Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 III 6



115 III 6

2. Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 20. Januar 1989
i.S. Betreibungsamt Muotathal (Rekurs) Regeste

    Weiterzug von Entscheiden der Aufsichtsbehörden; Betreibungsferien
(Art. 18, 19, 56, 63 SchKG).

    1. Streitigkeiten, welche die Anwendung des Gebührentarifs zum
Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs betreffen, können vom
Betreibungsamt an die Aufsichtsbehörden weitergezogen werden (E. 1).

    2. Das Verbot der Vornahme von Betreibungshandlungen gemäss Art. 56
SchKG richtet sich nur insofern an die Aufsichtsbehörden, als diese
selbständig in das Verfahren eingreifen und dem Betreibungsbeamten
die Vornahme einer Betreibungshandlung vorschreiben. Wenn demgegenüber
die Aufsichtsbehörden nur über die Begründetheit einer Beschwerde oder
eines Rekurses entscheiden, liegt keine Betreibungshandlung im Sinne von
Art. 56 SchKG vor. Die Vorschrift von Art. 63 SchKG, wonach die Frist bis
zum dritten Tag nach dem Ende der Ferienzeit oder des Rechtsstillstandes
verlängert wird, ist deshalb nicht anwendbar, wenn ein solcher Entscheid
einer Aufsichtsbehörde weitergezogen wird (E. 2-5).

Sachverhalt

    A.- Mit Verfügung vom 11. Oktober 1988 hob der Bezirksgerichtspräsident
Schwyz als untere Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs die
Kostenabrechnung des Betreibungsamtes Muotathal bezüglich der Pfändung vom
7. Dezember 1987 für die Pfändungsgruppe 2 gegen den Schuldner Josef B. auf
und wies das Betreibungsamt an, eine neue Kostenabrechnung zu erstellen.

    Diesen Entscheid zog das Betreibungsamt Muotathal an das
Kantonsgerichts des Kantons Schwyz als obere Aufsichtsbehörde für
Schuldbetreibung und Konkurs weiter. Dieses wies die Beschwerde mit
Beschluss vom 19. Dezember 1988 ab.

    B.- Das Betreibungsamt Muotathal hat gegen den Beschluss des
Kantonsgerichts des Kantons Schwyz an die Schuldbetreibungs- und
Konkurskammer des Bundesgerichts rekurriert.

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Im vorliegenden Fall sind die Kosten streitig, die das
Betreibungsamt Muotathal im Zusammenhang mit einer Pfändung erhoben
hat. Der Betreibungsbeamte von Muotathal ist nach Massgabe von Art. 15
GebTSchKG zum Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des
Bundesgerichts legitimiert (BlSchK 38/1974 S. 152 E. 3).

Erwägung 2

    2.- Der angefochtene Beschluss der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde
für Schuldbetreibung und Konkurs ist vom Betreibungsamt Muotathal am
21. Dezember 1988 in Empfang genommen worden. Die Rekursfrist gemäss
Art. 19 Abs. 1 SchKG ist somit grundsätzlich am 31. Dezember 1988
abgelaufen. Da dies ein Samstag war, erstreckt sich die Rekursfrist nach
BGE 108 II 49 bis zum nachfolgenden Werktag, also bis zum 2. oder 3. Januar
1989, je nachdem der Berchtoldstag im Kanton Schwyz als anerkannter
Feiertag zu gelten hat oder nicht (Art. 32 Abs. 2 OG; Bundesgesetz über
den Fristenlauf an Samstagen, SR 173.110.3).

    Mit Schreiben vom 28. Dezember 1988 wandte sich der Betreibungsbeamte
von Muotathal an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des
Bundesgerichts und teilte mit, dass er beabsichtige, einen Rekurs
einzureichen, hiezu jedoch eine Fristerstreckung benötige. Es wurde
ihm am 4. Januar 1989 mitgeteilt, dass im Hinblick auf Art. 19 Abs. 1
SchKG, der eine gesetzliche Rekursfrist von zehn Tagen vorsieht, keine
Fristerstreckung gewährt werden könne (BGE 82 III, 16 f.; FRITZSCHE/WALDER,
Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Band I, Zürich
1984, § 13 Rz. 109). Noch am selben Tag hat der Betreibungsbeamte bei der
oberen kantonalen Aufsichtsbehörde seine Rekursschrift eingereicht. Sie
allein enthält Antrag und Begründung, während das Schreiben vom
28. Dezember 1988 lediglich eine Absichtserklärung zum Inhalt hat und
ohne Antrag und Begründung den Anforderungen von Art. 79 Abs. 1 OG nicht
zu genügen vermag.

