Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 V 123



114 V 123

25. Auszug aus dem Urteil vom 21. Juni 1988 i.S. K. gegen
Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich und Kantonale Rekurskommission für
die Arbeitslosenversicherung, Zürich Regeste

    Art. 20 Abs. 3, 38 Abs. 1 und 47 Abs. 1 AVIG:
Fristenwiederherstellung. Die Wiederherstellung einer versäumten Frist
für die Geltendmachung des Anspruches auf Arbeitslosen-, Kurzarbeits-
oder Schlechtwetterentschädigung ist möglich, sofern ein entschuldbarer
Grund für die Verspätung nachgewiesen ist.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Sowohl bei den Meldefristen als auch bei den Fristen für
die Geltendmachung der Versicherungsleistungen handelt es sich nach der
Rechtsprechung um Verwirkungsfristen, deren Nichtwahrung das Erlöschen
des Anspruches zur Folge hat (BGE 113 V 68 Erw. 1b zu Art. 20 Abs. 3
AVIG; BGE 110 V 336 Erw. 3 zu Art. 36 Abs. 1 AVIG und 58 Abs. 4 AVIV;
nicht veröffentlichtes Urteil B. C. vom 15. April 1987 zu Art. 38 Abs. 1
und 39 Abs. 3 AVIG; BGE 110 V 341 Erw. 2a zu Art. 45 Abs. 1 AVIG und
69 Abs. 2 AVIV; ARV 1986 Nr. 13 S. 51 Erw. 2 zu Art. 47 Abs. 1 und 48
Abs. 3 AVIG). Im Bereich der Kurzarbeits- und Schlechtwetterentschädigung
hat der Gesetzgeber diese Regelung insofern gemildert, als er eine
Anspruchsverwirkung nur in den Fällen eintreten lässt, in denen kein
entschuldbarer Grund für die Verspätung einer Meldung vorliegt (Art. 58
Abs. 4 und 69 Abs. 2 AVIV; vgl. die analoge Vorschrift in Art. 81 Abs. 3
AVIV betreffend Präventivmassnahmen). Wie die Vorinstanz zutreffend
festhielt, sieht das Gesetz einen solchen Vorbehalt indessen nur bezüglich
der Fristen für die Meldung eines Arbeitsausfalles und nicht auch bezüglich
derjenigen für die Geltendmachung des Leistungsanspruches vor.

    b) Verwirkungsfristen sind in der Regel weder einer Erstreckung
noch einer Unterbrechung oder Wiederherstellung zugänglich (BGE 113 V
69 Erw. 1c mit Hinweisen). Es stellt sich jedoch die Frage, ob sich die
Anwendung dieses Grundsatzes im Zusammenhang mit der Geltendmachung eines
Entschädigungsanspruches auch dann rechtfertigen lässt, wenn es einem
Versicherten - namentlich aus gesundheitlichen Gründen - unmöglich ist,
seine Rechte fristgemäss auszuüben.

    Die bei der Voranmeldung von Kurzarbeit und der Meldung von
witterungsbedingten Arbeitsausfällen einzuhaltenden Fristen dienen
in erster Linie der Sicherung der Kontrollmöglichkeiten der kantonalen
Amtsstellen. Zur Vermeidung von Missbräuchen ist die Verwaltung in diesen
Bereichen in besonders hohem Ausmass auf eine sofortige Überprüfung
angewiesen, da rückwirkende Abklärungen - insbesondere wegen schnell
wechselnder meteorologischer Verhältnisse und unvorhergesehener
Veränderungen wirtschaftlicher Natur - häufig keine zuverlässigen
Aufschlüsse mehr ergeben können (vgl. BGE 110 V 341 Erw. 2). Auch
bei der Geltendmachung der Versicherungsleistungen besteht zwar das
Bedürfnis nach einer frühzeitigen Unterbreitung der für die Prüfung
der Anspruchsvoraussetzungen erforderlichen Belege. Da sich die
Abrechnungsunterlagen jedoch auf Sachverhalte beziehen, die sich in der
Regel auch nachträglich noch ohne besondere Schwierigkeiten feststellen
lassen, sind die Auswirkungen einer Fristversäumnis in diesem Stadium
regelmässig weniger gravierend als im Zeitpunkt unmittelbar vor oder
während des Arbeitsausfalles. Dennoch erklärt der Verordnungsgeber die
nachträgliche Voranmeldung von Kurzarbeit oder die verspätete Meldung
einer witterungsbedingten Arbeitsreduktion trotz der Notwendigkeit einer
rechtzeitigen Information der Verwaltung und der dadurch bedingten strikten
Fristenregelung ausdrücklich als zulässig, sofern der Anspruchsberechtigte
für sein Versäumnis entschuldbare Gründe vorbringen kann (Erw. 3a
hievor). Es lässt sich deshalb nicht rechtfertigen, hinsichtlich der
Fristeinhaltung bei der Geltendmachung der Versicherungsleistungen einen
strengeren Massstab anzusetzen.

    Daher sind Wiederherstellungsgründe auch im Rahmen von Art. 20
Abs. 3, Art. 38 Abs. 1 und Art. 47 Abs. 1 AVIG zuzulassen. Eine davon
abweichende Betrachtungsweise vermag schon deshalb nicht zu überzeugen,
weil die Möglichkeit einer Restitution im Falle einer unverschuldeten
Verhinderung an der rechtzeitigen Vornahme rechtlich bedeutsamer
Handlungen bei gesetzlichen Verwirkungsfristen als allgemeiner Grundsatz
generell anerkannt ist (BGE 108 V 109). Da selbst Rechtsmittelfristen im
Beschwerdeverfahren wiederhergestellt werden können, besteht keine sachlich
begründete Veranlassung, dies bezüglich der Fristen im nichtstreitigen
Verwaltungsverfahren auszuschliessen.