Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 IV 11



114 IV 11

4. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 27. Juni 1988
i.S. S. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zug (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste

    Art. 164 Ziff. 1 StGB; Art. 91 Abs. 1 SchKG. Pfändungsbetrug:
Verheimlichen von Vermögenswerten, Auskunftspflicht.

    Der Schuldner hat in der Betreibung auf Pfändung auch auf im
Ausland erzielte Einkünfte und dort gelegene Vermögensgegenstände
hinzuweisen (E. 1). Die Auskunftspflicht erstreckt sich jedoch nicht
auf Vermögensverhältnisse eines Dritten, selbst wenn diese die Höhe des
schuldnerischen Vermögens beeinflussen (E. 2).

Sachverhalt

    A.- In verschiedenen Betreibungen gegen S. wurde am 16.  November 1982
sowie am 23. Februar 1983 die Pfändung vollzogen. Zwei Pfändungsurkunden
vom 16. November 1982, die zugleich Verlustscheine bilden, tragen folgenden
Vermerk des Betreibungsbeamten:

    "Der Schuldner, auf die Strafbestimmungen ausdrücklich aufmerksam
   gemacht, erklärt, er besitze keine Barschaft, Bankguthaben,

    Wertschriften etc. Bei
   der V. AG Zug verdient der Betriebene Fr. 5'000.-- pro Monat. Das

    Existenzminimum wird unter Berücksichtigung der Unterhaltsbeiträge an

    Ehefrau und Kinder plus Schulgeld für Sohn und Tochter nicht erreicht.

    Eine Lohnpfändung ist daher nicht zulässig."

    Auf drei Pfändungsurkunden vom 23. Februar 1983, die wiederum
Verlustscheine darstellen, hielt der Betreibungsbeamte fest:

    "Der Schuldner, auf die Strafbestimmungen ausdrücklich aufmerksam
   gemacht, erklärt, er besitze keine Guthaben oder Wertsachen, weder in
   seinem noch im Gewahrsam Dritter. Er beziehe von der A. Inc. USA kein
   Gehalt, sondern ausschliesslich Spesenentschädigung. Das Existenzminimum
   wird unter

    Berücksichtigung von Unterhaltsbeiträgen an Frau und Kinder auf Fr.

    8'315.-- festgesetzt."

    S. wird vorgeworfen, durch diese zumindest unvollständigen Angaben
Vermögen und Einkünfte verheimlicht zu haben. Er sei nämlich Eigentümer
von Aktien der V. AG Zug oder der V. AG St. Niklausen gewesen. Überdies
sei ihm jährlich ein Betrag von US$ 80'000.-- als Einkommen und/oder als
Spesenersatz von der A. Inc. USA zugestanden, worauf er beim Vollzug
der Pfändungen hätte hinweisen müssen (respektive im Hinblick auf die
Höhe des Betrages konkretere Angaben hätte machen müssen).

    B.- Mit Urteil vom 4. Juli 1986 sprach das Strafgericht Zug S. von
der Anklage des Pfändungsbetruges frei.

    Auf Berufung der Staatsanwaltschaft verurteilte das Strafobergericht
Zug S. am 1. Dezember 1987 wegen fortgesetzten Pfändungsbetruges im Sinne
von Art. 164 Ziff. 1 StGB zu zwei Monaten Gefängnis unter Gewährung des
bedingten Strafvollzuges.

    C.- Gegen dieses Urteil erhebt S. eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde
mit dem Antrag, das Urteil des Strafobergerichtes aufzuheben und die
Sache zur Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Der Beschwerdeführer rügt unter Hinweis auf das
Territorialitätsprinzip, Art. 164 StGB sei ausschliesslich auf die
Verheimlichung von Vermögenswerten in der Schweiz anwendbar.

    a) Gemäss Art. 164 Ziff. 1 StGB macht sich der der Betreibung auf
Pfändung unterliegende Schuldner strafbar, der zum Nachteile seiner
Gläubiger sein Vermögen verheimlicht. Es stellt sich die Frage, ob der
Schuldner auch auf Vermögenswerte hinweisen muss, die möglicherweise
oder sogar mit Sicherheit nicht gepfändet werden können, weil sie sich
jedenfalls nach Auffassung des Schuldners im Ausland befinden und deshalb
dem Pfändungsbeschlag in der Schweiz entzogen sind.

    b) Gemäss Art. 91 Abs. 1 SchKG hat der Schuldner, soweit es für eine
genügende Pfändung nötig ist, seine Vermögensgegenstände anzugeben, mit
Einschluss derjenigen, welche sich nicht in seinem Gewahrsam befinden,
sowie seiner Forderungen und Rechte gegenüber Dritten. Das Bundesgericht
hat in BGE 103 IV 233 angenommen, Angriffsobjekt des Paralleltatbestandes
des betrügerischen Konkurses sei das Schuldnervermögen, soweit es nach dem
Betreibungsrecht dem Zugriff der Gläubiger im Konkurs offensteht, nicht
aber Vermögen, das seiner Natur nach oder kraft besonderer Vorschrift
der Zwangsvollstreckung entzogen ist. Im Konkurs der Fondsleitung eines
Anlagefonds sei deshalb Vermögen im Sinne von Art. 163 StGB nur das eigene
Vermögen der Fondsleitung, nicht aber auch das Fondsvermögen.

