Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 IA 56



115 Ia 56

9. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 18.
Januar 1989 i.S. X. gegen Bezirksanwaltschaft Zürich und Staatsanwaltschaft
des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 5 Ziff. 4 EMRK; gerichtliche Haftprüfung bei Untersuchungshaft.

    1. Die zürcherische Bezirks- und Staatsanwaltschaft stellen kein
Gericht im Sinne von Art. 5 Ziff. 4 EMRK dar (E. 2b).

    2. Art. 5 Ziff. 4 EMRK ist verletzt, wenn während acht Tagen ein Zugang
zu einem Gericht nicht möglich ist; das Haftfristerstreckungsverfahren
vor dem Bezirksgerichtspräsidenten stellte überdies für sich allein
kein Art. 5 Ziff. 4 EMRK genügendes Haftprüfungsverfahren dar, weil im
vorliegenden Fall dem von der EMRK geforderten Mass an kontradiktorischer
Ausgestaltung desselben nicht Genüge getan wurde (E. 2c).

    3. Die staatsrechtliche Beschwerde fällt im vorliegenden Fall als
Mittel der gerichtlichen Haftprüfung ausser Betracht (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Die Bezirksanwaltschaft Zürich ordnete mit Verfügung vom 12. April
1988 an, X. der der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz
dringend verdächtig sei, sei wegen Kollusionsgefahr in Untersuchungshaft
zu versetzen. Der Beschuldigte liess die Möglichkeit, gegen diesen
Entscheid bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich Rekurs zu erheben,
ungenutzt. Hingegen liess er am 19. April 1988 durch seinen inzwischen
von ihm bevollmächtigten Rechtsvertreter bei der Bezirksanwaltschaft
ein Haftentlassungsgesuch stellen. Im Gesuch wurde ausgeführt, gemäss
Art. 5 Ziff. 4 EMRK stehe jedermann, dem seine Freiheit durch Festnahme
oder Haft entzogen werde, das Recht zu, ein Verfahren zu beantragen, in
dem von einem Gericht raschmöglichst über die Rechtmässigkeit der Haft
entschieden werde; da die Zürcher Strafprozessordnung keine richterliche
Instanz zur Beurteilung von Haftentlassungsgesuchen vorsehe, werde das
Gesuch der Praxis entsprechend an die Bezirksanwaltschaft gerichtet mit
dem Ersuchen, es allenfalls einer richterlichen Instanz weiterzuleiten
oder darüber - werde die Zuständigkeit der Bezirksanwaltschaft bejaht -
selber zu entscheiden.

    Mit Entscheid vom 20. April 1988 wies die Bezirksanwaltschaft Zürich
das Haftentlassungsgesuch mit der Begründung ab, X. werde nach wie vor
dringend verdächtigt, mit mehreren Kilogramm Haschisch gehandelt zu haben,
und es bestehe massive Kollusionsgefahr. Der Beschuldigte erhob gegen
diesen Entscheid am 22. April 1988 Rekurs an die Staatsanwaltschaft des
Kantons Zürich, in dem er das Vorliegen eines Haftgrundes bestritt und die
Begründung der Verhaftsverfügung beanstandete. Er machte zugleich erneut
geltend, er habe Anspruch auf ein gerichtliches Haftprüfungsverfahren. Noch
vor deren Entscheid, nämlich am 26. April 1988, erstreckte der Präsident
des Bezirksgerichts Zürich in Anwendung von § 51 Abs. 1 des Gesetzes
betreffend den Strafprozess des Kantons Zürich vom 4. Mai 1919 (StPO)
die Haftfrist auf Antrag der Bezirksanwaltschaft um weitere 14 Tage bis
und mit 10. Mai 1988. X. wurde am 9. Mai 1988 aus der Haft entlassen.

