Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 IB 387



115 Ib 387

53. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 23. Juni 1989 i.S.
Bernhard Böhi gegen Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft
und Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 103 lit. a OG; Art. 14 und 25 des Bundesbeschlusses über die
unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen vom 7. Oktober 1983.

    Der Stimmbürger ist zur Erhebung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
gegen Entscheide der Unabhängigen Beschwerdeinstanz über die Einhaltung
der Konzessionsvorschriften bei Abstimmungssendungen nicht legitimiert.

Sachverhalt

    A.- Im Verlaufe des Abend-Programmes vom 7. Juni 1988 strahlte das
Fernsehen der deutschen und der rätoromanischen Schweiz in der Form eines
eingeblendeten Spots und als Beitrag zur bevorstehenden eidgenössischen
Volksabstimmung (vom 12. Juni 1988) einen dreieinhalbminütigen
Zeichentrickfilm über die koordinierte Verkehrspolitik (KVP) aus. Am
8. Juni wurde der Zeichentrickfilm in der Einführung zu einer längeren
kontradiktorischen Sendung noch einmal ausgestrahlt.

    Am 6. Juli 1988 reichte Bernhard Böhi, unterstützt von 23
Mitunterzeichnern, bei der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und
Fernsehen eine Beschwerde ein. Er rügte eine überwiegend KVP-freundliche
Tendenz der Sendung.

    Mit Entscheid vom 14. September 1988 wies die Unabhängige
Beschwerdeinstanz die Beschwerde ab und stellte fest, der am 7. und 8. Juni
1988 ausgestrahlte Informations-Trickfilm des Fernsehens der deutschen und
der rätoromanischen Schweiz über die KVP-Abstimmung habe die Konzession
der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft nicht verletzt.

    Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 24. Januar 1989 beantragt
Bernhard Böhi, es sei festzustellen, dass mit dem Informationsfilm
des Fernsehens der deutschen und der rätoromanischen Schweiz über die
KVP-Abstimmung, ausgestrahlt am 7. und 8. Juni 1988, die Konzession
der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft verletzt worden sei,
eventuell sei die Unabhängige Beschwerdeinstanz zu einer Neubeurteilung
in dieser Sache anzuweisen.

    Bernhard Böhi macht geltend, insbesondere bei der isolierten
Ausstrahlung vom 7. Juni 1988 seien die Anforderungen an die Objektivität
nicht erfüllt gewesen, weshalb sich das Fernsehen der deutschen und
der rätoromanischen Schweiz den Vorwurf der Wahlbeeinflussung gefallen
lassen müsse.

    Das Bundesgericht tritt auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht
ein aus folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                         Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Der Bundesbeschluss über die Unabhängige Beschwerdeinstanz
für Radio und Fernsehen vom 7. Oktober 1983 (SR 784.45) umschreibt die
Legitimation zu Beanstandungen vor der Beschwerdeinstanz einerseits im
Sinne einer Popularbeschwerde (Art. 14 lit. a), anderseits im Sinne
einer Betroffenenbeschwerde (lit. b und c). Im vorliegenden Fall
hatte der Beschwerdeführer eine Beanstandung eingereicht, welche den
Anforderungen der Popularbeschwerde entsprach (Beteiligung von mehr als
20 Mitunterzeichnern). Die Vorinstanz ist zu Recht auf die Beanstandung
eingetreten. Daraus ergibt sich aber noch nicht die Legitimation der oder
eines der am Verfahren Beteiligten zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

