Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 II 40



114 II 40

8. Urteil der II. Zivilabteilung vom 29. Januar 1988 i.S. X. gegen
Regierungsrat des Kantons Uri (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

   Öffentlichkeit des Grundbuchs (Art. 970 ZGB).

    Eine kantonalrechtliche Bestimmung, welche die amtliche Publikation
aller Handänderungen von Liegenschaften unter Angabe der Namen des
Erwerbers und des Veräusserers sowie des veräusserten Grundstücks und
des Erwerbsgrundes vorsieht, verstösst gegen Art. 970 ZGB. Nachdem der
Bundesrat dieser Vorschrift die Genehmigung versagt hat, ist es nicht
zulässig, sie als Bestandteil des kantonalen öffentlichen Rechts weiterhin
anzuwenden.

Sachverhalt

    A.- Mit öffentlicher Urkunde vom 30. September 1986 kaufte X.
von der Y. AG eine Eigentumswohnung. Mit der Anmeldung des Kaufvertrages
beim Grundbuchamt Uri wurde der Grundbuchführer ersucht, von einer
Veröffentlichung der Handänderung im Amtsblatt abzusehen. Am 23. Oktober
1986 wurde dieses Gesuch abgewiesen und die Veröffentlichung der
Handänderung im Amtsblatt verfügt. Das Grundbuchamt stützte sich dabei auf
eine Weisung des Regierungsrates des Kantons Uri vom 23. September 1986,
der ihrerseits der vom Bundesrat nicht genehmigte Art. 7 der kantonalen
Verordnung über das Grundbuch vom 14. November 1984 zugrunde lag. Danach
sind alle Handänderungen im Kanton Uri im Amtsblatt zu veröffentlichen.

    B.- Gegen diese Verfügung erhob X. Beschwerde bei der Justizdirektion
des Kantons Uri, welche am 13. Januar 1987 abgewiesen wurde. Auch eine
dagegen gerichtete Beschwerde an den Regierungsrat des Kantons Uri blieb
ohne Erfolg.

    C.- X. führt gegen den Entscheid des Regierungsrates vom 6. Juli
1987 Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht. Er verlangt die
Aufhebung des angefochtenen Entscheides.

    Der Regierungsrat des Kantons Uri schliesst auf Abweisung der
Beschwerde, während das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement
deren Gutheissung beantragt.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut aus folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Art. 7 der Verordnung des Kantons Uri über das Grundbuch
(GBVU) vom 14. November 1984 schreibt vor, dass das Grundbuchamt alle
Eigentumsübergänge im Amtsblatt zu veröffentlichen hat. Die Verordnung
stützt sich auf das kantonale Gesetz über das Grundbuch vom 10. März
1985, das als Einführung zum schweizerischen Zivilgesetzbuch erlassen
worden ist und in Art. 36 Abs. 1 den Vorbehalt der Genehmigung durch
den Bundesrat vorsieht. Auch Art. 26 Abs. 1 der Verordnung behält
die Genehmigung durch den Bundesrat vor. Um diese Genehmigungen ist am
25. März 1985 nachgesucht worden. Der Bundesrat verweigerte am 7. Juni
1985 die Genehmigung von Art. 7 der Verordnung mit der Begründung, diese
Vorschrift widerspreche Art. 970 ZGB, der den Zugang zum Grundbuch aus der
Sicht des Bundesprivatrechts abschliessend festlege und im Einzelfall
ein berechtigtes und aktuelles Interesse für die Einsichtnahme ins
Grundbuch verlange. Am 23. September 1986 beschloss daraufhin der Urner
Regierungsrat, Art. 7 GBVU als Vorschrift des kantonalen öffentlichen
Rechts aufrecht zu erhalten (vgl. die entsprechende Fussnote 1 zu Art. 7
im Urner Rechtsbuch 9.3405).