    Die Staatsanwaltschaft wies den Rekurs am 2. Juni 1988 ab,
soweit sie darauf eintrat. Sie erwog unter anderem, die zürcherische
Strafprozessordnung kenne ein gerichtliches Haftprüfungsverfahren
gemäss Art. 5 Ziff. 4 EMRK in der allerersten Phase der Untersuchung
nicht. Ein solches Verfahren sei indessen allein schon aus zeitlichen
Gründen praktisch ausgeschlossen, da die Haftkompetenz des Bezirksanwalts
nur für die Dauer von 14 Tagen bestehe, worauf zwingend die Verlängerung
durch den zuständigen Gerichtspräsidenten zu erfolgen habe. Wenn die EMRK
vorschreibe, das Haftprüfungsverfahren habe "raschmöglichst" zu erfolgen,
könne im übrigen wohl nur gemeint sein, sobald der Untersuchungsstand
eine solche Prüfung auch zulasse.

    Eine gegen diesen Entscheid von X. erhobene staatsrechtliche Beschwerde
heisst das Bundesgericht im Sinne der Erwägungen gut, soweit es darauf
eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Gemäss Art. 5 Ziff. 3 EMRK muss jede nach der Vorschrift
des Absatzes 1c dieses Artikels festgenommene oder in Haft gehaltene
Person unverzüglich einem Richter oder einem andern, gesetzlich zur
Ausübung richterlicher Funktionen ermächtigten Beamten vorgeführt
werden. Ziff. 4 derselben Bestimmung schreibt vor, dass jedermann, dem
seine Freiheit durch Festnahme oder Haft entzogen wird, das Recht hat,
ein Verfahren zu beantragen, in dem von einem Gericht raschmöglichst
über die Rechtmässigkeit der Haft entschieden wird und im Falle der
Widerrechtlichkeit seine Entlassung angeordnet wird.

    Unter den Parteien ist nicht streitig, dass das Zürcher Strafverfahren
kein richterliches Haftbeschwerdeverfahren kennt, da gegen die Anordnung
der Untersuchungshaft durch die Bezirksanwaltschaft lediglich der
Rekurs an die Staatsanwaltschaft zur Verfügung steht (§ 402 Ziff. 1
StPO). Auch das Institut des Haftrichters ist im Zürcher Strafprozessrecht
grundsätzlich nicht verankert: Nach den unbestrittenen Ausführungen des
Beschwerdeführers im kantonalen Verfahren sind Haftentlassungsgesuche
beim zuständigen Untersuchungsbeamten zu stellen. So ist denn auch im
vorliegenden Fall das Haftentlassungsgesuch des Beschwerdeführers vom
zuständigen Bezirksanwalt behandelt und abgewiesen worden. Hingegen
besteht nach einer Haftdauer von 14 Tagen eine automatische richterliche
Haftkontrolle in dem Sinne, dass gemäss § 51 Abs. 1 StPO die Fortdauer der
Haft vom Bezirksgerichtspräsidenten bzw. vom Präsidenten der Anklagekammer
bewilligt werden muss. Gegen den entsprechenden Entscheid ist nach Abs. 2
dieser Vorschrift, wie bereits erwähnt, der Rekurs an die Anklagekammer
des Obergerichts zulässig.

    Der Beschwerdeführer beanstandet in erster Linie, die Behandlung
seines Haftentlassungsgesuchs habe Art. 5 Ziff. 4 EMRK verletzt, weil
über das Gesuch nie in einem gerichtlichen Verfahren entschieden worden
sei. Darüber wird im folgenden zu befinden sein. Ob er darüber hinaus auch
geltend machen will, der Bezirksanwalt sei kein im Sinne von Art. 5 Ziff.
3 EMRK zur Anordnung der Untersuchungshaft ermächtigtes Organ, lässt sich
der Beschwerdeschrift nicht klar entnehmen. Wie die fraglichen Ausführungen
in der Beschwerde zu verstehen sind, kann indessen offenbleiben, da es
jedenfalls insoweit an einer rechtsgenügenden Rüge fehlen würde. Der
Beschwerdeführer legt nämlich entgegen der Vorschrift von Art. 90 Abs. 1
lit. b OG nicht im einzelnen dar, inwiefern er Art. 5 Ziff. 3 EMRK als
verletzt ansieht (vgl. dazu BGE 110 Ia 3/4 E. 2a mit Hinweis).

