Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 II 388



114 II 388

74. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. September 1988
i.S. Asylkomitee Region Baden gegen "Badener Tagblatt" (Berufung) Regeste

    Gegendarstellung (Art. 28g Abs. 1 ZGB).

    Eine zur Gegendarstellung berechtigende Betroffenheit liegt in aller
Regel nur dann vor, wenn die in Frage stehende Tatsachendarstellung - ohne
notwendigerweise die Persönlichkeit zu verletzen - in der Öffentlichkeit
ein ungünstiges Bild der angesprochenen natürlichen oder juristischen
Person entstehen, sie im Zwielicht erscheinen lässt.

Sachverhalt

    A.- Im "Badener Tagblatt" vom 24. September 1987 wurde über
eine Pressekonferenz des Asylkomitees Region Baden (im folgenden
Asylkomitee genannt) berichtet, das am Vorgehen der Aargauer Behörden
und insbesondere auch derjenigen der Stadt Baden gegenüber den
Asylbewerbern Kritik geübt hatte. Am 1. Oktober 1987 folgte in der
gleichen Zeitung ein Bericht, in welchem der Stadtrat von Baden die
Vorwürfe des Asylkomitees zurückwies. Dieses ersuchte gleichentags um
Publikation einer Stellungnahme. In einem weiteren, in der Ausgabe des
"Badener Tagblatts" vom 2. Oktober 1987 erschienenen Artikel wurden die
Ausführungen vom Vortag präzisiert. Es wurde auf die Erklärungen des
Stadtammanns von Baden hingewiesen, wonach das Asylkomitee während zweier
Stunden Einsicht in sämtliche Akten erhalten habe und wonach erst dann,
als die gleichen Leute schon am nächsten Tag wieder hätten Akten einsehen
wollen, ihnen klargemacht worden sei, dass das Sozialamt auch noch andere
Arbeiten bewältigen müsse. Alsdann verlangte das Asylkomitee am 5. Oktober
1987 den Abdruck eines Leserbriefs eines seiner Mitglieder. Am 13. Oktober
1987 forderte es das "Badener Tagblatt" schliesslich auf, diesen Leserbrief
als Gegendarstellung abzudrucken. Das geschah indessen nicht.

    Mit Befehlsbegehren vom 27. Oktober 1987 beantragte das Asylkomitee
dem Gerichtspräsidium Baden, die "Badener Tagblatt", Druckerei Wanner AG
sei zu verpflichten, die Gegendarstellung zur Berichterstattung über die
Rückzahlungspraxis von Fürsorgegeldern durch Asylbewerber und anderes in
ihrer Zeitung zu veröffentlichen.

    Der Präsident des Bezirksgerichts Baden wies das Begehren, das im
Laufe des Verfahrens präzisiert worden war, mit Entscheid vom 10. Dezember
1987 ab.

    Eine vom Asylkomitee hiergegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht
(1. Zivilkammer) des Kantons Aargau am 21. März 1988 ab.

    Den obergerichtlichen Entscheid hat das Asylkomitee beim Bundesgericht
mit Berufung vom 10. Mai 1988 angefochten. Es beantragt, die Klage sei
gutzuheissen; allenfalls sei die Sache zu neuer Entscheidung an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Die Beklagte schliesst auf Abweisung der
Berufung. Das Bundesgericht weist die Berufung ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Gemäss Art. 28g Abs. 1 ZGB hat Anspruch auf Gegendarstellung,
wer durch Tatsachendarstellungen in periodisch erscheinenden Medien,
insbesondere Presse, Radio und Fernsehen, in seiner Persönlichkeit
unmittelbar betroffen ist.

    Zur Begründung eines Anspruchs auf Gegendarstellung genügt nicht jedes
Berührtsein; es kann nicht darum gehen, jeder Sachdarstellung, die ein
Medienunternehmen veröffentlicht hat, die eigene Version gegenüberstellen
zu können. Eine zur Gegendarstellung berechtigende Betroffenheit liegt in
aller Regel nur dann vor, wenn die fragliche Tatsachendarstellung - ohne
notwendigerweise die Persönlichkeit zu verletzen - in der Öffentlichkeit
ein ungünstiges Bild der angesprochenen natürlichen oder juristischen
Person entstehen, sie im Zwielicht erscheinen lässt. Die Voraussetzungen
für eine Gegendarstellung sind mit andern Worten gegeben, wenn die
beanstandete Äusserung geeignet ist, ein persönlichkeitsgeschütztes
Rechtsgut wie etwa das berufliche oder soziale Ansehen zu beeinträchtigen
(vgl. Botschaft vom 5. Mai 1982 über die Änderung des Schweizerischen
Zivilgesetzbuches, BBl 1982 II S. 674; TERCIER, Le nouveau droit de
la personnalité, S. 190 f., Rz. 1421 und 1426; SCHÜRMANN, Medienrecht,
S. 188; PEDRAZZINI/OBERHOLZER, Grundriss des Personenrechts, 2. Aufl.,
S. 151; FRANK, Verfahrensrechtliche Probleme des Gegendarstellungsrechts,
in: SJZ 83/1987, S. 266; HAUSHEER, Verstärkter Persönlichkeitsschutz:
Der Kampf ums Recht an verschiedenen Fronten, in: Festgabe für Henri
Deschenaux, Freiburg 1977, S. 86).

