Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 III 11



115 III 11

3. Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 11. Juli
1989 i.S. Hünerwadel (Rekurs) Regeste

    1. Betreibungsferien (Art. 56 Ziff. 3 SchKG); Frist zur Einreichung
des Rekurses an das Bundesgericht (Art. 19 Abs. 1 SchKG).

    Das Verbot der Vornahme von Betreibungshandlungen gemäss Art. 56 SchKG
richtet sich nur insofern an die Aufsichtsbehörden, als diese selbständig
in das Verfahren eingreifen und dem Betreibungsbeamten die Vornahme einer
Betreibungshandlung vorschreiben; entscheiden die Aufsichtsbehörden nur
über die Begründetheit einer Beschwerde oder eines Rekurses, liegt keine
Betreibungshandlung im Sinne von Art. 56 SchKG vor. Die Vorschrift von
Art. 63 SchKG, wonach die Frist bis zum dritten Tag nach dem Ende der
Ferienzeit oder des Rechtsstillstandes verlängert wird, ist deshalb nicht
anwendbar, wenn ein solcher Entscheid einer Aufsichtsbehörde weitergezogen
wird (E. 1).

    2. Betreibungsbegehren eines Anlagefonds (Art. 67 SchKG).

    Ein Anlagefonds im Sinne von Art. 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes über
die Anlagefonds ist nicht aktiv betreibungsfähig; die von einem solchen
erwirkten Betreibungshandlungen sind nichtig (E. 2).

Sachverhalt

    A.- In den vom Interswiss-Immobilienfonds, vom Swissimmobil Neue
Serie-Immobilienfonds, vom Swissimmobil Serie D-Immobilienfonds und vom
Swissimmobil 61-Immobilienfonds gegen Peter J. Hünerwadel eingeleiteten
Betreibungen stellte das Betreibungsamt Binningen dem Betriebenen am
3. Januar 1989 die Zahlungsbefehle zu.

    Mit Eingaben vom 6. Januar 1989 erhob Peter J. Hünerwadel bei
der Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons
Basel-Landschaft Beschwerde; er machte geltend, den betreibenden
Immobilienfonds gehe die aktive Betreibungsfähigkeit ab, und beantragte
deshalb, die vier Betreibungen seien aufzuheben und die entsprechenden
Einträge im Betreibungsregister zu löschen.

    Die kantonale Aufsichtsbehörde wies am 13. März 1989 alle vier
Beschwerden ab.

    Unter Erneuerung der im kantonalen Verfahren gestellten Rechtsbegehren
hat Peter J. Hünerwadel an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
rekurriert.

Auszug aus den Erwägungen:

Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- a) Der Rekurrent hat die angefochtenen Entscheide am 15.  März
1989 zugestellt erhalten, so dass die zehntägige Rekursfrist gemäss Art.
19 Abs. 1 SchKG am 16. März zu laufen begann; der zehnte Tag (25. März)
fiel auf einen Samstag, und der nachfolgende Montag (27. März) war der
Ostermontag; wird davon ausgegangen, dass dieser im Kanton Basel-Landschaft
ein anerkannter Feiertag ist, hätte der Rekurs grundsätzlich am 28. März
1989 der Post übergeben werden müssen (Art. 32 Abs. 2 OG; Bundesgesetz über
den Fristenlauf an Samstagen, SR 173.110.3). Die Rekurseingabe trägt den
Poststempel vom 31. März 1989. Der Hinweis des Rekurrenten auf Art. 34
Abs. 1 lit. a OG, wonach gesetzliche Fristen vom siebten Tage vor Ostern
bis und mit dem siebten Tage nach Ostern stillstehen, ist unbehelflich,
da diese Bestimmung in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen nicht gilt
(Art. 34 Abs. 2 OG). Hingegen fragt sich, ob die Rekursfrist in Anbetracht
der Oster-Betreibungsferien (Art. 56 Ziff. 3 und Art. 63 SchKG) als
gewahrt zu gelten habe.

