Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 IV 67



114 IV 67

21. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 15. August 1988
i.S. G. und C. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden
(Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland. Art. 24 und 26
BewB in der Fassung vom 21. März 1973, AS 1974 I 83 (Art. 29 und 31 BewG,
SR 211.412.41).

    Abgrenzung des Tatbestandes der unrichtigen oder unvollständigen
Angaben über Tatsachen, die für die Bewilligungspflicht oder für die
Bewilligung von Bedeutung sind, vom Tatbestand der Verweigerung von
Auskunft oder Edition.

Sachverhalt

    A.- 1. Die im Jahre 1965 gegründete X. SA erwarb in den Jahren
1967 und 1968 in Celerina zwei Baulandparzellen zum Preis von insgesamt
Fr. 372'400.-- und errichtete darauf zwei 6-Familienhäuser. Infolge des
Verdachts, die X. SA habe mit dem Erwerb der Grundstücke und deren
Überbauung gegen die Bestimmungen des damaligen Bundesbeschlusses über
die Bewilligungspflicht für den Erwerb von Grundstücken durch Personen
im Ausland vom 23. März 1961 (Lex von Moos) verstossen, forderte das
Grundbuchinspektorat Graubünden die X. SA mit Verfügung vom 27. Juli
1984 auf, bis spätestens 20. August 1984 über die Beteiligungen an ihr
und über die Finanzierung des Grundstückserwerbs sowie andere Umstände
umfassend Auskunft zu erteilen. Das Grundbuchinspektorat stellte der
X. SA zu diesem Zweck eine Reihe von Fragen, die zu beantworten waren,
und verfügte zudem die Edition aller für die beabsichtigte Untersuchung
relevanten Urkunden der Gesellschaft. In der Verfügung wurde ausdrücklich
auf die strafrechtlichen Folgen unrichtiger oder unvollständiger Angaben
sowie der Verweigerung von Auskunft und Edition gemäss Art. 24 und 26
BewB (in der Fassung vom 21. März 1973) hingewiesen. Zu jener Zeit war
der am 12. September 1974 in den Verwaltungsrat der X. SA gewählte C.
Präsident des Verwaltungsrates. Kurz vor Ablauf der Frist ersuchte G.,
der Direktor der Y. SA, im Namen der X. SA um eine Verlängerung der
Frist bis Ende September 1984. Das Grundbuchinspektorat gab dem Gesuch
statt mit dem Hinweis, dass es auf weitere Fristerstreckungsgesuche nicht
eintreten werde.

    Mit Schreiben vom 28. September 1984 teilte G. dem Grundbuchinspektorat
mit, es sei ihm leider nicht möglich, alle verlangten Auskünfte zu
erteilen; die Y. SA habe erst vor einigen Jahren die Verwaltung
der im Jahre 1965 gegründeten X. SA übernommen; sie könne dem
Grundbuchinspektorat die Jahresabschlüsse der letzten 10 Jahre zukommen
lassen; dem Grundbuchinspektorat seien bereits im Jahre 1979 bei
Gelegenheit des Verkaufs von vier Wohnungen ein grosser Teil der nun
verlangten Informationen und Unterlagen zugegangen. Die versprochenen
Jahresabschlüsse der letzten 10 Jahre wurden dem Grundbuchinspektorat
innert der angesetzten Frist indessen nicht zugestellt. Mit Schreiben
vom 27. November 1984 stellte das Grundbuchinspektorat der X. SA in
Aussicht, dass die Bewilligungspflicht für die fraglichen Grundstückkäufe
und Überbauungen in Celerina festgestellt und die entsprechenden
Bewilligungen verweigert würden. Die X. SA wurde aufgefordert, sich
innert der peremtorischen Frist von 20 Tagen zu dieser angekündigten
Verfügung zu äussern. Am 18. Dezember 1984 teilte Rechtsanwalt Z. dem
Grundbuchinspektorat mit, die X. SA habe ihn vor einigen Tagen mit
der Wahrung ihrer Interessen beauftragt. Er sandte der Behörde die
Jahresabschlüsse der letzten 10 Jahre, deren Herausgabe G., der Direktor
der Y. SA, dem Grundbuchinspektorat schon am 28. September 1984 versprochen
hatte, und hielt fest, dass weitere dienliche Unterlagen nicht vorhanden
seien.

    Bei den am 24. Juli und am 12. August 1985 durchgeführten
Hausdurchsuchungen stellte sich heraus, dass sich sämtliche Akten der X. SA
(mehrere Bundesordner) am Sitz der Y. SA in Lugano befanden.

    Das Grundbuchinspektorat Graubünden bejahte mit Verfügung vom
4. Januar 1985 die Bewilligungspflicht für den Erwerb und die Überbauung
der Grundstücke in Celerina und verweigerte zugleich die erforderlichen
Bewilligungen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden wies am
9. April 1985 eine dagegen erhobene Beschwerde ab.

