Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 IB 311



115 Ib 311

42. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 18. Januar 1989 i.S. Politische Gemeinde und Bürgergemeinde
Ramosch, Schweizer Heimatschutz sowie Schweizerische Stiftung für
Landschaftsschutz und Landschaftspflege gegen Einfache Gesellschaft,
bestehend aus Aare Tessin AG für Elektrizität (ATEL), Bernische
Kraftwerke AG (BKW), Centralschweizerische Kraftwerke (CKW) und
Elektrizitätsgesellschaft Laufenburg AG (EGL), sowie Eidg. Verkehrs-
und Energiewirtschaftsdepartement (Verwaltungsgerichtsbeschwerden) Regeste

    Erteilung des Enteignungsrechts für den Bau und Betrieb einer 380
kV-Leitung (Pradella-Martina), Art. 43 und 50 ElG, Art. 1 und 9 EntG; NHG.

    1. Voraussetzungen für die Erteilung des Enteignungsrechts (E. 4). Ob
für ein konkretes Projekt das Enteignungsrecht erteilt werden kann
oder nicht, ist in Abwägung der sich gegenüberstehenden privaten
und öffentlichen Interessen zu entscheiden (E. 4b). Vornahme dieser
Interessenabwägung; Bejahung des überwiegenden öffentlichen Interesses am
Vorhaben (Anschluss an das europäische Verbundnetz, Versorgungssicherheit;
E. 5a-c).

    2. Festlegung des Trasses, Voraussetzungen gemäss Art. 50 Abs. 2
ElG. Hierbei handelt es sich zwar um bei der Enteignung besonders wichtige,
aber nicht um die einzigen Kriterien für die Beurteilung des geplanten
Werkes. Aus der genannten Bestimmung lässt sich daher kein Vorrang der
technischen Trassewahl ableiten (E. 4b). Prüfung von Trassewahl und
Varianten im vorliegenden Fall (E. 5d).

    Verkabelung kann hier nicht verlangt werden, weil ihr beim heutigen
Stand der Technik erhebliche technische Inkonvenienzen im Sinne von Art. 50
Abs. ElG entgegenstünden; es würden schwerwiegende Risiken eintreten,
welche nicht zu verantworten wären (E. 5f-h).

    3. Bei der Verwirklichung der Anlage ist Art. 9 EntG zu beachten
(E. 4b/c). Wird durch sie - wie hier - ein Schutzobjekt von nationaler
Bedeutung beeinträchtigt, so müssen ihre Auswirkungen auf das Schutzziel
an sich gewürdigt werden. Das anerkannt hohe Interesse am Schutz einer
Landschaft von nationaler Bedeutung ist aber nur dann ungeschmälert zu
erhalten, wenn ihr nicht bestimmte gleich- oder höherwertige Interessen
von ebenfalls nationaler Bedeutung entgegenstehen (Art. 6 Abs. 2 NHG). Die
Interessen der Energieversorgung im vorliegenden Fall stellen solche dem
Landschaftsschutz jedenfalls gleichgeordnete Interessen dar (E. 5e).

Sachverhalt

    A.- Im Namen und Auftrag der einfachen Gesellschaft hatte
die Elektrizitätsgesellschaft Laufenburg im Jahre 1976 gestützt
auf das Bundesgesetz betreffend die elektrischen Schwach- und
Starkstromanlagen (Elektrizitätsgesetz [ElG], SR 734.0) dem Eidgenössischen
Starkstrominspektorat (EStI) die Planvorlage für die generelle Genehmigung
der vorgesehenen Leitung eingereicht. Diese Leitung bezweckt, mit
der österreichischen Elektrizitätswirtschafts-Aktiengesellschaft
(Verbundgesellschaft, ÖVG) einen Stromverbund zu schaffen. Auf die
ursprüngliche Absicht, in dieses Verbundnetz auch die italienische Ente
Nazionale per l'Energia Elettrica (ENEL) einzubeziehen, musste in der Folge
freilich verzichtet werden. Dennoch wird mit der Leitung einerseits eine
Verstärkung des Verbundnetzes und damit eine erhöhte Versorgungssicherheit
angestrebt. Sie ermöglicht anderseits den Abtransport der - bisher nur
über den Albula-Pass ins Domleschg abfliessenden - Stromproduktion der
Engadiner Kraftwerke AG (EKW-AG) auf zwei Wegen sowie die Erhöhung
der Sicherheit der Energieversorgung der EKW-Konzessionsgemeinden.
Entsprechend ist eine zweisträngige 380 kV-Hochspannungsleitung von der
Zentrale Pradella bei Scuol über ca. 13 km bis Martina zur Landesgrenze
zu Österreich als Weitspannleitung mit Stahlgittermast-Tragwerken in
getarnter Ausführung vorgesehen. Die Linienführung folgt dem bewaldeten
Talboden auf der Südseite oberhalb des Inns. Sie verläuft zwischen den
Höhenkoten 1100 bis 1300 m nach San Niclà/Mot in der Gemeinde Tschlin und
steigt alsdann schräg an bis zum Anschlusspunkt an der Landesgrenze bei
Palü Lunga auf ca. 1800 m Höhe. Mit Ausnahme einiger weniger Enklaven
bei Pradella, Raschvella und Mot werden ausschliesslich geschlossene
Waldgebiete überquert bzw. überspannt.

