Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 V 354



114 V 354

65. Urteil vom 29. Dezember 1988 i.S. G. gegen Kantonale Arbeitslosenkasse
St. Gallen und Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen Regeste

    Art. 53 Abs. 1 AVIG, Art. 230 Abs. 2, Art. 231 Abs. 3 und 232 Abs. 1
SchKG: Geltendmachung des Anspruchs auf Insolvenzentschädigung. Die
60tägige Frist des Art. 53 Abs. 1 AVIG beginnt mit der Konkurspublikation
im Schweizerischen Handelsamtsblatt zu laufen. Wird das Konkursverfahren
mangels Aktiven eingestellt und ist eine Konkurspublikation noch nicht
erfolgt, so ist für den Beginn der Frist die Publikation der Einstellung
des Konkursverfahrens gemäss Art. 230 Abs. 2 SchKG massgebend.

Sachverhalt

    A.- Irene G. arbeitete als Sekretärin bei der Firma K. AG. Am
26. Januar 1987 wurde über ihre Arbeitgeberin der Konkurs eröffnet, welcher
am 4. Juni 1987 mangels Aktiven wieder eingestellt wurde. Am 17. Juni
1987 reichte Irene G. einen Antrag auf Insolvenzentschädigung ein. Dieses
Begehren wies die Kantonale Arbeitslosenkasse St. Gallen mit Verfügung
vom 19. Juni 1987 ab, weil der Konkurs über die Arbeitgeberin am 25. März
1987 im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) publiziert worden sei,
weshalb der am 17. Juni 1987 eingereichte Antrag auf Insolvenzentschädigung
verspätet sei.

    B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht
des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 26. November 1987 ab, wobei es
davon ausging, die Veröffentlichung des Konkurses sei am 14. April 1987
im SHAB erfolgt.

    C.- Irene G. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag,
in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die Arbeitslosenkasse
anzuweisen, die Insolvenzentschädigung zu berechnen und auszubezahlen.

    Arbeitslosenkasse und Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit
beantragen die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

       Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Streitig und zu prüfen ist im vorliegenden Fall einzig, ob die
Beschwerdeführerin mit dem Antrag vom 17. Juni 1987 den Anspruch auf
Insolvenzentschädigung rechtzeitig geltend gemacht hat.

    a) Gemäss Art. 51 lit. a AVIG haben beitragspflichtige Arbeitnehmer
von Arbeitgebern, die in der Schweiz der Zwangsvollstreckung
unterliegen oder in der Schweiz Arbeitnehmer beschäftigen, Anspruch
auf Insolvenzentschädigung, wenn gegen ihren Arbeitgeber der Konkurs
eröffnet wird und ihnen in diesem Zeitpunkt Lohnforderungen zustehen. Nach
Art. 53 AVIG muss der Arbeitnehmer, wenn über den Arbeitgeber der Konkurs
eröffnet wird, seinen Entschädigungsanspruch spätestens 60 Tage nach
der Veröffentlichung des Konkurses im Schweizerischen Handelsamtsblatt
bei der öffentlichen Kasse stellen, die am Ort des Betreibungs- und
Konkursamtes zuständig ist (Abs. 1). Bei Pfändung des Arbeitgebers muss
der Arbeitnehmer seinen Entschädigungsanspruch innert 60 Tagen nach dem
Pfändungsvollzug geltend machen (Abs. 2). Mit dem Ablauf dieser Fristen
erlischt der Anspruch auf Insolvenzentschädigung (Abs. 3).