    Im folgenden wird zuerst zu prüfen sein, ob - wie dies
die Bezirksanwaltschaft in ihrer dem Bundesgericht erstatteten
Vernehmlassung geltend macht - das mit dem Haftentlassungsgesuch des
Beschwerdeführers auf bezirks- und staatsanwaltschaftlicher Ebene
veranlasste Haftprüfungsverfahren den Anforderungen von Art. 5 Ziff. 4
EMRK zu genügen vermochte (E. 2b). Hernach wird zu beurteilen sein, ob
das Haftfristerstreckungsverfahren vor dem Bezirksgerichtspräsidenten mit
anschliessender Rekursmöglichkeit an die Anklagekammer des Obergerichts
die von der Konvention gewährleisteten Garantien erfüllte (E. 2c).

    b) Sowohl das Bundesgericht (BGE 102 Ia 179 ff.) wie der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg (Urteil i.S. Schiesser vom 4.
Dezember 1979, Publications de la Cour européenne des droits de l'homme,
Série A, vol. 34 = EuGRZ 1980 S. 202 ff.) haben erklärt, der zürcherische
Bezirksanwalt sei im Verfahrensstadium der Untersuchung ein "gesetzlich
zur Ausübung richterlicher Funktionen ermächtigter Beamter" im Sinne von
Art. 5 Ziff. 3 EMRK. Indessen hat der Gerichtshof im Urteil i.S. de Jong,
Baljet und van den Brink vom 22. Mai 1984 (Serie A, Vol. 77, Ziff. 57 =
EuGRZ 1985 S. 706/707) unter Hinweis auf frühere Urteile klargestellt,
dass die beiden Garantien von Art. 5 Ziff. 3 und Ziff. 4 EMRK nebeneinander
Anwendung finden, weil diejenige von Ziff. 4 von anderer Qualität als
diejenige von Ziff. 3 ist. Aus dem Umstand allein, dass die Eigenschaft
des Bezirksanwalts als "gesetzlich zur Ausübung richterlicher Funktionen
ermächtigter Beamter" anerkannt ist, lässt sich demnach noch nichts
herleiten.

    In Art. 5 Ziff. 3 EMRK wird der "gesetzlich zur Ausübung richterlicher
Funktionen ermächtigte Beamte" ausdrücklich als Alternative zum Richter
genannt. Der Wortlaut bringt zum Ausdruck, dass auch administrative Organe,
wie sie nach ihrer organisatorischen Stellung sowohl die Bezirks- wie die
Staatsanwaltschaft darstellen (siehe dazu HAUSER/HAUSER, Erläuterungen
zum Gerichtsverfassungsgesetz des Kantons Zürich, Zürich 1978, S.
259 ff.) mit der Konvention vereinbar sind, soweit sie richterliche
Funktionen ausüben. Demgegenüber umschreibt Art. 5 Ziff. 4 EMRK die zur
Haftprüfung zuständige Behörde mit "Gericht". Auch wenn die Konvention
für die gerichtliche Prüfung des Freiheitsentzuges nach dieser Vorschrift
nicht notwendigerweise ein ordentliches Gericht klassischer Natur verlangt,
das in die herkömmliche Justizorganisation integriert ist (Urteil des
Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte i.S. Weeks vom 2. März
1987, Serie A, Vol. 114, Ziff. 61 = EuGRZ 1988 S. 318/319; BGE 114 Ia
185 ff. E. 3b mit zahlreichen weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung
der Strassburger Organe), fallen unter den Begriff "Gericht" lediglich
Organe, die die allgemeinen, wesentlichen Eigenschaften besitzen, die ein
Gericht auszeichnen, und die ein justizförmiges Verfahren gewährleisten
(FROWEIN/PEUKERT, EMRK-Kommentar, Kehl/Strassburg/Arlington 1985, N. 120
zu Art. 5 EMRK mit Hinweisen). Zu diesen Eigenschaften gehört nicht nur
die funktionelle, sondern darüber hinaus auch die organisatorische und
personelle Unabhängigkeit von den andern staatlichen Gewalten. Diese kommt
indessen der Bezirks- und der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich nicht
zu (vgl. BGE 102 Ia 182/183 E. 3a mit Hinweisen; Urteil des Europäischen
Gerichtshofes für Menschenrechte i.S. Schiesser, aaO, Ziff. 29 ff.).