    b) Während der Bundesbeschluss das Verfahren vor der Unabhängigen
Beschwerdeinstanz - inklusive Legitimation - eingehend regelt (Art. 14-24),
wird über die Weiterziehung in Art. 25 einzig bestimmt: "Entscheide
der Beschwerdeinstanz können mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim
Bundesgericht angefochten werden." Damit wird die Voraussetzung von
Art. 98 lit. f OG erfüllt, wonach die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
zulässig ist gegen Verfügungen "anderer eidgenössischer Kommissionen,
soweit das Bundesrecht unmittelbar gegen ihre Verfügungen die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorsieht" (vgl. BERNARD CORBOZ, Le contrôle
populaire des émissions de la radio et de la radio-télévision, in: Mélanges
Robert Patry, Lausanne 1988, S. 291). Alle übrigen Voraussetzungen der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde richten sich nach den Bestimmungen des OG
selbst, namentlich das Vorliegen einer Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG
(Art. 97 OG, vgl. BGE 111 Ib 297 E. c) und die Beschwerdelegitimation
(Art. 103 OG). Die Legitimation zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde ergibt
sich also noch nicht aus der Legitimation zur Beanstandung vor der
Unabhängigen Beschwerdeinstanz gemäss Art. 14 Bundesbeschluss. Sie ist
aber auch nicht ausgeschlossen, wenn ein Beschwerdeführer dort im Rahmen
einer Popularbeschwerde gemäss Art. 14 lit. a auftrat, wie man aus einer
irreführenden - aber nicht fallentscheidenden - Formulierung in BGE 111
Ib 296 E. b schliessen könnte (richtiggestellt in BGE 114 Ib 201/2 E. 1a
und b).

Erwägung 2

    2.- a) Nach Art. 103 lit. a OG ist zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde
legitimiert, wer durch den angefochtenen Entscheid berührt ist und ein
schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat. Dieses
Interesse kann rechtlicher oder auch bloss tatsächlicher Natur sein
und braucht mit dem Interesse, das durch die vom Beschwerdeführer als
verletzt bezeichneten Normen geschützt wird, nicht übereinzustimmen.
Immerhin wird verlangt, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen
Entscheid stärker als jedermann betroffen sei und in einer besonderen,
beachtenswerten, nahen Beziehung zur Streitsache steht (BGE 114 Ib
202 E. c; 114 V 96 E. b; 113 Ib 366 E. 3a; je mit Hinweisen). Diese
Anforderungen sollen die Popularbeschwerde ausschliessen. Ihnen
kommt deshalb dann eine ganz besondere Bedeutung zu, wenn nicht der
Verfügungsadressat im materiellen Sinn, sondern ein Dritter den Entscheid
anficht (BGE 112 Ib 158).

    b) Im vorliegenden Fall war zwar der Beschwerdeführer Adressat des
angefochtenen Entscheides. Soweit er aber im vorinstanzlichen Verfahren
nur im Rahmen einer Popularbeschwerde beteiligt war, hatte er in bezug
auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde keine andere Stellung als der
angesprochene "Dritte". Das Legitimationserfordernis von Art. 103 lit. a
OG soll gerade verhindern, dass die Popularbeschwerde vor der Unabhängigen
Beschwerdeinstanz zur Popularbeschwerde vor dem Bundesgericht führt.

    Der Beschwerdeführer legt nicht dar, weshalb er durch den angefochtenen
Entscheid stärker betroffen ist als jedermann, und eine besondere,
beachtenswerte, nahe Beziehung zur Angelegenheit hat. Vielmehr macht er
allgemeine, öffentliche Interessen geltend, namentlich das Interesse an
ausgewogener Information durch das Fernsehen vor Volksabstimmungen.

Erwägung 3

    3.- a) Bei kantonalen Wahlen und Abstimmungen (nicht aber
bei eidgenössischen) ist nun allerdings jeder Stimmbürger zur
Stimmrechtsbeschwerde nach Art. 85 lit. a OG befugt (BGE 114 Ia 264 E. 1b,
270 E. 2b). Es stellt sich deshalb die Frage, ob der Stimmbürger auch
zur Erhebung von Verwaltungsgerichtsbeschwerden, die auf Feststellung
einer Konzessionsverletzung durch Radio und Fernsehen im Vorfeld einer
Volksabstimmung gehen, legitimiert ist.