    Das Eidgenössische Starkstrominspektorat als Bewilligungsinstanz
(Art. 15 Abs. 2 ElG, Art. 2 und 72 der Verordnung über die Vorlagen
für elektrische Starkstromanlagen (Planvorlageverordnung), SR
734.25) erteilte am 31. August 1979 die generelle Genehmigung für die
Ausführung des Projektes mit verschiedenen Bedingungen und Auflagen. Die
Genehmigungsverfügung wurde den im Verfahren beteiligten eidgenössischen,
kantonalen und Gemeinde- Instanzen zugestellt.

    Am 16. Dezember 1981 genehmigte das EStI die ihm am 30. März 1981
durch die Elektrizitätsgesellschaft Laufenburg eingereichten Detailpläne
und eröffnete auch diese - mit verschiedenen Bedingungen und Auflagen
versehene - Verfügung den im Verfahren beigezogenen Instanzen. Ausserdem
stellte das Bundesamt für Forstwesen diese Genehmigung der Detailpläne
gestützt auf Art. 11 Abs. 4 der zum Bundesgesetz über den Natur- und
Heimatschutz (NHG, SR 451) erlassenen Vollziehungsverordnung (NHV, SR
451.1) den gesamtschweizerischen Vereinigungen im Sinne von Art. 12 NHG
zu. Ob ihnen auch die Bewilligung des generellen Projekts zur Kenntnisnahme
gebracht wurde, kann den Akten nicht entnommen werden.

    In der Folge bemühte sich die EGL in Verhandlungen mit den
Bürgergemeinden von Scuol, Sent, Ramosch und Tschlin, in deren
Eigentum die von der Leitungsführung beanspruchten Waldflächen liegen,
um den Erwerb der erforderlichen Rechte. Da die Gemeinden Scuol und
Ramosch die Durchleitungsrechte ablehnten, leitete die EGL gegen die
Bürgergemeinden und die politischen Gemeinden von Scuol und Ramosch
am 28. Mai 1982 das Enteignungsverfahren ein und stellte mit Eingabe
vom 23. Juni 1982 beim zuständigen Präsidenten der Eidgenössischen
Schätzungskommission des Kreises 12 das Gesuch um Eröffnung des abgekürzten
Verfahrens. Mit Verfügung vom 8. Juli 1982 bewilligte der Präsident
der Schätzungskommission des Kreises 12 der einfachen Gesellschaft
gemäss Art. 33 des Bundesgesetzes über die Enteignung (EntG SR 711) die
Durchführung des abgekürzten Verfahrens und ermächtigte die Enteignerin,
die öffentliche Planauflage durch persönliche Anzeigen an die betroffenen
Grundeigentümer zu ersetzen.

    Innerhalb von 30 Tagen erhoben die Bürgergemeinden und die politischen
Gemeinden von Scuol und Ramosch Einsprache gegen die Enteignung. Sie
verlangten, das Enteignungsrecht sei zu verweigern; eventuell seien
die Leitungen zu verkabeln. Aufgrund weiterer Verhandlungen gelang es
in der Folge der einfachen Gesellschaft, mit der Bürgergemeinde Scuol
einen Dienstbarkeitsvertrag abzuschliessen, so dass deren Einsprache
gegenstandslos wurde.

    Mit Entscheid vom 3. Juni 1986 erteilte das Eidgenössische Verkehrs-
und Energiewirtschaftsdepartement der aus der Aare Tessin AG für
Elektrizität, den Bernischen Kraftwerken AG, den Centralschweizerischen
Kraftwerken und der Elektrizitätsgesellschaft Laufenburg AG
zusammengesetzten einfachen Gesellschaft das Enteignungsrecht zum Erwerb
der erforderlichen Rechte für den Bau und den Betrieb der 380 kV-Leitung
Pradella-Martina gemäss den vom Departement genehmigten Plänen. Die Dauer
der Rechte setzte es auf 50 Jahre fest; ihr Umfang bestimmt sich nach der
Enteignungstabelle und den persönlichen Anzeigen an die Enteigneten. Die
gegen die Enteignung gerichteten Einsprachen der Bürgergemeinde Ramosch,
der politischen Gemeinde Ramosch und der politischen Gemeinde Scuol wurden
vom EVED abgewiesen.

    Sowohl die Gemeinde Ramosch als auch der Schweizer Heimatschutz
(SHS) und die Schweizerische Stiftung für Landschaftsschutz und
Landschaftspflege (SL) erhoben gegen den Entscheid des EVED vom
3. Juni 1986 Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht. Die
Beschwerdeführer berufen sich auf die Beschwerdegründe von Art. 104 OG und
machen eine unrichtige Sachverhaltsfeststellung sowie die Verletzung von
Bundesrecht einschliesslich Unangemessenheit geltend. Sie bestreiten das
für die Erteilung des Enteignungsrechtes nötige öffentliche Interesse, da
eine einzig der Ausfuhr von Energie ins Ausland dienende Leitung vorliege,
deren Bedürfnis nicht hinreichend abgeklärt worden sei.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerden ab, soweit auf sie eingetreten
werden kann.

Auszug aus den Erwägungen:

                  Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- a) Die Beschwerdeführer werfen der Regierung vor, sie habe den
rechtserheblichen Sachverhalt unrichtig und unvollständig festgestellt
sowie Bundesrecht verletzt. Zu diesen Rügen sind sie gemäss Art. 104
lit. a und b OG befugt. Da das EVED als Vorinstanz entschieden hat,
kann das Bundesgericht die Feststellung des Sachverhalts ohne Bindung
von Amtes wegen umfassend überprüfen.

