Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 IV 20



114 IV 20

7. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 26. April
1988 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau
(Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 179bis, 179ter und 179quinquies StGB; Aufnehmen und Verwerten
von Telefongesprächen.

    1. Die PTT-Betriebe erteilen die für eine Zusatzeinrichtung
zur Aufzeichnung von Telefongesprächen erforderliche Bewilligung
ausschliesslich nach technischen Kriterien und in Anwendung von Art. 20
Abs. 2 TVG, wonach der Teilnehmer ohne Zustimmung der PTT-Betriebe keine
anderen Leitungen oder Apparate mit denen der PTT-Betriebe verbinden
darf. Die entsprechende Meldepflicht besteht nur für den Inhaber einer
Telefoninstallationskonzession. Folglich ist weder für den Betrieb
einer Zusatzeinrichtung zur Aufzeichnung von Telefongesprächen eine
auf einen bestimmten Anschluss und dessen Inhaber lautende Bewilligung
erforderlich, noch ist zur Aufzeichnung von Gesprächen nur der betreffende
Telefonabonnent berechtigt (E. 1a).

    2. Die Strafbefreiung gemäss Art. 179quinquies StGB erstreckt sich
auch auf die in Art. 179bis Abs. 2 und 3 sowie Art. 179ter Abs. 2 StGB
aufgeführten Nachfolgehandlungen (E. 1b).

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Das Obergericht hat die vorgelegte Tonbandaufzeichnung des
zwischen dem Beschwerdeführer und Frau Y. geführten Telefongesprächs
als zulässiges Beweismittel betrachtet. Der Beschwerdeführer rügt, das
Gericht habe dadurch Art. 179quinquies StGB falsch ausgelegt. Gemäss
dieser Bestimmung macht sich weder nach Art. 179bis Abs. 1 noch
nach Art. 179ter Abs. 1 strafbar, wer ein Gespräch, das über eine dem
Telefonregal unterstehende Telefonanlage geführt wird, mittels einer von
den PTT-Betrieben bewilligten Sprechstelle oder Zusatzeinrichtung mithört
oder auf einen Tonträger aufnimmt.

    a) Die PTT-Betriebe erteilen die für eine Zusatzeinrichtung zur
Aufzeichnung von Telefongesprächen erforderliche Bewilligung weder gestützt
auf Art. 179quinquies StGB noch bei der Meldung des Anschlusses und der
Aufnahme des Pick-up-Zeichens in das Telefonverzeichnis (Art. 61 TVV 3),
sondern in Anwendung von Art. 20 Abs. 2 TVG, wonach der Teilnehmer ohne
Zustimmung der PTT-Betriebe keine andern Leitungen oder Apparate mit
denen der PTT-Betriebe verbinden darf (s. Botschaft des Bundesrates an
die Bundesversammlung über die Verstärkung des strafrechtlichen Schutzes
des persönlichen Geheimbereichs, BBl 1968 I 595). Bewilligungen für den
Anschluss von Tonaufnahmegeräten an das Telefonnetz waren denn auch
schon vor der Aufnahme der Art. 179bis ff. in das Strafgesetzbuch
erforderlich. Die PTT-Betriebe erteilen sie ausschliesslich nach
technischen Kriterien (Netzverträglichkeit, Störmöglichkeit usw.). Die
von Art. 20 Abs. 2 TVG verlangte Zustimmung wird deshalb nicht in Form
einer Einzelbewilligung an einen bestimmten Telefonabonnenten gegeben,
sondern erfolgt in allgemeiner Weise durch blosse Typengenehmigung. Wer
ein Tonaufnahmegerät für Telefongespräche gebrauchen will, hat also nichts
anderes vorzukehren, als im Fachhandel ein Gerät eines bewilligten Typs zu
erwerben und es anzuschliessen. Zur Information der Telefonbenützer tragen
die PTT-Betriebe hinter der Aufrufnummer des entsprechenden Abonnenten das
Pick-up-Zeichen ein. Eine Meldepflicht über den vorgenommenen Anschluss
einer Zusatzeinrichtung besteht indessen nur für den Inhaber einer
Telefoninstallationskonzession, nicht aber für den Telefonabonnenten
(Art. 136 lit. a TVV 1). Der im Telefonbuch S. 15 enthaltene Vermerk,
die Bewilligung für die Aufnahme von Telefongesprächen gelte als erteilt,
wenn der Abonnent im Telefonbucheintrag das Pick-up-Zeichen habe aufnehmen
lassen, widerspricht demnach der Rechtslage.

