Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 IV 112



114 IV 112

33. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 13. Juni 1988
i.S. X. gegen Schweizerische Pay-Sat AG (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 151 und 21 Abs. 1 StGB; Gehilfenschaft zu versuchter Erschleichung
einer Leistung (Abonnementsfernsehen).

    Der Leistungserschleichung macht sich schuldig, wer unbefugt
Abonnementsfernsehen empfängt, indem er ein Decodiergerät verwendet, das
nicht von den Kabelnetzbetreibern zur Verfügung gestellt und angeschlossen
worden ist. Der Ankauf von Geräten, die ausschliesslich dem genannten Zweck
dienen können, stellt nicht bediglich eine straflose Vorbereitungshandlung,
sondern einen strafbaren Versuch der Leistungserschleichung dar. Der
Verkäufer, der um den Verwendungszweck der von ihm vertriebenen Geräte
weiss, macht sich der Gehilfenschaft schuldig.

Sachverhalt

    A.- X. ist seit November 1970 selbständiger Unternehmer in Y.
Er steht der Firma Z., die hauptsächlich Elektronikbauteile vertreibt,
als Verwaltungsratspräsident vor. Seine Klientschaft besteht vorwiegend aus
Amateurelektronikern. Unter den von ihm verkauften Elektronikgegenständen
befanden sich Sperrkreise, die er zum Teil als handelsübliche Bausätze,
zum Teil als fertig zusammengesetzte Sperrkreisfilter veräusserte. Daneben
verkaufte er auch sogenannte Trägerfrequenzsperren (Polytron-Filter),
welche ebenfalls im Handel frei erhältlich sind. Bei beiden Sperrfiltern
handelt es sich um Nachbarkanalsperren, welche zur Unterdrückung eines
Hochfrequenzsignals in Überreichweiten bzw. bei Interferenzstörungen
bei Fernsehen und Computern verwendet werden. In Gebieten, die an das
regionale Kabelnetzfernsehen angeschlossen sind, sind solche Filter heute
überflüssig, da Interferenzstörungen nicht mehr auftreten. Sie werden
aber etwa noch in Amateurfunkgeräten eingesetzt. Anfänglich verkaufte
X. von diesen Filtern pro Jahr zirka zehn Stück.

    Im Herbst 1985 wurde in der Schweiz das Teleclub-Fernsehen
eingeführt. Bei diesem handelt es sich um ein Abonnementsfernsehprogramm,
welches gegen Entrichtung einer Gebühr mit Hilfe eines von den
Kabelnetzbetreibern zur Verfügung gestellten Decoders empfangen werden
kann. Von diesem Zeitpunkt an stieg die Nachfrage nach den obenerwähnten
Sperrkreis- und Trägerfrequenzsperrfiltern im Geschäft des X. sprunghaft
an (2000 bis 2500 Stück pro Halbjahr), denn diese Filter konnten nach
entsprechender Abstimmung zur Entschlüsselung des Störsignals verwendet
werden, welches den Empfang durch nichtautorisierte Teilnehmer verhindern
sollte.

    Auf Anzeige der Schweizerischen Pay-Sat AG sprach der
Amtsgerichtspräsident von Olten-Gösgen X. am 12. August 1986 von
der Anklage wegen Gehilfenschaft zum Erschleichen einer Leistung,
Inverkehrbringens von Ton- und Bildaufnahmegeräten und Widerhandlung
gegen das BG über den unlauteren Wettbewerb frei.

    Auf Appellation der Anzeigerin verurteilte das Obergericht des
Kantons Solothurn X. wegen fortgesetzter Gehilfenschaft zur versuchten
Erschleichung einer Leistung zu einer Busse von Fr. 1'000.-- und bestätigte
im übrigen den Freispruch.