    Die Rechtsfragen mit Einschluss der gebotenen Interessenabwägung
überprüft das Bundesgericht grundsätzlich ebenfalls frei. Doch gesteht
das Gericht den Verwaltungsbehörden bei der Anwendung unbestimmter
Gesetzesbegriffe einen gewissen Beurteilungsspielraum zu und hält sich
insbesondere dort zurück, wo das Departement - im Grenzbereich zwischen
Rechts- und Ermessensausübung - gestützt auf die Berichte der ihm
beigegebenen Fachinstanzen entschieden hat (vgl. BGE 112 Ib 295 E. 8b,
428 E. 3, 549 E. 1d). Nimmt allerdings das Bundesgericht - wie hier -
selbst einen Augenschein vor, so besteht kein Anlass, sich bei der Prüfung
von Fragen, die eine Würdigung der örtlichen Verhältnisse voraussetzen,
besondere Zurückhaltung aufzuerlegen (BGE 109 Ib 300 E. 3).

    b) Gemäss Art. 43 ElG kann den Eigentümern von elektrischen
Starkstromanlagen und den Bezügern von elektrischer Energie das Recht
der Expropriation für die Einrichtungen zur Fortleitung und Verteilung
der elektrischen Energie gemäss den Bestimmungen der Bundesgesetzgebung
über die Enteignung gewährt werden. Gemäss Art. 1 Abs. 2 EntG setzt die
Erteilung des Enteignungsrechtes voraus, dass das Werk, für welches es
verlangt wird, im Interesse der Eidgenossenschaft oder eines grossen Teiles
des Landes liegt oder dass es anderen im öffentlichen Interesse liegenden
Zwecken dient, welche durch ein Bundesgesetz anerkannt sind. Bei dessen
Verwirklichung ist die - bereits erwähnte - Bestimmung des Art. 9 EntG zu
beachten; Naturschönheiten sind soweit möglich zu erhalten und die Werke
so auszuführen, dass sie das landschaftliche Bild möglichst wenig stören.

    Ist im Falle der Erstellung einer projektierten Starkstromleitung
namentlich das Trasse umstritten, so präzisiert Art. 50 Abs. 2 ElG,
dass das Expropriationsrecht gegen die Einsprecher bewilligt werden kann,
wenn eine Änderung des Trasses ohne erhebliche technische Inkonvenienzen
oder unverhältnismässige Mehrkosten oder ohne Gefährdung der öffentlichen
Sicherheit nicht möglich ist. Mit der genannten Bestimmung wird indes
lediglich der schon in Art. 1 Abs. 2 EntG festgehaltene Grundsatz
präzisiert, wonach das Enteignungsrecht nur geltend gemacht werden kann,
wenn und soweit es zur Erreichung des Zweckes notwendig ist. Bei den in
Art. 50 Abs. 2 ElG umschriebenen negativen Voraussetzungen handelt es sich
somit nur um drei bei der Enteignung besonders wichtige, aber nicht um die
einzigen Kriterien für die Beurteilung des geplanten Werkes. Ob für ein
konkretes Projekt das Enteignungsrecht erteilt werden könne oder nicht,
ist schliesslich in Abwägung der sich gegenüberstehenden privaten und
öffentlichen Interessen zu entscheiden (BGE 109 Ib 299 f. E. 3). Damit
steht auch fest, dass sich aus Art. 50 Abs. 2 ElG kein Vorrang der
technischen Trassewahl ableiten lässt.

    c) Gemäss Art. 2 lit. b NHG ist die Bewilligung von Werken und
Anlagen zur Beförderung von Energie eine Bundesaufgabe im Sinne von
Art. 24sexies Abs. 2 BV. Die Behörden und Amtsstellen des Bundes sind
somit verpflichtet, dafür zu sorgen, dass das heimatliche Landschafts-
und Ortsbild, geschichtliche Stätten sowie Natur- und Kulturdenkmäler
geschont und, wo das allgemeine Interesse an ihnen überwiegt, ungeschmälert
erhalten bleiben (Art. 3 Abs. 1 NHG). Diese Pflicht gilt unabhängig von der
Bedeutung des Objektes im Sinne von Art. 4 NHG (Art. 3 Abs. 3 NHG). Sie
wird u.a. dadurch erfüllt, dass Bewilligungen nur unter Bedingungen
oder Auflagen erteilt oder allenfalls verweigert werden (Art. 3 Abs. 2
lit. b NHG).

    Art. 4 NHG unterscheidet bei den zu schützenden Landschaften und
Kulturstätten Objekte von nationaler und solche von regionaler oder
lokaler Bedeutung. Für die Objekte von nationaler Bedeutung ist auf das
gemäss Art. 5 NHG erstellte Bundesinventar zu verweisen. Wird ein Objekt
von nationaler Bedeutung in ein Inventar des Bundes aufgenommen, so wird
dargetan, dass es in besonderem Masse die ungeschmälerte Erhaltung oder
jedenfalls grösstmögliche Schonung verdient (Art. 6 Abs. 1 NHG). Von der
ungeschmälerten Erhaltung darf nur abgewichen werden, wenn gleich- oder
höherwertige Interessen von ebenfalls nationaler Bedeutung dies verlangen
(Art. 6 Abs. 2 NHG; s. BGE 114 Ib 84 ff. E. 2, 113 Ib 348 ff. E. 4c und
5). Könnte ein Objekt von nationaler Bedeutung beeinträchtigt werden,
so hat obligatorisch eine Begutachtung durch die ENHK zu erfolgen (Art. 7
NHG). Im Unterengadin wurde das Gebiet Piz Arina unter Nr. 1909 in das
Inventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung,
das gemäss der bereits erwähnten Verordnung zu diesem Inventar (VBLN, SR
451.11) errichtet wurde, aufgenommen. Das Gebiet schliesst den Flusslauf
des Inn im Abschnitt zwischen Sur En und Strada ein; seine Grenze verläuft
auf der rechten Talseite des Innflusses.