    Folglich ist weder für den Betrieb einer Zusatzeinrichtung zur
Aufzeichnung von Telefongesprächen eine auf einen bestimmten Anschluss
und dessen Inhaber lautende Bewilligung erforderlich, wie das BGE
100 IV 50 E. 1 vermuten lassen könnte, noch ist zur Aufzeichnung
von Gesprächen nur der betreffende Telefonabonnent berechtigt,
wie der Beschwerdeführer meint. Nach den verbindlichen tatsächlichen
Feststellungen des Obergerichts ist bei der Nummer ... das Pick-up-Zeichen
im Telefonverzeichnis aufgeführt, und ein solcher Eintrag erfolgt nur,
falls ein von den PTT-Betrieben typengenehmigtes Zusatzgerät angeschlossen
worden ist. Das Gericht verletzte daher Bundesrecht nicht, als es annahm,
Frau Y., die zumindest teilweise für die als Abonnentin eingetragene Z. AG
arbeitete und in deren Privatwohnung sich der Anschluss befand, was der
Beschwerdeführer wusste, sei zur Aufnahme von Telefongesprächen auf Tonband
befugt gewesen. Dass der Anrufende um Vorhandensein und Verwendung einer
solchen Zusatzeinrichtung wissen müsste, wie der Beschwerdeführer annimmt,
lässt sich Art. 179quinquies StGB im übrigen nicht entnehmen. Bereits
die Botschaft des Bundesrates hielt fest, dass jedermann, der zum Telefon
greife, die Möglichkeit einer Gefährdung des persönlichen Geheimbereichs
durch bestimmte Gesprächsaufnahme- und -wiedergabegeräte kenne und sich
darauf einstelle, d.h. sich gleich verhalte wie bei einem Gespräch in
Hörweite von Drittpersonen; deshalb bestehe in Fällen der vorliegenden
Art auch kein Bedürfnis nach Strafbarerklärung im Sinne der Art. 179bis
und 179ter StGB und werde die Strafbefreiung im Art. 179quinquies StGB
ausdrücklich vorgesehen; es wäre, so wird besonders erwähnt, auch
ausserordentlich schwierig, wenn nicht gar unmöglich, die unbedingt
erforderliche und zudem sichere Abgrenzung zwischen der erlaubten und der
strafbaren Benützung einer Zusatzeinrichtung zu finden (BBl 1968 I S. 596).

    b) Die Strafbefreiung gemäss Art. 179quinquies StGB erstreckt sich,
wie bereits die bundesrätliche Botschaft hervorhebt, nicht nur auf das
Mithören eines Gesprächs oder die Aufnahme auf einen Tonträger, sondern
"natürlich auch auf die in Art. 179bis Abs. 2 und 3 sowie Art. 179ter
Abs. 2 aufgeführten Nachfolgehandlungen"; denn deren Strafbarkeit ist nur
gegeben, wenn ihnen eine nach Art. 179bis Abs. 1 oder Art. 179ter Abs. 1
StGB strafbare Handlung vorangegangen ist (BBl 1968 I S. 596). Das blieb in
den parlamentarischen Beratungen unbestritten, wurde doch Art. 179quinquies
StGB in National- und Ständerat diskussionslos angenommen (Sten.Bull. NR
1968 S. 344; Sten.Bull. SR 1968 S. 190). Diese Auffassung entspricht
denn auch der überwiegenden Lehrmeinung (STRATENWERTH, BT I S. 161 N 65
mit Hinweisen).

    Die Erwägung des Obergerichts, auch die Auswertung und Bekanntgabe
der Tonbandaufzeichnung an Dritte durch Frau Y. bleibe gestützt
auf Art. 179quinquies StGB straflos, verletzt Bundesrecht demnach
ebenfalls nicht. Hängt die Zulässigkeit der Verwendung einer derartigen
Aufzeichnung von Gesetzes wegen einzig davon ab, ob sie mittels einer
von den PTT-Betrieben bewilligten Zusatzeinrichtung vorgenommen worden
und daher straflos ist, so kommt es auf die besonderen Umstände, unter
denen Frau Y. die Tonbandaufzeichnung als Beweismittel vorlegte, nicht an;
dessen Verwendung im Strafprozess setzt ebensowenig eine Interessenabwägung
voraus, wie sie in BGE 109 Ia 244 Nr. 45 (= Pra 72 Nr. 275) vorgenommen
worden ist.