Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 IB 8



115 Ib 8

2. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 2. Februar 1989 i.S. Kantonales Steueramt des Kantons Zürich
gegen X. und Bundessteuerrekurskommission des Kantons Zürich
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Zwischenveranlagung wegen Berufswechsels (Art. 96 Abs. 1 BdBSt):

    1. Voraussetzungen für die Vornahme einer Zwischenveranlagung wegen
Berufswechsels (E. 3).

    2. Ein Stellenwechsel innerhalb desselben Fachgebiets verbunden mit
einer Lohnverminderung (beruflicher Abstieg) führt im allgemeinen nicht
zu einer Zwischenveranlagung (E. 4).

Sachverhalt

    A.- X. war bis zum 31. Januar 1985 als Generaldirektor bei der Y. AG,
Zürich, beschäftigt. Am 1. Februar 1985 trat er als Sektorverkaufsleiter
in die Dienste der Z. AG, Zürich, wo er ein geringeres Einkommen erzielte.

    Für die direkte Bundessteuer 1985/86 deklarierte X. aufgrund seiner
Einkünfte in den Jahren 1983 und 1984 ein steuerbares Einkommen von
Fr. ... Mit Eingabe vom 28. Mai/12. Juni 1986 verlangte er, per 1. Februar
1985 sei eine Zwischenveranlagung wegen Berufswechsels vorzunehmen. Der
Steuerkommissär wies sein Begehren am 18. Mai 1987 ab. Nach Eröffnung
der Veranlagung 1985/86 am 14. September 1987 erhob X. Einsprache. Der
Steuerkommissär wies sie am 18. Dezember 1987 mit der Begründung ab,
es liege zwar ein Stellenwechsel, aber kein Berufswechsel vor.

    Die Bundessteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich hiess die vom
Steuerpflichtigen dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 3. März
1988 gut und wies die Sache zur Durchführung der Zwischenveranlagung per
1. Februar 1985 an den Steuerkommissär zurück.

    Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 17. August 1988 beantragt das
Kantonale Steueramt Zürich, der Entscheid der Bundessteuer-Rekurskommission
vom 3. März 1988 (versandt am 7. Juli 1988) sei aufzuheben.

    X. und die Bundessteuer-Rekurskommission beantragen, die Beschwerde
abzuweisen. Die Eidg. Steuerverwaltung schliesst auf Gutheissung der
Beschwerde.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut

Auszug aus den Erwägungen:

                  aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Nach dem System des Bundesratsbeschlusses vom 9. Dezember 1940 über
die Erhebung einer direkten Bundessteuer (BdBSt) wird das steuerpflichtige
Einkommen in der Regel für eine zweijährige Veranlagungsperiode nach dem
Durchschnitt der jährlichen Einkünfte bemessen, die der Steuerpflichtige in
den beiden vorangegangenen Jahren (Berechnungsperiode) erzielte (Art. 41
Abs. 1 und 2 BdBSt). Schwankungen in der Höhe des Einkommens sollen sich
im allgemeinen in der nachfolgenden Veranlagungsperiode auf die direkte
Bundessteuer auswirken und derart auf die Dauer ausgleichen.

    Die Zwischenveranlagung ist nachträglich eingeführt worden für Fälle,
in denen sich die Veranlagungsgrundlagen aus den in Art. 96 Abs. 1 BdBSt
abschliessend genannten Gründen dauernd verändern. In diesen Fällen ist für
den Rest der Veranlagungsperiode bezüglich der von der Änderung betroffenen
Einkommensbestandteile eine Zwischenveranlagung vorzunehmen, wobei der
Steuer das nach Eintritt der Änderung erzielte, auf ein Jahr berechnete
Einkommen zugrunde zu legen ist (Art. 96 Abs. 1 in Verb. mit Art. 41 Abs. 4
BdBSt). In der folgenden Veranlagungsperiode ist sodann für die Bemessung
der von der Veränderung betroffenen Einkommensbestandteile ebenfalls
das nach Eintritt der Änderung erzielte und auf ein Jahr umgerechnete
Einkommen heranzuziehen (Art. 42 in Verb. mit Art. 41 Abs. 4 BdBSt;
vgl. zum Ganzen BGE 110 Ib 314 E. 1, mit zahlreichen Hinweisen).

