Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 IA 358



115 Ia 358

55. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 4.
Oktober 1989 i.S. Bürgergemeinde Pratteln gegen Einwohnergemeinde
Pratteln und Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft (staatsrechtliche
Beschwerde) Regeste

    Art. 22ter BV, Zonenplanung.

    Interessenabwägung bei der Zonenplanung (Art. 5 RPG, Sicherung von
Fruchtfolgeflächen, Landschaftsschutz). Im vorliegenden Fall kommt der
Vorgeschichte und der Erschliessungsplanung kein entscheidendes Gewicht zu.
Kein Gebot der Einzonung.

Sachverhalt

    A.- Die Bürgergemeinde Pratteln ist Eigentümerin der am
südlichen Rand von Pratteln gelegenen Parzelle Nr. 2823 im Gebiet
Erli/Chäppeli/Chäppelimatt (im folgenden Gebiet "Erli"). Der nördliche
Teil dieser rund 120 000 m2 umfassenden Parzelle liegt gemäss Zonenplan
der Einwohnergemeinde Pratteln von 1957/1960 in der Zone 2a.

    Aufgrund eines Baulandumlegungsverfahrens, einer Erschliessungsstudie
und von Anpassungen an GKP und Strassenplan beabsichtigte der Gemeinderat
vorerst, den nördlichen Teil der Parzelle einer Bauzone zuzuweisen und
diesen über eine Ringstrasse zu erschliessen, änderte in der Folge aber
seine Auffassung und stellte dem Einwohnerrat der Einwohnergemeinde
Pratteln den Antrag, das Land keiner Bauzone zuzuweisen. Im Rahmen des
Zonenplanverfahrens hat der Einwohnerrat die Zonenvorschriften Siedlung
revidiert, am 22. Oktober 1984 ein neues Zonenreglement verabschiedet
und am 22./26. November 1984 einen neuen Zonenplan angenommen. Dieser
weist die genannte Parzelle der Bürgergemeinde Pratteln im Gebiet "Erli"
keiner Bauzone zu.

    Diese Beschlüsse des Einwohnerrates, gegen die kein Referendum
ergriffen worden war, wurden öffentlich aufgelegt. Die Bürgergemeinde
reichte beim Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft Einsprache ein und
verlangte - entsprechend den früheren Vorstellungen des Gemeinderates -
die Zuweisung des nördlichen Teils der Parzelle zur Bauzone. Mit Entscheid
vom 24. November 1987 hat der Regierungsrat dieses Begehren abgelehnt,
die Einsprache abgewiesen und die Beschlüsse des Einwohnerrates in bezug
auf die genannte Parzelle genehmigt.

    Gegen diesen Entscheid des Regierungsrates reichte die Bürgergemeinde
Pratteln beim Bundesgericht wegen Verletzung von Art. 22ter BV
staatsrechtliche Beschwerde ein, beantragt dessen Aufhebung und verlangt,
dass der Regierungsrat anzuweisen sei, im Sinne der früheren Vorstellungen
des Gemeinderates zu entscheiden und den nördlichen Teil ihrer Parzelle
einer Bauzone zuzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                  Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- b) In tatsächlicher Hinsicht hat der Augenschein ergeben, dass
das Gelände vom Geisswaldweg und vom Erliweg steil gegen den umstrittenen
Grundstücksteil ansteigt. Das ist der Grund, weshalb dieser Hang auch
bei einer Einzonung freigehalten werden soll; zum andern bewirkt die
Topographie eine relativ starke Exponiertheit des fraglichen Landes. Nach
diesem Abhang wird das Gelände, das vorerst gewissermassen eine "Hochebene"
bildet, gegen Süden immer flacher. Der Augenschein hat ferner gezeigt,
dass das Land von guter Bodenqualität ist und sich für den Ackerbau
bzw. als Fruchtfolgeflächeland gut eignet.

    c) Zur Begründung der streitigen Nichteinzonung führt der Regierungsrat
im angefochtenen Entscheid das Folgende aus:

    "Bereits im Rahmen der 1. Vorprüfung zur Ortsplanungsrevision im Jahre

    1977 hat die Baudirektion dem Gemeinderat empfohlen, aus Gründen der
   exponierten Lage der Bauzone innerhalb bzw. am Rande des

    Landschaftsschutzgebietes sowie der ungünstigen und aufwendigen

    Erschliessung eine Neuüberprüfung der Baugebietsabgrenzung vorzunehmen.

