Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 III 120



115 III 120

26. Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 21. August
1989 i.S. G.F. (Rekurs) Regeste

    Verwertung eines im Miteigentum stehenden, als ganzes verpfändeten
Grundstücks (Art. 73e, 73f, 106a VZG).

    Ist über einen Miteigentümer des Grundstücks der Konkurs eröffnet und
gegen einen weiteren Miteigentümer die Betreibung auf Pfandverwertung
eingeleitet worden, so kann das als ganzes verpfändete Grundstück im
Konkurs nicht versteigert werden; vielmehr muss in der Betreibung auf
Grundpfandverwertung die Verwertung angeordnet werden (E. 1b).

    Zuständigkeit der zweiten Gläubigerversammlung zur Anordnung der
Verwertung (Art. 243 Abs. 3 SchKG).

    Die Verwertung eines Grundstücks kann grundsätzlich nur aufgrund
eines Beschlusses der zweiten Gläubigerversammlung erfolgen (E. 2).

Sachverhalt

    A.- Die Eheleute Rolf und Gerlinde F. sind je zur Hälfte Miteigentümer
der im Grundbuch R. eingetragenen Parzelle Nr. 2725, E. Bl. 2678. Auf
dieser Liegenschaft lasten zugunsten der Schweizerischen Bankgesellschaft
ein Namenschuldbrief im 1. Rang über Fr. 450'000.--, ein Inhaberschuldbrief
im 2. Rang über Fr. 100'000.-- und ein Inhaberschuldbrief im 3. Rang über
Fr. 250'000.--. Schuldner des zuletzt erwähnten Inhaberschuldbriefes
ist ausschliesslich Rolf F., und an diesem Schuldbrief besteht ein
Faustpfandrecht der Schweizerischen Bankgesellschaft.

    Am 18. März 1988 wurde über Rolf F. der Konkurs eröffnet. In
das Lastenverzeichnis zum erwähnten Grundstück wurde gestützt
auf Art. 125 VZG eine den beiden zuerst genannten Schuldbriefen
entsprechende Kapitalforderung der Schweizerischen Bankgesellschaft von
Fr. 550'000.-- nebst Zinsen zulasten der gemeinschaftlichen Liegenschaft
aufgenommen. Sodann wurde zulasten des Miteigentumsanteils für den
verpfändeten Pfandtitel gestützt auf Art. 126 VZG eine Faustpfandforderung
von Fr. 250'000.-- nebst Zinsen in das Lastenverzeichnis aufgenommen.

    Am 22. März 1989 leitete die Schweizerische Bankgesellschaft gegen
Gerlinde F. die Betreibung auf Grundpfandverwertung Nr. 6133 ein.

    Gerlinde F. drückte ihre Absicht aus, den hälftigen Miteigentumsanteil
ihres Gatten käuflich zu erwerben. Durch Verfügung vom 5. Mai 1989
erklärte sich die Konkursverwaltung damit unter bestimmten Bedingungen
einverstanden. In dieser Verfügung wies die Konkursverwaltung auch
darauf hin, dass die gesamte Liegenschaft am Dienstag, 20. Juni 1989,
zur Versteigerung gelangen würde, wenn die käufliche Übernahme des
Miteigentumsanteils des Konkursiten durch seine Ehefrau aus irgendeinem
Grund nicht möglich sein sollte; in diesem Fall wäre das Wohnrecht von
Gerlinde F. und ihrer Familie als verwirkt zu betrachten.

    B.- Über die Verfügung der Konkursverwaltung vom 5. Mai 1989
beschwerte sich Gerlinde F. bei der Rekurskommission des Obergerichts des
Kantons Thurgau als kantonaler Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und
Konkurs. Diese wies die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 19. Juni 1989 ab,
soweit darauf eingetreten werden konnte.