    Da die Bezirks- und Staatsanwaltschaft nach dem Gesagten die
Anforderungen von Art. 5 Ziff. 4 EMRK an das zuständige Organ nicht zu
erfüllen vermögen, kann schon deshalb nicht davon ausgegangen werden,
im vorliegenden Fall habe die Behandlung des Haftentlassungsgesuchs des
Beschwerdeführers durch die Bezirksanwaltschaft und im anschliessenden
Rekursverfahren vor der Staatsanwaltschaft ein konventionsmässiges
Haftprüfungsverfahren dargestellt.

    c) Der Beschwerdeführer räumt, wie bereits erwähnt, ein, dass er
mittels Einlegen eines Rekurses gegen die Haftverlängerungsverfügung
des Bezirksgerichtspräsidenten an die Anklagekammer des Obergerichts ein
Haftprüfungsverfahren im Sinne von Art. 5 Ziff. 4 EMRK hätte beantragen
können. Er vertritt aber die Auffassung, es sei dem in dieser Vorschrift
enthaltenen Gebot, "raschmöglichst" über die Rechtmässigkeit der Haft
zu entscheiden, nicht Genüge getan worden, weil ihm dieser Rechtsweg
erst ab dem 18. Tag der Untersuchungshaft - d.h. nach Zustellung der
Haftverlängerungsverfügung - offengestanden sei.

    Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat festgehalten,
dass die Frage, innerhalb welcher Frist nach Art. 5 Ziff. 4 EMRK
über ein Haftentlassungsgesuch entschieden werden muss, nicht abstrakt
beurteilt werden kann; der Entscheid hängt vielmehr von der Würdigung der
konkreten Umstände des einzelnen Falles ab (Urteil i.S. Sanchez-Reisse vom
21. Oktober 1986, Serie A, Vol. 107, Ziff. 55 = EuGRZ 1988 S. 526). In
Anbetracht des Umstandes, dass es im dort zu beurteilenden Fall nach
Ansicht des Gerichtshofes nicht um komplexe Probleme ging, welche
vertiefte Abklärungen und eine eingehende Prüfung erfordert hätten,
erachtete er einen Entscheid über ein Haftentlassungsbegehren nach
31 bzw. 46 Tagen als mit dem Anspruch des Inhaftierten auf einen
vom Gericht innert kurzer Frist zu treffenden Entscheid unvereinbar
(Ziff. 57-61). Gestützt auf diese Rechtsprechung hat in der Folge das
Bundesgericht in einem Urteil vom 8. Juni 1988 eine Dauer von 41 Tagen
von der Einreichung des Haftentlassungsgesuchs bis zum Entscheid als nicht
vertretbar bezeichnet. Auch bei diesem Entscheid war von Bedeutung, dass
die Frage der Haftentlassung keine besonderen Probleme aufgeworfen hatte,
die ausgedehnte Abklärungen oder ein umfassendes Aktenstudium erfordert
hätten (BGE 114 Ia 92 E. 5c).

    Der Beschwerdeführer ist der Meinung, der gerichtlichen Überprüfung
der Rechtmässigkeit der Untersuchungshaft wäre in seinem Fall "kaum
überbietbare Dringlichkeit" zugekommen, weil nach Art. 6 Ziff. 2 EMRK
seine Unschuld zu vermuten sei, er nicht vorbestraft sei und in seinem
Umfeld als absolut unbescholtener Bürger gelte. Diesen Argumenten kommt
kaum ein erhebliches Gewicht zu. Die Frage, innerhalb welcher Frist eine
Entscheidung hinsichtlich der Prüfung der Untersuchungshaft ergehen
muss, hängt nach der aufgeführten Rechtsprechung in erster Linie vom
objektiven Zeitbedarf für die Beurteilung der jeweiligen Streitpunkte
ab. Der dem Verhafteten mit Art. 5 Ziff. 4 EMRK eingeräumte Anspruch auf
einen "raschmöglichsten" Entscheid wird - ergeht dieser Entscheid nicht
sofort - dann nicht verletzt, wenn der Behörde aufgrund der Umstände des
Falles ein früherer Entscheid vernünftigerweise nicht möglich war.

    Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerdeführer am 12. April
1988 in Untersuchungshaft versetzt. Am 26. April 1988 ersuchte die
Bezirksanwaltschaft den Präsidenten des Bezirksgerichts Zürich um
Verlängerung der Haft. Der Bezirksgerichtspräsident entsprach diesem
Gesuch mit Verfügung vom gleichen Tag. Dieser Entscheid wurde dem
Beschwerdeführer persönlich am 27. April 1988 eröffnet und ging beim
Verteidiger am 28. April 1988 ein. Ein Rekurs an die Anklagekammer
des Obergerichts war demnach frühestens nach 15 Tagen Haft bzw. 8 Tage
nach Einreichung des Haftentlassungsgesuchs möglich. Will man mit dem
Beschwerdeführer dieses Rekurs- als Haftprüfungsverfahren im Sinne von
Art. 5 Ziff. 4 EMRK betrachten, lässt sich unter dem Gesichtswinkel der
oben dargestellten Grundsätze dieser Zeitraum, in dem - ohne dass sich
hiefür in irgendeiner Weise ein objektiver Zeitbedarf namhaft machen
liesse - kein Zugang zu einem Gericht möglich war, nicht rechtfertigen.

    Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat denn auch im bereits
erwähnten und ähnlich gelagerten Urteil i.S. de Jong, Baljet und van den
Brink entschieden, selbst bei Berücksichtigung der Besonderheiten des
militärischen Lebens und der Militärgerichtsbarkeit werde Art. 5 Ziff. 4
EMRK verletzt, wenn einer verhafteten Person während sieben bzw. elf
bzw. sechs Tagen kein Rechtsbehelf und damit kein Zugang zu einem Gericht
offenstehe (aaO, Ziff. 58).

    Die vorstehenden Erwägungen zeigen, dass im vorliegenden Fall das
Haftfristerstreckungsverfahren mit anschliessender Rekursmöglichkeit
dem Beschwerdeführer schon aus zeitlichen Gründen kein Art. 5
Ziff. 4 EMRK genügendes Haftprüfungsverfahren zu gewährleisten
vermochte. Die in der Vernehmlassung der Staatsanwaltschaft an das
Bundesgericht vertretene Auffassung, die Haftfristerstreckung durch den
Bezirksgerichtspräsidenten habe für sich allein ein Art. 5 Ziff. 4 EMRK
genügendes Haftprüfungsverfahren dargestellt, kann aber auch deshalb nicht
geteilt werden, weil die Haftverlängerungsverfügung vom 26. April 1988 -
entsprechend den Bestimmungen von § 51 Abs. 1 StPO - lediglich aufgrund
eines Antrags des Untersuchungsbeamten und der Akten und insbesondere
nicht direkt auf das Haftentlassungsgesuch des Beschwerdeführers vom
19. April 1988 hin erging. Auch wenn der Bezirksgerichtspräsident bei
der Prüfung der Aktenlage vom Entlassungsgesuch Kenntnis erlangen konnte
und es bei seinem Entscheid mitzuberücksichtigen hatte, wurde damit
dem von der EMRK geforderten Mass an kontradiktorischer Ausgestaltung
des Haftprüfungsverfahrens nicht Genüge getan. Die EMRK räumt dem
Angeschuldigten bei Verfahren im Zusammenhang mit Haftentlassungsgesuchen
namentlich ein weitergehendes Replikrecht ein, als ihm aufgrund von Art. 4
BV gewährt wird (BGE 114 Ia 86 ff. E. 3 mit Hinweisen). Demgegenüber
behaupten weder die kantonalen Behörden noch lässt sich den Akten
entnehmen, dass der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall überhaupt
Gelegenheit gehabt hätte, im Haftverlängerungsverfahren in geeigneter
Weise seine Argumente gegen die Fortdauer der Haft vorzubringen, d. h. zum
Verlängerungsgesuch des Untersuchungsbeamten Stellung zu nehmen.

