Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 IV 181



114 IV 181

50. Urteil der Anklagekammer vom 25. August 1988 i.S. Staatsanwaltschaft
des Kantons Luzern gegen Bezirksgericht Zürich Regeste

    Art. 347 und 349 StGB.

    1. Bei Antragsdelikten, die durch das Mittel der Druckerpresse begangen
wurden, hat der Antragsteller die Wahl zwischen den beiden in Art. 347
Abs. 1 StGB genannten Gerichtsständen.

    2. a) Werden wegen mehrerer, sachlich eng zusammenhängender und in
derselben Zeitung erschienener Artikel Ehrverletzungsklagen erhoben,
so drängt sich - auch wenn die Autoren nicht denselben Wohnsitz haben
- ein einheitlicher Gerichtsstand auf, dessen Bestimmung aufgrund der
konkreten Umstände (s. E. 3b) vorzunehmen ist.

    b) Im Interesse der Verletzten sind die Verfahren jedoch jedenfalls
dann getrennt durchzuführen, wenn die Betroffenen an verschiedenen Orten
klagen (E. 3c).

Sachverhalt

    A.- Im Sonntags-Blick erschienen zwischen September und dem
2. November 1986 mehrere Artikel über eine angebliche "Innerschweizer
Finanzmafia". Darin wurden unter anderen X. und Y. namentlich genannt.

    Beide Betroffenen reichten am 30. Dezember 1986 gegen die Autoren
A., B. und C. beim Amtsstatthalteramt Luzern-Stadt Strafklage wegen
Ehrverletzung im Sinne von Art. 173 ff. StGB ein. Das von Y. angestrengte
Verfahren wurde vom Bezirksgericht Zürich übernommen, da dieser
Anzeigeerstatter auch in Zürich geklagt hatte.

    Im Blick vom 28. Februar 1988 wurde erneut über die "Innerschweizer
Finanzaffäre" unter dem Titel "Schlüsselfiguren sitzen im Knast" berichtet.
Nach Angaben der Zeitung habe es sich bei den Verhafteten um Y. und X.
gehandelt.

    Erneut erhoben die Genannten Strafklage gegen die Verfasser des
Artikels B. und C. Y. klagte am 20. April 1988 beim Bezirksgericht
Zürich wegen Ehrverletzung und Kreditschädigung; X. reichte seine Klage
wegen derselben Delikte am 16. Mai 1988 sowohl beim Amtsstatthalteramt
Luzern-Stadt als auch beim Bezirksgericht Zürich ein.

    Mit Gesuch vom 28. Juli 1988 beantragt die Staatsanwaltschaft des
Kantons Luzern, die Behörden des Kantons Zürich seien für die Übernahme
und Erledigung dieser sämtlichen Ehrverletzungsklagen als zuständig zu
erklären. Die Anklagekammer weist das Gesuch ab aus folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Das Bezirksgericht Zürich hat die Klagen des Y. bereits übernommen,
weshalb das Gesuch der Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern insoweit
gegenstandslos ist.

Erwägung 2

    2.- Bei strafbaren Handlungen, die im Inland durch das Mittel der
Druckerpresse begangen werden, sind, soweit für sie die Verantwortlichkeit
besonders geregelt ist, ausschliesslich die Behörden des Ortes zuständig,
wo die Druckschrift herausgegeben wurde. Ist jedoch der Verfasser der
Druckschrift bekannt und hat er seinen Wohnsitz in der Schweiz, so sind
die Behörden des Wohnortes gleichfalls zuständig. In diesem Fall wird
das Verfahren da durchgeführt, wo die Untersuchung zuerst angehoben wurde
(Art. 347 Abs. 1 StGB).

    Bei Antragsdelikten hat der Antragsteller die Wahl zwischen den
beiden Gerichtsständen (SCHWERI, Interkantonale Gerichtsstandsbestimmung
in Strafsachen, Bern 1987, N. 163).