Erwägung 5

    5.- Die Prüfung der in den Beschwerden erhobenen Einwendungen in
Anwendung der genannten gesetzlichen Bestimmungen führt zu folgenden
Ergebnissen:

    a) Die Beschwerdeführer machen in erster Linie geltend, dass die
Voraussetzungen für die Erteilung des Enteignungsrechts gemäss Art. 1
EntG nicht erfüllt seien. Die geplante 380 kV-Leitung Pradella-Martina
liege weder im nationalen noch im regionalen Interesse. Sie diene einzig
kommerziellen Interessen der Elektrizitätsgesellschaften, namentlich dem
Interesse an Energieexport und dem hieraus zu erzielenden Gewinn sowie
dem Interesse der Durchleitung von Energie von Österreich nach Italien.

    Diese Einwendungen erweisen sich als unbegründet. Die Schweiz
ist Mitglied des Westeuropäischen Stromverbundes, der Union für die
Koordinierung der Erzeugung und des Transportes elektrischer Energie
(UCPTE). In dem bei den Akten liegenden Plan des europäischen Verbundnetzes
vom Jahre 1982 ist die Leitung Pradella-Martina mit Fortsetzung in
Österreich nach Kaunertal-Westtirol als geplante Leitung in Übereinstimmung
mit dem bereits im Jahre 1976 vorgesehenen Verbundnetz enthalten (s. hiezu
ERNEST SEYLAZ, Die schweizerische Elektrizitätswirtschaft und der Austausch
elektrischer Energie mit den Nachbarländern, Verband Schweizerischer
Elektrizitätswerke [VSE], Zürich, November 1978). Das EVED verweist auf das
vom 13. September 1985 datierte Gutachten der Eidgenössischen Kommission
für elektrische Anlagen, das betont, dass der Stromverbund und damit das
gute Funktionieren des Energieverkehrs mit dem Ausland für die Schweiz zur
lückenlosen Deckung des Stromverbrauchs zu jeder Jahreszeit von Bedeutung,
sogar notwendig ist. Die Hauptvorteile des Verbundbetriebes und damit
des Energieaustausches liegen in der erhöhten Versorgungssicherheit
aller dem Verbundnetz angeschlossenen Staaten durch die gegenseitige
Unterstützung z.B. beim Ausfall einzelner Produktionseinheiten und in
der Möglichkeit der Ausnützung der wirtschaftlichsten Energiequelle. Die
Versorgungssicherheit dient der Bedarfsdeckung auch in Spitzenlastzeiten,
wie sie namentlich im Winter auftreten können. Auch wenn es den
schweizerischen Elektrizitätsgesellschaften möglich ist, selbst im Winter
Energie in die Nachbarländer zu exportieren, so heisst dies nicht, dass in
einzelnen Monaten wegen ungünstiger hydraulischer Produktionsverhältnisse
nicht eine Lage eintreten kann, welche die Einfuhr von Elektrizität
erfordert. Der vom Bundesamt für Energiewirtschaft herausgegebenen
Schweizerischen Elektrizitätsstatistik 1985 kann entnommen werden,
dass die Landesproduktion in zwei Wintern (1978/79 und 1983/84) nicht
ausreichte, um den Verbrauch zu decken. Dank Stromimporten konnte die
kritische Versorgungslage überbrückt werden (S. 32 der Statistik). An
der Sicherstellung einer ausreichenden Energieversorgung besteht
ein nationales Interesse. Es kommt ihm erhebliche Bedeutung auch mit
Rücksicht auf die Unsicherheit in bezug auf die künftige Energieerzeugung
in Atomkraftwerken zu. Auch kann ein Atomkraftwerk während gewisser Zeit
ausfallen, was zur Überbrückung ebenfalls einen Energieimport erfordern
kann. Versorgungssicherheit bedingt, dass vorsorglich die entsprechenden
Einrichtungen geschaffen werden; diese können im Falle eines Engpasses
nicht improvisiert werden.

    b) Die Beschwerdeführer halten allerdings dafür, zur Sicherstellung
eines allenfalls nötigen Energieimportes sei die Errichtung der geplanten
Übertragungsleitung Pradella-Martina-Österreich nicht erforderlich;
nach ihrer Meinung genügen die bereits bestehenden Anschlüsse an das
Ausland. Doch bestreiten die Beschwerdeführer nicht, dass mit Österreich
nur eine 220 kV-Leitung von Winkeln nach Dornbirn besteht. Diese vermag
jedoch die Schaffung eines zusätzlichen leistungsfähigen Anschlusses nach
Österreich nicht zu ersetzen, wie dies der Bundesrat bei der Beantwortung
eines Postulates Affolter feststellte (Amtl.Bull. NR, 24. Juni 1982, S. 956
f.). Der Bundesrat legte in seiner Antwort dar, dass die genannte 220
kV-Leitung bei weitem nicht in der Lage wäre, die nötige Reserveleistung
zu übertragen. Vorarlberg selbst sei erst seit einigen Jahren über eine
220 kV-Leitung mit dem übrigen Österreich direkt verbunden. Diese diene
voll der Landesversorgung. Aus der Antwort ergibt sich ferner, dass
das europäische Verbundnetz auf der 380 kV-Ebene zusammengeschlossen
werden soll. Da von Pradella aus in die Hauptverteilzentren der Schweiz
fast durchgehend 380 kV-Leitungen bestünden oder sich im Bau befänden,
sei es offensichtlich, dass durch die kurze Verbindung von Pradella
an die Landesgrenze bei Martina die Versorgungssicherheit der Schweiz
erhöht würde.