    C.- Mit Eingabe vom 10. Juli 1989 erhob Gerlinde F. bei der
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts rechtzeitig Rekurs
gegen diesen Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde, indem sie folgende
Rechtsbegehren stellte:

    "1. Der Entscheid der Rekurskommission des Kantons Thurgau vom

    19. Juni 1989 sei aufzuheben und die kantonale Behörde sei anzuweisen,
   über die Versteigerung der gesamten Liegenschaft Parzelle Nr. 2725 des

    Grundbuches Kreis R. erst dann zu entscheiden, wenn die zweite

    Gläubigerversammlung stattgefunden hat und wenn die Betreibung auf

    Grundpfandverwertung Nr. 6133 des Betreibungsamtes R. in das Stadium
der

    Verwertung vorgerückt ist.

    2. Subsidiär sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache
   an die Vorinstanz zum Neuentscheid zurückzuweisen.

    3. Der Beschwerde sei aufschiebende Wirkung zu erteilen."

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer hiess den Rekurs gut, soweit
darauf eingetreten werden konnte.

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Rekurrentin beanstandet in erster Linie die Auffassung der
kantonalen Aufsichtsbehörde, dass nicht nur der Miteigentumsanteil ihres
in Konkurs gefallenen Ehemannes, sondern sofort das gesamte Grundstück
verwertet werden könne.

    a) In diesem Zusammenhang ist vorerst die Feststellung im angefochtenen
Entscheid zu berichtigen, dass die Betreibung auf Pfandverwertung am
3. April 1989 eingeleitet worden sei und die Beschwerdeführerin dies
denn auch ausdrücklich anerkenne. In Übereinstimmung mit den Akten hält
die Rekurrentin in ihrer dem Bundesgericht eingereichten Rechtsschrift
fest, dass die Schweizerische Bankgesellschaft am 22. März 1989 gegen sie
das Betreibungsbegehren Nr. 6133 auf Grundpfandverwertung gestellt hat;
und sie weist zutreffend darauf hin, dass sich an der von der Vorinstanz
zitierten Stelle keine Anerkennung des Sachverhalts finde, wie sie ihr
von der kantonalen Aufsichtsbehörde unterstellt wird.

    b) Die kantonale Aufsichtsbehörde hat die Verwertung der gesamten
Parzelle Nr. 2725 gestützt auf Art. 106a Abs. 1 VZG als zulässig
erachtet. Demgegenüber macht die Rekurrentin geltend, die Voraussetzung
einer Betreibung auf Grundpfandverwertung sei nicht erfüllt, weil
sie Rechtsvorschlag erhoben habe und es nicht zu weiteren Schritten
im Verwertungsverfahren gekommen sei. Die Auffassung der Rekurrentin
erscheint mindestens im Ergebnis als richtig:

    Der angefochtene Entscheid geht - zutreffend - davon aus, dass
die in Frage stehende Parzelle Nr. 2725 als solche pfandbelastet ist
und dass, weil daran Miteigentumsanteile bestehen, die Versteigerung
nach der Vorschrift von Art. 73f VZG zu erfolgen hat (vgl. dazu auch
Art. 130e VZG). Gemäss Abs. 1 letztem Satz des Art. 73f VZG ist, wie
auch die kantonale Aufsichtsbehörde erkannt hat, die Zwangsverwertung des
Grundstücks als solches unter Vorbehalt von Art. 106a VZG ohne Zustimmung
aller Beteiligten nicht zulässig.

    Die kantonale Aufsichtsbehörde nimmt offenbar an, dass
Einigungsverhandlungen im Sinne von Art. 73e VZG als gescheitert zu
betrachten seien, nachdem Gerlinde F. den hälftigen Miteigentumsanteil des
Rolf F. nicht erworben hatte; und sie nimmt offenbar auch an, dass es an
der Zustimmung aller Beteiligten zur Zwangsverwertung des Grundstücks als
ganzes fehle. Sie glaubt aber, zur Zwangsverwertung der Parzelle Nr. 2725
könne gestützt auf Art. 106a Abs. 1 VZG geschritten werden, der lautet:

    "Muss infolge Grundpfandbetreibung eines Gläubigers, dem ein im

    Miteigentum stehendes Grundstück als ganzes verpfändet ist, die

    Verwertung angeordnet werden, so ist das Grundstück als ganzes zu
   versteigern."