Erwägung 3

    3.- a) X. erhob seine erste Strafklage wegen des Artikels vom
2. November 1986, der von A., B. und C. unterzeichnet war. Er reichte sie
bewusst nur in Luzern ein, weil ihm bekannt war, dass A. dort wohnte. Mit
dieser Ausübung des Wahlrechts (s. oben E. 2) war die Untersuchung
angehoben, und der dadurch begründete Gerichtsstand galt gemäss Art. 349
Abs. 2 StGB auch für B. und C. als allfällige Mittäter. In der Folge wurde
das sachlich und örtlich zuständige Amtsstatthalteramt Luzern-Stadt in
dieser Angelegenheit denn auch tätig.

    b) Gegenstand der zweiten, von X. eingereichten Strafklage bildete der
Artikel im Blick vom 28. Februar 1988, der von den in Zürich wohnhaften
B. und C. unterzeichnet war. In seiner Klageschrift vom 16. Mai 1988,
die an das Amtsstatthalteramt Luzern- Stadt und an das Bezirksgericht
Zürich gerichtet war, erklärte der Anzeigeerstatter ausdrücklich, nach
seiner Auffassung sei Luzern auch für diese Untersuchung zuständig und
nur vorsorglich werde die Strafklage ebenfalls in Zürich eingereicht.

    Die beiden Ehrverletzungsklagen hängen sachlich eng zusammen, ging
es doch in den verschiedenen Zeitungsartikeln um die gleichen Vorwürfe;
wie die Gesuchstellerin mit Recht dartut, drängt sich eine gemeinsame
Beurteilung daher auf. Dabei bietet sich neben dem Gerichtsstand der
Teilnehmer (Art. 349 Abs. 2 StGB; BGE 109 IV 57 E. 1) jener des Wohnsitzes
der von der zweiten Klage erfassten Angeschuldigten an (Art. 347 Abs. 1
StGB), für den zusätzlich spricht, dass die zweite Klage die mit der
schwersten Strafe bedrohte Tat - planmässiges Vorgehen im Sinne von
Art. 174 Ziff. 2 StGB - zum Gegenstand hat (Art. 350 Ziff. 1 Abs. 1
StGB). Als entscheidend fällt indessen ins Gewicht, dass X. seine erste
Klage im Jahre 1986 nur in Luzern (Wohnort von A.) eingereicht und
damit den Gerichtsstand Luzern auch für die in Zürich wohnhaften B. und
C. begründet hat und dass das Bezirksgericht diese Strafklage gar nicht
hätte übernehmen können, weil die prozessualen Voraussetzungen nicht
erfüllt waren (vgl. BGE 89 IV 176). Dieser Umstand rechtfertigt, das
mit der zweiten Strafklage eingeleitete Verfahren ebenfalls in Luzern
durchzuführen.

    c) Was im Gesuch der Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern
vorgetragen wird, dringt nicht durch. Unerheblich ist insbesondere,
dass das Bezirksgericht Zürich die Strafklagen des Y. vom 30. Dezember
1986 und vom 20. April 1988 übernommen hat bzw. dass die Strafklage des
Y. vom 20. April 1988 vor derjenigen des X. vom 16. Mai 1988 datiert;
im vorliegenden Verfahren geht es nur um die Anzeigen von X. Es ist
in diesem Zusammenhang anzumerken, dass die Verfahren im Interesse
der Verletzten jedenfalls dann getrennt durchzuführen sind, wenn die
Betroffenen an verschiedenen Orten klagen (vgl. dazu auch SCHWERI, aaO
N. 498); im Gegensatz zur im Gesuch geäusserten Ansicht ist eben nicht
entscheidend, "dass die Angeschuldigten identisch sind", sondern dass
die Anzeigeerstatter nicht identisch sind. Aus dem Gesagten ergibt sich
schliesslich, dass nicht darauf abgestellt werden kann, in welchem Umfang
die Untersuchungen in Sachen des Anzeigeerstatters Y. in Zürich bereits
durchgeführt worden sind.