    Zwischenveranlagungen vermögen von vornherein nicht alle Härten,
die sich aus dem System der Vergangenheitsbemessung ergeben können, aus
der Welt zu schaffen. Sie können nicht nur zugunsten, sondern unter den
gleichen Voraussetzungen von Art. 96 Abs. 1 BdBSt auch zuungunsten des
Steuerpflichtigen vorgenommen werden. Sie sollen deshalb grundsätzlich
Ausnahmen bleiben. Art. 96 BdBSt ist einschränkend auszulegen (BGE 110
Ib 314 f. E. 1; ASA 53 189 f. E. 2, mit zahlreichen Hinweisen).

Erwägung 3

    3.- a) Eine Zwischenveranlagung des Erwerbseinkommens (und des
damit allenfalls zusammenhängenden Ersatzeinkommens) kommt aus den
in Art. 96 Abs. 1 BdBSt genannten Gründen der Aufnahme oder Aufgabe der
Erwerbstätigkeit und des Berufswechsels in Betracht, häufig aus diesen
beiden Gründen gleichzeitig. In beiden Fällen ist nur mit Zurückhaltung
auf eine dauernde Veränderung der Veranlagungsgrundlagen zu schliessen. So
ist in der Regel wegen Aufnahme oder Aufgabe der Erwerbstätigkeit eine
Zwischenveranlagung nur einmal vorzunehmen, nämlich beim Eintritt ins
Erwerbsleben und bei der alters- und gesundheitsbedingten Aufgabe
der Haupterwerbstätigkeit, nicht schon bei teilweiser Verminderung
oder Erhöhung der Berufstätigkeit, bei Aufnahme oder Aufgabe einer
unselbständigen Nebenerwerbstätigkeit oder wenn eine von verschiedenen
Erwerbsquellen (auch der selbständigen Erwerbstätigkeit) versiegt (vgl. BGE
110 Ib 315 E. a-d).

    Auch der Zwischenveranlagungsgrund des Berufswechsels ist als
Ausnahmeregel in diesem einschränkenden Sinne zu verstehen; ein
Berufswechsel ist zwar mehrfach denkbar, führt aber nicht notwendig zu
einer dauernden Veränderung der Veranlagungsgrundlagen.

    b) Zwischenveranlagungen wegen Berufswechsels setzen ebenfalls eine
tiefgreifende strukturelle Änderung der gesamten beruflichen Situation
voraus, bei der eine Aufrechterhaltung der ordentlichen Veranlagung im
Rahmen der zweijährigen Veranlagungsperiode sich nicht mehr rechtfertigen
liesse. Von einer dauernden Veränderung der Grundlagen für die Veranlagung
des Erwerbseinkommens kann gesprochen werden, wenn der Steuerpflichtige auf
einem anderen Fachgebiet tätig wird ("umsattelt"), auf dem er nicht mehr
die im bisherigen Beruf erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen fruchtbar
machen kann oder sein Einkommen sich nach wesentlich anderen Kriterien
bestimmt und entwickelt. Auch mit einem Wechsel von unselbständiger zu
selbständiger Tätigkeit (oder umgekehrt) ist eine tiefgreifende, dauernde
Veränderung der Einkommensgrundlagen (festes Salär und Gewinnungskosten,
Risiko und Abhängigkeit von Wirtschaftslage) verbunden (BGE 79 I 360;
ASA 43 126 f. E. b). Eine berufliche Veränderung innerhalb desselben
Fachgebiets kann nur ausnahmsweise zu einer Zwischenveranlagung führen,
wenn der Steuerpflichtige seine Tätigkeit tiefgreifend umstellt und sich
dadurch seine Einnahmenstruktur besonders einschneidend und dauerhaft
verändert (vgl. zum Ganzen BGE 110 Ib 315 f. E. 2a, mit weitern Hinweisen).