    Die Rekursfrist könnte im vorliegenden Fall deshalb nur als eingehalten
betrachtet werden, wenn die am 4. Januar 1989 eingereichte Rekursschrift
unter Berücksichtigung der Betreibungsferien an Weihnachten 1988 und der
damit verbundenen Fristverlängerung (Art. 56 Ziff. 3 und Art. 63 SchKG)
entgegenzunehmen wäre.

Erwägung 3

    3.- Das Bundesgericht ist in BGE 96 III 53 E. 1 - unter Hinweis
auf BGE 82 III 52 E. 1 - davon ausgegangen, dass die im Zusammenhang
mit den Betreibungsferien stehenden Regeln der Fristberechnung auch
in jedem Fall der Zustellung eines Beschwerdeentscheides durch eine
(untere oder obere) kantonale Aufsichtsbehörde zu beachten seien. Es
hat aber in BGE 113 III 5 f. darauf aufmerksam gemacht, dass in BGE
82 III 52 E. 1 unzutreffenderweise auf JAEGER (Bundesgesetz betreffend
Schuldbetreibung und Konkurs, Zürich 1911, N. 3 zu Art. 56 SchKG) verwiesen
werde. Dieser Autor halte zwar fest, dass Art. 56 SchKG sich nicht nur
an die Betreibungsbeamten richte, sondern auch an alle andern Behörden,
die bestimmend in den Gang der Betreibung einwirkten. Er habe jedoch
diese Aussage in dem Sinne präzisiert, dass die erwähnte Bestimmung für
vollstreckungsrechtliche Aufsichtsbehörden nur insofern gelte, als diese
nicht nur über die Begründetheit einer Beschwerde entscheiden, sondern
selbständig in das Verfahren eingreifen.

    Das Bundesgericht hat in BGE 113 III 5 f. aber schliesslich
die Frage nach der Tragweite von Art. 56 SchKG im Zusammenhang mit
Beschwerdeentscheiden kantonaler Aufsichtsbehörden offengelassen. Sie
ist jetzt zu beantworten.

Erwägung 4

    4.- Gemäss Art. 63 SchKG hemmen Betreibungsferien und Rechtsstillstände
den Fristenlauf nicht. Wenn indessen das Ende einer Frist in die Zeit der
Ferien oder des Rechtsstillstandes fällt, so wird die Frist bis zum dritten
Tag nach dem Ende der Ferienzeit oder des Rechtsstillstandes verlängert.

    In teilweiser Abweichung von der Lehre (JAEGER, aaO, N. 5 zu Art. 63
SchKG; BLUMENSTEIN, Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechtes,
Bern 1911, S. 215) und in Änderung der Rechtsprechung (BGE 54 III 113
Nr. 22) hat das Bundesgericht angenommen, dass sich auch Gläubiger und
Dritte auf Art. 63 SchKG berufen könnten (BGE 67 III 103, 80 III 3, 96
III 48 E. 2). Angesichts des Sportelsystems nähern sich die Interessen
des Betreibungsbeamten jenen eines Gläubigers, so dass dessen Recht,
sich auf Art. 63 SchKG zu berufen, grundsätzlich nicht auszuschliessen ist.