    Dieser Entscheid lässt sich nicht generell auf die vorliegende
Konstellation übertragen: Unter Vorbehalt der Ausführungen in E. 2 wird
dem Beschwerdeführer im Unterschied zum zitierten Fall nicht vorgeworfen,
dass er Vermögen eines Dritten nicht angegeben hat, sondern eigene
Vermögenswerte, nämlich die ihm gehörenden Aktien der V. AG Zug und der
V. AG St. Niklausen. Fragen kann man sich einzig, ob diese Aktien nicht
Gegenstand des Pfändungsverfahrens sein konnten, weil sie sich zu diesem
Zeitpunkt auf dem Sperrkonto einer Bank im Ausland befunden hätten,
und der Beschwerdeführer deshalb nicht verpflichtet gewesen wäre, sie
anzugeben. Die Frage ist zu verneinen. Der Zweck der Vorschrift spricht
dafür, dass der Schuldner gehalten ist, auch auf im Ausland erzielte
Einkünfte und auf im Ausland gelegene Vermögensgegenstände hinzuweisen
(vgl. JAEGER, Art. 91 N. 7; PIERRE-ROBERT GILLIÉRON, Poursuite pour dette,
faillite et concordat, Lausanne 1985, S. 172 f.). Solches Vermögen ist
zwar dem Zugriff im Rahmen einer schweizerischen Zwangsvollstreckung
entzogen; dennoch kann es für die Berechnung des Existenzminimums gemäss
Art. 93 SchKG und für die Beantwortung der Frage, ob in der Schweiz
gelegene Gegenstände etwa nach Art. 92 Ziff. 1 und 3 SchKG unpfändbar
sind, eine Rolle spielen. Entsprechend wird auch in der Literatur die
Auffassung vertreten, der Schuldner habe dem pfändenden Beamten jede für
eine erfolgreiche Pfändung erforderliche Auskunft zu erteilen (KURT AMONN,
Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 4. Aufl., Bern 1988,
S. 162) und für die Berechnung des Existenzminimums sei unter Einbezug
der unpfändbaren und beschränkt pfändbaren Einkünfte vom Gesamteinkommen
auszugehen (AMONN, aaO, S. 182).

    Zutreffend ist überdies die Auffassung der Vorinstanz, dass es
letztlich Sache des Betreibungsbeamten ist zu entscheiden, ob ein
Vermögenswert gepfändet werden kann. Macht der Schuldner wahrheitsgetreu
Angaben über ihm gehörige Aktien, die sich angeblich im Ausland befinden,
dann hat der Betreibungsbeamte wenigstens die Möglichkeit, diesen Angaben
nachzugehen.

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe offengelassen, ob
die vage umschriebenen weiteren Gesellschaften im Eigentum der V. AG Zug
oder im Eigentum des Beschwerdeführers gestanden seien. Diese Frage sei
aber von entscheidender Bedeutung. Soweit diese Aktien nämlich Eigentum
jener Gesellschaft gewesen seien, habe der Beschwerdeführer den Tatbestand
von Art. 164 Ziff. 1 StGB nicht erfüllen können.

    Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkte als begründet: Zwar
ist es richtig, dass diese Aktien, wenn sie der V. AG Zug gehörten, den
Wert der Aktien dieser Gesellschaft beeinflussten. Allein aus Art. 91
SchKG lässt sich nicht die Verpflichtung des Schuldners herleiten,
auch über die Vermögensverhältnisse eines Dritten Auskunft zu geben und
zwar auch dann nicht, wenn diese Auskunft für die Einschätzung seiner
eigenen Vermögenswerte von Bedeutung sein kann. Insoweit beruft sich der
Beschwerdeführer zu Recht auf BGE 103 IV 233.

    Eine Verurteilung des Beschwerdeführers wäre somit nur möglich, wenn
die Vorinstanz Eigentum des Beschwerdeführers an weiteren verheimlichten
Aktien feststellen könnte. Das Urteil ist deshalb insoweit aufzuheben und
der Fall zur Sachverhaltsergänzung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sollte
sich die Eigentümerstellung des Beschwerdeführers nicht beweisen lassen,
so wäre er insoweit freizusprechen.