    b) Nachdem die erkennende Kammer in BGE 113 III 5 f. die Tragweite von
Art. 56 SchKG im Zusammenhang mit der Frist zum Rekurs nach Art. 19 Abs. 1
SchKG und den Art. 78 ff. OG angeschnitten, aber noch offengelassen hatte,
hat sie Urteil vom 20. Januar 1989 in Sachen Betreibungsamt Muotathal
(BGE 115 III 9 E. 4) ausgeführt, eine Verlängerung der Rekursfrist nach
Massgabe von Art. 63 SchKG komme auf jeden Fall nur dann in Frage, wenn
der Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde eine Betreibungshandlung im
Sinne von Art. 56 SchKG zum Gegenstand habe, die während Betreibungsferien
und Rechtsstillstand nicht vorgenommen werden dürfe; Betreibungshandlungen
seien nach der Rechtsprechung Handlungen der Vollstreckungsbehörden,
die auf die Einleitung oder Fortsetzung eines Verfahrens gerichtet
seien, das seinerseits darauf abziele, den Gläubiger auf dem Weg der
Zwangsvollstreckung aus dem Vermögen des Schuldners zu befriedigen, und
die in die Rechtsstellung des Schuldners eingriffen; auch die Mitteilung
des Entscheids einer kantonalen Aufsichtsbehörde über eine Beschwerde
oder einen Rekurs sei bis anhin uneingeschränkt als Betreibungshandlung
betrachtet worden (Erw. 5).

    Bezüglich dieses letzten Punktes hat sich die erkennende Kammer
neu der differenzierenden Betrachtungsweise von JAEGER (N. 3 zu Art. 56
SchKG), NÖTZLI (Die analoge Anwendung zivilprozessualer Normen auf das
Beschwerdeverfahren nach SchKG, unter besonderer Berücksichtigung des
Kantons Zürich, Diss. Zürich 1980, S. 114) und BLUMENSTEIN (Handbuch des
Schweizerischen Schuldbetreibungsrechtes, S. 205) angeschlossen. Darnach
richtet sich das Verbot der Vornahme von Betreibungshandlungen gemäss
Art. 56 SchKG an die Aufsichtsbehörden nur insofern, als diese selbständig
in das Verfahren eingreifen und dem Betreibungsbeamten spontan die
Vornahme einer Betreibungshandlung vorschreiben. Aus der Sicht von
Art. 56 SchKG ist unter einer Betreibungshandlung mit andern Worten eine
behördliche, gegen den Schuldner gerichtete Massnahme zu verstehen, mit
der die Schuldbetreibung in ein vorgerückteres Stadium gebracht wird (so
BLUMENSTEIN, aaO). Wenn die Aufsichtsbehörde nur über die Begründetheit
einer Beschwerde oder eines Rekurses entscheidet, liegt hingegen keine
Betreibungshandlung im erwähnten Sinne vor.

    c) In den hier angefochtenen Entscheiden hat die Vorinstanz einzig
über die Begründetheit der vom Rekurrenten gegen die Zahlungsbefehle
erhobenen Beschwerden befunden, so dass aufgrund der angeführten neuen
Rechtsprechung Art. 56 Ziff. 3 und Art. 63 SchKG nicht zum Tragen gekommen
sind. Sollte sich indessen erweisen, dass den Rekursgegnern die aktive
Betreibungsfähigkeit tatsächlich nicht zukommt, wären die strittigen
Betreibungen nichtig (vgl. FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs
nach schweizerischem Recht, I. Bd., § 9 Rz. 5 und 6). Da die erkennende
Kammer bei Nichtigkeit jederzeit von Amtes wegen, d.h. ungeachtet der
Einhaltung der Rekursfrist, einzugreifen hat (vgl. BGE 111 III 61 f. E. 3),
ist auf den Rekurs trotz Verspätung einzutreten.

