Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 IA 414



115 Ia 414

63. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 22. Dezember 1989
i.S. H. gegen Wirtschaftsstrafgericht und Kassationshof des Kantons Bern
(staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 89 OG; Beschwerdefrist.

    Die Mitanfechtung eines Urteils der unteren kantonalen Instanz
kann, wo sie zulässig ist, innert der Frist für die staatsrechtliche
Beschwerde gegen den Entscheid der letzten Instanz erfolgen (Bestätigung
der Rechtsprechung).

Sachverhalt

    A.- H. wurde durch das Wirtschaftsstrafgericht des Kantons Bern am
16. November 1988 des leichtsinnigen Konkurses schuldig erklärt und zu
vier Monaten Gefängnis verurteilt.

    Eine gegen dieses Urteil eingereichte Nichtigkeitsklage des
Verurteilten wies der Kassationshof des Kantons Bern ab, soweit er
darauf eintrat.

    Gegen beide Urteile führt H. staatsrechtliche Beschwerde mit dem
Antrag, die angefochtenen Entscheide aufzuheben.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die staatsrechtliche Beschwerde ist in der Regel nur gegen
letztinstanzliche Entscheide zulässig (Art. 86 und 87 OG). Der Entscheid
einer unteren Instanz kann mitangefochten werden, wenn entweder der
letzten kantonalen Instanz nicht sämtliche vor Bundesgericht erhobenen
Rügen unterbreitet werden konnten, oder wenn solche Rügen zwar von der
letzten kantonalen Instanz zu beurteilen waren, jedoch mit einer engeren
Prüfungsbefugnis, als sie dem Bundesgericht zusteht (BGE 114 Ia 311 E. 3a).

    Auch nach dieser neueren Praxis (BGE 111 Ia 353) müssen in diesen
Fällen Rügen, die mit staatsrechtlicher Beschwerde vor Bundesgericht,
nicht aber vor der kantonalen Rechtsmittelinstanz oder dort nicht in
gleichem Umfange vorgebracht werden können, nicht neben der Einlegung des
kantonalen Rechtsmittels gleichzeitig auch innert 30 Tagen seit Eröffnung
des Entscheides der unteren Instanz mit staatsrechtlicher Beschwerde
erhoben werden. Obwohl dies theoretisch verlangt werden könnte, bedeutete
eine solche Lösung für den Betroffenen - nachdem es nicht immer leicht
ist, zu entscheiden, welche Rügen zunächst mit dem ausserordentlichen
kantonalen Rechtsmittel und welche direkt mit staatsrechtlicher Beschwerde
zu erheben sind - eine erhebliche Komplikation, da sie im Zweifelsfall
zur lediglich vorsorglichen Erhebung von staatsrechtlichen Beschwerden
führt. Aus Gründen der Vereinfachung und der Prozessökonomie rechtfertigt
es sich deshalb, dem Beschwerdeführer in solchen Fällen zu erlauben, mit
der staatsrechtlichen Beschwerde gegen die aufgrund des ausserordentlichen
Rechtsmittels (Kassations- oder Nichtigkeitsbeschwerde) ergangene kantonale
Entscheidung ebenfalls innert 30 Tagen seit deren Eröffnung den Entscheid
der unteren kantonalen Instanz mit Rügen, die er vor der kantonalen
Rechtsmittelinstanz, nicht oder nicht in gleicher Weise vortragen konnte,
mitanzufechten (BGE 94 I 462 E. 2bb).