Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 IA 76



115 Ia 76

13. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 5. Juni 1989 i.S. A. AG, B. AG und C. AG gegen X. AG, Y. AG und
Regierungsrat des Kantons Graubünden (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 4 BV; Submission: Arbeits- und Lieferungsvergebung.

    1. Die Vergebung öffentlicher Arbeiten in einem durch das kantonale
Recht geordneten Submissionsverfahren stellt keine Verfügung i.S. von
Art. 84 (bzw. 97) OG dar (E. 1b).

    2. Die Nichtberücksichtigung eines Submittenten verletzt den Bewerber
weder in seinen Rechten noch in seinen rechtlich geschützten Interessen,
weshalb er nach Art. 88 OG zur Sache nicht legitimiert ist (E. 1c). Trotz
fehlender Legitimation in der Sache selbst kann der Beschwerdeführer die
Verletzung von kantonalen Verfahrensvorschriften rügen, deren Missachtung
eine formelle Rechtsverweigerung darstellt.

    3. Im Submissionsverfahren zur Vergebung von Arbeiten ist die
staatsrechtliche Beschwerde nur dann zulässig, wenn Submissionsbestimmungen
verletzt werden, die den Schutz der unmittelbaren Interessen der
Bewerber bezwecken (E. 1d). Art. 9 Abs. 2 der Submissionsverordnung des
Kantons Graubünden (Verbot, nachträgliche Angebote anzunehmen und zu
berücksichtigen) bezweckt nach Wortlaut und Sinn auch den Schutz der
unmittelbaren Interessen der einzelnen Bewerber (E. 2).

Sachverhalt

    A.- Mit Schreiben vom 19. Dezember 1988 teilte das kantonale
Tiefbauamt Graubünden allen Submittenten die Vergebung der ausgeschriebenen
Arbeiten an die Arbeitsgemeinschaft (im folgenden auch; ARGE) X. AG und
Y. AG, gemäss Offerte vom 29. November bzw. 6. Dezember 1988 mit. Der
Vergebungsentscheid über den Betrag von Fr. 416'521.40 war von der
Regierung des Kantons Graubünden am 12. Dezember 1988 genehmigt worden.

    Gegen diesen Entscheid der Regierung des Kantons Graubünden erheben
die Gesellschafter der ARGE A. AG, B. AG und C. AG staatsrechtliche
Beschwerde. Sie gehen davon aus, dass sich die beiden in der Submission
erstplazierten Offerenten nach erfolgter Offertöffnung in Kenntnis der
Preisangebote der anderen Bewerber zu einer ARGE zusammengeschlossen und
eine neue Offerte eingereicht hätten. Der Kanton habe diese nachträglich
eingereichte Offerte ohne weiteres entgegengenommen und den Zuschlag
diesem eindeutig verspäteten Angebot erteilt, ohne mit den übrigen
Mitbewerbern Rücksprache zu nehmen oder ihnen ebenfalls das Recht
einzuräumen, eine zweite Offerte einzureichen. Die Beschwerdeführer
rügen eine willkürliche Anwendung insbesondere von Art. 9 Abs. 2 der
anwendbaren Submissionsverordnung und beantragen, der angefochtene
Entscheid sei deshalb aufzuheben.

    Die Beschwerdegegner und die Regierung des Kantons Graubünden
beantragen in der Vernehmlassung, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit
auf sie eingetreten werden könne.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Die Beschwerde, die wegen Verletzung von Art. 4 BV erhoben wird,
richtet sich gegen einen kantonalen, letztinstanzlichen Endentscheid,
gegen den auch im Bund kein anderes Rechtsmittel zur Verfügung steht. In
dieser Hinsicht sind damit die Eintretensvoraussetzungen von Art. 84
Abs. 2, 86 und 87 OG erfüllt.

    b) Das Bundesgericht geht in ständiger Praxis davon aus, dass
die Vergebung öffentlicher Arbeiten in einem durch das kantonale Recht
geordneten Submissionsverfahren ein nicht mit staatsrechtlicher Beschwerde
anfechtbarer Akt ist, weil dieser keine Verfügung im Sinne von Art. 84
(bzw. 97) OG darstellt (BGE 106 Ia 325/6 E. 3a; 103 Ib 156 E. 1 und 2,
mit Hinweisen; 101 IV 410/1 E. 1b). Es besteht im vorliegenden Fall kein
Anlass, auf die Rechtsprechung bezüglich der Rechtsnatur des Zuschlags
zurückzukommen.