    Die später geplante Auszonung wurde von der Baudirektion denn auch
   ausdrücklich unterstützt. Ausserdem bilden die Gebiete "Chäppeli" und

    "Schönenberg" zusammen eine landschaftliche Einheit und ein besonders
   wertvolles Naherholungsgebiet. Zur Frage der Baulandumlegungskosten
   bzw. der Landabtretung kann sich der Regierungsrat im Rahmen dieses

    Verfahrens nicht äussern".

    d) (Ausführungen zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die
Zonenplanung und Interessenabwägung; siehe BGE 115 Ia 353 E. 3d.)

    f) Für die Abwägung der auf dem Spiele stehenden Interessen sind die
folgenden Gesichtspunkte von Bedeutung:

    aa) Gemäss Art. 15 RPG umfassen Bauzonen Land, das sich für die
Überbauung eignet und weitgehend überbaut ist oder voraussichtlich innert
15 Jahren benötigt und erschlossen wird. Im vorliegenden Fall ist die
streitige Landfläche auf Parzelle Nr. 2823 klarerweise im Sinne von
Art. 15 RPG zur Überbauung geeignet. Das zeigen namentlich die von der
Bauverwaltung Pratteln ausgearbeitete "Erschliessungsstudie Erli" vom
20. Juli 1978, der darauf ausgerichtete Strassennetzplan und der darauf
abgestimmte GKP-Perimeter. Das Land ist zwar nicht als weitgehend überbaut
zu betrachten, aber es kann auch nicht gesagt werden, es werde nicht
voraussichtlich innert 15 Jahren benötigt und erschlossen (Art. 15 lit. b
RPG). Die Einwohnergemeinde hält dies in ihrem Bericht vom 14. November
1988 selbst fest, führt sie doch aus, ihres Erachtens würde die Einzonung
des streitigen Gebietes nicht zu einem Überangebot an Bauland führen.

    bb) Am Augenschein hat sich ergeben, dass es sich bei der
streitigen Parzelle um Land von guter Bodenqualität handelt, das
für die Landwirtschaft im allgemeinen und als Fruchtfolgefläche im
speziellen gut geeignet ist. Das Bundesgericht misst dem Gesichtspunkt
des Kulturlandschutzes und damit auch der Fruchtfolgeflächensicherung in
seiner Praxis grundsätzlich grosses Gewicht zu (vgl. BGE 115 Ia 354 E. bb;
114 Ia 375 E. d). Unter diesem Gesichtswinkel lässt sich die Nichteinzonung
im vorliegenden Fall nicht beanstanden.

    cc) Wie im angefochtenen Entscheid ausgeführt, hat der Regierungsrat
die Nichteinzonung auch deshalb genehmigt, weil das Gebiet exponiert ist
und Teil eines besonders wertvollen Naherholungsgebietes bildet. Diese
Überlegungen haben sich am Augenschein bestätigt. Das Gebiet der einst
vorgesehenen ringförmigen Überbauung liegt gewissermassen auf einer
höher gelegenen, leicht gegen Süden ansteigenden "Hochebene". Diese ist
landschaftlich relativ exponiert, auch wenn der Abhang zum Geisswaldweg
und Erliweg freigehalten werden. Daran vermag auch der Umstand nichts
zu ändern, dass westlich im Gebiet "Chäppeli" und "Chäppelimatt" die
bestehende Bebauung gegen den Wald hin höher hinauf reicht. Es darf
auch berücksichtigt werden, dass die Parzelle der Beschwerdeführerin der
Anfang des gegen Süden gerichteten Naherholungsgebietes von "Schönenberg"
und "Munimatt" ist. Bei dieser Sachlage können die Überlegungen zum
Landschaftsschutz und zum Schutz des Naherholungsgebietes nicht von der
Hand gewiesen werden.

    dd) Im vorliegenden Fall ist sodann die Vorgeschichte der hier
streitigen Planung sowie die Erschliessungsplanung von einer gewissen
Bedeutung und bedarf der näheren Prüfung.

