Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 IB 157



115 Ib 157

20. Urteil des Kassationshofs vom 29. Mai 1989 i.S. J. gegen
Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Führerausweisentzug.

    1. Bei Warnungsentzügen kann die aufschiebende Wirkung verweigert
werden, wenn die angeordnete Administrativmassnahme offensichtlich
begründet und die Beschwerde aussichtslos ist.

    2. Es verstösst nicht gegen Bundesrecht, wenn die Administrativbehörde
die Entzugsdauer mit dem Datum des zur Massnahme führenden Vorfalls
beginnen lässt. Das Bundesrecht schreibt auch nicht vor, dass der
Ausweis nach der Abnahme durch die Polizei dem Betroffenen zunächst wieder
ausgehändigt werden muss.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- J. wird vorgeworfen, am 11. April 1989, um ca. 23.45 Uhr,
in Bern ein Fahrzeug in angetrunkenem Zustand gelenkt zu haben. Das
Strassenverkehrs- und Schiffahrtsamt des Kantons Bern entzog ihm deswegen
am 20. April 1989 den Führerausweis für die gesetzliche Minimaldauer von
zwei Monaten (Art. 17 Abs. 1 lit. b SVG); im Entscheid wurde unter Hinweis
auf Art. 33 des bernischen Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege
(VPRG) festgestellt, einer allfälligen Beschwerde komme keine aufschiebende
Wirkung zu.

    Gegen diese Verfügung erhob J. Beschwerde, wobei er unter anderem
den Antrag stellte, dem Rechtsmittel sei die aufschiebende Wirkung zu
gewähren. Am 5. Mai 1989 entschied die Rekurskommission des Kantons
Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern, die aufschiebende Wirkung
werde verweigert.

    J. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht mit den
Anträgen, es sei die Verfügung der Rekurskommission aufzuheben und der
gegen den erstinstanzlichen Entscheid gerichteten Beschwerde sei die
aufschiebende Wirkung zu erteilen; zudem sei das Strassenverkehrs- und
Schiffahrtsamt anzuweisen, dem Beschwerdeführer den Führerausweis bis
zum Vorliegen eines rechtskräftigen Entscheids vorläufig zurückzugeben.

Erwägung 2

    2.- Während bei Sicherungsentzügen die aufschiebende Wirkung
grundsätzlich verweigert werden soll, hat das Bundesgericht aus
dem spezifischen Zweck der Entzugsarten darauf geschlossen, dass bei
Warnungsentzügen - und um einen solchen handelt es sich im vorliegenden
Fall - die aufschiebende Wirkung regelmässig zu gewähren ist (BGE 107 Ib
397/8 mit Hinweisen). Bestehen sachliche Gründe, kann von dieser Regel
jedoch abgewichen werden. Eine Ausnahme ist beispielsweise angezeigt,
wenn der angeordnete Warnungsentzug offensichtlich begründet und die
Beschwerde aussichtslos ist (BGE 107 Ib 399 mit Hinweis).

    Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, ein Motorfahrzeug in
angetrunkenem Zustand gelenkt zu haben. Die Angetrunkenheit wurde denn auch
durch die Blutuntersuchung bewiesen, die ein Resultat von 1,15 Gew.-0/00
ergab. Bei dieser Sachlage ist der ausgesprochene Führerausweisentzug von
zwei Monaten offensichtlich begründet. Die erste Instanz hat die gemäss
Art. 17 Abs. 1 lit. b SVG obligatorische Mindestentzugsdauer verfügt, so
dass der Hinweis des Beschwerdeführers auf seine berufliche Notwendigkeit,
ein Motorfahrzeug zu lenken, unbeachtlich ist. Er vermag denn auch nicht
darzulegen, inwieweit das kantonale Rechtsmittel Aussicht auf Erfolg haben
sollte. Bei dieser Sachlage ist nicht zu sehen, warum die Vorinstanz die
aufschiebende Wirkung hätte gewähren müssen.

    Der Beschwerdeführer wirft die Frage auf, zu welchem Zeitpunkt der
Warnungsentzug zu vollziehen ist. Der Ausweis wurde am 11. April 1989
durch die Polizei abgenommen, und es ist nicht zu beanstanden, dass das
Strassenverkehrs- und Schiffahrtsamt, welches bereits neun Tage später
entschied, die Entzugsdauer mit dem Tag der Trunkenheitsfahrt beginnen
liess. Das Bundesrecht schreibt jedenfalls nicht vor, dass der Ausweis
nach der Abnahme durch die Polizei dem Betroffenen wieder ausgehändigt
werden muss (vgl. Art. 39 VZV). Dies ergibt sich insbesondere nicht
aus den vom Beschwerdeführer erwähnten Art. 54 Abs. 2 SVG und 38
Abs. 1 VZV; diese Bestimmungen regeln nur die Frage, wann die Polizei
den Führerausweis abnehmen darf, und sagen nichts darüber aus, ab
wann die Administrativmassnahme zu beginnen hat. Bis zum Entscheid der
Entzugsbehörde hat gemäss Art. 54 Abs. 4 SVG die polizeiliche Abnahme eines
Ausweises die Wirkung des Entzugs. Der Beschwerdeführer verkennt, dass
heute nicht eine vorsorgliche Abnahme des Ausweises durch die Polizei zu
beurteilen ist, sondern bereits eine durch die zuständige erstinstanzliche
kantonale Administrativbehörde verfügte Massnahme vorliegt. Schliesslich
verweist er zu Unrecht auf den Grundsatz der Verhältnismässigkeit und
seine berufliche Notwendigkeit, ein Fahrzeug zu lenken, denn es ist
nicht zu sehen, inwieweit er ohne Auto nicht in der Lage gewesen wäre,
"mit seinem Arbeitgeber frühzeitig Dispositionen zu treffen und eventuell
einen Chauffeur zu organisieren". Von einer willkürlichen Verfügung, die
den Hauptentscheid in unzulässiger Art präjudiziert, kann keine Rede sein.