Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 IV 159



114 IV 159

44. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 23. Dezember 1988 i.S. H.
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste

    Art. 16 Abs. 4, Art. 97 Ziff. 1 Abs. 2 SVG. Nichtabgabe des wegen
Nichtbezahlens von Verkehrsgebühren entzogenen Fahrzeugausweises.

    Der Entzug des Fahrzeugausweises wegen Nichtbezahlens von
Verkehrsgebühren ist nur so lange möglich, als der Gebührenschuldner
Halter des Fahrzeuges ist, für welches die Verkehrsgebühren ausstehend
sind. Ist er nicht mehr Halter dieses Fahrzeuges, kann ihm nicht der
Ausweis betreffend ein anderes Fahrzeug, für das er keine Verkehrsgebühren
schuldet, entzogen werden. Der Entzug des ein anderes Fahrzeug betreffenden
Ausweises stellt eine offensichtliche Gesetzesverletzung dar, und die
Nichtabgabe dieses Fahrzeugausweises ist daher nicht strafbar.

Sachverhalt

    A.- Das Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich verfügte am
10. September 1986 gestützt auf Art. 16 Abs. 4 SVG und unter Hinweis auf
die Entzugsandrohung vom 22. August 1986 den Entzug des Fahrzeugausweises
betreffend einen BMW 318i und der dazugehörigen Kontrollschilder, da
der Fahrzeughalter H. Verkehrsgebühren im Gesamtbetrag von Fr. 243.90
(inklusive Gebühr von Fr. 40.-- für die Entzugsverfügung) nicht
bezahlt hatte. Es forderte H. auf, innert fünf Tagen, vom Empfang der
Verfügung an gerechnet, die Kontrollschilder und den Fahrzeugausweis
dem Strassenverkehrsamt abzugeben oder den gesamten Ausstand zu
begleichen. H. liess die fünftägige Frist unbenützt verstreichen. Er
zahlte den Betrag von Fr. 243.90 erst am 7. Oktober 1986 ein. Dieser
Betrag setzt sich aus verschiedenen Gebühren - unter anderem vier
Vorführungsverschiebungsgebühren von je Fr. 36.-- - zusammen, die alle
nicht den in der Entzugsverfügung genannten BMW 318i, sondern einen BMW 316
betrafen. H. hatte den BMW 316, dessen Halter er bis Januar 1986 gewesen
war, der Firma X. verkauft, bei welcher er in der Folge mit Vertrag vom
25. April 1986 den BMW 318i erwarb.

    Die I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich büsste H. am 26.
Oktober 1987 in Bestätigung des Urteils des Einzelrichters in Strafsachen
des Bezirksgerichts Zürich vom 21. Mai 1987 wegen Missbrauchs von Ausweisen
und Schildern im Sinne von Art. 97 Ziff. 1 Abs. 2 SVG mit Fr. 200.--. Der
Kassationshof heisst die vom Gebüssten dagegen erhobene eidgenössische
Nichtigkeitsbeschwerde gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- b) Die Entzugsverfügung des Strassenverkehrsamtes des Kantons
Zürich vom 10. September 1986 beruht entgegen der Auffassung der
Vorinstanz auf einer offensichtlichen Verletzung von Art. 16 Abs. 4
SVG. Die Ausführungen im angefochtenen Entscheid vermögen nicht zu
überzeugen. Wohl ist in Art. 16 Abs. 4 SVG schlicht von "Verkehrsgebühren"
die Rede, worunter an sich auch Gebühren verstanden werden können, die
nicht für dasjenige Fahrzeug geschuldet werden, welches im Fahrzeugausweis,
der Gegenstand der Entzugsverfügung bildet, genannt wird. Zwischen dem
Entzug des Fahrzeugausweises und den ausstehenden Gebühren muss indessen
ein sachlicher Zusammenhang in dem Sinne bestehen, als Ausweisentzug
und Gebührenschuld dasselbe Fahrzeug betreffen. Darauf deutet schon
der Wortlaut von Art. 11 Abs. 2 SVG hin, wonach der Fahrzeugausweis
verweigert werden kann, wenn der Halter die Verkehrssteuern oder -gebühren
"für das Fahrzeug" nicht entrichtet. Nach Sinn und Zweck von Art. 16
Abs. 4 SVG sollen der Fahrzeugausweis und die Kontrollschilder desjenigen
Wagens entzogen werden, für welchen die Verkehrsgebühren ausstehend sind;
dieses Fahrzeug soll dadurch aus dem Verkehr gezogen werden, solange die
ausstehenden Gebühren nicht bezahlt sind. Daran vermag nichts zu ändern,
dass bei einem Halterwechsel dem neuen Halter der Fahrzeugausweis nicht
wegen noch ausstehender Gebühren, die der bisherige Halter schuldet,
verweigert werden darf. Dies bedeutet nur, dass zusätzlich zum genannten
sachlichen Zusammenhang zwischen dem Fahrzeugausweisentzug und der
Gebührenschuld auch ein persönlicher Zusammenhang in dem Sinne vorliegen
muss, als der Ausweisentzug nur möglich ist, solange der Gebührenschuldner
Halter des Fahrzeuges ist, für welches die Gebühren noch ausstehend
sind. Der Umstand, dass bei einem Halterwechsel dem neuen Halter der
Fahrzeugausweis nicht wegen der Gebührenschulden des bisherigen Halters
verweigert werden darf, kann nicht zur Folge haben, dass dem bisherigen
Halter, der die Gebühren trotz des Halterwechsels nach wie vor schuldet,
im Falle der Nichtbezahlung dieser Gebühren kurzerhand der Fahrzeugausweis
betreffend ein anderes Fahrzeug, welches er - früher oder später - an
Stelle des verkauften Wagens erworben oder schon neben diesem gehalten hat,
entzogen werden dürfe. Es ist entgegen einer Andeutung im angefochtenen
Entscheid auch unerheblich, dass der in der Entzugsverfügung genannte
BMW 318i dieselbe Kontrollschildnummer hat wie der BMW 316, für welchen
der Beschwerdeführer noch Verkehrsgebühren schuldete. Der Entzug der
Kontrollschilder ist lediglich die zwangsläufige Folge des Entzugs des
Fahrzeugausweises (Art. 106 Abs. 3 VZV). Der Fahrzeugausweis betreffend
den BMW 318i konnte dem Beschwerdeführer nach dem Gesagten aber nicht
entzogen werden, da für diesen Wagen keine Gebühren ausstehend waren.