    Die zuletzt genannten Ausführungen des Bundesrates weisen auch auf
die bestehenden regionalen Versorgungsinteressen hin. Heute besteht nur
ein 380 kV-Leitungsstrang von Pradella über den Albulapass nach der
Verteilstation Sils im Domleschg. Dieser eine Leitungsstrang für die
Abfuhr der Energieerzeugung aus dem leistungsfähigen Werk Pradella ist
als ungenügend zu bezeichnen. Die Albulaleitung wurde im April 1986 wegen
Lawinen beschädigt und blieb während sechs Wochen ausser Betrieb, was
zur Folge hatte, dass grosse Energieverluste mit den damit verbundenen
finanziellen Folgen in Kauf genommen werden mussten. Das EVED weist
in seiner Vernehmlassung zutreffend darauf hin, dass kein anderes
schweizerisches Speicherwerk von der gleichen Grösse und Bedeutung wie
dasjenige der EKW-Zentrale Pradella nur auf einen einzigen Transportweg
abgestützt sei; ein wesentlicher Grund der geplanten Leitung bestehe
daher in der Schaffung eines zweiten unabhängigen Transportweges der
gleichen Spannungsebene. Auch wenn dieser ins Ausland führt, ändert dies am
regionalen Interesse an der Vermeidung des Ausfalles der Energieerzeugung
wegen Beschädigung einer Transportleitung nichts. Es geht somit nicht
allein um den allgemeinen internationalen Stromverbund, sondern auch um
die Ableitung der im Unterengadin produzierten Energie. Das Werk Pradella
soll nicht nur von der einzigen Leitung über den Albulapass abhängig sein.

    c) Bei der dargelegten Sachlage ist das öffentliche Interesse als
Voraussetzung der Enteignung eindeutig gegeben. Die Einwendungen der
Beschwerdeführer vermögen nicht zu widerlegen, dass die Schweiz an einer
Verstärkung der Verbindung mit Österreich ein berechtigtes Interesse
besitzt; hinzu kommt - wie ausgeführt - das regionale Interesse an einer
zweiten Abflussleitung für die Abfuhr der Energieerzeugung aus dem Werk
Pradella, welche Energieausfälle wegen Beschädigung einer Transportleitung
vermeiden helfen soll. Das ebenfalls gegebene Interesse der am europäischen
Verbundnetz beteiligten Nachbarstaaten vermag das nationale öffentliche
Interesse nicht auszuschliessen; es verstärkt dieses vielmehr, da sich
das europäische Interesse am Betrieb eines leistungsfähigen Verbundnetzes
mit dem Interesse der Schweiz an der Sicherstellung der Energieversorgung
deckt. Dabei besteht keine greifbare, überzeugende Alternative für den
Anschluss an das österreichische Hochspannungsnetz, was nach den von allen
Beteiligten gemachten Angaben, auf die das Bundesgericht abstellen muss,
für den gesamten Bereich der gemeinsamen Landesgrenze gilt. Selbst wenn -
was momentan wahrscheinlich ist - die Verbindungsleitung Tirol-Dugale nicht
zustandekommt, folgt daraus entgegen der Befürchtung der Beschwerdeführer
nicht, dass der gesamte Stromaustausch zwischen Österreich und Italien
einzig durch das Unterengadin erfolgt und damit die vorgesehene Leitung
für das Verbundnetz nur diesen beiden Ländern dient: Eine zusätzliche
Verbindung zwischen Österreich und Italien besteht über jugoslawisches
Gebiet. Und auch wenn der genannte Transfer durch die Schweiz stattfindet,
heisst das nicht, dass kein schweizerisches Interesse an der Leitung
bestehe, ermöglicht doch diese - wie ausgeführt - einen Energieaustausch,
wodurch die Versorgungssicherheit sämtlicher dem Westeuropäischen
Stromverbund angeschlossenen Staaten, also auch der Schweiz, erhöht
wird. Ein solches Verbundnetz kann allerdings nur in internationaler
Solidarität funktionieren.

    Nach dem Gesagten drängt sich der zweite, als zusätzliche
Abflussleitung vorgesehene 380 kV-Strang unabhängig von einem Anschluss
an das europäische Verbundnetz auf. Es versteht sich von selbst,
dass diese zweite Abflussleitung aus Sicherheitsgründen nicht mit
der bisherigen Abflussleitung ebenfalls über den Albulapass führen
kann. Andererseits bedeutete eine zusätzliche Leitung über den Berninapass
auch nach Auffassung der beschwerdeführenden Vereinigungen einen noch
grösseren Eingriff in die Natur bzw. Landschaft als die Variante durch
das Unterengadin, weshalb für sie ein Ausbau der bestehenden Leitung über
den Berninapass nicht zur Diskussion stehen kann. Dasselbe gilt mit Bezug
auf den Flüelapass, weshalb auch er keine Alternative darstellt, die sich
für die zweite Abflussleitung ab Pradella besser eignen würde als der
Weg durch das Unterengadin. Welcher andere Weg für diese Abflussleitung
in Frage kommen könnte, ist nicht ersichtlich.

    d) Somit stellt sich als nächstes die Frage, ob im Sinne von
Art. 50 Abs. 2 ElG eine Änderung des Trasses von Pradella bis Martina
zum Anschlusspunkt an das österreichische Leitungsnetz in Frage kommen
kann. Es müsste sich um eine Änderung handeln, die zu einem geringeren
Eingriff in die Landschaft führen würde und die ausserdem ohne erhebliche
technische Inkonvenienzen oder unverhältnismässige Mehrkosten realisiert
werden könnte.