    Gegen dieses Urteil reicht X, eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde
ein mit den Anträgen, das Urteil sei aufzugeben und er sei freizusprechen.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Gemäss Art. 151 StGB ist strafbar, wer eine Leistung, die, wie
er weiss, nur gegen Entgelt erbracht wird, ohne zu zahlen erschleicht.
Nach Ansicht der Vorinstanz erfüllt diesen Tatbestand, wer unbefugt das
Teleclub-Programm empfängt, indem er ein Decodiergerät verwendet, das nicht
von den Kabelnetzbetreibern zur Verfügung gestellt und angeschlossen worden
ist. Zum Empfang des Teleclub-Programms sei nur derjenige berechtigt,
der die Abonnementsgebühr bezahlt habe. Die Kunden des Beschwerdeführers,
die von ihm die inkriminierten Geräte erworben hätten, seien zwar nicht
ermittelt worden. Entscheidend sei deshalb, ob bereits im Ankauf der
Versuch einer Leistungserschleichung liege. Dies treffe im Falle der
Bausätze nicht zu, da diese nicht nur zur Herstellung von Sperrfiltern
verwendet werden könnten. Die Frage müsse demgegenüber bei den aus den
Bausätzen hergestellten gebrauchsfertigen Sperrkreisfiltern bejaht werden,
denn diese könnten nur als Decodiergeräte eingesetzt werden. Wenn aber
im Ankauf dieser Geräte bereits der Versuch der Erschleichung einer
Leistung liege, dann habe sich der Beschwerdeführer der Gehilfenschaft
dazu schuldig gemacht.

    c) aa) Nach Ansicht des Beschwerdeführers bedarf es für eine
Verurteilung wegen Gehilfenschaft des Nachweises, dass mit den von ihm
verkauften Filtern das Teleclub-Programm auch tatsächlich empfangen
worden ist. Diese Auffassung widerspricht der einhelligen Lehre und
Rechtsprechung, wonach es genügt, dass die Haupttat in strafbarer Weise
versucht worden ist.

    bb) Sinngemäss könnte die Rüge auch dahin verstanden werden, dass der
Beschwerdeführer geltend machen will, mit dem Kauf der Sperrkreisfilter
hätten sich die Kunden noch nicht der versuchten Erschleichung einer
Leistung schuldig gemacht, sondern nur eine straflose Vorbereitungshandlung
begangen.

    Gemäss Art. 21 Abs. 1 StGB ist ein Versuch der strafbaren Tat
anzunehmen, wenn der Täter mit der Ausführung des Verbrechens oder
Vergehens begonnen hat. Dazu zählt jede Tätigkeit, die nach dem Plan,
den sich der Täter gemacht hat, auf dem Weg zum Erfolg den letzten
entscheidenden Schritt darstellt, von dem es in der Regel kein Zurück mehr
gibt, es sei denn wegen äusserer Umstände, die eine Weiterverfolgung der
Absicht erschweren oder verunmöglichen (BGE 104 IV 181 mit Hinweis).

    Für den vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die
gebrauchsfertig an Amateurelektroniker verkauften Sperrkreisfilter nur
als Decodiergeräte für den Empfang des Teleclub-Programms eingesetzt
werden konnten. Zutreffend stellte die Vorinstanz unter diesen Umständen
fest, mit dem Kauf eines solchen Gerätes habe der Käufer seinen Willen
"signalisiert", die Geräte als Decoder einsetzen zu wollen. Bei dieser
Sachlage ist die Schlussfolgerung nicht zu beanstanden, wonach der Kauf
die erste zielgerichtete Handlung und den entscheidenden Schritt auf
dem Weg zur Deliktsverwirklichung darstellte, von dem es normalerweise
kein Zurück mehr gibt. Denn im Gegensatz zum Kauf anderer Objekte,
die zur Verübung von Straftaten dienen können (z.B. Gift, Waffen), ist
im vorliegenden Fall entscheidend, dass die Sperrkreisfilter nach den
verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz ausschliesslich als Decoder
eingesetzt werden konnten. Wer aber einen Gegenstand käuflich erwirbt,
der nur für deliktische Zwecke verwendet werden kann, der hat den Schritt
von der straflosen Vorbereitungshandlung zum strafbaren Versuch getan.

