Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 IV 162



114 IV 162

45. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 7. Juli
1988 i.S. S. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn
(Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 19 Ziff. 1 Abs. 3 BetmG ("befördern").

    Wer eine Autofahrt unternimmt, bei der Mitfahrer für ihn ersichtlich
und auch in seinem eigenen Interesse das ausschliessliche Ziel haben,
Betäubungsmittel zu erwerben und zu sich nach Hause zu bringen, macht
sich der Beförderung der eingekauften Drogen schuldig, auch wenn die
Mitfahrer die Betäubungsmittel auf sich tragen.

Sachverhalt

    A.- S. beteiligte sich 1984 am Handel mit etwa 300 g Kokain, indem
er bei drei Fahrten ins Tessin und nach Italien seinen Personenwagen und
sich selber als Chauffeur zur Verfügung stellte. Während der Verhandlungen
wartete er in einem Restaurant. Anschliessend fuhr er mit den Beteiligten,
die die Drogen auf sich trugen, in die Schweiz zurück. Als Gegenleistung
erhielt er etwas Kokain. Das Obergericht des Kantons Solothurn sprach S. am
26. August 1987 u.a. des Beförderns von Betäubungsmitteln schuldig. Die
dagegen eingereichte Nichtigkeitsbeschwerde weist das Bundesgericht ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Vorinstanz stellte fest, die Handlung des Beschwerdeführers
habe den objektiven Tatbestand des unbefugten Beförderns von
Betäubungsmitteln erfüllt und stelle nicht irgendeinen untergeordneten,
vom Gesetz nicht als selbständiges Delikt erfassten Beitrag zur Tat eines
Dritten dar.

    Dieser Auffassung widerspricht der Beschwerdeführer mit dem
Hauptargument, das Transportieren von Personen, die Drogen auf sich tragen,
erfülle den Straftatbestand der Drogenbeförderung nicht, sondern stelle
nur Gehilfenschaft dar.

    a) Dem kann nicht zugestimmt werden. Wer eine Autofahrt unternimmt,
bei der Mitfahrer für ihn ersichtlich und auch in seinem eigenen Interesse
das ausschliessliche Ziel haben, Betäubungsmittel zu erwerben und zu
sich nach Hause zu bringen, macht sich der Beförderung der eingekauften
Drogen i.S. von Art. 19 Ziff. 1 Abs. 3 BetmG schuldig. Sein Verhalten ist
dann, wenn die Mitfahrer die Betäubungsmittel bei der Rückreise auf sich
tragen, nicht anders zu beurteilen, als wenn er allein mit dem Auto, in
welchem die eingekauften Drogen versteckt worden sind, heimfährt. Diese
Betrachtungsweise entspricht auch der Absicht des Gesetzgebers, der
möglichst alle im Zusammenhang mit dem Handel von Betäubungsmitteln
stehenden Handlungen bestraft wissen wollte.

    Gehilfenschaft liegt demgegenüber nicht vor. Das Befördern stellt
einen selbständigen Tatbestand dar. Ausschliesslich der Beschwerdeführer
lenkte den Wagen und beförderte somit die bei den Mitfahrern befindlichen
Betäubungsmittel in eigener Person auf der ganzen Strecke.

    b) Was in der Beschwerde vorgebracht wird, dringt nicht durch. Auch bei
der im vorliegenden Urteil vertretenen Auffassung bleibt Gehilfenschaft
zu Betäubungsmittelvergehen möglich (vgl. z.B. BGE 113 IV 90 f., wonach
blosse Pannenhilfe Gehilfenschaft zur Beförderung von Betäubungsmitteln
darstellt). Dass es zur Erfüllung des Tatbestandes von Art. 19 Ziff. 1
Abs. 3 BetmG "einer Herrschaft über die Sache oder Gewahrsam an ihr"
bedürfe, lässt sich dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen. Das Besitzen
von Betäubungsmitteln ist nebst dem Befördern derselben selbständig unter
Strafe gestellt; wäre die Auffassung des Beschwerdeführers richtig, käme
dem Tatbestand des Beförderns keine Bedeutung mehr zu; folglich kann nicht
nur "derjenige eine Ware befördern, der sie auch besitzt" (a. A. ALFRED
SCHÜTZ, Die Strafbestimmungen des Bundesgesetzes über die Betäubungsmittel
vom 3. Oktober 1951 in der Fassung vom 20. März 1975, Diss. ZH 1980,
S. 111). Beim Wortlaut des Gesetzes kann von einer extensiven Auslegung
nicht die Rede sein. Unerfindlich ist, wieso es bei der vorliegenden
Lösung zu einer "erheblichen Rechtsunsicherheit" kommen sollte.

    Der Vermieter, der von seinem Mieter weiss, dass dieser in der Wohnung
Drogen aufbewahrt, macht sich nicht strafbar, denn er hat keinen Gewahrsam
an den Drogen, d.h. er besitzt sie nicht (vgl. ALFRED SCHUTZ, aaO, S. 123),
und eine andere Tatbestandsvariante kommt nicht in Frage. Wie es sich bei
einem Automobilisten verhält, der einen Autostopper mitnimmt, von dem er
weiss, dass dieser Drogen bei sich hat, kann heute offenbleiben, denn
im vorliegenden Fall wurde die Autofahrt ausschliesslich zum Zweck der
Drogenbeschaffung unternommen, und der Beschwerdeführer lenkte den Wagen
vom Ausgangsort zum Handelsplatz und wieder an den Ausgangsort zurück.

    Auch aus der Systematik des Art. 19 Ziff. 1 BetmG ergibt sich
nichts anderes. Diese folgt im wesentlichen dem zeitlichen Ablauf von
Drogenherstellung und Drogenumschlag. Deshalb ist es folgerichtig, dass
die Beförderung vor der Verteilung und dem Besitz aufgeführt ist. Daraus
ergibt sich aber nicht, dass der Besitz notwendige Voraussetzung der
Beförderung wäre. In dieser Betrachtungsweise ist ein "logischer Fehler"
nicht zu erkennen.