    Aus den Akten ergibt sich, dass die Vorinstanzen in Zusammenarbeit
mit der ENHK mehrere Varianten geprüft haben. Die bundesgerichtliche
Delegation hat am Augenschein die Variantenfrage nochmals aufgeworfen und
sich ihrerseits davon überzeugt, dass an sich denkbare Leitungsführungen
durch das Uinatal oder das Val S-Charl die Betriebssicherheit nicht zu
gewährleisten vermöchten und ohnehin zu weit schwerwiegenderen Eingriffen
in die Landschaft führen würden. Die Vertreter der beschwerdeführenden
Vereinigungen haben dies bestätigt. Sie haben anerkannt, dass die von
den Vorinstanzen genehmigte Leitungsführung das beste Trasse darstellt,
wenn die Leitung gebaut werden muss und nicht verkabelt werden kann.

    Auf die Frage allfälliger Varianten ist demnach nicht weiter
einzugehen.

    e) Das Ausmass der Landbeanspruchung für die Errichtung der
insgesamt 47 Tragmasten sowie für die Überspannung des Areales, bei dem
es sich fast ausschliesslich um Waldflächen handelt, hält sich sodann
an das unumgänglich erforderliche Mindestmass. Auch dies wird von den
Beschwerdeführern nicht bestritten. Gegen die Standorte der Masten haben
sie ebenfalls nichts einzuwenden. Die Standorte sind - wie der Augenschein
bestätigt hat - entsprechend den Auflagen der Bewilligungsbehörden
sorgfältig ausgewählt worden, wobei sie ausserdem in dunkler Farbe
gestaltet werden, um den Eingriff in das Landschaftsbild zu mildern.

    Dass ein Eingriff in die Landschaft verursacht wird, lässt sich
allerdings nicht in Abrede stellen, auch wenn - was zwar zu begrüssen ist
- die erforderlichen Leitungsmasten ausserhalb des Schutzobjektes Piz
Arina erstellt werden sollen. Bei der Beurteilung der Beeinträchtigung
eines Schutzobjektes von nationaler Bedeutung kommt es nicht in erster
Linie darauf an, wo eine Anlage errichtet werden soll; vielmehr müssen
die Auswirkungen dieser Anlage auf das Schutzziel an sich gewürdigt
werden. Auch wenn der Leitungsverlauf unmittelbar ausserhalb der Grenze
des Schutzgebietes verläuft, so ändert dies nichts daran, dass der Bereich
der geschützten Flusslandschaft unterhalb Ramosch im Abschnitt der Masten
Nrn. 16-33 bei Raschvella durch diese selber und durch die Leitungsführung
beeinträchtigt wird. Der Auffassung der Beschwerdegegnerin, dass dank des
Verlaufes der Leitung ausserhalb der Schutzgebietsgrenze Art. 6 NHG nicht
zum Zuge käme, kann daher nicht gefolgt werden. Ein Schutzobjekt kann
klarerweise auch durch Anlagen, die an seiner Grenze realisiert werden,
erheblichen Schaden erleiden (vgl. BGE 112 Ib 297 E. 8c und 108 Ib 368
E. 6a), wenn diese Anlagen - wie hier - den bis anhin freien Blick auf
das geschützte Gebiet und dessen Unberührtheit beeinträchtigen.

    Doch schliessen die Vorschriften, welche den Schutz der Landschaft
verlangen, die Erfüllung einer Bundesaufgabe auch dann nicht aus,
wenn diese Aufgabe zu einer gewissen Beeinträchtigung der Landschaft
führt. Verlangt wird vor allem eine umfassende Interessenabwägung zwischen
mehreren unter sich im Widerstreit liegenden schutzwürdigen öffentlichen
Interessen (BGE 100 Ib 409 E. 2). Das anerkannt hohe Interesse am Schutz
einer Landschaft von nationaler Bedeutung, wie sie der Flusslauf des
Inns zwischen Sur En und Strada darstellt, ist nur dann ungeschmälert zu
erhalten, wenn ihr nicht bestimmte gleich- oder höherwertige Interessen
von ebenfalls nationaler Bedeutung entgegenstehen (Art. 6 Abs. 2 NHG;
s. die in diesem Zusammenhang bereits genannten BGE 114 Ib 84 ff. E. 2
und 113 Ib 348 ff. E. 4c und 5). Die dargestellten Interessen der
Energieversorgung stellen entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer
solche dem Landschaftsschutz jedenfalls gleichgeordnete Interessen dar.

    Im übrigen wäre das blosse Wegfallen des für das europäische
Verbundnetz nötigen 380 kV-Stranges hinsichtlich Beeinträchtigung von
Natur bzw. Landschaft praktisch unerheblich, denn bei Realisierung einzig
der sich aus Sicherheitsgründen aufdrängenden zweiten Abflussleitung ab
Pradella, für deren Trasse aus den dargelegten Gründen nur das Unterengadin
in Frage kommen kann, liesse sich die vom nötigen Waldabstand abhängige
Typen- bzw. Gesamthöhe der erforderlichen Masten lediglich geringfügig
reduzieren. Einzig eine Verkabelung bedeutete einen echten Gewinn für
Natur und Landschaft.

    f) Demnach verbleibt die Frage zu prüfen, ob anstelle der oberirdischen
Leitungsführung eine Verkabelung in Erwägung gezogen werden kann,
wie dies die Beschwerdeführer fordern. Da sie anerkennen, dass eine
abweichende Leitungsführung oder eine andere Gestaltung der Masten nicht
in Betracht kommt, könnte der Eingriff in das Landschaftsbild einzig mit
einer unterirdischen Leitungsführung vermieden werden.