    Nicht ersichtlich ist schliesslich auch, weshalb der jeweilige
Untersuchungsstand einem Haftprüfungsverfahren entgegenstehen soll, wie
dies die Staatsanwaltschaft im angefochtenen Entscheid - allerdings eher
nebenbei und ohne weitere Begründung - geltend macht.

Erwägung 3

    3.- Zusammenfassend ergibt sich, dass der Anspruch des
Beschwerdeführers auf ein gerichtliches Haftprüfungsverfahren gemäss
Art. 5 Ziff. 4 EMRK im kantonalen Verfahren nicht gewährleistet worden
ist. Fragen liesse sich unter diesen Umständen allenfalls noch, ob die
gegen den Rekursentscheid der Staatsanwaltschaft zur Verfügung stehende
staatsrechtliche Beschwerde als Mittel der gerichtlichen Haftprüfung
betrachtet werden könnte. Dies fällt jedoch im vorliegenden Fall schon
deshalb ausser Betracht, weil im angefochtenen Entscheid zur Frage der
Rechtmässigkeit der Untersuchungshaft nicht Stellung genommen wurde
und diese Frage daher auch im bundesgerichtlichen Verfahren nicht
zu beantworten war und denn auch vom Beschwerdeführer zu Recht nicht
aufgeworfen wurde. Im übrigen dürfte es mit dem Anspruch der EMRK auf einen
"raschmöglichsten" Entscheid kaum vereinbar sein, dass ein Beschwerdeführer
zuerst das kantonale Rekursverfahren durchlaufen muss und erst dann - gegen
den letztinstanzlichen Entscheid - eine gerichtliche Haftprüfung erwirken
kann; jedenfalls dürfte diesfalls ein bundesgerichtlicher Entscheid in den
meisten Fällen nicht binnen angemessener Frist ausgefällt werden können.
Auch erscheint es - dies mag noch beigefügt werden - als fraglich,
ob es mit dem Wesen eines Haftprüfungsverfahrens vereinbar sei, dass
das Bundesgericht Sachverhaltsfragen stets nur auf Willkür hin prüft
(BGE 98 Ia 308).

    Die vorstehenden Erwägungen führen zur Gutheissung der
staatsrechtlichen Beschwerde. Dass die zürcherische Strafprozessordnung
ein gerichtliches Haftprüfungsverfahren im Sinne von Art. 5 Ziff. 4 EMRK
grundsätzlich nicht vorsieht, ist ohne Belang. Es ist Sache der Zürcher
Behörden, den Anforderungen der EMRK Nachachtung zu verschaffen. In
diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass es nicht zum vornherein
ausgeschlossen erscheint, in gewissen Fällen durch entsprechende
Handhabung der Haftprüfung gemäss § 51 StPO den Anforderungen der EMRK
zu entsprechen. Darüber hinaus hat der Regierungsrat bereits seinen
Willen bekundet, die Zürcher Strafprozessordnung den Anforderungen der
EMRK anzupassen. Er hat dem Kantonsrat mit Antrag vom 7. Dezember 1988
eine Teilrevision der Strafprozessordnung unterbreitet, die in den §§
63 ff. einen selbständigen Haftrichter vorsieht. Nach den vorgeschlagenen
Bestimmungen wird der Angeschuldigte jederzeit ein Gesuch um Aufhebung der
Untersuchungshaft stellen können, das, sofern der Untersuchungsbeamte
dem Gesuch keine Folge geben will, unverzüglich dem Haftrichter zu
unterbreiten ist.

    Beim gegebenen Verfahrensausgang braucht die weitere Rüge des
Beschwerdeführers, die Verletzung von Art. 5 Ziff. 4 EMRK habe zugleich
eine solche der persönlichen Freiheit zur Folge gehabt, nicht geprüft
zu werden. Da sich der Beschwerdeführer nicht mehr in Haft befindet,
ist von einer Aufhebung des angefochtenen Entscheids abzusehen.