Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 IB 94



115 Ib 94

11. Verfügung des Präsidenten der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 18. April 1989 i.S. Schweizerische Bundesbahnen und Mitbeteiligte
gegen Kanton Freiburg und Staatsrat des Kantons Freiburg Regeste

    Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Einspracheentscheid im
Enteignungs- und Plangenehmigungsverfahren, aufschiebende Wirkung.

    Im Enteignungs- und Plangenehmigungsverfahren wird der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde in der Regel keine aufschiebende
Wirkung beigelegt, weil es Art. 76 Abs. 4 des Bundesgesetzes über die
Enteignung grundsätzlich erlaubt, mit dem Bau des Werkes vor Abschluss
des Einspracheverfahrens zu beginnen, und die Rechte der Betroffenen im
Besitzeinweisungsverfahren verteidigt werden können.

Sachverhalt

    A.- Mit Entscheiden vom 10. Januar 1989 wies der Staatsrat des
Kantons Freiburg die Einsprachen gegen das Ausführungsprojekt für die
Nationalstrasse N1, Abschnitt Greng-Löwenberg, im wesentlichen ab, soweit
er auf sie eintrat. Gegen diese Entscheide haben die Schweizerischen
Bundesbahnen, die Stiftung World Wildlife Fund (WWF Schweiz) und private
Einsprecher Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht und zugleich ein
Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung gestellt. Der Staatsrat des
Kantons Freiburg stellt Antrag auf Abweisung dieser Gesuche. Der Präsident
der I. öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts weist das Gesuch
ab aus folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                         Erwägungen:

    Die Beschwerdeführer wollen verhindern, dass die Bauarbeiten in Angriff
genommen werden, bevor die verlangten zusätzlichen Untersuchungen und
Abklärungen vorgenommen worden sind. Mit dem Bau der Nationalstrasse
kann aber, soweit der hiefür benötigte Boden nicht bereits Eigentum
des Kantons ist, ohnehin erst nach Abschluss des Enteignungs- bzw. des
Landumlegungsverfahrens oder nach Gewährung der vorzeitigen Inbesitznahme
gemäss Art. 76 des Bundesgesetzes über die Enteignung (EntG) bzw. Art. 37
des Bundesgesetzes über die Nationalstrassen begonnen werden. Wird ein
Gesuch um vorzeitige Besitzeinweisung gestellt, so darf ihm sowohl im
Enteignungs- als auch im Landumlegungsverfahren, falls über Einsprachen
gegen die Abtretung noch nicht rechtskräftig entschieden ist, nur
insoweit entsprochen werden, als keine bei nachträglicher Gutheissung
nicht wieder gutzumachende Schäden entstehen (Art. 76 Abs. 4 EntG;
BGE 104 Ib 177, 105 Ib 97 E. 5). Die betroffenen Grundeigentümer
sind vor dem Entscheid über die Besitzeinweisung anzuhören und können
diesen allenfalls mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechten (Art. 76
Abs. 2 und 6 EntG). Den bereits im Einspracheverfahren gestellten
Begehren um aufschiebende Wirkung wird daher kaum je stattgegeben,
um das Plangenehmigungs- und das Landerwerbsverfahren nicht unnötig zu
blockieren (vgl. BGE 104 Ib 178). Nun macht die Stiftung WWF geltend,
sie habe, da sie nicht Grundeigentümerin und nicht Enteignete sei,
im Verfahren der vorzeitigen Besitzeinweisung keine Möglichkeit, sich
gegen den Baubeginn zu wehren. Den Natur- und Heimatschutzvereinigungen
steht jedoch neben der Beschwerdelegitimation aufgrund von Art. 55 des
Bundesgesetzes über den Umweltschutz gemäss ausdrücklicher Bestimmung
von Art. 12 Abs. 3 des Bundesgesetzes über den Natur- und Heimatschutz
das Recht zur Geltendmachung von Einsprachen und Begehren im Sinne
von Art. 9, 35 und 55 EntG zu. Sie müssen daher auch befugt sein,
sich insofern einer vorzeitigen Besitzergreifung zu widersetzen, als
diese die im Einspracheverfahren erhobenen und noch nicht rechtskräftig
beurteilten Begehren zum Schutze von Natur und Landschaft in Frage stellen
könnten oder gar gegenstandslos werden liesse (Entscheid vom 31. Juli
1985 i.S. Schweiz. Eidgenossenschaft gegen Genosssame Rothenthurm
und Mitbeteiligte, nicht publ. E. 1). Das Bundesgericht hat daher
unlängst den als Einsprechern auftretenden Vereinigungen nachträglich
noch Gelegenheit zur Anfechtung eines Entscheides über die vorzeitige
Inbesitznahme gegeben. Allerdings können die Privaten, die aufgrund ihrer
tatsächlichen Betroffenheit oder im Hinblick auf zukünftige, allenfalls
übermässige Immissionen zur Einsprache zugelassen werden, nicht das gleiche
für sich in Anspruch nehmen. Wie in BGE 111 Ib 23ff. E. 8 ausgeführt
worden ist, hat der nicht expropriierte Einsprecher oder der allenfalls
erst nach Inbetriebnahme des Werkes in seinen Nachbarrechten Betroffene
im Besitzeinweisungsverfahren nichts zu sagen. Auch für den Nachbarn
und weitere Einsprecher gilt aber, dass der Gesetzgeber in Art. 76
EntG bereits eine Interessenabwägung vorgenommen und mit Rücksicht
auf die öffentlichen Interessen am Werk und an dessen Verwirklichung
dem Bauherrn die Möglichkeit eingeräumt hat, schon vor der Erledigung
der Einsprachen auf eigenes Risiko mit dem Bau zu beginnen. Dieser im
Gesetz vorgezeichnete Gang der Dinge und des Verfahrens ist nicht ohne
Notwendigkeit aufzuhalten. Im übrigen wirkt sich die in Art. 76 Abs. 4
Satz 2 EntG enthaltene Garantie, wonach die vorzeitige Besitzergreifung vor
rechtskräftiger Einsprachenerledigung nur insoweit bewilligt werden kann,
als die Wiederherstellung des früheren Zustandes möglich ist, indirekt
auch zugunsten der am Besitzeinweisungsverfahren nicht Beteiligten aus. Es
besteht daher kein Anlass, hier von der ständigen Praxis abzuweichen und
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde aufschiebende Wirkung beizulegen. Wie
es sich verhielte, wenn sich keine Enteigneten unter den Einsprechern
befänden, muss im vorliegenden Fall nicht entschieden werden.