    c) Nach Art. 88 OG steht das Recht zur Beschwerdeführung Bürgern
(Privaten) und Korporationen bezüglich solcher Rechtsverletzungen zu, die
sie durch allgemein verbindliche oder sie persönlich treffende Erlasse oder
Verfügungen erlitten haben. Gemäss ständiger Rechtsprechung ermöglicht
die staatsrechtliche Beschwerde lediglich die Geltendmachung rechtlich
geschützter eigener Interessen. Zur Verfolgung bloss tatsächlicher
Interessen wie auch zur Geltendmachung allgemeiner öffentlicher Interessen
ist die staatsrechtliche Beschwerde nicht gegeben. Die Legitimation zur
Sache bestimmt sich ausschliesslich nach Art. 88 OG. Der Umstand, dass ein
Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren Parteistellung hatte, ist nicht
entscheidend (BGE 114 Ia 94 E. 1, mit Hinweis). Die Nichtberücksichtigung
eines Submittenten verletzt den Bewerber weder in seinen Rechten noch in
seinen rechtlich geschützten Interessen, weshalb er nach Art. 88 OG zur
Sache nicht legitimiert ist (BGE 106 Ia 326 E. 3b, mit Hinweisen).

    d) Trotz fehlender Legitimation in der Sache selbst kann der
Beschwerdeführer die Verletzung von kantonalen Verfahrensvorschriften
rügen, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt (BGE
113 Ia 250 E. 3; 106 Ib 132 E. 3; 105 Ia 276 E. d). Das nach Art. 88 OG
erforderliche rechtlich geschützte Interesse ergibt sich diesfalls nicht
aus einer Berechtigung in der Sache, sondern aus einer Berechtigung
am Verfahren. Eine solche besteht dann, wenn dem Beschwerdeführer im
kantonalen Verfahren Parteistellung zukommt. Ist dies der Fall, kann er
die Verletzung jener Parteirechte rügen, die ihm nach dem kantonalen
Verfahrensrecht oder unmittelbar aufgrund von Art. 4 BV zustehen.
Das Bundesgericht prüft die Auslegung und Anwendung der kantonalen
Verfahrensvorschriften auf Willkür hin; frei prüft es dagegen, ob,
im Rahmen der dem Beschwerdeführer nach kantonalem Recht eingeräumten
Parteistellung im Verfahren, die durch Art. 4 BV gewährleisteten
Minimalansprüche respektiert wurden (BGE 111 Ia 166 E. a).

    Im Submissionsverfahren zur Vergebung von Arbeiten ist die in der
Berechtigung am Verfahren gründende Legitimation vorbehältlich abweichender
kantonaler Regelung nicht generell gegeben. Die staatsrechtliche Beschwerde
ist vielmehr nur dann zulässig, wenn Submissionsbestimmungen verletzt
werden, die (vollumfänglich oder teilweise) den Schutz der unmittelbaren
Interessen der Bewerber bezwecken: Einzig in dem Umfang, in dem die Behörde
solche Vorschriften anwendet, besteht eine nach Art. 84 OG anfechtbare
Verfügung und ist die Beschwerdelegitimation des Bewerbers nach Art. 88
OG gegeben (BGE 106 Ia 327 E. 3c).

    Ob eine Submissionsbestimmung (auch) dem Schutz der unmittelbaren
Interessen der Bewerber dient, ist durch Auslegung zu ermitteln. Wird
die Frage bejaht, so ist auf die staatsrechtliche Beschwerde wegen
Verletzung der betreffenden Verfahrensvorschrift - bei im übrigen gegebenen
Voraussetzungen - einzutreten.

Erwägung 2

    2.- a) Im Kanton Graubünden ist das Submissionswesen in der
Verordnung des Grossen Rates vom 28. Mai 1919 über das Submissionswesen
(teilrevidiert am 1. Oktober 1982; im folgenden SubV) geregelt. Art. 9
Abs. 2 SubV bestimmt, dass nachträgliche Angebote nicht mehr angenommen
und berücksichtigt werden dürfen. ...

    b) Die Beschwerdeführer rügen eine willkürliche Anwendung der
Verfahrensbestimmungen der SubV, insbesondere von Art. 9 Abs. 2. Diese
Bestimmung dient in erster Linie einem geordneten Verfahrensablauf zur
Ermittlung der richtigen, durch das öffentliche Interesse gebotenen Wahl
durch die Submissionsbehörde. Daneben bezweckt sie aber nach Wortlaut und
Sinn auch den Schutz der unmittelbaren Interessen der einzelnen Bewerber,
indem diese vor nachträglichen Angeboten geschützt werden und ohne weiteres
die Ausscheidung verspäteter Offerten verlangen können. Die vorgebrachte
Rüge ist im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren also zu hören.