Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 V 281



114 V 281

52. Urteil vom 29. November 1988 i.S. O. gegen Artisana Kranken- und
Unfallversicherung und Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft
Regeste

    Art. 12bis Abs. 1 KUVG. Bestand und Höhe des Krankengeldanspruchs im
Rahmen der Schadenminderungspflicht.

Sachverhalt

    A.- Antonio O. ist bei der Kranken- und Unfallkasse Artisana
für ein tägliches Krankengeld von Fr. 75.-- versichert. Er leidet
an fortgeschrittenen degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule
bei Kleinwuchs und Kyphose, an einer Schultergelenksarthrose mit
Periarthritis humero-scapularis beidseits und an multiplen funktionellen
gastroenterologischen Beschwerden. Ab Februar 1983 war er deswegen in
seinem Beruf als Bauarbeiter vollständig arbeitsunfähig und bezog ab
diesem Zeitpunkt Krankengeld. Anfangs August 1983 teilte ihm die Kasse
mit, die vertrauensärztliche Abklärung habe ergeben, dass er für eine
körperlich leichte Tätigkeit vollständig arbeitsfähig sei. Das Krankengeld
werde daher noch für eine Übergangszeit von vier Monaten gewährt und ab
2. Dezember 1983 eingestellt. Am 30. Januar 1984 erging die entsprechende
Kassenverfügung, welche mit Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons
Basel-Landschaft vom 15. August 1984 für den Zeitraum vom 2. August 1983
bis 5. Juli 1984 geschützt wurde.

    Mit Krankmeldung vom 6. Juli 1984 erhob Antonio O. erneut Anspruch auf
Auszahlung von Krankengeld. Die Kasse lehnte das Begehren mit Verfügung
vom 19. November 1984 ab.

    B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des
Kantons Basel-Landschaft mit Entscheid vom 8. Januar 1986 ab, wobei die
Begründung im wesentlichen dahin lautete, dass Antonio O. zwar den Beruf
eines Bauhandlangers aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben könne,
doch für eine körperlich leichte Berufstätigkeit vollständig arbeitsfähig
sei; ein Krankengeldanspruch sei deshalb nicht ausgewiesen.

    C.- Antonio O. lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem
Antrag, die Kasse sei zu verpflichten, ihm für die Zeit ab 6. Juli 1984
Krankengeld auszurichten.

    Die Kasse und das Bundesamt für Sozialversicherung schliessen auf
Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

       Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- a) In der Krankengeldversicherung haben die Kassen bei
vollständiger Arbeitsunfähigkeit ein tägliches Krankengeld von mindestens
zwei Franken zu gewähren (Art. 12bis Abs. 1 KUVG). Das Krankengeld ist
für eine oder mehrere Krankheiten während wenigstens 720 Tagen innerhalb
von 900 aufeinanderfolgenden Tagen zu gewähren (Art. 12bis Abs. 3 KUVG).

    b) Das Gesetz verpflichtet die Krankenkassen lediglich, bei
vollständiger, nicht auch bei bloss teilweiser Arbeitsunfähigkeit ein
Krankengeld zu gewähren. Der Versicherte kann daher aus Art. 12bis
Abs. 1 KUVG keinen Anspruch auf Ausrichtung eines Krankengeldes bei
teilweiser Arbeitsunfähigkeit ableiten (BGE 101 V 144, 97 V 129; RSKV
1983 Nr. 533 S. 113). Die Kassen können jedoch in ihren Statuten vorsehen,
dass ein Anspruch auf Krankengeld auch bei teilweiser Arbeitsunfähigkeit
besteht. Gemäss Ziffer 4.9.1 des Reglements der Krankenkasse Artisana
über die Kollektiv-Krankentaggeldversicherung wird das Taggeld bei
einer Arbeitsunfähigkeit von mindestens 50% entsprechend dem Grad der
ausgewiesenen Arbeitsunfähigkeit ausgerichtet.