    Mit Verfügung vom 29. April 1986 stellte die Staatsanwaltschaft des
Kantons Graubünden das gegen diverse Personen, unter anderen C. und G.,
durchgeführte Strafverfahren wegen Umgehung der Bewilligungspflicht beim
Erwerb und bei der Überbauung der beiden Grundstücke in Celerina ein.

    B.- Der Kreisgerichtsausschuss Oberengadin verurteilte C. und
G. am 30. Oktober 1987 wegen vorsätzlicher Widerhandlung gegen Art. 24
des Bundesbeschlusses über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im
Ausland (in der Fassung vom 21. März 1973; BewB; AS 1974 I 83) zu bedingt
vollziehbaren Gefängnisstrafen von 10 Tagen und zu bedingt vorzeitig
löschbaren Bussen von Fr. 10'000.-- bzw. Fr. 8'000.--. Das Verfahren
wegen Widerhandlung gegen Art. 26 BewB (in der Fassung vom 21. März 1973)
wurde infolge Verjährung eingestellt.

    Der Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden wies die von den
Verurteilten erhobene Berufung am 23. März 1988 ab.

    C.- Die Verurteilten stellen mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde
den Antrag, der Entscheid des Kantonsgerichtsausschusses vom 23. März
1988 sei vollumfänglich aufzuheben.

    Die Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden und die Schweizerische
Bundesanwaltschaft beantragen die Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 24 des vorliegend anwendbaren Bundesbeschlusses über
den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (in der Fassung
vom 21. März 1973; BewB; AS 1974 I 83) wird mit Gefängnis oder mit Busse
bestraft, wer vorsätzlich einer zuständigen Behörde über Tatsachen,
die für die Bewilligungspflicht oder für die Bewilligung von Bedeutung
sind, unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder deren Irrtum
arglistig benutzt. Der Täter wird mit Busse bestraft, wenn er fahrlässig
handelt. Nach Art. 26 BewB (in der Fassung vom 21. März 1973) wird
mit Haft oder mit Busse bestraft, wer sich, ohne einem Berufsgeheimnis
im Sinne von Art. 321 StGB zu unterliegen, weigert, die ihm obliegende
Auskunfts- und Editionspflicht zu erfüllen, indem er einer entsprechenden,
unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen
Verfügung der zuständigen Behörde nicht Folge leistet. Die Auskunfts-
und Editionspflicht ist in Art. 15 BewB (in der Fassung vom 21. März 1973)
geregelt; dessen Abs. 1 lautet (AS 1974 I 88):

    Wer von Amtes wegen, berufsmässig, vertraglich, als Organ einer
   juristischen Person oder Personengesellschaft ohne juristische

    Persönlichkeit oder tatsächlich an der Vorbereitung, an der
Finanzierung
   oder am Abschluss von Geschäften im Sinne des Artikels 2 mitwirkt,
   ist verpflichtet, der zuständigen Behörde auf deren Verlangen über alle

    Tatsachen, die für die Bewilligungspflicht oder für die Bewilligung von

    Bedeutung sein können, nach bestem Wissen und Gewissen Auskunft zu
   erteilen und nötigenfalls Einsicht in die Geschäftsbücher,
   Korrespondenzen oder Belege zu gewähren und diese herauszugeben.

    Die Beschwerdeführer machen geltend, dass sie am Erwerb und an der
Überbauung der beiden Grundstücke in Celerina in keiner Weise im Sinne
von Art. 15 BewB mitgewirkt hätten, dass sie daher nicht gemäss dieser
Bestimmung auskunftspflichtig gewesen seien und deshalb weder nach
Art. 24 noch nach Art. 26 BewB verurteilt werden dürften. Sie sind im
weiteren der Auffassung, dass ihr Verhalten nicht als Tathandlung im Sinne
von Art. 24 BewB, sondern als Tathandlung im Sinne von Art. 26 BewB zu
qualifizieren sei und dass sie selbst bei Bejahung einer Auskunftspflicht
nicht gemäss Art. 26 BewB verurteilt werden können, da insoweit die
Verjährung eingetreten sei.

Erwägung 2

    2.- a) Den Tatbestand von Art. 24 BewB kann im Unterschied zum
Tatbestand von Art. 26 BewB entgegen der Meinung der Beschwerdeführer nicht
nur derjenige erfüllen, dem eine Auskunfts- und Editionspflicht obliegt;
nach Art. 24 BewB macht sich vielmehr jedermann, mithin auch der nicht
gemäss Art. 15 BewB Auskunftspflichtige, strafbar, der unrichtige oder
unvollständige Angaben betreffend die dort genannten Tatsachen macht oder
einen diesbezüglichen Irrtum der Behörde arglistig benutzt.