    Die als Bauherrschaft auftretende einfache Gesellschaft, vertreten
durch die Elektrizitätsgesellschaft Laufenburg AG, hat sich mit der
Frage der Verkabelung eingehend befasst. Sie liess von der Câbles
Cortaillod SA eine Studie für die Erstellung eines Kabeldruckstollens
anfertigen. Aufgrund dieser Studie gelangte sie zum Ergebnis, dass
die Gesamtkosten der Kabelanlage sich auf über Fr. 232 Mio. belaufen
würden. Gemäss der Auffassung der Fachleute der Bundesbehörden, die auch
an der Augenscheinsverhandlung bestätigt wurde, ist diese Kostenberechnung
nicht zu beanstanden, vielleicht sogar zu niedrig. Die Beschwerdeführer
ziehen sie demgegenüber in Zweifel und halten dafür, anstelle einer
Ausführung mit einem Öldruckkabel in Niederdruckausführung und einem
Gas-Aussendruck-Kabel könne eine neue Methode mit einem luftgekühlten
Polyurethankabel gewählt werden. Sie beantragen, hierüber sei eine
Expertise zu veranlassen.

    Das Bundesgericht hat sich bereits wiederholt mit der Frage
der Verkabelung von Starkstromleitungen befasst. In BGE 100 Ib 404
ff. hatte es eine geplante 50 kV-Leitung zu beurteilen. Aufgrund
einer Expertise zog es in dieser im Jahre 1974 entschiedenen Sache die
Schlussfolgerung, es müsse mindestens für 50 kV-Leitungen und noch höher
gespannte Leitungen bei der Rechtsprechung gemäss BGE 99 Ib 70 bleiben,
wonach sich aus dem NHG nur bei besonders schützenswerten Objekten aus
dem Bundesrecht eine Verkabelungspflicht ergeben könne, und auch dann
seien alle Umstände des Einzelfalles mit in Betracht zu ziehen (BGE 100
Ib 417 E. 4b). Im vorliegenden Falle geht es - wie dargelegt - um ein
besonders schützenswertes Objekt, um das Schutzgebiet Piz Arina, dessen
geschützte Flusslandschaft des Inn durch die zu errichtende zweistrangige
380 kV-Leitung beeinträchtigt wird. Doch sind auch hier alle Umstände
des Einzelfalles zu berücksichtigen und in die geforderte umfassende
Interessenabwägung einzubeziehen.

    Als erstes ist bei dieser umfassenden Interessenabwägung zu
berücksichtigen, dass es im vorliegenden Falle um eine hochgespannte
380 kV-Leitung geht, welche mit einem Strang Teil des europäischen
Verbundnetzes bildet und für welche bereits aus diesem Grunde eine
hohe Betriebssicherheit gefordert ist. Eine solche Leitung hatte das
Bundesgericht in einem Entscheid vom 1. Oktober 1984 zu beurteilen
(Umbau des letzten Abschnittes der Hochspannungsleitung Rothenbrunnen
bis St. Gallen Ost der Kraftwerke Sernf-Niederenbach AG). Zu der auch in
diesem Falle geforderten Verkabelung, für welche sich die Beschwerdeführer
auf die neue Verkabelungstechnik beriefen, führte das Bundesgericht
aus, dass sich diese Technik gemäss einem Bericht des Instituts für
elektrische Energieübertragung und Hochspannungstechnik der ETH-Zürich
noch in Entwicklung befinde und dass sich keine technischen Vorteile
gegenüber den heutigen Methoden ergeben würden. Das EVED habe überdies zu
Recht auf die bekannten Schwierigkeiten und Nachteile einer Verkabelung
hingewiesen; es könne hiefür auf die zutreffenden Ausführungen in BGE
100 Ib 408 ff. verwiesen werden, die keineswegs überholt seien (BGE vom
1. Oktober 1984 in ZBl 86/1985 S. 117 E. 7).

    Es ist nicht auszuschliessen, dass sich angesichts der zum
Teil rasanten Entwicklung der Technik in wenigen Jahren auch neue
Erkenntnisse in bezug auf die Verkabelung von Hochspannungsleitungen
ergeben können. Die bundesgerichtliche Delegation hat daher an der
Augenscheinsverhandlung die Fachleute der Bundesbehörden, insbesondere
den Vertreter des Starkstrominspektorates, um eingehende Auskunft
über die Verkabelungstechnik ersucht. Aus der Antwort des Vertreters
des Starkstrominspektorates ergab sich, dass bis jetzt im europäischen
Verbundnetz kein einziger Abschnitt einer 380 kV-Leitung verkabelt ist. Im
vorliegenden Falle ergäben sich grösste technische Probleme. Alle 450
m müssten Verbindungsmuffen erstellt werden, wozu Muffenkammern von je
11 m Länge erforderlich wären. Die Erstellung solcher Muffen müsste
mit äusserster Präzision erfolgen, weil kein Stäubchen eindringen
dürfte, um Kurzschlüsse zu vermeiden; hunderte solcher Muffen wären
erforderlich. Wollte man die Kabel in den Wasserstollen verlegen, welcher
für die dritte Staustufe des Innkraftwerkes erstellt werde, so müsste
eine spezielle Kammer für die Kabelrohre angebracht werden. Als Kabel
wären insgesamt 12 Stahlrohre nötig, die ungeheure Korrosionsprobleme
mit sich brächten. Vom Austritt aus dem Wasserstollen bis zum Anschluss
an das österreichische Netz müsste sodann eine Höhendifferenz von 670 m
überwunden werden, wozu Hochdruckölkabel nötig wären. Der Vertreter des
Starkstrominspektorates ist der Meinung, dass sich die Schwierigkeiten und
Risiken, die eintreten würden, nicht verantworten liessen. Im Falle einer
Störung an einer einzigen Muffe müsste mit einem einmonatigen Ausfall
des Kraftwerkes wegen der im Stollen vorzunehmenden Reparaturarbeiten
gerechnet werden.