    c) Als arbeitsunfähig im Sinne von Art. 12bis Abs. 1 KUVG gilt
eine Person, die infolge eines Gesundheitsschadens ihre bisherige
Tätigkeit nicht mehr, nur noch beschränkt oder nur unter der
Gefahr, ihren Gesundheitszustand zu verschlimmern, ausüben kann
(BGE 111 V 239 Erw. 1b; RSKV 1983 Nr. 553 S. 241 Erw. 1; MAURER,
Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Bd. I, S. 286 ff.). Der Grad
der Arbeitsunfähigkeit wird laut Rechtsprechung nach dem Masse bestimmt, in
welchem der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen an seinem angestammten
Arbeitsplatz zumutbarerweise nicht mehr nutzbringend tätig sein kann. Nicht
massgebend ist dagegen die bloss medizinisch-theoretische Schätzung der
Arbeitsunfähigkeit (BGE 111 V 239 Erw. 1b; RSKV 1983 Nr. 553 S. 241 Erw. 1,
1982 Nr. 482 S. 74, 1980 Nr. 426 S. 232).

    d) Nach der Rechtsprechung ist der Grad der Arbeitsunfähigkeit
unter Berücksichtigung des bisherigen Berufs festzusetzen, solange
vom Versicherten vernünftigerweise nicht verlangt werden kann, seine
restliche Arbeitsfähigkeit in einem andern Berufszweig zu verwerten. Der
Versicherte, welcher seine restliche Arbeitsfähigkeit nicht verwertet,
obgleich er hiezu unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage und
gegebenenfalls einer bestimmten Anpassungszeit in der Lage wäre, ist nach
der beruflichen Tätigkeit zu beurteilen, die er bei gutem Willen ausüben
könnte; das Fehlen des guten Willens ist nur dort entschuldbar, wo es
auf einer Krankheit beruht (BGE 111 V 239 Erw. 2a, 101 V 145 Erw. 2b;
EVGE 1969 S. 128 Erw. 2c; RKUV 1987 Nr. K 720 S. 106 Erw. 2).

Erwägung 2

    2.- a) Es steht fest, dass dem Beschwerdeführer die bisherige Arbeit
als Bauhandlanger aus gesundheitlichen Gründen (Rücken- und Bauchleiden)
für dauernd nicht mehr zugemutet werden kann. Ebenso darf aufgrund
des Gutachtens Dr. med. F., Spezialarzt FMH für innere Medizin, vom
19. August 1983 als gesichert betrachtet werden, dass dem Beschwerdeführer
ab 27. April 1983 in somatischer Hinsicht eine körperlich leichtere
Arbeit noch in wesentlichem Umfange möglich ist. Für den psychischen
Bereich diagnostizierte der Psychiater Dr. med. W. in seinem Gutachten vom
6. März 1984 eine depressiv-hypochondrische Entwicklung auf der Grundlage
einer vorbestehenden Psychoneurose und bescheinigte im weiteren, dass dem
Beschwerdeführer beim vorliegenden psychiatrischen Befund eine körperlich
nicht belastende Arbeit zugemutet werden könne.

    b) Die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhobenen Einwendungen
sind unbehelflich. Dr. W. hat das Bestehen der Arbeitsfähigkeit nicht
primär unter therapeutischen Gesichtspunkten (Lösung der neurotischen
Fixierung durch Leistungsverweigerung) bejaht. Dass der Beschwerdeführer
im Rahmen der Behandlung im Bädersanatorium B. (Sommer 1984) seine
hypochondrischen Tendenzen stärker als früher zum Ausdruck brachte,
rechtfertigt nicht den Schluss, das psychische Leiden habe sich seit
der Begutachtung durch Dr. W. wesentlich verschlechtert. Ferner hat
der Rheumatologe Dr. med. T. in seinem Bericht vom 20. Oktober 1984
(somatisch bedingte) vollständige Arbeitsunfähigkeit nur mit Bezug auf
den angestammten Beruf als Maurer attestiert. Die Arbeitsfähigkeit des
Beschwerdeführers für eine körperlich leichte Beschäftigung hat auch er -
zumindest implizite - bejaht. Wohl hat er ernsthaft bezweifelt, ob der
Beschwerdeführer je wieder ins Erwerbsleben zurückkehren würde. Mögen
derartige Zweifel durchaus berechtigt erscheinen, so bleibt es doch bei
der hier entscheidenden Tatsache, dass vom Beschwerdeführer aufgrund
des vorliegenden psychiatrischen Gutachtens ohne Überforderung verlangt
werden kann, den inneren Widerstand gegen die Wiederaufnahme einer
Erwerbstätigkeit zu überwinden.

