Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 II 113



115 II 113

21. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 26. Januar 1989 i.S. Z
AG gegen C.J. Bucher AG (Luzerner Neuste Nachrichten) (Berufung) Regeste

    Verweigerung einer offensichtlich unrichtigen Gegendarstellung
(Art. 28h Abs. 2 ZGB).

    1. Eine Gegendarstellung kann nur als offensichtlich unrichtig
verweigert werden, wenn das Medienunternehmen in der Lage ist, deren
offensichtliche Unrichtigkeit sofort und in unwiderlegbarer Weise darzutun
(E. 4a).

    2. Müssen vom Richter bei Beurteilung des Wahrheitsgehalts der
Gegendarstellung die rechtlichen, wirtschaftlichen und personellen
Beziehungen zwischen Vertragspartnern untersucht und Verträge ausgelegt
werden, so lassen sich die in der Gegendarstellung aufgestellten
Behauptungen nicht als offensichtlich unrichtig bezeichnen (E. 5a und b).

    3. Präzisierung des Textes der Gegendarstellung durch den Richter
(E. 5c).

Sachverhalt

    A.- In den Luzerner Neusten Nachrichten (LNN) erschien am 14.
Januar 1988 auf der "Letzten Seite" ein Beitrag unter dem Titel "Leiter der
GEM Collection verurteilt". Darin wurde über die Verurteilung der beiden
Hauptverantwortlichen der ehemaligen Gem Collection AG, Marcel Stutz und
Dieter Hörner, wegen Verstosses gegen das Lotteriegesetz berichtet. Sodann
wurde ausgeführt, dass die beiden Verurteilten auf ähnliche Weise im
Rahmen ihrer neuen Organisation, der Z AG, weiterarbeiteten. Der letzte
Absatz des Artikels lautet:

    "Nichts gelernt?

    Obwohl Gem Collection von der Bildfläche verschwunden ist, geht die

    Geschäftstätigkeit mit Franchiseverträgen unter der Firmenbezeichnung
   (Z AG) weiter. Dabei stehen der ehemalige Gem-Verwaltungsratspräsident

    Stutz sowie der ehemalige Gem-Organisationsdirektor Hörner der neuen

    Firma vor. Sie arbeitet nach ähnlichem Prinzip wie die Gem
Collection. Bei

    Vertragsabschluss haben die Einsteiger indes (nur) 7'777 Franken zu
   bezahlen."

    B.- Am 6. Februar 1988 verlangte der Rechtsvertreter der "Z AG und
Z Vertriebs AG Zürich" von der LNN die Veröffentlichung der folgenden
Gegendarstellung:

    "In der Ausgabe der (Luzerner Neusten Nachrichten) vom 14. Januar

    1988 erschien unter dem Titel (Leiter der GEM Collection verurteilt)
ein

    Artikel, der unrichtige Angaben über die Z AG enthält:

    Die Z AG schliesst keine Franchise-Vertrüge ab. Sie bietet lediglich

    Schulungskurse an, die Fr. 4'500.-- und nicht, wie fälschlicherweise
   behauptet, Fr. 7'777.-- kosten."

    Da die LNN die Veröffentlichung der Gegendarstellung verweigerten,
klagte die Z AG am 29. Februar 1988 beim Einzelrichter im summarischen
Verfahren des Bezirksgerichts Zürich gegen die C.J. Bucher AG als Verleger
der LNN. Sie stellte das Begehren, die Beklagte sei zu verpflichten, die
Gegendarstellung unverzüglich in den LNN mit gleichwertiger Plazierung
in bezug auf Rubrik und Seite sowie in gleich auffälliger Aufmachung zu
publizieren wie den Artikel, auf den sich die Gegendarstellung beziehe.

    Der Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirksgerichts Zürich
wies das Begehren mit Verfügung vom 17. März 1988 ab. Das Obergericht
des Kantons Zürich (II. Zivilkammer), an welches die Z AG in der Folge
rekurrierte, wies den Rekurs mit Beschluss vom 22. Juli 1988 ab und
bestätigte die Verfügung des Einzelrichters.