    d) Die Vorinstanz verwarf die Auffassung, wonach mit der
Fernsehempfangskonzession gemäss Art. 72 TVG auch die Teleclub-Sendungen
gebührenfrei empfangen werden dürfen; vielmehr sei die Schweizerische
Pay-Sat AG für die Verbreitung ihres Programmes zur Gebührenerhebung
nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet. Der Beschwerdeführer
macht demgegenüber geltend, der Privatempfang von Radio und Fernsehen sei
grundsätzlich frei und jeder Private, der im Besitz einer PTT-Konzession
sei, könne alle Sendungen empfangen, selbst wenn er sich dazu gewisser
Hilfsmittel bedienen müsse; die PTT-Generaldirektion habe denn auch einer
Anzeige in der vorliegenden Angelegenheit keine Folge gegeben. Das zweite
Argument geht von vornherein fehl, da es dabei um eine Anzeige wegen
angeblicher Verletzung von Art. 42 Telegrafen- und Telefonverkehrsgesetz
(TVG; SR 784.10) ging; ob dieses Delikt erfüllt worden ist, muss heute
nicht überprüft werden.

    Die Auffassung des Beschwerdeführers ist insoweit richtig, als
durch die Informationsfreiheit das Recht gewährleistet ist, alle in den
Äther ausgestrahlten und für die Öffentlichkeit bestimmten Nachrichten
und Programme zu empfangen und die dafür notwendigen Einrichtungen zu
betreiben (JÖRG PAUL MÜLLER, Kommentar BV, Informationsfreiheit, Rz. 23
mit Hinweis). Aus dieser Empfangsfreiheit darf jedoch nur hergeleitet
werden, dass der Staat dem Bürger prinzipiell den Empfang gewisser
Sendungen nicht verunmöglichen darf. Zur Frage, ob der Betreiber
eines kommerziellen Fernsehens, jedenfalls dann, wenn er im Besitze
einer gültigen Betriebskonzession ist, den Empfang der Sendung durch
technische Sperren demjenigen, der die Abonnementsgebühr nicht bezahlt,
verunmöglichen darf, lässt sich aus dem genannten Freiheitsrecht
nichts herleiten. Wie die Vorinstanz zutreffend bemerkt, ergibt sich
jedenfalls weder aus der Fernsehempfangskonzession gemäss Art. 72
TVG noch aus der für den Kabelnetzanschluss entrichteten Gebühr ein
Recht darauf, Privatfernsehsendungen ohne Bezahlung einer zusätzlichen
Abonnementsgebühr zu empfangen. Eine andere Norm, die ein solches Recht
statuieren würde, vermag der Beschwerdeführer nicht zu nennen. Aus den
von ihm zitierten Präjudizien (BGE 110 II 61 ff. und 107 II 71) ergibt
sich für die vorliegend interessierende Frage nichts, da dort nur über
die urheberrechtlichen Ansprüche im Zusammenhang mit der Einspeisung von
Sendungen in Kabelfernsehanlagen zu befinden war. Wie es sich mit den von
ihm erwähnten Fällen aus Lausanne und Genf verhält, kann offenbleiben;
aus dem bei den Akten befindlichen Zeitungsartikel ergibt sich, dass
es dabei um Klagen wegen unlauteren Wettbewerbs ging, und die Gerichte
begründeten ihren Entscheid mit dem Argument, der in Frage stehende
Sender besitze nur eine Sendeerlaubnis für das französische Gebiet und
die Wellen dürften somit ausserhalb Frankreichs von jedermann genutzt
werden. Der vorliegende Fall ist demgegenüber sowohl vom Sachverhalt als
auch von den Rechtsfragen her völlig anders gelagert.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.