    Der medizinische Sachverhalt ist mit den vorliegenden Akten
hinreichend geklärt, so dass von der vom Beschwerdeführer verlangten
weiteren psychiatrischen Begutachtung abzusehen ist. Ebensowenig ist
die beantragte Parteiverhandlung notwendig, damit das Gericht einen
unmittelbaren Eindruck von der schwächlichen körperlichen Konstitution
des Beschwerdeführers gewinnen könne.

    c) Aus dem Gesagten folgt, dass der Beschwerdeführer für körperlich
leichte Tätigkeit arbeitsfähig und ihm eine entsprechende berufliche
Neueingliederung in gesundheitlicher Hinsicht möglich und zumutbar
ist. Die Vorinstanz ist ohne nähere Begründung davon ausgegangen,
dass diese Tatsache einen Krankengeldanspruch des Beschwerdeführers
ohne weiteres ausschliesse. Die Kasse hat im wesentlichen darauf
abgestellt, dass der Beschwerdeführer im Bereiche einer ihm zumutbaren
neuen Berufstätigkeit vollständig arbeitsfähig sei, weshalb die
reglementarische Anspruchsvoraussetzung vollständiger oder mindestens
hälftiger Arbeitsunfähigkeit fehle. Der Einfluss eines im Rahmen
zumutbarer Selbsteingliederung vorgenommenen Berufswechsels auf den
Krankengeldanspruch bedarf grundsätzlicher Erörterung. Die Rechtsprechung
des Eidg. Versicherungsgerichts hat dazu bisher noch keine Stellung
genommen. Sie hielt lediglich fest, dass der Versicherte zur Verwertung
der Restarbeitsfähigkeit nötigenfalls den Beruf zu wechseln habe und
dass diesfalls der Krankengeldanspruch im Lichte der zumutbaren neuen
beruflichen Verhältnisse zu beurteilen sei (siehe Erw. 1c hievor).

Erwägung 3

    3.- a) Die Rechtsprechung leitet die Pflicht des Versicherten zur
beruflichen Neueingliederung vom Gebot der Schadenminderung ab (BGE 111
V 239 Erw. 2a); der Versicherte soll alles ihm Zumutbare unternehmen,
um die erwerblichen Folgen seines Gesundheitsschadens bestmöglich zu
mildern; denn die Krankenkasse soll nicht Schäden ausgleichen müssen,
welche der Versicherte durch zumutbare geeignete Vorkehren vermeiden oder
beheben könnte. Für die Beantwortung der oben gestellten Rechtsfrage ist
daher vom Tatbestandselement des Schadens auszugehen.

    b) Übersteigt das versicherte Krankengeld erwerbstätiger
Kassenmitglieder das gesetzliche oder statutarische Minimum, so bezweckt
die Krankengeldversicherung in der Regel, dem Versicherten ganz
oder teilweise Ersatz für den Erwerbsausfall zu bieten, der infolge
krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf
entsteht; der Versicherte will für solche Einbussen ganz oder teilweise
gedeckt sein, und dafür bietet die Kasse gegen angemessene Prämie
Versicherungsschutz (BGE 105 V 195 Erw. 1; RKUV 1986 Nr. K 688 S. 367
Erw. 2b; MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Bd. II, S. 330;
GREBER, Droit suisse de la sécurité sociale, S. 409; BONER/HOLZHERR,
Die Krankenversicherung, Bern 1969, S. 52). Schaden bedeutet hier somit
krankheitsbedingten Erwerbsausfall.

    c) Ein Versicherter kann zu einer Schadenminderung grundsätzlich nur
so weit verhalten werden, als sie sich in der Weise auf die Leistungen
auswirken kann, dass dadurch ein laufender Anspruch ganz oder teilweise
untergeht bzw. ein möglicher Anspruch entweder nicht entsteht oder
herabgesetzt wird. Eine (mögliche) Verminderung des krankheitsbedingten
Erwerbsausfalls durch berufliche Selbsteingliederung muss demnach
geeignet sein, Bestand oder Umfang eines laufenden oder möglichen
Krankengeldanspruchs zu beeinflussen. Im Falle des Beschwerdeführers ist
daher zu prüfen, ob durch zumutbare Verwertung der Restarbeitsfähigkeit
der massgebende Schaden so weit vermindert werden könnte, dass ein
Krankengeldanspruch für die Zeit ab 6. Juli 1984 entfällt.

