Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 IV 126



114 IV 126

36. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 12. September
1988 i.S. M. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich
(Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 251 Ziff. 3 StGB. Besonders leichter Fall der Urkundenfälschung.

    Besonders leichter Fall bei einer Bilanzfälschung verneint. Massgebende
Kriterien.

Sachverhalt

    A.- M. legte in seiner Eigenschaft als Verwaltungsratspräsident und
Geschäftsführer der V. AG am 17. September 1984 der Schweizerischen
Kreditanstalt (SKA), die der V. AG Kredite gewährt hatte, auf deren
wiederholte Aufforderungen hin eine Schlussbilanz des Unternehmens
per Ende 1983 vor, die er insoweit gefälscht hatte, als er darin eine
Darlehensschuld der V. AG von Fr. 100'885.35 gegenüber der Schweizerischen
Volksbank (SVB) nicht aufführte. Am 2. November 1984 legte er der SVB,
die der V. AG ebenfalls Kredite gewährt hatte, auf deren wiederholte
Aufforderungen hin eine Schlussbilanz des Unternehmens per Ende 1983 vor,
die er insoweit gefälscht hatte, als er darin eine Darlehensschuld der
V. AG gegenüber der SKA, die tatsächlich Fr. 172'701.95 betrug, auf
lediglich Fr. 72'701.95 bezifferte.

Auszug aus den Erwägungen:

                  Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- c) Der Beschwerdeführer macht geltend, es liege ein besonders
leichter Fall der Urkundenfälschung im Sinne von Art. 251 Ziff. 3 StGB
vor, da der von ihm "erhoffte Vorteil nur mit Mühe als unrechtmässig
eingestuft werden kann und die Tat an die Grenze zur schriftlichen Lüge
stösst", die in Art. 251 StGB genannten Voraussetzungen somit "nur ganz
knapp erfüllt" seien.

    Ein besonders leichter Fall im Sinne von Art. 251 Ziff. 3 StGB ist
nach der Rechtsprechung dann gegeben, wenn das inkriminierte Verhalten
in objektiver und in subjektiver Hinsicht Bagatellcharakter aufweist
(BGE 103 IV 40 E. 5, 96 IV 168 E. 5, 71 IV 216). Da lediglich besonders
leichte Fälle (cas de très peu de gravité) privilegiert sind, ist ein
strenger Massstab anzulegen. Bei der Auslegung dieses unbestimmten
Rechtsbegriffs steht dem kantonalen Richter ein dem Ermessen
ähnlicher Beurteilungsspielraum zu, in den der Kassationshof nicht
eingreift. Bei der Entscheidung der Frage, ob ein besonders leichter
Fall der Urkundenfälschung vorliege, sind insbesondere die Bedeutung des
gefälschten Dokuments im Rechtsverkehr im allgemeinen und im konkreten
Fall im besonderen, das Mass der Abweichung der durch die falsche Urkunde
vorgespiegelten von der wahren Sachlage, der Umfang und die Art des
unrechtmässigen Vorteils bzw. der Schädigung, die der Täter anstrebte,
sowie dessen Tatmotive zu berücksichtigen (vgl. auch THORMANN/VON OVERBECK,
N. 34 zu Art. 251 StGB).

    Der Bilanz eines Unternehmens kommt als Ausweis über dessen finanzielle
Lage im Rechtsleben, und gerade auch im Verkehr mit den Banken, erhebliche
Bedeutung zu. Die durch die gefälschten Bilanzen vorgespiegelte Situation
der V. AG unterschied sich bei einer Bilanzsumme von rund Fr. 750'000.--
erheblich von der tatsächlichen Lage dieses Unternehmens, wurden doch
Darlehensschulden in der Höhe von ca. Fr. 100'000.-- verschwiegen. Der
Beschwerdeführer wollte verhindern, dass die Banken in Kenntnis der
wahren finanziellen Situation des Unternehmens zusätzliche Sicherheiten
oder Abschlagszahlungen verlangten oder anderweitige Massnahmen trafen,
in welchen Fällen die V. AG möglicherweise in den Konkurs geraten und
er von den Mitaktionären zur Rechenschaft gezogen worden wäre. Unter
Berücksichtigung dieser objektiven und subjektiven Umstände durfte die
Vorinstanz ohne Verletzung von Bundesrecht das Vorliegen eines besonders
leichten Falles im Sinne von Art. 251 Ziff. 3 StGB verneinen. Dass
die beiden Banken allenfalls auch in Kenntnis der tatsächlichen
Vermögenssituation die Kredite nicht gekündigt hätten, dass sie keine
Strafanzeige erstatteten und dass die SKA der V. AG neben dem bestehenden
Kontokorrent-Kredit von Fr. 150'000.-- am 28. Januar 1985 unter bestimmten
Bedingungen (unter anderem zusätzliche Sicherheiten durch Bürgschaften)
eine Zusatzlimite von Fr. 50'000.-- zur Verfügung stellte, ist entgegen den
Ausführungen in der Nichtigkeitsbeschwerde insoweit schon deshalb nicht von
entscheidender Bedeutung, weil Art. 251 StGB nicht die Schädigung eines
andern, sondern lediglich eine diesbezügliche Absicht oder alternativ
eine Vorteilsabsicht voraussetzt.