    C.- Die Z AG erhob mit Eingabe vom 12. September 1988 Berufung
an das Bundesgericht. Sie beantragte die Aufhebung des Beschlusses
des Obergerichts des Kantons Zürich vom 22. Juli 1988 und wollte die
Berufungsbeklagte verpflichtet wissen, "die in der Beilage zum Brief
der Berufungsklägerin vom 6. Februar 1988 enthaltene Gegendarstellung
(Beilage 2 und 3) unverzüglich in den (Luzerner Neusten Nachrichten) mit
gleichwertiger Plazierung in bezug auf Rubrik und Seite sowie in gleich
auffälliger Aufmachung zu publizieren". Eventuell beantragte die Z AG,
die Berufungsbeklagte sei zu verpflichten, "den Gegendarstellungstext
mit den vom Richter vorgenommenen Streichungen und/oder Umformulierungen
zu publizieren".

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- a) Die beiden kantonalen Instanzen haben das Begehren der Z AG
abgewiesen, weil die von ihr verlangte Gegendarstellung offensichtlich
unrichtig sei. In der Tat kann gestützt auf Art. 28h Abs. 2 ZGB die
Gegendarstellung unter anderem verweigert werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig (manifestement inexacte, manifestamente inesatta) ist.

    Dem Medienunternehmen ist vom Gesetzgeber die Befugnis eingeräumt
worden, die Gegendarstellung zu verweigern, weil eine offensichtlich
unrichtige Gegendarstellung ihre Aufgabe, einer Tatsachendarstellung
eine andere gegenüberzustellen, nicht erfüllen kann. Es kann nicht der
Sinn des Rechts auf Gegendarstellung sein, offensichtliche Unwahrheiten
zu verbreiten (TERCIER, Le nouveau droit de la personnalité, Zürich
1984, N. 1481; HOTZ, Kommentar zum Recht auf Gegendarstellung, Bern
1987, S. 76). Indessen ist Art. 28h Abs. 2 ZGB in dem Sinne restriktiv
auszulegen, dass das Medienunternehmen die offensichtliche Unrichtigkeit
der geforderten Gegendarstellung sofort und auf unwiderlegbare Weise
darzutun hat. Dazu ist es nur in der Lage, wenn die Unwahrheit der in
der Gegendarstellung behaupteten Tatsachen allgemein bekannt ist. Das
ist der Fall, wenn ein Gerichtsurteil die Unrichtigkeit feststellt oder
sonst unwiderlegbare Beweise sie darzutun vermögen (TERCIER, aaO, N.
1482; HOTZ, aaO, S. 76). Da die Gegendarstellung - wie vor allem der
erstinstanzliche Richter festgehalten hat - den Sachverhalt nur aus der
Sicht des Betroffenen wiedergibt, führt sie nicht zu einer Verantwortung
des Medienunternehmens; dessen Weigerung, die Gegendarstellung zu
veröffentlichen, kann daher nur in ganz eindeutigen Fällen gerechtfertigt
sein (PEDRAZZINI/ OBERHOLZER, Grundriss des Personenrechts, 2. Auflage
Bern 1985, S. 153 f.).

    b) Der Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirksgerichts
Zürich hat an sich zutreffend ausgeführt, dass es nach dem Konzept der
Gegendarstellung bei der Anwendung von Art. 28h Abs. 2 ZGB nicht um die
Abklärung von Richtigkeit oder Unrichtigkeit der einen oder der andern
Tatsachendarstellung gehe, sondern darum, dem Betroffenen die Möglichkeit
zu eröffnen, im Sinne einer Berichtigung unverzüglich eine Antwort
vor die Öffentlichkeit zu tragen, um die Nachteile eines langdauernden
ordentlichen Prozesses zu vermeiden (FRANK, Persönlichkeitsschutz heute,
Zürich 1983, S. 142 f.; Botschaft über die Änderung des Schweizerischen
Zivilgesetzbuches [Persönlichkeitsschutz: Art. 28 ZGB und 49 OR], BBl 1982
II, S. 636 ff., 672). Im weiteren geht auch der Einzelrichter davon aus,
dass der Grund, welcher zur Verweigerung der Gegendarstellung durch das
Medienunternehmen führt, in klarer Weise vorliegen müsse, da nur dies
dem Sinn und Zweck des Rechts auf Gegendarstellung entspreche.

