z.B. einen Fahrgast beisst, der ihm im Gang
des Eisenbahnwagens versehentlich auf die Pfote tritt (OFTINGER/STARK,
aaO S. 383 Rz. 62 und 63).

    d) Für einen solchen Vorbehalt zugunsten der allgemeinen Staatshaftung
sind weder den Behauptungen der Parteien noch den Feststellungen
des Appellationshofes irgendwelche Anhalte zu entnehmen. Es fehlt
folglich auch an einem funktionellen Zusammenhang zwischen dem Unfall
und öffentlichrechtlichen Aufgaben der Beklagten; der Unfall hing nur
zufällig mit solchen Aufgaben zusammen, weil er sich anlässlich eines
von der Beklagten überwachten Schlachtviehmarktes ereignet hat, der
Stier an der Marktkette angeblich unsorgfältig angebunden worden ist
und sich deshalb losreissen konnte. Das Tier war allenfalls Gegenstand,
nicht aber ein Mittel zur Erfüllung von Aufgaben, welche der Beklagten
gemäss Art. 74 SVO übertragen sind. Damit entfällt eine Haftung aus
Verantwortlichkeitsgesetz; in Frage kommt nur eine Haftung der Beklagten
als Tierhalterin, was die Vorinstanz verkannt hat.

Erwägung 3

    3.- Die Berufung des Klägers, der einen zivilrechtlichen Anspruch
geltend macht, erweist sich somit nicht nur als zulässig, sondern auch
als begründet. Indem die Vorinstanz den behaupteten Sachverhalt der
Haftungsordnung des Verantwortlichkeitsgesetzes unterstellt wissen
wollte, statt darauf Art. 56 OR anzuwenden, verletzte sie Bundesrecht
im Sinne von Art. 43 Abs. 1 OG. Die Berufung ist daher gutzuheissen,
der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache zur materiellen
Beurteilung der Klage an den Appellationshof zurückzuweisen, wobei von
der Haftung des Tierhalters gemäss Art. 56 OR auszugehen ist.