Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 IV 100



114 IV 100

30. Urteil des Kassationshofs vom 14. Dezember 1988 i.S. X. gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 117 StGB; fahrlässige Tötung.

    Adäquater Kausalzusammenhang und Sorgfaltspflichtsverletzung bejaht
bei einem Todesfall als Folge von Sexspielen mit aussergewöhnlicher
Strangulationstechnik.

Sachverhalt

    A.- Am frühen Morgen des 19. September 1985 hielten sich Frau X. und
Frau Y. bei dem stark alkoholisierten Z. in dessen Wohnung in Herrliberg
auf, wobei es zu Sexspielen kam. Z. setzte sich nackt auf das Doppelbett
im Schlafzimmer und liess sich von Frau X. die Hände auf dem Rücken
zusammenbinden. Die Handschellen wurden durch einen Stahlstab mit einer
die beiden Unterschenkel umfassenden Lederschlaufe verbunden. Frau X. legte
ein Nylon-Bergseil von 3,45 m Länge und einem Durchmesser von 11 mm um den
Hals des Z. und verschnürte es hinten am Hals mit einem einfachen Knoten.

    Daraufhin legte sich Z. auf den Bauch, während sich die beiden Frauen
auf der linken und rechten Seite des Bettes aufstellten. Sie ergriffen je
ein Seilende und strafften dieses. Ihre Hände befanden sich mindestens
einen halben Meter höher als der Kopf des Z. Das Seil wurde weiter
gestrafft, wodurch der Kopf ca. 50 cm in die Höhe gezogen wurde. Dieses
Anheben des Kopfes und das nachfolgende Absenken wiederholten Frau X. und
Frau Y. im Rhythmus von je ca. 3 Sekunden mindestens dreimal. Plötzlich
fiel der Kopf des Z. nach vorne und dieser gab nach kurzem Röcheln kein
Lebenszeichen mehr von sich.

    Das Vorgehen an diesem Morgen unterschied sich insofern von dem früher
jeweils praktizierten, als Z. erstmals auf dem Bauch lag und somit das
Gewicht seines kräftig gebauten Oberkörpers im vorderen Halsbereich hing,
in welchem sich die Gefässstränge befinden, die bei starker Drosselung
einen Sauerstoffmangel bewirken.

    Nach den Feststellungen der Experten ist Z. infolge der mehrmaligen
Strangulation (Drosselung) im Halsbereich erstickt, wobei der Vorgang durch
einen vorzeitig eingetretenen reflektorischen Herzstillstand beschleunigt
worden sein dürfte. Die Alkoholisierung hat dabei die Reflexbereitschaft
erhöhen und einen vorzeitigen Herzstillstand begünstigen können.

    B.- Die I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich sprach Frau
X. am 18. Mai 1987 der fahrlässigen Tötung i.S. von Art. 117 StGB schuldig
und bestrafte sie deswegen und wegen weiterer Straftaten (u.a. Betrug
und Betrugsversuch in einem Deliktsbetrag von über Fr. 500'000.--) mit
18 Monaten Gefängnis, unter Gewährung des bedingten Strafvollzuges bei
einer Probezeit von drei Jahren.

    C.- Frau X. erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit den
Anträgen, die Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung, die entsprechende
Bestrafung und die Kostenauflage seien aufzuheben und es sei die Sache
zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    Die Staatsanwaltschaft schliesst sich den Ausführungen im angefochtenen
Entscheid an und beantragt die Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde. Das
Obergericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab

Auszug aus den Erwägungen:

                  aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die natürliche Kausalität zwischen den Sexspielen und dem Tod des
Z. wird in der Beschwerde nicht bestritten; dies wäre im vorliegenden
Verfahren auch nicht zulässig, da es um tatsächliche Feststellungen
geht (Art. 277bis Abs. 1 BStP). Die Beschwerdeführerin macht jedoch
geltend, sie habe weder eine Sorgfaltspflicht missachtet noch den
eingetretenen Erfolg und den Kausalverlauf "in groben Zügen" voraussehen
können; zudem sei der adäquate Kausalzusammenhang durch die "erstmalig
angewandte Bauchlage und die massive Irritation der nervösen Strukturen
... unterbrochen" worden.

Erwägung 2

    2.- Es steht fest, dass nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge
und der allgemeinen Lebenserfahrung eine Strangulation zum Tod eines
Menschen führen kann. Die Beschwerdeführerin macht geltend, der adäquate
Kausalzusammenhang sei durch die aussergewöhnliche Art des Vorgehens
(Bauchlage) und durch die als Folge der Nervenreizungen verursachte
Hemmung des Herzschlages unterbrochen worden. Beide Vorbringen gehen an
der Sache vorbei.

    Die Bauchlage gehört zur Darstellung des im vorliegenden Fall zu
beurteilenden Tatvorgehens, und es unterliegt keinem Zweifel, dass die
Drosselung eines Menschen, auch wenn er sich in Bauchlage befindet,
nach der allgemeinen Lebenserfahrung den Tod herbeiführen kann.