    Im Hinblick auf eine Überbauung im Gebiet "Erli" wurde die Parzelle
Nr. 2823 der Beschwerdeführerin teilweise in ein Landumlegungsverfahren
einbezogen, und die Beschwerdeführerin musste namentlich für
Erschliessungszwecke rund 2000 m2 Land abtreten. In Übereinstimmung
mit der Grundeigentümerin arbeitete die Bauverwaltung der Gemeinde
eine detaillierte Erschliessungsstudie für das Gebiet "Erli" mit einer
ohrförmigen Ringerschliessungsstrasse aus. Diese fand hernach Eingang
in den vom Einwohnerrat beschlossenen Strassennetzplan und das GKP. Der
Regierungsrat brachte in seinen Genehmigungsentscheiden vom 29. Juni
1982 bzw. 21. Januar 1981 betreffend den Strassennetzplan und das GKP
allerdings den Vorbehalt an, im Falle abweichender Beschlüsse im Rahmen
der Ortsplanung gingen diese vor. Die Haltung der Gemeindebehörden,
welche vorerst eine teilweise Einzonung befürworteten, änderte sich erst
mit der Eingabe von Einwohnern aus der Nachbarschaft: Der Gemeinderat
sah in der Folge von einer Einzonung ab, und der Einwohnerrat beschloss
die umstrittene Nichteinzonung am 22./26. November 1984.

    Angesichts dieser Sachlage kann nicht davon gesprochen werden, dass
eine rechtsverbindliche Zusicherung vom für die Zonenplanung zuständigen
Organ (Einwohnerrat unter Vorbehalt des fakultativen Referendums)
vorliegt. Demnach sind die Voraussetzungen an rechtsgültige Zusicherungen
gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht gegeben (vgl. BGE 114
Ia 213 E. 3 im allgemeinen und 102 Ia 33 in bezug auf Zonenplanungen,
je mit Hinweisen).

    Darüber hinaus kann aber auch nicht gesagt werden, die ganze,
der streitigen Planung vorausgehende Vorgeschichte sei eindeutig
auf eine Einzonung im Gebiete der Parzelle der Beschwerdeführerin
hinausgelaufen. Zwar hat der Gemeinderat eine entsprechende Einzonung
während gewisser Zeit verfolgt, und der Einwohnerrat hat mit dem
Strassennetzplan und dem GPK Beschlüsse gefasst, welche auf der
Vorstellung einer Einzonung beruhten. Zum einen darf indessen nicht
übersehen werden, dass insofern die Erschliessungsplanung Mängel
aufwies. Denn die folgerichtige Planung hätte vielmehr erfordert, dass
vor der Erschliessung das Baugebiet ausgeschieden worden wäre (vgl. §§
4, 10, 12 und 26 BauG). Zum andern zeigt die Vorgeschichte, dass die
Gemeindebehörden in der Tat vorerst während einer gewissen Zeit eine
Einzonung anstrebten. Solche Planungsvorstellungen vermögen indessen auch
bei der nach Art. 22ter BV erforderlichen gesamthaften Interessenabwägung
keinen für sich allein ausschlaggebenden Einfluss auszuüben. Im Gegensatz
zum Gebiet "Wannen" (vgl. BGE 115 Ia 350) sieht die Sachlage im Falle
"Erli" wesentlich anders aus: Die Bemühungen und Planungen um eine
Einzonung erstreckten sich auf eine wesentlich kürzere Zeitspanne;
der Regierungsrat hat in seinen Genehmigungsentscheiden betreffend
Strassennetzplan und GKP klare Vorbehalte angebracht; nur ein kleiner
Teil der Parzelle der Beschwerdeführerin war von der Planung erfasst;
und schliesslich sind auch die Strassenflächen für die Erschliessung noch
nicht ausgeschieden und der Einwohnergemeinde übertragen worden.

    ee) Gesamthaft gesehen zeigt sich, dass sich aus Art. 15 RPG weder
spezifische Gründe für noch solche gegen die streitige Nichteinzonung
herleiten lassen. Die gesamte Vorgeschichte deutet zwar auf eine
Einzonung des fraglichen Gebietes hin, doch kann ihr angesichts der
konkreten Umstände kein ausschlaggebendes Gewicht zukommen. Demgegenüber
sprechen Gründe des Landschaftsschutzes und der Sicherung hinreichender
Fruchtfolgeflächen klar für die angefochtene Nichteinzonung. Bei
dieser Sachlage überwiegen bei der nach Art. 22ter BV erforderlichen
gesamthaften Interessenabwägung die gegen die Einzonung sprechenden
Gesichtspunkte. Demnach hält die Zonenplanung und der Genehmigungsentscheid
des Regierungsrates vor der Eigentumsgarantie nach Art. 22ter BV
stand. Die vorliegende staatsrechtliche Beschwerde der Bürgergemeinde
Pratteln erweist sich daher als unbegründet.