Erwägung 2

    2.- a) Die erkennende Kammer hat schon in dem die gleichen
Immobilienfonds wie hier betreffenden Urteil vom 13. April 1989 ...
festgehalten, dass einem Anlagefonds im Sinne von Art. 2 Abs. 1
des Bundesgesetzes über die Anlagefonds (AFG; SR 951.31) keine
Rechtspersönlichkeit zukomme und dass er deshalb als solcher nicht als
Betreibungsgläubiger auftreten könne: Nach dem Gesetz ist das Fondsvermögen
nicht als Körperschaft ausgestaltet; mit dem Kollektivanlagevertrag
entstehen Rechtsbeziehungen nur zwischen dem einzelnen Anleger und der
Fondsleitung (zum Ganzen vgl. AMONN, Der Kollektivanlagevertrag, in:
Schweizerisches Privatrecht, Bd. VII/2, S. 277 ff., insbesondere S. 287
ff. und 304 ff.). Es besteht keine rechtliche Gemeinschaft der Anleger
(vgl. AMONN, aaO S. 304), und im Gesetz ist denn auch eine kollektive
Geltendmachung von Erfüllungs- und Schadenersatzansprüchen - für die
weder die Vorinstanz noch die Rekursgegner ein Bedürfnis darzutun vermögen
nicht vorgesehen (dazu Botschaft vom 23. November 1965 zum Entwurf eines
Bundesgesetzes über die Anlagefonds, BBl 1965 III S. 298).

    b) Was die Vorinstanz und die Rekursgegner zur Begründung des
abweichenden Standpunktes anführen, vermag nicht durchzuschlagen.

    Für den Fall, dass die Fondsleitung ihre vertraglichen Verpflichtungen
nicht oder nicht gehörig erfüllen sollte, sieht Art. 23 Abs. 1 AFG vor,
dass der einzelne Anleger auf Erfüllung klagen kann, und zwar auch dann,
wenn die Klage Auswirkungen auf alle Anleger hat. Hat die Fondsleitung
oder eine der in Art. 14 Abs. 4 AFG genannten Personen dem Anlagefonds
widerrechtlich Vermögenswerte entzogen oder Vermögensvorteile vorenthalten,
so geht die Klage auf Einwerfung in den Anlagefonds (Art. 23 Abs. 2
AFG). Letzteres bedeutet indessen nicht zwingend, dass der Fonds
auch Gläubiger sei. Beim unechten Vertrag zugunsten eines Dritten
(Art. 112 Abs. 1 OR) verhält es sich beispielsweise ebenfalls so, dass
der zum Empfang der versprochenen Leistung bestimmte Dritte kein eigenes
Forderungsrecht hat, d. h. nicht Gläubiger ist (vgl. GUHL/MERZ/KUMMER,
Das Schweizerische Obligationenrecht, 7. A., S. 155). Ähnlich liegen
die Dinge bei der von den Rekursgegnern angerufenen Geltendmachung eines
mittelbaren Schadens der Aktionäre und Gesellschaftsgläubiger im Sinne von
Art. 755 OR (dazu Kommentar BÜRGI/NORDMANN-ZIMMERMANN, N. 10 zu Art. 755
OR); auch dieser Hinweis ist unbehelflich.

    Der Anlagefonds lässt sich sodann entgegen der Ansicht der Vorinstanz
nicht mit der Kollektiv- und der Kommanditgesellschaft, der Konkursmasse,
der Liquidationsmasse im Nachlassverfahren mit Vermögensabtretung oder mit
der Stockwerkeigentümergemeinschaft vergleichen, da deren Rechtsstellung
im Gesetz ausdrücklich umschrieben ist (vgl. Art. 562 und 602 OR; Art. 240
SchKG; Art. 316d Abs. 2 und 3 SchKG; Art. 712l Abs. 2 ZGB). Auch die
von der Vorinstanz angeführte passive Betreibungsfähigkeit der Erbschaft
ergibt sich ausdrücklich aus dem Gesetz (vgl. Art. 49 SchKG).

    c) Aus dem Gesagten erhellt, dass die Rekursgegner nicht aktiv
betreibungsfähig sind. Die von ihnen erwirkten Zahlungsbefehle sind deshalb
aufzuheben, und das Betreibungsamt ist anzuweisen, die entsprechenden
Einträge im Betreibungsregister zu löschen.