    Die Frage, ob die in der Gegendarstellung der Z AG aufgestellte
Behauptung, dass diese keine Franchise-Verträge abschliesse, offensichtlich
unrichtig sei, hat der Einzelrichter bejaht. Er hat zunächst darauf
abgestellt, dass die Z AG nach ihrem eigenen Zugeständnis bis 1. Juli
1986 Franchise-Verträge abgeschlossen habe; indessen behaupte sie,
dass sie seit jenem Zeitpunkt nur noch Schulungskurse anbiete. Sodann
hat der Einzelrichter die zwischen der Z AG und der Z Vertriebs AG
bestehenden rechtlichen und wirtschaftlichen Verbindungen untersucht, und
er ist nach eingehender Auslegung der als "Agenturvertrag" bezeichneten
Rechtsgeschäfte, welche die Z Vertriebs AG nun abschliesst, zum Ergebnis
gelangt, dass es sich entgegen dem Wortlaut auch hier um Franchise-Verträge
handle. Dass die Verträge nicht von der Z AG selber, sondern von ihrer
Tochterfirma Z Vertriebs AG abgeschlossen würden, sei in Anbetracht
der engen wirtschaftlichen und personellen Verflechtung eine für das
angesprochene Publikum unerhebliche juristische Formalität. Wesentlich sei
allein, dass die Verträge von einer der "Z-Firmen" abgeschlossen würden,
was auch aus dem Ingress des beanstandeten Artikels hervorgehe, der von
der "Organisation (Z AG") spreche.

    c) Das Obergericht des Kantons Zürich betrachtet diese Auffassung
in allen Punkten als zutreffend. Demgegenüber hält es die Einwände der
Klägerin für nicht stichhaltig. Insbesondere sei nicht einzusehen, weshalb
ein Vertrag nicht mittels Auslegung einem Typus der Innominatverträge
zugeordnet werden könne.

    Der juristischen Selbständigkeit der Z AG einerseits und der Z
Vertriebs AG anderseits misst das Obergericht ebenfalls keine Bedeutung
zu. Wegen der unbestrittenen Beherrschung der Z Vertriebs AG durch die Z
AG sei für das von der Zeitung angesprochene Publikum kein Unterschied
zwischen den beiden Firmen ersichtlich. Der Meinung der Vorinstanz,
dass die Frage, ob die Verträge von der einen oder von der anderen
Firma abgeschlossen würden, für das Publikum nur eine unbedeutende
juristische Formalität bedeute, sei daher beizupflichten. Die Klägerin
versuche mit ihrer Darstellung den Eindruck zu erwecken, die Z AG habe
mit der Z Vertriebs AG überhaupt nichts zu tun, und diese Darstellung sei
offensichtlich unrichtig. Die Berufung auf die juristische Selbständigkeit
erscheine unter diesen Umständen geradezu rechtsmissbräuchlich und
würde zu einem Ergebnis führen, das von der gesetzlichen Regelung nicht
beabsichtigt war.

Erwägung 5

    5.- Die Betrachtungsweise der kantonalen Instanzen vermag nicht voll
zu überzeugen.

    a) Mit ihrer Gegendarstellung will die Klägerin im Hinblick auf den
letzten Absatz eines Textes, worin die Weiterführung der Geschäftstätigkeit
mit Franchise-Verträgen der Gem Collection durch die Z AG behauptet wird,
die Gegenbehauptung aufstellen, dass die Z AG keine Franchise-Verträge
abschliesse, sondern lediglich Schulungskurse anbiete. Es stellt
sich im vorliegenden Verfahren daher allein die Frage, ob - im Sinne
der oben genannten (E. 4) Grundsätze - das Medienunternehmen von der
offensichtlichen Unrichtigkeit dieser Gegenbehauptung ausgehen und daher
die Aufnahme der Gegendarstellung verweigern durfte.

    Nun sind aber die kantonalen Instanzen dem Einwand der Z AG, dass
sie selbst seit 1. Juli 1986 keine Franchise-Verträge mehr abschliesse,
nachgegangen. Dabei haben sie - wie dargelegt - die rechtlichen,
wirtschaftlichen und personellen Beziehungen zwischen der Klägerin und
der Z Vertriebs AG untersucht und in einlässlicher Auslegung der von der
Z Vertriebs AG abgeschlossenen "Agenturverträge" die Unrichtigkeit des
im Text der Gegendarstellung behaupteten Sachverhalts festgestellt.