Erwägung 3

    3.- a) Dass sich die beiden am 1. und 2. Oktober 1987 im "Badener
Tagblatt" erschienenen Artikel ausführlich und ausschliesslich
mit den Vorwürfen befassten, die das Asylkomitee anlässlich seiner
Pressekonferenz gegenüber den Aargauer Behörden allgemein und damit auch
gegenüber denjenigen der Stadt Baden erhoben hatte, und dass die - zum
Teil kritischen - Ausführungen nicht den Vorstellungen des Asylkomitees
entsprachen, vermag - entgegen dessen Ansicht - nach dem Gesagten für
sich allein noch keinen Gegendarstellungsanspruch zu begründen. Das
Asylkomitee macht jedoch weiter geltend, dass es von den erwähnten
Zeitungsartikeln jedenfalls insofern im Sinne von Art. 28g ZGB betroffen
sei, als darin seine Tatsachenfeststellungen und Behauptungen als haltlos
hingestellt worden seien; mit dem Hinweis, es sei ihm Akteneinsicht gewährt
worden, werde beim Leser der zwingende Eindruck erweckt, es hätte seine
Behauptungen aufgrund der eingesehenen Unterlagen gar nicht aufstellen
dürfen, mit anderen Worten, es habe wider besseres Wissen gehandelt;
so sei denn auch (im Artikel vom 2. Oktober 1987) der Schluss gezogen
worden, es gehe ihm nicht darum, Missstände zu verbessern, sondern es
wolle lediglich ein "politisches Süppchen" kochen.

    b) Das Obergericht hält dem entgegen, dass in den Ausgaben des
"Badener Tagblatts" vom 1. und 2. Oktober 1987 im wesentlichen die
Stellungnahmen des Stadtrates von Baden wiedergegeben worden seien, in
denen unter anderem auch die im Bericht vom 24. September 1987 erwähnte
klägerische Behauptung als unrichtig bezeichnet worden sei, den Vertretern
des Asylkomitees sei keine Akteneinsicht gewährt worden; damit hätten
sich, wie es nach der Publikation einer Gegendarstellung regelmässig
der Fall sei, zwei kontroverse Tatsachenbehauptungen gegenübergestanden,
was jedoch das Asylkomitee in seiner Persönlichkeit nicht berührt habe.

    c) Der Vorinstanz ist jedenfalls darin beizupflichten, dass das
Asylkomitee durch die am 1. und 2. Oktober 1987 im "Badener Tagblatt"
erschienenen Artikel nicht als in seiner Persönlichkeit unmittelbar
betroffen erscheint. Gemäss dem Zeitungsbericht vom 2. Oktober 1987
wies der Stadtammann von Baden zwar die klägerische Behauptung, es
sei die Akteneinsicht verweigert worden, zurück. Immerhin räumte
er ein, den Leuten des Asylkomitees sei klargemacht worden, dass
das Sozialamt keine Zeit habe, ihnen die Akten nochmals zu öffnen,
nachdem ihnen am Tag zuvor während zweier Stunden Akteneinsicht gewährt
worden sei. Aus diesem Zugeständnis ergab sich deutlich, dass nicht jedes
Informationsbedürfnis des Asylkomitees gestillt wurde. Wurde aber auch nach
der im Zeitungsartikel vom 2. Oktober 1987 wiedergegebenen Darstellung
des Stadtammannes von Baden nicht im verlangten Umfang Einsicht in die
Akten gewährt, drängte sich für den Durchschnittsleser keineswegs der
Schluss auf, das Asylkomitee habe seine Vorwürfe gegenüber den Behörden
wider besseres Wissen erhoben. Der redaktionelle Schlusskommentar vom
2. Oktober 1987, es gehe dem Asylkomitee letztlich um das Kochen eines
"politischen Süppchens", stand zudem nicht etwa in einem unmittelbaren
Zusammenhang mit den Ausführungen betreffend die Akteneinsicht.

    Wenn das Obergericht zur Ansicht gelangte, das Asylkomitee
sei durch die fraglichen Zeitungsartikel, insbesondere die
Ausführungen zur Akteneinsicht, nicht in einer Art betroffen, wie
sie für einen Gegendarstellungsanspruch erforderlich sei, und das
Gegendarstellungsbegehren sei deshalb abzuweisen, hat es nach dem Gesagten
kein Bundesrecht verletzt.