    b) Der Konkurs über die Arbeitgeberin der Beschwerdeführerin
ist am 26. Januar 1987 eröffnet worden. Damit ist eine der beiden
Anspruchsvoraussetzungen des Art. 51 lit. a AVIG erfüllt. Davon ist
zu unterscheiden, bis wann der mit der Konkurseröffnung entstandene
Anspruch auf Insolvenzentschädigung spätestens geltend zu machen
ist. Hiefür stellt Art. 53 Abs. 1 AVIG auf die Veröffentlichung des
Konkurses im SHAB ab, nicht etwa auf das Datum der Konkurseröffnung
bzw. des Konkursdekretes nach Art. 171 SchKG (GERHARDS, Kommentar
zum Arbeitslosenversicherungsgesetz, Bd. I, S. 568, N. 17 zu Art. 53
AVIG; STAUFFER, Die Arbeitslosenversicherung, S. 179). Die Eröffnung
des Konkurses wird vom Konkursamt im SHAB öffentlich bekanntgemacht,
sobald feststeht, dass das ordentliche Konkursverfahren einzutreten hat
(Art. 232 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 35 Abs. 1 SchKG; Kreisschreiben
des Bundesgerichts Nr. 23 vom 10. Juli 1928 in BGE 54 III 221 und BBl
1928 II 319). Findet das summarische Konkursverfahren statt, so erfolgt
ebenfalls eine Publikation des Konkurses (Art. 231 Abs. 3 Satz 1 SchKG;
AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 4. Aufl.,
S. 354, N. 30 zu § 44, bzw. S. 395, N. 5 zu § 49). Diese in Art. 231
Abs. 3 bzw. 232 Abs. 1 SchKG vorgeschriebenen Veröffentlichungen der
Konkurseröffnung sind massgebend für den Beginn der 60tägigen Frist
des Art. 53 Abs. 1 AVIG (ebenso in bezug auf Art. 232 SchKG GERHARDS,
aaO, S. 568, N. 17 zu Art. 53 AVIG). Wird hingegen keinerlei in die Masse
gehörendes Vermögen vorgefunden und das Konkursverfahren vom Konkursgericht
eingestellt (Art. 230 Abs. 1 SchKG), so macht das Konkursamt gemäss
Art. 230 Abs. 2 SchKG die Einstellung öffentlich bekannt, mit der Anzeige,
dass das Verfahren geschlossen werde, falls nicht binnen zehn Tagen ein
Gläubiger die Durchführung des Konkursverfahrens begehre und für die
Kosten hinreichende Sicherheit leiste. Diese Publikation der Einstellung
des Konkursverfahrens im SHAB gemäss Art. 230 Abs. 2 SchKG ist, sofern
nicht bereits eine Veröffentlichung der Konkurseröffnung stattgefunden
hat, der Konkurspublikation im Falle der Durchführung des ordentlichen
bzw. summarischen Konkursverfahrens (Art. 232 Abs. 1 und Art. 231 Abs. 3
SchKG) gleichzusetzen und für den Beginn des Fristenlaufs nach Art. 53
Abs. 1 AVIG massgebend.

Erwägung 2

    2.- Zu prüfen ist im folgenden, wann im vorliegenden Fall
die Konkurseröffnung vom 26. Januar 1987 über die Arbeitgeberin der
Beschwerdeführerin veröffentlicht worden ist. Im SHAB Nr. 69 vom 25. März
1987 erschien unter dem Titel "Vorläufige Konkursanzeige" eine Mitteilung
des Konkursamtes des Kantons St. Gallen, wonach am 26. Januar 1987
der Konkurs eröffnet worden sei und "Art des Verfahrens, Eingabefrist
usw." später bekanntgegeben würden. Am 14. April 1987 erfolgte im SHAB
Nr. 86 unter der Rubrik "Handelsregister" die Mitteilung, dass über die
Firma der Konkurs eröffnet und sie daher aufgelöst sei. Schliesslich
machte das Konkursamt des Kantons St. Gallen im SHAB Nr. 133 vom 13. Juni
1987 die am 4. Juni 1987 beschlossene Einstellung des Konkursverfahrens
mangels Aktiven gemäss Art. 230 Abs. 2 SchKG öffentlich bekannt.

    Die Arbeitslosenkasse stellte in ihrer Verfügung auf die "vorläufige
Konkursanzeige" vom 25. März 1987 ab, während das kantonale Gericht
die Handelsregistermitteilung vom 14. April 1987 als massgebend für
den Beginn des Fristenlaufs gemäss Art. 53 Abs. 1 AVIG betrachtete. Auf
diese beiden Bekanntmachungen kann jedoch nicht abgestellt werden. Zum
vornherein kommt für den Beginn des Fristenlaufs eine Mitteilung des
Handelsregisters nicht in Frage. Die "vorläufige Konkursanzeige" sodann ist
gesetzlich nicht vorgeschrieben, erfolgt nicht in allen Fällen und stellt
daher nicht eine öffentliche Bekanntmachung im Sinne von Art. 231 Abs. 3
bzw. 232 Abs. 1 SchKG dar. Entscheidend für den Beginn des Fristenlaufs
ist im vorliegenden Fall mithin die im SHAB Nr. 133 vom 13. Juni 1987
durch das Konkursamt des Kantons St. Gallen publizierte Einstellung des
Konkursverfahrens gegen die Arbeitgeberfirma mangels Aktiven, weshalb
der am 17. Juni 1987 eingereichte Antrag auf Insolvenzentschädigung
rechtzeitig gestellt ist. Die Sache geht daher an die Arbeitslosenkasse
zurück, damit diese das Begehren der Beschwerdeführerin vom 17. Juni 1987
prüfe und hernach über den Anspruch auf Insolvenzentschädigung neu verfüge.