Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 II 1



115 II 1

1. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. April 1989
i.S. Verlag A. gegen Vertriebsfirma B. (Berufung) Regeste

    Art. 8 ZGB. Schadenersatz für entgangenen Gewinn, Beweislast.

    Wer für entgangenen Gewinn aus einem Dauervertrag, der zu Unrecht
vorzeitig aufgelöst wird, Ersatz verlangt, ist dafür auch dann allein
beweispflichtig, wenn der Belangte die Ersatzpflicht nur mit Nichtwissen
bestreitet.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- Die Klägerin wirft dem Handelsgericht eine Verletzung von Art. 8
ZGB vor, weil es ihr vorhalte, sie habe die Angaben der Beklagten über
deren Gewinnmarge nicht hinreichend bestritten.

    Das Handelsgericht hat den Schaden der Beklagten für entgangenen Gewinn
aufgrund einer Einkaufssumme von Fr. 100'000.--, die es für das Jahr 1986
ermessensweise ermittelt hat, festgesetzt. Insoweit ist sein Urteil nicht
oder jedenfalls nicht rechtsgenüglich angefochten. Das Handelsgericht
hat sodann gestützt auf Sachvorbringen der Beklagten angenommen, bei
der Berechnung des Schadens sei von einer Bruttogewinnmarge von 90,56%
auszugehen, wovon für Verpackungs- und Versandspesen sowie für WUST
17% abzuziehen seien, was eine Nettogewinnmarge von 73,56% ergebe. Das
Handelsgericht hält diese Ansätze für anerkannt, da die Klägerin sie
bloss mit Nichtwissen und damit nicht substantiiert bestritten habe.

    Diese Betrachtungsweise wird von der Klägerin zu Recht als Verletzung
von Art. 8 ZGB beanstandet. Wer Schadenersatz beansprucht, hat nach
Art. 42 Abs. 1 OR, der gemäss Art. 99 Abs. 3 OR auch für die Haftung aus
Vertrag gilt, den Schaden zu beweisen. Gewiss hat das Bundesgericht im
Entscheid 105 II 146 ausgeführt, dass vom Belangten je nach dem Gegenstand
und der Lage des Prozesses verlangt werden könne, eine Bestreitung
tunlichst zu substantiieren, dass es aber von vornherein nicht angehe,
an diese Substantiierung die gleichen Anforderungen zu stellen wie bei
Sachbehauptungen, welche die Beurteilung des daraus abgeleiteten Anspruchs
erlauben sollen; es müsse vielmehr genügen, wenn die Bestreitung ihrem
Zweck entsprechend konkretisiert werde, um den Behauptenden zu der ihm
obliegenden Beweisführung zu veranlassen. Eine solche "Pflicht" des nicht
mit dem Beweis Belasteten, an der Beweisführung mitzuwirken, ist von KUMMER
(in ZBJV 117/1981 S. 161/62) mit Recht als höchst fragwürdig bezeichnet
worden; sie sei, wenn überhaupt, nur dort zu erwägen, wo der ein Recht
Behauptende sich im Beweisnotstand befinde und der Belangte näher am
Beweis stehe.

    Von einer solchen Ausnahme kann hier schon deshalb keine Rede sein,
weil es um Schaden aus angeblich entgangenem Gewinn geht. Beweispflichtig
dafür ist ausschliesslich der Geschädigte, dessen Sachvorbringen vom
Belangten nicht zu widerlegen sind, liefe dies doch auf eine Umkehr der
Beweislast hinaus und damit Art. 8 ZGB stracks zuwider. Diese Bestimmung
verbietet dem Richter, Behauptungen einer Partei unbekümmert darum, dass
sie von der Gegenpartei bestritten worden sind, als richtig hinzunehmen
oder über rechtserhebliche Tatsachen überhaupt nicht Beweis führen zu
lassen (BGE 105 II 145 mit Hinweisen). Dass die Beklagte die behauptete
Gewinnmarge bloss mit Nichtwissen bestritten hat, schadet ihr daher
nicht. Dies gilt umso mehr, als es sich dabei um eine wesentliche
Berechnungsgrundlage des Schadens handelt und das Handelsgericht
entschieden hat, ohne ein Beweisverfahren durchzuführen. Wie in BGE 105
II 146 beigefügt worden ist, kann es dem Belangten gerade dort, wo es um
das Mass und die Berechnung von Schadenersatz geht, nicht verwehrt werden,
vom Geschädigten den rechtsgenüglichen Nachweis zu verlangen, sich folglich
mit blossem Bestreiten zu begnügen. Durfte das Handelsgericht die Beklagte
aber von diesem Nachweis nicht entbinden, ohne Art. 8 ZGB zu verletzen,
so ist das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben und die Sache zu neuer
Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.