    b) Im Rahmen einer Stimmrechtsbeschwerde können die Verletzung
der Pflicht zur objektiven Information durch Behörden (BGE 112 Ia 131
mit Hinweisen) und unter Umständen auch die Täuschung durch private
Publikationen (BGE 102 Ia 268) oder Fernsehsendungen (BGE 98 Ia 81 E. c)
zur Aufhebung einer Abstimmung führen. Demgegenüber hat ein Entscheid,
mit dem eine Konzessionsverletzung durch Radio oder Fernsehen festgestellt
wird, keinerlei Einfluss auf die Gültigkeit einer Volksabstimmung. Es
geht hier einzig darum, dafür zu sorgen, dass sich Radio und Fernsehen
an die Konzession halten.

    c) Diese Aufgabe nahm ursprünglich allein die zuständige
Verwaltungsbehörde wahr. Soweit nicht die eigene Zulassung zu einer
Wahlsendung in Frage stand (in welchem Fall eine Verfügung im Sinne
von Art. 5 VwVG zu ergehen hatte; vgl. BGE 97 I 731), konnten Private
die Behörden lediglich auf dem Wege der Aufsichtsbeschwerde zum
Einschreiten veranlassen (BGE 104 Ib 239). Entsprechend war eine
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht möglich (ungeprüft blieb die
Frage in BGE 111 Ib 56, wo das Nichteintreten mit mangelndem aktuellem
Interesse begründet wurde), es sei denn, die Aufsichtsbehörde habe eine
Massnahme ergriffen, welche der davon betroffene Programmveranstalter mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechten konnte (Urteil vom 17. Oktober
1980 in ZBl 83/1982, S. 219 ff.).

    Mit dem Bundesbeschluss über die Unabhängige Beschwerdeinstanz
wurde die ursprüngliche Aufsichtsbeschwerde insofern formalisiert, als
die Feststellung von Konzessionswidrigkeiten bezüglich des Programms
einer von der Aufsichtsbehörde unabhängigen Instanz übertragen wurde,
bei der - neben der Aufsichtsbehörde (Art. 2 Abs. 2 Bundesbeschluss)
- auch Private einen Entscheid erwirken können. Die Entscheide der
Unabhängigen Beschwerdeinstanz wurden damit, mindestens soweit es
sich um Betroffenenbeschwerden handelt, zu Feststellungsverfügungen
im Sinne von Art. 5 Abs. 1 lit. b VwVG (BGE 111 Ib 297 E. c) und
unterliegen als solche der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, sofern deren
Legitimationsvoraussetzungen gegeben sind,.

    d) Vor Inkrafttreten des Bundesbeschlusses über die
Unabhängige Beschwerdeinstanz war es dem Stimmbürger schon mangels
anfechtbarer Verfügung verwehrt, Verwaltungsgerichtsbeschwerde
wegen Konzessionsverletzungen im Zusammenhang mit Volksabstimmungen
zu erheben. Seit Inkrafttreten des Bundesbeschlusses ist die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde zwar zulässig, soweit der Beschwerdeführer
private Interessen verfolgt und stärker als jedermann betroffen
ist. Öffentliche Interessen, und sei es jenes an der Verhinderung
unzulässiger Beeinflussung von Volksabstimmungen, begründen demgegenüber
keine Legitimation im Sinne von Art. 103 lit. a OG.

    Anders als bei der Stimmrechtsbeschwerde, die auch zur Wahrung
ausschliesslich öffentlicher Interessen erhoben werden kann (BGE 114
Ia 272), genügt es bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht, dass
der Beschwerdeführer stimmberechtigt ist. Das öffentliche Interesse,
dass die Konzession von Radio und Fernsehen vor Wahlen und Abstimmungen
nicht verletzt wird, kann von Privaten und von der Aufsichtsbehörde im
Verfahren vor der Unabhängigen Beschwerdeinstanz wahrgenommen werden,
aber nicht mehr vor Bundesgericht.