    In der Krankengeldversicherung wird der Leistungsanspruch durch das
im Gesetz oder in den Statuten verlangte Mass an Arbeitsunfähigkeit
des Versicherten im zuletzt ausgeübten Beruf ausgelöst und
begründet. Arbeitsunfähigkeit bedeutet hier Einbusse an funktionellem
Leistungsvermögen (siehe Erw. 1c hievor; vgl. auch BGE 105 V 159
Erw. 2; RÜEDI, Die Bemessung der Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit in der
Sozialversicherung, in ZAK 1980 S. 158 Ziff. 9). Entsprechend enthält
das KUVG keinen Hinweis, dass bei erwerbstätigen Versicherten ein
bestimmter krankheitsbedingter Erwerbsausfall Anspruchsvoraussetzung sei
(zu beachten ist jedoch die Überversicherungsordnung; RSKV 1982 Nr. 511
S. 256 Erw. 2a). Dennoch kann kein Zweifel daran sein, dass die nach
Art. 12bis Abs. 1 KUVG anspruchsbegründende vollständige Arbeitsunfähigkeit
erwerbstätiger Versicherter gleichbedeutend ist mit vollständigem
krankheitsbedingtem Erwerbsausfall im bisher ausgeübten Beruf. In
Analogie dazu ist weiter festzustellen, dass hälftige Arbeitsunfähigkeit,
die im vorliegenden Fall reglementarisch Anspruch auf ein entsprechend
reduziertes Krankengeld gibt, auf der Schadenseite in der Regel mit einer
Verdiensteinbusse von 50% gleichzusetzen ist. Der Versicherte, der das
Risiko des krankheitsbedingten Verdienstausfalls versichern will, geht
ohne Zweifel von diesen Gleichungen aus, welche von den Kassen ebenfalls
als selbstverständliche Gegebenheit angenommen werden. Die Deckung eines
solchen Schadens in den Grenzen des versicherten Krankengeldes und der
maximalen gesetzlichen oder statutarischen Bezugsberechtigungsdauer bildet
daher die Leistungszusage, welche die Kasse einem Bewerber mit der Aufnahme
in die Krankengeldversicherung abgibt und welche die Grundlage für die
Bemessung und Erhebung der Prämien darstellt. Die Krankengeldversicherung
erfüllt demzufolge ihre Schadenausgleichsfunktion nur dann, wenn aus
ihr das versicherte Krankengeld in den genannten Grenzen und unter
Vorbehalt des Überentschädigungsverbots so lange erbracht wird, als der
oben umschriebene krankheitsbedingte Erwerbsausfall ausgewiesen ist. Ist
unter dem Titel der Schadenminderungspflicht ein Berufswechsel geboten,
so muss daher für den Krankengeldanspruch die Höhe des Restschadens
massgebend sein. Dieser ist zu definieren als die Differenz zwischen dem,
was der Versicherte ohne Krankheit in seinem bisherigen Beruf verdienen
könnte, und dem Einkommen, das er zumutbarerweise im neuen Beruf erzielt
oder erzielen könnte. Verbleibt ein krankheitsbedingter Erwerbsausfall
bzw. Restschaden, der im bisherigen Beruf des Versicherten vollständiger
oder mindestens hälftiger Arbeitsunfähigkeit entspräche, so ist die Kasse
dafür grundsätzlich weiterhin entschädigungspflichtig.

    d) Das bedeutet in der praktischen Anwendung, dass jede wirtschaftlich
verwertbare Restarbeitsfähigkeit (BGE 101 V 145 Erw. 2b; RSKV 1982
Nr. 483 S. 81 Erw. 1, 1979 Nr. 386 S. 251, 1978 Nr. 333 S. 174 Erw. 2c
und Nr. 342 S. 226 Erw. 1) und damit jeder zumutbare Berufswechsel, der
einkommensmässig bedeutsam ist, regelmässig einen Anspruch auf das volle
versicherte Krankengeld ausschliesst. Gewährt indes eine Kasse statutarisch
bei mindestens hälftiger Arbeitsunfähigkeit ein entsprechend herabgesetztes
Krankengeld, so hat sie diese Leistung auszurichten, wenn der Versicherte
mit der neuen Tätigkeit nicht mehr als die Hälfte des Verdienstes erzielt,
der ohne gesundheitliche Beeinträchtigung im angestammten Berufe möglich
wäre. Übersteigt jedoch der neue Verdienst die Hälfte des im bisherigen
Beruf entgehenden Verdienstes, so entfällt ein Krankengeldanspruch. Kommt
der Versicherte seiner Schadenminderungspflicht nicht nach, so hat er
sich anrechnen zu lassen, was er zumutbarerweise verdienen könnte.