    b) Der Beschwerdeführer G. hat in seinem Schreiben vom 28. September
1984 an das Grundbuchinspektorat Graubünden entgegen der nicht näher
begründeten Auffassung der Vorinstanz nicht im Sinne von Art. 24
BewB unvollständige Angaben gemacht, sondern im Sinne von Art. 26
BewB die Auskunft und die Edition von Unterlagen verweigert. Wer die
verlangten Auskünfte und Unterlagen nicht vollständig verweigert, sondern
immerhin einige Auskünfte erteilt und einige Unterlagen herausgibt,
macht dadurch nicht eo ipso im Sinne von Art. 24 BewB unvollständige
Angaben. Auch eine bloss teilweise Verweigerung kann unter Art. 26 BewB
fallen (vgl. MÜHLEBACH/GEISSMANN, Kommentar zum BewG, 1986, N. 2 zu
Art. 31). Die Anwendung von Art. 24 BewB fällt nach der systematischen,
der teleologischen und der historischen Auslegung dieser Bestimmung nur
dann in Betracht, wenn die Angaben wegen ihrer Unvollständigkeit die
Behörden irreführen, wie dies bei der in Art. 24 BewB ebenfalls genannten
Tatbestandsvariante der unrichtigen Angaben grundsätzlich der Fall ist. In
der Botschaft des Bundesrates zu Art. 14 Abs. 3 des bundesrätlichen
Entwurfs (BBl 1972 II 1276), dem Art. 24 BewB weitgehend entspricht,
wird denn auch festgehalten, dass diese Bestimmung auf die Irreführung
der Behörden als solche Strafe androht, ohne einen Bewilligungsbetrug zu
fordern (BBl 1972 II 1264). Ob zur Erfüllung des objektiven Tatbestandes
von Art. 24 BewB darüber hinaus erforderlich ist, dass die Behörde
infolge der Täuschung (durch unrichtige oder unvollständige Angaben)
tatsächlich einem Irrtum erlag, wofür die in Art. 24 BewB genannte dritte
Tatbestandsvariante der arglistigen Benutzung eines Irrtums der Behörde
spricht, die in den parlamentarischen Verhandlungen in den Beschluss
aufgenommen worden ist (Amtl.Bull. 1972 N 2256 f.), kann vorliegend
dahingestellt bleiben. Das Grundbuchinspektorat wurde durch das Schreiben
des Beschwerdeführers G. vom 28. September 1984 offensichtlich nicht über
Tatsachen, die für die Bewilligungspflicht oder für die Bewilligung von
Bedeutung sind, getäuscht. Der Beschwerdeführer G. hielt im fraglichen
Schreiben im Gegenteil ausdrücklich fest, es sei ihm leider nicht möglich,
alle verlangten Auskünfte zu erteilen; er versprach die Herausgabe der
Jahresabschlüsse der letzten 10 Jahre und wies darauf hin, dass bereits im
Jahre 1979 verschiedene Unterlagen im Rahmen von Gesuchen um Bewilligung
zur Begründung von Stockwerkeigentum an vier Wohnungen in den Besitz der
Behörde gelangt seien. Wohl entsprach die Behauptung des Beschwerdeführers
G., es sei ihm nicht möglich, alle verlangten Auskünfte zu erteilen,
nicht der Wahrheit. Mit dieser falschen Behauptung machte er indessen
nicht unrichtige oder unvollständige Angaben über Tatsachen, die für die
Bewilligungspflicht oder für die Bewilligung von Bedeutung sind, sondern
begründete er seine Weigerung, alle verlangten Auskünfte zu erteilen und
alle angeforderten Unterlagen herauszugeben.

    Der Beschwerdeführer G. erfüllte demnach mit seinem Schreiben vom
28. September 1984 an das Grundbuchinspektorat nach den zutreffenden
Ausführungen in der Beschwerde nicht den Tatbestand von Art. 24 BewB
(in der Fassung vom 21. März 1973).

    c) Die Verurteilung des Beschwerdeführers C. wegen Widerhandlung im
Sinne von Art. 24 BewB wird im angefochtenen Urteil damit begründet,
dass er es als Verwaltungsratspräsident der X. SA (siehe dazu Art. 29
Abs. 1 BewB), in deren Namen der Beschwerdeführer G. als Direktor der
Y. SA handelte, pflichtwidrig (vgl. Art. 722 OR) unterlassen habe (siehe
Art. 29 Abs. 2 BewB), G., von dessen Schreiben vom 28. September 1984
an das Grundbuchinspektorat er als Mitglied des Verwaltungsrates der
Y. SA Kenntnis hatte, von einer Widerhandlung im Sinne von Art. 24 BewB
abzuhalten bzw. zur Erteilung der verlangten Auskünfte und Herausgabe der
angeforderten Urkunden zu veranlassen. Da der Beschwerdeführer G. nach
dem Gesagten den Tatbestand von Art. 24 BewB nicht erfüllte, kann auch
C. nicht gemäss dieser Bestimmung verurteilt werden.