    Indessen hat das Bundesgericht Art. 63 SchKG stets auch in
unmittelbarer Verbindung zu den Bestimmungen über die Betreibungsferien
und den Rechtsstillstand gesehen. Eine Fristerstreckung nach Art. 63 SchKG
ist deshalb nur möglich, wenn Betreibungshandlungen angefochten werden,
die während Betreibungsferien und Rechtsstillstand nicht vorgenommen
werden dürfen. Das hat das Bundesgericht in BGE 50 III 11 ausdrücklich
festgehalten und ist von der Literatur vermerkt worden (AMONN, Grundriss
des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 4. Auflage Bern 1988, § 11
N. 44). Nicht anders dürfte es sich für BLUMENSTEIN (aaO, S. 215) und
JAEGER (aaO, N. 5 zu Art. 63 SchKG) verhalten, auch wenn sie Art. 17 bis
20 SchKG - also die Beschwerde- und Rekursfristen - als Anwendungsbereich
des Art. 63 SchKG bezeichnen, ohne irgendwelche Einschränkung anzudeuten.

    Demnach muss, damit die Frist nach Massgabe von Art. 63
SchKG verlängert wird, Gegenstand des Entscheides einer kantonalen
Aufsichtsbehörde jedenfalls eine Betreibungshandlung im Sinne von Art. 56
SchKG sein, die während Betreibungsferien und Rechtsstillstand nicht
vorgenommen werden darf.

Erwägung 5

    5.- Als Betreibungshandlungen, die während der Ferien nicht
vorgenommen werden dürfen, hat das Bundesgericht alle Handlungen
der Vollstreckungsbehörden - Betreibungs- und Konkursbeamten,
Aufsichtsbehörden, Rechtsöffnungs- und Konkursrichter - bezeichnet, die
auf die Einleitung oder Fortsetzung eines Verfahrens gerichtet sind, das
darauf abzielt, den Gläubiger auf dem Wege der Zwangsvollstreckung aus dem
Vermögen des Schuldners zu befriedigen, und die in die Rechtsstellung des
Schuldners eingreifen (BGE 96 III 49 E. 3; Pra 59/1970 Nr. 135 E. 3). Es
hat im soeben zitierten Urteil (unter Hinweis auf BGE 82 III 52 E. 1)
auch die Mitteilung eines Entscheides einer Aufsichtsbehörde über eine
Beschwerde oder einen Rekurs als Betreibungshandlung betrachtet.

    JAEGER (aaO, N. 3 zu Art. 56 SchKG) und NÖTZLI (Die analoge Anwendung
zivilprozessualer Normen auf das Beschwerdeverfahren nach SchKG, unter
besonderer Berücksichtigung des Kantons Zürich, Zürcher Diss. 1980,
S. 114) heben indessen hervor, dass sich das Verbot der Vornahme von
Betreibungshandlungen gemäss Art. 56 SchKG an die Aufsichtsbehörden nur
insofern richte, als diese selbständig in das Verfahren eingreifen und
dem Betreibungsbeamten spontan die Vornahme einer Betreibungshandlung
vorschreiben. Wenn demgegenüber die Aufsichtsbehörden nur über die
Begründetheit einer Beschwerde oder eines Rekurses entscheiden, liege keine
Betreibungshandlung im Sinne von Art. 56 SchKG vor. Ähnlich umschreibt
BLUMENSTEIN (aaO, S. 205) eine Betreibungshandlung als eine behördliche,
gegen den Schuldner gerichtete Massnahme, wodurch die Schuldbetreibung
in ein vorgerücktes Stadium gebracht wird.

    Diese differenzierende Betrachtungsweise, die in BGE 82 III 52
E. 1 mindestens im Ergebnis missachtet worden ist, erweist sich im
vorliegenden Fall, wo nur die Kostenrechnung des Betreibungsamtes für
den Pfändungsvollzug zur Diskussion steht, als angezeigt. Anders,
als wenn eine unmittelbar auf die Pfändung gerichtete Handlung des
Betreibungsamtes durch die kantonalen Aufsichtsbehörden zu beurteilen
gewesen wäre und die kantonalen Aufsichtsbehörden mit ihrem Entscheid in
das Zwangsvollstreckungsverfahren eingegriffen hätten, kann hier nicht
von einer Betreibungshandlung im Sinne von Art. 56 SchKG gesprochen
werden. Damit ist auch der Anwendung von Art. 63 SchKG der Boden entzogen.

    Der vom Betreibungsamt Muotathal beim Bundesgericht eingereichte
Rekurs ist verspätet.