Erwägung 2

    2.- Der Regierungsrat des Kantons Uri räumt im angefochtenen
Entscheid ein, dass eine kantonale öffentlichrechtliche Vorschrift, die im
öffentlichen Interesse erlassen worden ist, in einem vom Bundesprivatrecht
geregelten Bereich gemäss Art. 6 ZGB nur dann zulässig sein kann, wenn
das Bundesprivatrecht keine abschliessende Regelung vorsieht und die
kantonale Vorschrift nicht gegen Sinn und Geist des Bundeszivilrechts
verstösst. Er weist darauf hin, dass die Öffentlichkeit des Grundbuchs in
Art. 970 ZGB besonders geregelt werde. Diese Ordnung sei indessen nicht
abschliessend. Diese Meinung sei mindestens andeutungsweise auch einem
Schreiben des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements, welches
das Genehmigungsverfahren für die Urner Grundbuchverordnung betraf, zu
entnehmen. Sodann habe sich auch das Eidgenössische Grundbuchamt dahin
geäussert, dass die amtliche Publikation von Handänderungen nicht zum
vornherein als bundesrechtswidrig zu betrachten sei. Zu berücksichtigen
sei zudem, dass die amtliche Veröffentlichung der Handänderungen von
Grundstücken auch ausserhalb des Kantons Uri seit Jahrzehnten vorgenommen
werde.

    Dass der Kanton Uri mit der Veröffentlichung der Handänderungen
ein öffentliches Interesse verfolge, könne nicht in Zweifel gezogen
werden. So seien verschiedene von den Gemeinden geführte Register
auf diese Veröffentlichung ausgerichtet. Das treffe unter anderem auf
die Register zu, die der Erhebung von Kanalisationsbetriebsgebühren
und der Wassertaxen dienen. Im weitern stützten sich auch
die Zwischenschätzungen von Liegenschaften auf die im Amtsblatt
veröffentlichten Handänderungen. Aber auch interne Gemeinderegister zur
Erleichterung der Gemeindeverwaltung seien auf die lückenlose Publikation
von Handänderungen angewiesen. Zudem diene eine solche Publikation auch
den öffentlichrechtlichen Körperschaften, deren Migliedschaft sich nach
dem Grundeigentum richte. Da diese Körperschaften den Gemeinden nicht
lückenlos bekannt seien, müssten sich diese Organisationen selber um die
erforderlichen Informationen kümmern.

    Schliesslich könne keine Rede davon sein, dass Art. 7 GBVU dem
Sinn und Geist des Bundesprivatrechts widerspreche. Im Unterschied zum
Sachverhalt, den das Bundesgericht in BGE 112 II 422 ff. beurteilt habe,
wonach die regelmässige amtliche Publikation der Handänderungen neben
der Bezeichnung des Grundstücks und den Namen der beteiligten Parteien
auch den Kaufpreis umfasst habe, beschränke sich die Veröffentlichung im
Rahmen von Art. 7 GBVU auf den Namen des Erwerbers und des Veräusserers,
das veräusserte Grundstück und den Erwerbsgrund.

Erwägung 3

    3.- Diese Argumentation des Regierungsrates des Kantons Uri ändert
nichts daran, dass die Verordnung über das Grundbuch vom 14. November
1984 auf dem kantonalen Gesetz über das Grundbuch vom 10. März 1985
beruht. Dieses Gesetz beruft sich seinerseits auf Art. 90 der Urner
Kantonsverfassung und das schweizerische Zivilgesetzbuch. Es versteht sich
somit als Einführungsgesetz zum schweizerischen Zivilgesetzbuch, das gemäss
Art. 52 Abs. 3 SchlT ZGB zu seiner Gültigkeit der Genehmigung durch den
Bundesrat bedarf, soweit es sich als notwendige kantonale Anordnung zur
Ausführung des Zivilgesetzbuches erweist (Art. 52 Abs. 2 SchlT ZGB). Auch
die dazugehörige Verordnung unterliegt der bundesrätlichen Genehmigung.

    Während der Genehmigung kantonaler Erlasse durch den Bundesrat im
Sinne von Art. 102 Ziff. 13 BV nur die Bedeutung einer provisorischen
Rechtskontrolle zukommt, enthält die Verweigerung der Genehmigung die
für das Bundesgericht verbindliche Feststellung, dass die entsprechende
kantonale Bestimmung mit dem Bundesprivatrecht unvereinbar ist. Nach der
ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts bedeutet dies aber auch,
dass die nicht genehmigte kantonale Vorschrift ihren Rechtsbestand
verliert, sofern sie angesichts des Genehmigungsvorbehaltes überhaupt je
Rechtskraft entfalten konnte. Sie kann daher auch nicht mehr mit einer
staatsrechtlichen Beschwerde beim Bundesgericht angefochten werden (BGE 103
Ia 133 E. 3; 84 I 63; 81 I 137; 52 I 160 E. 3; VPB 1970/71 Nr. 5, S. 35;
AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, N. 798). Aufgrund der
kantonalen Einführungsgesetzgebung zum schweizerischen Zivilgesetzbuch
kann sich somit der Regierungsrat nicht auf den umstrittenen Art. 7
GBVU berufen, der von der bundesrätlichen Genehmigung der Verordnung
ausgeschlossen worden ist.