Erwägung 4

    4.- a) Diese Lösung beruht auf dem Grundsatz der Gegenseitigkeit
(Art. 3 Abs. 3 KUVG), welcher besagt, dass zwischen Beiträgen einerseits
und den Versicherungsleistungen anderseits ein Gleichgewicht bestehen
muss und dass allen Kassenmitgliedern unter den gleichen Voraussetzungen
die gleichen Vorteile zu gewähren sind (BGE 113 V 298 Erw. 2 mit
Hinweisen). Der Standpunkt der Kasse, wonach der Krankengeldanspruch
vom Grad der Arbeitsfähigkeit bzw. der funktionellen Leistungseinbusse
im neuen Beruf abhängig gemacht wird, ist mit diesem Grundsatz
nicht vereinbar. Es wäre bei statutarisch möglichem Teilkrankengeld
offensichtlich unhaltbar, wenn ein Versicherter, der zwar in einer
neuen beruflichen Tätigkeit trotz seines Gesundheitsschadens voll
arbeitsfähig ist, jeglichen Leistungsanspruch verlöre, obwohl der
verbleibende krankheitsbedingte Erwerbsausfall mindestens oder mehr als
die Hälfte des früheren Verdienstes ausmachen würde und die Kasse zur
Deckung eines solchen Schadens während der maximalen gesetzlichen oder
statutarischen Bezugsberechtigungsperiode Prämien entgegengenommen hatte
(siehe dazu auch DUC, Statut des invalides dans l'assurance-maladie d'une
indemnité journalière, SZS 1987, S. 183). Ebenso fragwürdig wäre, wenn
gleichzeitig ein anderer Versicherter mit dem gleichen krankheitsbedingten
Erwerbsausfall, der jedoch nicht zu einem Berufswechsel verhalten werden
könnte, einen statutarischen Krankengeldanspruch hätte. Das würde nicht
nur eine stossende Diskriminierung des zur Schadenminderung verpflichteten
Kassenmitglieds darstellen, sondern für die berufliche Eingliederung
geradezu bestrafen.

    b) Diese Konzeption weist Bezüge zur Invaliditätsbemessung
gemäss Art. 28 Abs. 2 IVG auf. In diesem Zusammenhang hat das
Eidg. Versicherungsgericht wiederholt erklärt, dass Arbeitsunfähigkeit im
Sinne des KUVG nicht der rentenrechtlichen Invalidität nach Art. 28 Abs. 2
IVG entspreche, welche durch einen Vergleich zwischen dem Valideneinkommen
einerseits und dem Invalideneinkommen anderseits bemessen wird (RKUV 1986
Nr. K 696 S. 427 Erw. 2b; RSKV 1979 Nr. 364 S. 83 und 1977 Nr. 301 S. 188;
siehe auch BGE 104 V 136 Erw. 2). Diese Rechtsprechung wird indes durch
die oben gewählte Lösung nicht durchbrochen. Die hiebei vorzunehmenden
Einkommensvergleiche bedeuten nicht, dass nunmehr die Erwerbsunfähigkeit
der leistungsbegründende Faktor ist und der Anspruch nicht mehr von der
Arbeitsunfähigkeit im angestammten Beruf abhängt. Wenn und solange
ausgewiesen ist, dass ein Versicherter in seinem bisherigen Beruf in
rechtserheblichem Masse arbeitsunfähig ist, was mit dem Eintritt einer
rentenbegründenden Invalidität nicht wegfällt, besteht in den Grenzen
der maximalen gesetzlichen oder statutarischen Bezugsberechtigungsdauer
prinzipiell ein Krankengeldanspruch. Dieser kann allerdings aufgrund
einer zumutbaren Schadenminderungspflicht nach dem oben Gesagten ganz
oder teilweise untergehen. Der Miteinbezug erwerblicher Faktoren
führt demzufolge nicht zur Begründung, sondern bloss zur Aufhebung
von Krankengeldansprüchen. Im übrigen ist daran zu erinnern, dass der
Eintritt einer rentenbegründenden Invalidität die Pflicht der Kassen
zur Zahlung von Krankengeld praxisgemäss nicht beendet, sondern eine
Kumulation beider Leistungen möglich ist (EVGE 1966 S. 193, 1968 S. 17,
1969 S. 127; RSKV 1978 Nr. 323 S. 106 Erw. 4). Die gegenteilige These
(DUC, aaO, S. 179 ff.) hat das Eidg. Versicherungsgericht in EVGE 1966
S. 193 mit noch heute gültiger Begründung widerlegt, weshalb darauf nicht
zurückzukommen ist.