    Die Rekurrentin bestreitet nicht, dass die Parzelle Nr. 2725 als
ganze der Schweizerischen Bankgesellschaft verpfändet ist. Aus ihrer
eigenen Darstellung des Sachverhalts geht hervor, dass tatsächlich die
Betreibung auf Grundpfandverwertung eingeleitet worden ist; insofern
kann nicht behauptet werden, es fehle an der von Art. 106a Abs. 1 VZG
genannten Voraussetzung einer Betreibung auf Grundpfandverwertung.

    Es ist indessen nicht infolge der Betreibung auf Grundpfandverwertung
(Nr. 6133) die Verwertung angeordnet worden, wie dies Art. 106a Abs. 1 VZG
verlangt. Vielmehr hat die Konkursverwaltung die Verwertung der Parzelle
Nr. 2725 im Rahmen des über Rolf F. eröffneten Konkurses angeordnet. Die
Verwertung des Grundstücks als ganzes im Konkurs ist aber nur denkbar, wenn
sämtliche Miteigentümer in Konkurs fallen (RASCHEIN, Die Zwangsverwertung
von Grundstücken, unter besonderer Berücksichtigung der VZG-Revision vom 4.
Dezember 1975, BlSchK 43/1979, S. 68). Art. 106a Abs. 1 VZG ist daher
entgegen der Auffassung der kantonalen Aufsichtsbehörde im vorliegenden
Fall nicht anwendbar.

    Gegen dieses Ergebnis kommt grundsätzlich auch der Hinweis im
angefochtenen Entscheid auf Art. 73f Abs. 2 VZG nicht auf. Diese
Bestimmung räumt der Betreibung auf Grundpfandverwertung gegenüber der
Versteigerung des Miteigentumsanteils den Vortritt ein und setzt dabei
nur die Einleitung der Betreibung auf Grundpfandverwertung voraus (für
den Konkurs speziell auch die Vorschrift des Art. 130g VZG). Wegen dieses
Vortritts der Grundpfandverwertung hat im vorliegenden Fall die im Rahmen
des Konkurses des Rolf F. angeordnete Verwertung des Miteigentumsanteils
vorerst zu unterbleiben. Jedoch genügt nicht die Einleitung der Betreibung
auf Grundpfandverwertung, damit zur Verwertung des Grundstücks als
solches geschritten werden kann; vielmehr muss in dieser Betreibung -
gemäss Art. 106a Abs. 1 VZG - die Verwertung angeordnet werden. Dafür,
dass eine solche Anordnung in der Betreibung auf Grundpfandverwertung
Nr. 6133 bereits getroffen worden wäre, bieten die Feststellungen im
angefochtenen Entscheid keine Handhabe.

    Der Rekurs ist deshalb insofern gutzuheissen, als er Zwar die
Verwertung der Parzelle Nr. 2725 als ganze nicht völlig ausschliessen will,
die Voraussetzungen hiefür aber als Zur Zeit nicht erfüllt betrachtet.

    c) Art. 73c VZG, den die Rekurrentin als durch den vorinstanzlichen
Entscheid verletzt bezeichnet, sagt nichts aus über die Frage, unter
welchen Voraussetzungen ein Grundstück, an dem Miteigentumsanteile
bestehen, verwertet werden darf. Vielmehr umschreibt diese Vorschrift den
Inhalt des Lastenverzeichnisses (vgl. für den Konkurs Art. 130c VZG). Zu
Recht hat die kantonale Aufsichtsbehörde erkannt, dass Einwände gegen das
Lastenverzeichnis mit der auf Art. 250 SchKG gestützten Kollokationsklage
hätten erhoben werden müssen (BGE 112 III 34 E. 3).