    Angesichts der Mühe an rechtlichen Überlegungen, der sich beide
kantonalen Instanzen unterzogen haben, kann nicht mehr mit Fug gesagt
werden, die in der Gegendarstellung aufgestellte Behauptung, die Z AG
schliesse keine Franchise-Verträge ab, sei offensichtlich unrichtig,
wie es Art. 28h Abs. 2 ZGB zur Voraussetzung der Verweigerung einer
Gegendarstellung macht. Der Einzelrichter im summarischen Verfahren des
Bezirksgerichts Zürich hat selber richtig erkannt, dass es im Rahmen
des Gegendarstellungsrechts nicht darum gehen kann, die Richtigkeit oder
Unrichtigkeit einer Tatsachendarstellung abzuklären. Wenn er aber in der
Folge die von der Z Vertriebs AG abgeschlossenen "Agenturverträge" unter
Anrufung der Lehre rechtlich qualifiziert hat, nur um den von der Klägerin
behaupteten Sachverhalt zu überprüfen, so ist er damit über die Aufgabe
hinausgegangen, die ihm der Gesetzgeber übertragen hat. Die Klägerin
(welche die Richtigkeit der von den kantonalen Instanzen vorgenommenen
Vertragsqualifikation aus naheliegenden Gründen bestreitet) wendet daher zu
Recht ein, dass unterschiedliche Auslegungen nicht vorweg ausgeschlossen
werden können; und sie führt weiter zutreffend aus, dass im Rahmen eines
Verfahrens nach Art. 28g ff. ZGB nicht darüber zu entscheiden sei,
welche Vertragsauslegung die richtige sei, und dass von der Beantwortung
dieser Frage nicht der Entscheid abhängig gemacht werden könne, ob die
Gegendarstellung zu veröffentlichen sei oder nicht. In der Tat lässt sich
nicht sagen, die LNN oder gar der durchschnittliche Zeitungsleser hätten
mit der von der Z AG eingereichten Gegendarstellung einen Text vor sich
gehabt, der - mit der darin enthaltenen Behauptung, die Z AG schliesse
keine Franchise-Verträge, sondern nur Schulungsverträge ab - auf Anhieb
als unrichtig zu erkennen war. Die Beklagte konnte sich deshalb nicht
auf den Standpunkt stellen, die Z AG verwende die Gegendarstellung
zweckwidrig, indem sie, statt das Publikum korrekt zu informieren,
unrichtige Äusserungen verbreite (vgl. Botschaft, S. 675 f.).

    b) Ergibt sich schon unter diesem Gesichtspunkt, dass die
kantonalen Instanzen zu Unrecht angenommen haben, die Klägerin
habe eine offensichtlich unrichtige Tatsache behauptet, so kann an
sich dahingestellt bleiben, ob das Obergericht des Kantons Zürich zu
Recht der Auffassung gewesen ist, für das vom beanstandeten Beitrag
angesprochene Publikum sei kein Unterschied zwischen der Z AG und der
Z Vertriebs AG ersichtlich und deshalb sei die Frage, ob die Verträge
von der einen oder von der andern Firma abgeschlossen würden, nur eine
unerhebliche juristische Formalität. Dem könnte allenfalls beigepflichtet
werden, wenn beide Firmen im beanstandeten Artikel genannt worden wären.
Indessen ist darin - wie auch im Text der Gegendarstellung - nur von der
Z AG die Rede sowie von "ihrer neuen Organisation (Z AG)". Entgegen den
Ausführungen der kantonalen Instanzen schliesst der über keine besonderen
Informationen verfügende Leser daraus nicht zwingend auf das Bestehen
einer weiteren Unternehmung, die ihrerseits die Geschäftstätigkeit
mit Franchise-Verträgen weiterführt, und zwar so, dass auch diese nach
"ähnlichem Prinzip wie die Gem Collection" arbeitet. Wie die Klägerin
mit Recht ausführt, erweckt ihre Gegendarstellung nicht den Eindruck,
die Z AG habe nichts mit der Z Vertriebs AG zu tun. Sie behauptet nur,
dass die Z AG keine Franchise-Verträge abschliesse; und diese Behauptung
lässt sich, wie ausgeführt, nicht als offensichtlich unrichtig bezeichnen.

    c) Nun hat allerdings die Klägerin vor dem erstinstanzlichen
Richter zugegeben, dass auch sie bis 1. Juli 1986 Franchise-Verträge
einging. Diesem Umstand kommt insofern nur untergeordnete Bedeutung zu,
als im Zeitpunkt, wo der beanstandete Artikel erschien und die Klägerin
die LNN um die Gegendarstellung ersuchte - Anfang 1988 -, die Z AG offenbar
keine Franchise- Verträge mehr abschloss.

    Nachdem aufgrund des Gesagten die Berufung gutzuheissen, der
angefochtene Beschluss aufzuheben und die Beklagte zur Veröffentlichung
der Gegendarstellung zu verpflichten ist, rechtfertigt es sich aber,
den Text der Gegendarstellung zu präzisieren, indem gesagt wird: "Die Z
AG schliesst seit Juli 1986 keine Franchise- Verträge mehr ab."