    Die Vorinstanz stellte fest, Z. sei "infolge der mehrmaligen
Strangulation im Halsbereich ... erstickt"; selbst wenn "die
Alkoholisierung des Verstorbenen und ein damit möglicher frühzeitiger
reflektorischer Herzstillstand die konkreten Folgen der Strangulation
beschleunigt haben", folgerte sie, sei der Todeseintritt adäquate Folge
der Strangulationspraktiken gewesen. Bei der Annahme eines Erstickungstodes
ist nicht zu sehen, wieso diese Erwägung verfehlt sein sollte.

Erwägung 3

    3.- Die Beschwerdeführerin bestreitet, die sie treffende
Sorgfaltspflicht verletzt zu haben. Folglich ist zu prüfen, ob für
sie die Tatbestandserfüllung aus damaliger Sicht erkennbar gewesen
ist bzw. ob der Tod als Folge der aussergewöhnlichen Sexualpraktiken
voraussehbar war. Fahrlässigkeit bedeutet, dass der Täter in Missachtung
der nach den Umständen und seinen persönlichen Verhältnissen gebotenen
Sorgfalt die Folgen seines Verhaltens nicht bedacht oder darauf nicht
Rücksicht genommen hat, obschon er sie nach objektiven Massstäben hätte
bedenken und berücksichtigen müssen. Nicht erforderlich ist dabei, dass
der Kausalverlauf bis in alle Einzelheiten vorausgesehen worden ist.

    Der Vorinstanz ist beizupflichten, dass es im Hinblick auf eine
mögliche Todesfolge generell unvorsichtig ist, einen Menschen am Hals
zu würgen. Dies war auch der Beschwerdeführerin nach ihrer eigenen
Zugabe klar. Die Gefährdung wird ohne Zweifel noch verstärkt, wenn
zur Strangulation ein Seil verwendet wird. Die geringe Schul- und
Allgemeinbildung hilft der Beschwerdeführerin nicht, denn sie hat
ja zugegebenermassen um die Gefährlichkeit der von ihr praktizierten
Strangulation gewusst. Überdies nahm sie nicht zum ersten Mal an Sexspielen
der in Frage stehenden Art teil. Wenn sie mit ihrer einschlägigen Erfahrung
aber bei einer auch für sie ungewöhnlichen Variante mitmachte, von der sie
bedenken musste, dass sie besonders gefährlich sein könnte, so kann ihr
heute der Vorwurf der Sorgfaltswidrigkeit nicht erspart werden. Dass es ihr
nicht konkret bewusst war, dass wegen der Bauchlage und der Alkoholisierung
des Z. ein frühzeitiger reflektorischer Herzstillstand die Folgen der
Strangulation beschleunigen könnte, spielt keine Rolle. Entscheidend ist,
dass sie die besondere Gefährlichkeit der vorgenommenen Strangulation
erkennen konnte. Immerhin ging auch die Vorinstanz zu Recht von nur
geringer Fahrlässigkeit aus.

Erwägung 4

    4.- Schliesslich fragt es sich, ob die Beschwerdeführerin etwas
für sich aus dem Umstand herleiten kann, dass es Z. war, der die
vorgenommenen Handlungen verlangt hat. Dieser Einwand vermag schon
deshalb nicht zu überzeugen, weil mindestens die Gefahr einer schweren
Körperschädigung im vorliegend zu beurteilenden Fall derart nahe lag,
dass der Rechtfertigungsgrund der Einwilligung des Verletzten nicht in
Betracht kommt. Nichts berechtigte die Beschwerdeführerin zur Annahme,
Z. würde in jede Gefährdung einwilligen. Bei dieser klaren Sachlage
kann offen bleiben, ob bei Fahrlässigkeitsdelikten eine Einwilligung des
Verletzten begrifflich überhaupt möglich ist (vgl. dazu BGE 91 IV 124 E. 5;
ANDREAS DONATSCH, Die Selbstgefährdung des Verletzten im Strafrecht, ZStrR
105/1988, S. 369; ARTHUR HAEFLIGER, Über Einwilligung des Verletzten im
Strafrecht, ZStrR 67/1952, S. 94; STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht
AT I S. 407; NOLL/TRECHSEL, Schweizerisches Strafrecht AT I S. 230;
SCHUBARTH, Kommentar I, Systematische Einleitung N 167 und Art. 117 N 76
ff.; SCHÖNKE/SCHRÖDER/LENCKNER, 23. Aufl., vor §§ 32 N 102 ff.; SAMSON,
SK, Anhang zu § 16 N 33). Der Umstand, dass der Getötete das gefährliche
Unternehmen selber wünschte, ist bei der Strafzumessung zu berücksichtigen,
und die Vorinstanz hat das Verschulden der Beschwerdeführerin denn auch
zu Recht als geringfügig eingestuft.