Erwägung 4

    4.- Dieser Betrachtungsweise scheint der Regierungsrat grundsätzlich
nicht zu widersprechen. Indessen ist er der Meinung, er könne Art. 7
GBVU ausserhalb der Urner Einführungsgesetzgebung zum schweizerischen
Zivilgesetzbuch als Bestandteil des kantonalen öffentlichen Rechts
weiterhin zur Anwendung bringen, da diese Bestimmung im Einklang mit
Art. 6 ZGB insofern Geltung beanspruchen könne, als das Bundesrecht den
Zugang zum Grundbuch nicht abschliessend ordne und die kantonale Regelung
dem Bundesrecht nicht zuwiderlaufe.

    Die Überlegungen des Regierungsrates gehen in zweifacher Hinsicht fehl.
Einerseits steht mit der Genehmigungsverweigerung durch den Bundesrat fest,
dass der Inhalt des Art. 7 GBVU mit dem Bundesprivatrecht im Widerspruch
steht. Daran ändert sich durch den allfälligen Wechsel der Rechtsgrundlage
der kantonalen Verordnung nichts. Die Änderung der Rechtsgrundlage führt
nicht auch zu einer gleichzeitigen inhaltlichen Änderung von Art. 7
GBVU. Diesen Inhalt hat aber der Bundesrat als mit dem Zivilgesetzbuch
unvereinbar erklärt. Anderseits bleibt unerfindlich, auf welche kantonale
gesetzliche Rechtsgrundlage sich die Verordnung zu stützen vermöchte,
nachdem die kantonale Einführungsgesetzgebung zum schweizerischen
Zivilgesetzbuch hiefür nicht mehr in Frage kommt. Tatsächlich legt
der Regierungsrat denn auch in keiner Weise dar, auf welche kantonalen
Gesetzesbestimmungen er den umstrittenen Art. 7 GBVU abstützt.

Erwägung 5

    5.- Unter diesen Umständen erübrigt es sich, näher auf die Frage
einzugehen, in welchem Rahmen das Bundeszivilrecht, insbesondere Art. 970
ZGB in Verbindung mit Art. 6 ZGB, bei der Ordnung des Zugangs zum Grundbuch
dem kantonalen öffentlichen Recht noch Raum belässt. Immerhin sei bemerkt,
dass der Regierungsrat die Tragweite von BGE 112 II 422 ff. insofern
unzutreffend einschätzt, als Art. 970 ZGB in der Auslegung durch das
Bundesgericht nicht nur die uneingeschränkte und jeden Interessennachweis
erübrigende Veröffentlichung des Erwerbspreises bei einer Handänderung
untersagt, sondern ganz allgemein festhält, dass der Zugang zum
Grundbuch nicht voraussetzungslos jedermann ermöglicht werden darf. Eine
jedermann zugängliche Veröffentlichung von Grundbuchdaten missachtet
aber diesen Grundsatz (HAUSHEER, Öffentlichkeit des Grundbuches, ZBGR
69 (1988) S. 6 ff.). Eine Rechtfertigung für ein solches Vorgehen,
welches das Grundbuch jedermann frei zugänglich macht, lässt sich
entgegen der Auffassung des Regierungsrates nicht darin erblicken,
dass gewisse öffentlichrechtliche Körperschaften nur auf diesem Wege
von den Handänderungen von Liegenschaften Kenntnis erhalten, von denen
wiederum die Mitgliedschaft in diesen Körperschaften abhängt. Auch wenn
ein berechtigtes Interesse dieser Körperschaften an der Bekanntgabe
gewisser Grundbuchangaben im Sinne von Art. 970 ZGB anzuerkennen ist,
so ändert dies nichts daran, dass die Veröffentlichung eines Teilinhalts
des Grundbuchs gestützt auf Art. 7 GBVU einen unbestimmten Personenkreis
erreichen würde, der einen Interessennachweis nicht zu leisten vermöchte
und der damit voraussetzungslos Zugang zum Grundbuch erhalten könnte.