Erwägung 5

    5.- a) Der Beschwerdeführer wäre nach dem oben Gesagten trotz seiner
gesundheitlichen Behinderung in der Lage, ganztags eine körperlich
leichte Berufstätigkeit auszuüben. Damit liesse sich ohne weiteres
ein Lohn erzielen, der einen Anspruch auf Gewährung des vollen
versicherten Krankengeldes ausschliesst (siehe Erw. 3d hievor).
Dagegen ist unwahrscheinlich, dass er ein Salär verdienen könnte,
das mehr als die Hälfte dessen ausmacht, was er als Gesunder in
seinem früheren Bauarbeiterberuf erzielen könnte. Aufgrund seiner
geringen beruflichen Qualifikation und der intellektuellen Fähigkeiten
kommen für ihn nur einfachste Hilfsarbeiten in Frage, die wenig
Anforderungen an Geschicklichkeit und geistiges Leistungsvermögen sowie
an Konzentrationsfähigkeit, Arbeitstempo und Sprachkenntnisse stellen. Die
Entlöhnung des ausgeprägt schmächtigen und kleinwüchsigen Beschwerdeführers
wird deshalb auch bei Ganztagesarbeit deutlich unter derjenigen eines
ganzarbeitsfähigen Bauhandlangers liegen. Dazu kommt, dass sich die
depressiv-hypochondrische Fehlentwicklung und die inadäquate Verarbeitung
des orthopädischen und rheumatischen Leidens ohne Zweifel auch in einer
körperlich leichten Tätigkeit leistungsvermindernd auswirken dürfte,
was die Lohnaussichten ebenfalls schmälert. Aufgrund dieses Sachverhalts
bezieht er denn auch seit 1. Februar 1984 eine halbe Invalidenrente auf
der Grundlage einer Invalidität von 50%, was vom Versicherungsgericht
des Kantons Basel-Landschaft mit Entscheid vom 10. September 1986 und
vom Eidg. Versicherungsgericht mit Urteil vom heutigen Tag geschützt
wurde. Erreicht der zumutbare Invalidenlohn des Beschwerdeführers nach
dem Gesagten die Hälfte des krankheitsbedingten Erwerbsausfalls nicht,
so hat er ab 6. Juli 1984 unter Vorbehalt des Überentschädigungsverbots
Anspruch auf die Ausrichtung des halben versicherten Krankengeldes (siehe
Erw. 3c hievor).

    b) Zwar dürfte es für den Beschwerdeführer aufgrund der oben
geschilderten geringen beruflichen und persönlichen Fähigkeiten nicht
leicht sein, eine passende Stelle zu finden. Daraus kann hier indes kein
Anspruch auf das ganze versicherte Krankengeld abgeleitet werden. Diesen
Faktoren ist bei der Ermittlung des dem Beschwerdeführer zumutbaren
Verdienstes Rechnung getragen worden, weshalb sie im Anschluss daran
nicht noch einmal veranschlagt werden können, um das Bestehen eines
Anspruchs auf das volle versicherte Krankengeld zu begründen (vgl. dazu
BGE 107 V 21 Erw. 2c). Grundsätzlich haben nicht die Krankenkassen das
Risiko der schwierigen Vermittelbarkeit zu tragen. Dazu besteht jedoch die
wichtige Ausnahme, dass sie dem zur Schadenminderung durch Berufswechsel
verpflichteten Versicherten praxisgemäss eine gewisse Übergangsfrist zur
Stellensuche und zur Anpassung an die veränderten Verhältnisse einzuräumen
haben. In den bisher beurteilten Fällen hat das Eidg. Versicherungsgericht
eine Frist von drei bis fünf Monaten als angemessen betrachtet (BGE
111 V 239 Erw. 2a mit Hinweisen; RKUV 1987 Nr. K 720 S. 108). Ob ein
solcher Zeitraum auch Fällen schwieriger Vermittelbarkeit gerecht zu
werden vermöchte, kann hier offenbleiben, weil dem Beschwerdeführer
für die Stellensuche nahezu ein ganzes Jahr (August 1983 bis Juli 1984)
zur Verfügung stand, was bei gutem Willen sicher ausreichend war.

    c) Die Sache geht an die Kasse zurück, damit sie die dem
Beschwerdeführer für die Zeit ab 6. Juli 1984 zustehenden Krankengelder
unter Berücksichtigung einer allfälligen Überversicherung festlege und
ausrichte.