    Die Berichte über neue Verkabelungsmethoden bezeichnete der Vertreter
des Starkstrominspektorates als unseriös. Walter Zaengl, Professor
für Hochspannungstechnik an der ETH-Zürich, habe erklärt, die Technik
luftgekühlter Polyurethankabel müsse noch während Jahren geprüft werden,
bevor feststehe, ob und wie sie verwendbar sei; und selbst wenn ein solches
Kabel verwendbar wäre, so brächte es gegenüber den heutigen Möglichkeiten
keine Vorteile.

    Aus diesen fachmännischen Ausführungen ergibt sich, dass seit
dem genannten Bundesgerichtsentscheid vom 1. Oktober 1984 keine neuen
Erkenntnisse hinsichtlich der von den Beschwerdeführern genannten Methode
eingetreten sind. Die Anordnung einer Expertise erübrigt sich unter diesen
Umständen. Gemäss den Aussagen der Fachleute ist nicht auszuschliessen,
dass völlig neue Techniken in bezug auf die Leitfähigkeit entwickelt werden
können. Von praktischen Anwendungsmöglichkeiten kann hingegen noch lange
nicht gesprochen werden.

    g) Beim aufgezeigten Stand der Technik stünden der Verkabelung
erhebliche technische Inkonvenienzen im Sinne von Art. 50 Abs. 2
ElG entgegen. Auch die über zehnfachen Mehrkosten müssten als
unverhältnismässig bezeichnet werden. Zwar kann der Kostenfolge in
einem Falle, in dem es um den Schutz eines Objektes von nationaler
Bedeutung geht, für sich allein nicht entscheidendes Gewicht beigemessen
werden. Doch zeigen die fachmännischen Ausführungen, dass nicht nur mit
erheblichen Mehrkosten gerechnet werden müsste, sondern dass auch überaus
schwerwiegende Risiken eintreten würden, welche nicht zu verantworten
wären.

    Die Beschwerdeführer weisen zwar mit Recht darauf hin, dass
auch die Hochspannungsleitung dem Risiko der Beschädigung durch
Lawinen ausgesetzt sei. Die Vertreter der Elektrizitätsgesellschaften
stellen dies nicht in Abrede. Auch bestätigen die Erfahrungen mit der
Albulaleitung die Möglichkeit eines Ausfalles wegen einer Beschädigung
durch Lawinen. Die Vertreter der Beschwerdeführer haben überzeugend
dargetan, dass Lawinenniedergängen in den Seitentälern, welche von
der Leitung überspannt werden, grösste Gewalt zukommen kann. Es ist
mit Baumwürfen bis zu 50 m Höhe zu rechnen, was zu einem Bruch der
Leitungen führt. Doch wird die damit verbundene Gefahr der Auslösung
eines Waldbrandes als gering bezeichnet. Auch weisen die Vertreter der
Elektrizitätsgesellschaften darauf hin, dass Reparaturen oberirdischer
Leitungen leichter und mit weniger grossem Aufwand möglich sind, als dies
für die Reparaturen im Falle einer Störung der unterirdischen Kabel der
Fall wäre. Aufgrund der Erfahrung, namentlich der Tatsache, dass nirgends
Abschnitte einer 380 kV-Leitung des europäischen Verbundnetzes verkabelt
sind, erscheinen diese Folgerungen als schlüssig.

    h) Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass eine Verkabelung
der vorgesehenen zweistrangigen 380 kV-Leitung und selbst bei nur einem
Strang nur dessen Verkabelung gestützt auf Art. 50 Abs. 2 ElG nicht
verlangt werden kann und dass demgemäss zufolge des ausgewiesenermassen
hohen öffentlichen Interesses an der Erstellung dieser Leitung von
der ungeschmälerten Erhaltung des Schutzgebietes Piz Arina abgewichen
werden darf. Die ausserhalb der Schutzgebietsgrenze verlaufende Leitung
ist so angelegt, dass das Schutzobjekt an sich und die Unterengadiner
Landschaft im allgemeinen zwar - wie ausgeführt - nicht unbeeinträchtigt
bleiben, aber dennoch grösstmöglich geschont werden. Den Anforderungen
der Art. 3 und 6 NHG sowie Art. 9 EntG wird im dargelegten Sinne
entsprochen, was der Augenschein bestätigt hat. Hieraus ergibt sich,
dass die Verwaltungsgerichtsbeschwerden als unbegründet zu bezeichnen
und demgemäss abzuweisen sind.

    Nicht im vorliegenden Verfahren ist zu prüfen, wie es sich mit der
Linienführung und einer allfälligen Verkabelung der zu errichtenden 110
kV-Anschlussleitung der Zentrale Martina an die 380 kV-Leitung verhält.