    d) Neu und damit unzulässig (Art. 79 Abs. 1 OG) ist das Vorbringen der
Rekurrentin, im Zahlungsbefehl vom 28. März 1989 werde der Pfandgegenstand
nicht genannt und es bleibe offen, ob die angehobene Betreibung auf
Grundpfandverwertung sich gegen ihren Miteigentumsanteil oder das
Grundstück als solches richte. Die Rüge hätte schon nach der Zustellung
des Zahlungsbefehls erhoben werden müssen.

Erwägung 2

    2.- Als begründet erweist sich auch das Vorbringen der Rekurrentin,
dass die Verwertung des Grundstücks - selbst wenn sie grundsätzlich
zulässig wäre - erst nach der zweiten Gläubigerversammlung stattfinden
könnte.

    Für diese Auffassung kann sich die Rekurrentin auf den klaren Wortlaut
von Art. 243 Abs. 3 SchKG stützen, wonach die übrigen Bestandteile
der Masse verwertet werden, nachdem die zweite Gläubigerversammlung
stattgefunden hat. Vorher verwertet werden kann nur bei drohender
Wertverminderung oder kostspieligem Unterhalt, und ebenso dürfen
Wertpapiere und Sachen, die einen Markt- oder Börsenpreis haben, sofort
veräussert werden (Art. 243 Abs. 2 SchKG). Die Regel jedoch bildet die
Verwertung nach der zweiten Gläubigerversammlung, welcher wesentlich
weitere Kompetenzen Zustehen als der ersten Gläubigerversammlung (AMONN,
Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 4. Auflage Bern 1988,
§ 45 N. 23, § 47 N. 6 ff.).

    Mit dem (nicht vollständigen) Zweiten Satz in E. 3b des angefochtenen
Entscheides will wohl gesagt werden, dass - anders als im Konkurs - in
der Betreibung auf Pfändung und auf Pfandverwertung Grundstücke nicht
freihändig verkauft werden dürfen. Im vorliegenden Fall aber wurde die
Verwertung im Konkursverfahren des Rolf F. angeordnet. Unter Vorbehalt der
Zustimmung der Pfandgläubiger wäre im Konkurs auch der freihändige Verkauf
des verpfändeten Grundstücks zulässig; den entsprechenden Beschluss müsste
die zweite Gläubigerversammlung fassen (Art. 256 SchKG; BGE 105 III 76
E. 3a; AMONN, aaO, § 47 N. 19 f.).

Erwägung 3

    3.- Die Rekurrentin wendet sich schliesslich dagegen, dass die
Konkursverwaltung in ihrer Verfügung vom 5. Mai 1989 gegenüber dem Ehepaar
F. für den Fall, dass der Miteigentumsanteil des Konkursiten nicht von
seiner Ehefrau käuflich erworben würde, bemerkt hat: "Betrachten Sie in
diesem Falle bitte das Wohnrecht für sich und die Familie als verwirkt,
per Steigerungstag."

    Damit hat die Konkursverwaltung Zivilrechtliche Wirkungen der
Zwangsversteigerung vorweggenommen, was nicht ihre eigentliche Aufgabe
war. Wie es mit dem (nicht im Grundbuch vorgemerkten) "Wohnrecht" des
Ehepaares F. nach der Veräusserung des Grundstücks bestellt sein wird,
ist - obwohl mit dessen Untergang zu rechnen ist - nicht im voraus zu
beurteilen. Am Ende handelt es sich hier um einen vorsorglichen Hinweis
der Konkursverwaltung, der zwar rechtlich keine Bedeutung hat, aber im
Zusammenhang mit der erlassenen Verfügung nicht als geradezu zwecklos
bezeichnet werden kann.