    c) Ob eine tiefgreifende strukturelle Änderung der gesamten beruflichen
Situation eingetreten ist, lässt sich nur unter Würdigung der gesamten
Umstände des Einzelfalls beurteilen. Durch einen Stellenwechsel innerhalb
desselben Tätigkeitsbereichs, den beruflichen Auf- und Abstieg, die
Ausweitung oder Einengung einer Tätigkeit, die Aufnahme neuer oder die
Aufgabe bisheriger Tätigkeiten und die Erweiterung oder Reduktion eines
Geschäftsbereichs wird die berufliche Gesamtsituation in der Regel
nicht tiefgreifend verändert und die Einnahmenstruktur bleibt in der
Regel gleich. Die damit üblicherweise verbundenen Einkommensschwankungen
gleichen sich auf die Dauer aus und können in der ordentlichen Veranlagung
hinreichend berücksichtigt werden, ohne dass eine Zwischentaxation
erforderlich wäre, um ein Auseinanderklaffen zwischen Steuerbelastung und
wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zu vermeiden (vgl. BGE 110 Ib 313;
109 Ib 12 f. E. 3).

Erwägung 4

    4.- a) Die Vorinstanz hielt einen Berufswechsel für gegeben, weil
sich die gesamte Erwerbssituation durch den Stellenwechsel qualitativ
einschneidend verändert habe. Sie berücksichtigte dabei einerseits, dass
sich durch den Stellenwechsel die Lohneinkünfte des Beschwerdegegners von
je ca. Fr. ... in den Jahren 1983 und 1984 bei der Y. AG um ca. 60% auf
Fr. ... im Bemessungsjahr 1986 reduzierten. Anderseits bejahte sie eine
tiefgreifende Umstellung der Tätigkeit, weil der Verantwortungsbereich
des Beschwerdegegners in seiner neuen Stelle als Sektorverkaufsleiter
gegenüber seiner früheren Tätigkeit als Generaldirektor markant
eingeschränkt sei. Der Beschwerdegegner habe an seiner neuen Stelle
nur noch für einen achtfach geringeren Jahresumsatz (Fr. ... Mio. statt
Fr. ... Mio.) einzustehen und stehe lediglich noch 16 statt wie bisher
620 Mitarbeitern vor. Die hierarchische Stellung und die Art der konkreten
Tätigkeit habe sich massgebend geändert. Es stehe nicht mehr die an mittel-
und langfristigen Zielen orientierte Führung der gesamten Unternehmung
im Vordergrund; der Pflichtige habe nun mit Hilfe seiner Mitarbeiter
unmittelbar für den Verkauf der Produkte seiner Arbeitgeberin zu sorgen.
Ausserdem habe er sich mit vollständig neuen Technologien und Produkten
vertraut machen müssen.

    b) Durch diese für das Bundesgericht verbindlich festgestellten
Änderungen in der Berufsausübung haben sich die Veranlagungsgrundlagen
des Beschwerdegegners entgegen der Vorinstanz nicht dauernd verändert.

    In der Tätigkeit des Beschwerdegegners ist keine tiefgreifende
Umstellung eingetreten: Er ist weiterhin unselbständigerwerbend
in leitender kaufmännischer Funktion tätig, wiederum bei einem
multinationalen Konzern und nicht auf einem völlig neuen Fachgebiet. Auch
wenn sich sein Verantwortlichkeitsbereich eingeschränkt hat, liegt
keine gesamthaft neue Aufgabenstruktur vor. Zwar hat sich durch den mit
dem Stellenwechsel verbundenen beruflichen Abstieg auch dem geringeren
Verantwortlichkeitsbereich entsprechend das Gehalt des Beschwerdegegners
reduziert.

    Die Struktur seiner Einnahmen hat sich jedoch nicht geändert. Er
erzielt an seiner neuen Stelle weiterhin Lohneinkommen, das nicht nach
anderen Grundlagen ausgerichtet wird, und nicht etwa Gewinnanteile
oder umsatzabhängige Provisionen. Die blosse Verminderung des laufenden
Erwerbseinkommens führt (wie umgekehrt auch die Erhöhung) noch nicht zu
einer Zwischenveranlagung, selbst wenn die Einbusse - wie im vorliegenden
Fall - erheblich ist. Ein neuerlicher beruflicher Aufstieg im Konzern der
neuen Arbeitgeberfirma mag angesichts des Alters des Beschwerdegegners
vielleicht nicht mehr im gleichen Masse möglich sein, doch stellte die
Vorinstanz keine Umstände fest, die ihn auf die Dauer ausschliessen.