Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 IV 32



114 IV 32

11. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 19. Februar 1988 i.S. E.
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste

    Art. 110 Ziff. 5 StGB i.V.m. Art. 293 SchKG; Beweiseignung einer
Bilanz.

    Eine im Nachlassverfahren eingereichte Bilanz stellt eine Urkunde
dar, der von Gesetzes wegen Beweiseignung hinsichtlich der dargestellten
Vermögenslage zukommt (E. 2).

    Art. 170 und 251 StGB.

    Zwischen Erschleichung eines gerichtlichen Nachlassvertrages und
Urkundenfälschung besteht echte Konkurrenz (E. 3).

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 110 Ziff. 5
StGB gelten als Urkunden u.a. Schriften, welche bestimmt und geeignet sind,
eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen. Die Beweiseignung
muss sich aus Gesetz oder Verkehrsübung ergeben (BGE 101 IV 278).

    a) Der Beschwerdeführer rügt, die fraglichen Bilanzen aus den Jahren
1974 und 1975 seien zum Beweis nicht geeignet. Dabei beruft er sich auf BGE
103 IV 25, wonach einer Bilanz, welche von der Kontrollstelle nicht geprüft
oder gutgeheissen und von der Generalversammlung nicht abgenommen worden
sei, weder von Gesetzes wegen noch nach der Verkehrsübung Beweiseignung
zukomme.

    Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers kann aus dem
zitierten Bundesgerichtsentscheid nicht geschlossen werden, einer
von der Kontrollstelle nicht geprüften oder gutgeheissenen und von
der Generalversammlung nicht abgenommenen Bilanz komme auch nach der
Verkehrsübung keine Beweiseignung zu. Das Bundesgericht wies die
Vorinstanz in jenem Fall an, diese Frage zu prüfen, was in concreto
zur Bejahung der Beweiseignung führte (unveröffentlichter Entscheid
des Kassationshofes vom 23. Februar 1978, zitiert bei NIKLAUS SCHMID,
ZStR 95/1978, S. 319). Dieser Punkt kann vorliegendenfalls offenbleiben,
wie sich aus b) hienach ergibt.

    b) Gemäss Art. 293 SchKG hat der Schuldner dem Nachlassvertragsbegehren
nebst einem Verzeichnis seiner Geschäftsbücher eine Bilanz beizulegen, aus
welcher seine Vermögenslage ersichtlich ist. Nach Anhörung des Schuldners
entscheidet die Nachlassbehörde über das Gesuch (Art. 294 SchKG). Da
die Überprüfung des Stundungsbegehrens "meistens eher oberflächlich"
ausfällt (ERNST GANAHL, Entscheidungskriterien für die Wahl und die
Bestätigung eines Nachlassvertrages gemäss SchKG, Diss. Zürich 1978,
S. 45), muss sich die Nachlassbehörde zur Beurteilung der Vermögenslage des
Schuldners zwangsläufig auf die von ihm eingereichte Bilanz stützen. Aus
dieser praktischen Bedeutung und aus dem Umstand, dass nur dem ehrlichen
Schuldner die Rechtswohltat des Nachlassvertrages zukommen soll, ergibt
sich die Beweiseignung einer im Nachlassvertragsverfahren eingereichten
Bilanz für die Darstellung der tatsächlichen Vermögenslage. Somit ist
die Beweiseignung der vom Beschwerdeführer eingereichten Bilanzen für
die Jahre 1974 und 1975 zu bejahen.

Erwägung 3

    3.- a) Der Beschwerdeführer geht auch fehl in der Annahme, anstelle der
Urkundenfälschung hätte sein Verhalten ausschliesslich als Erschleichung
eines gerichtlichen Nachlassvertrages im Sinne von Art. 170 StGB geahndet
werden dürfen, da zwischen den beiden Tatbeständen, analog jenen des
Finanzstrafrechts und Art. 251 StGB (BGE 108 IV 29 f.), unechte Konkurrenz
in Form der Spezialität bestehe.

    b) Während der Unrechtsgehalt bei der Erschleichung eines gerichtlichen
Nachlassvertrages in erster Linie in der Irreführung der Rechtspflege
(84 IV 161) besteht, soll durch den Tatbestand der Urkundenfälschung die
Sicherheit des Rechtsverkehrs geschützt werden.

    Durch die Anwendung bloss einer dieser Strafnormen wäre das
deliktische Verhalten des Beschwerdeführers nicht vollständig erfasst
und abgegolten. Deshalb ist zwischen den Art. 170 und 251 StGB echte
Konkurrenz (Realkonkurrenz) anzunehmen (vgl. auch FRIEDRICH HASLER,
Die Erschleichung eines Nachlassvertrages, Diss. Zürich 1948, S. 76 f.).