Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 II 265



114 II 265

47. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 25. Oktober 1988
i.S. M. SA gegen B. AG (Berufung) Regeste

    Art. 4 des schweizerisch-französischen Gerichtsstandsvertrags.

    Örtliche Unzuständigkeit des schweizerischen Richters für die
Beurteilung einer Schadenersatzklage des schweizerischen Vermieters mit
Wohnsitz oder Sitz in der Schweiz gegen den französischen Mieter mit
Wohnsitz oder Sitz in Frankreich aus der Miete eines in der Schweiz noch
zu erstellenden Hotels.

Sachverhalt

    A.- Am 14. Juli 1987 klagte die B. AG mit Sitz in Basel beim
Handelsgericht des Kantons Zürich gegen die in Frankreich domizilierte
M. SA auf Ersatz von Fr. 555'414.-- Projektierungskosten, die der Klägerin
in Erfüllung eines mit der Beklagten am 16. April 1986 abgeschlossenen
Mietvertrags über ein in Wallisellen noch zu erstellendes Hotel entstanden
und wegen Vertragsbruchs der Beklagten nutzlos geworden seien.

    Mit Beschluss vom 2. Februar 1988 wies das Handelsgericht die Einrede
der örtlichen Unzuständigkeit ab, welche die Beklagte gestützt auf
den Vertrag zwischen der Schweiz und Frankreich über den Gerichtsstand
und die Vollziehung von Urteilen in Zivilsachen vom 15. Juni 1869 (SR
0.276.193.491, nachstehend Gerichtsstandsvertrag) erhoben hatte.

    B.- Die Beklagte führt gegen diesen Beschluss beim Bundesgericht
Berufung mit dem Rechtsbegehren, auf das klägerische Rechtsbegehren sei
mangels örtlicher Zuständigkeit nicht einzutreten; eventuell sei der
angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an
die Vorinstanz zurückzuweisen.

    Die Klägerin schliesst auf Abweisung der Berufung. Das Bundesgericht
heisst die Berufung gut und tritt auf die Klage wegen örtlicher
Unzuständigkeit nicht ein.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Vorinstanz und Parteien gehen zutreffend davon aus, dass sich
die örtliche Zuständigkeit des schweizerischen Richters zur Beurteilung
der vorliegenden Streitigkeit zwischen einer schweizerischen und einer
französischen Gesellschaft über obligatorische Ansprüche nach den Regeln
des Gerichtsstandsvertrags bestimmt, die dem Landesrecht vorgehen (BGE
93 II 197 E. 4). Der streitige Art. 4 des Vertrags enthält nach der für
die Auslegung massgebenden französischen Originalfassung die folgende,
zwingende (BGE 80 II 392 f. E. a; DUTOIT/KNOEPFLER ET AL., aaO S. 60
N. 215) Gerichtsstandsbestimmung:

    "En matière réelle ou immobilière, l'action sera suivie devant le
   tribunal du lieu de la situation des immeubles. Il en sera de même dans
   le cas où il s'agira d'une action personnelle concernant la propriété
   ou la jouissance d'un immeuble."

    Das Handelsgericht qualifiziert die eingeklagte Forderung auf Ersatz
des negativen Vertragsinteresses als obligatorischen, am schweizerischen
forum rei sitae zu beurteilenden Anspruch im Sinne des zweiten Satzes von
Art. 4, da die Klägerin ihre Forderung aus dem Mietvertrag über eine noch
zu erstellende Liegenschaft in Wallisellen herleite; die Beklagte macht
geltend, es werde nicht um ein Benutzungsrecht, sondern um die Erfüllung
einer rein persönlichen Verpflichtung auf Zahlung eines Geldbetrags
gestritten, die weder das Eigentum der Klägerin noch ein Benutzungsrecht
im eigentlichen Sinn zum Gegenstand habe, weshalb gemäss Art. 1 des
Gerichtsstandsvertrags der französische Richter am Sitz der Beklagten
zuständig sei.

Erwägung 3

    3.- Die Auslegung des Gerichtsstandsvertrags richtet sich zunächst nach
seinem Wortlaut. Bei der Ermittlung des Rechtssinns der Norm sind sodann
Gegenstand und Zweck des Vertrags zu berücksichtigen, die sich aus dessen
Entstehungsgeschichte und dem Kontext ergeben können, in dem sich die
streitige Vorschrift befindet (BGE 113 II 362 E. 3 vor a mit Hinweisen).

    a) Der Wortlaut des streitigen zweiten Satzes von Art. 4 ist so
umfassend wie unbestimmt. Danach können beim Richter am Ort der gelegenen
Sache obligatorische Ansprüche eingeklagt werden, sofern sie die Benutzung
("jouissance") von Immobilien betreffen. Dass die Benutzung nicht auf
Nutzniessung i.e.S. beschränkt ist, sondern auch den durch Mietvertrag
begründeten Gebrauch umfasst, geht bereits aus dem gleichzeitig mit der
Vertragsunterzeichnung erstellten Erläuternden Protokoll zu Art. 4 Satz
2 hervor (SR 0.276.193.491), wo es heisst (Abs. 2):

    "Man wollte hiemit den Fall vorsehen, wo ein Schweizer, der in

    Frankreich, oder ein Franzose, der in der Schweiz Grundeigentum hat,
   gerichtlich belangt wird, sei es durch Unternehmer, welche Reparaturen
   an dem Grundstücke ausgeführt haben, sei es durch einen in seinen

    Vertragsrechten beeinträchtigten Mieter, sei es endlich durch andere

    Personen, die, ohne

    Rechte an dem Grundstücke selbst geltend zu machen, gegen dessen

    Eigentümer als solchen persönliche Rechte ansprechen."

    Dass Art. 4 Satz 2 des Gerichtsstandsvertrags nach dem Wortlaut auf
die hier zur Beurteilung stehenden obligatorischen Ansprüche anwendbar
ist, kann indessen angesichts der Unbestimmtheit der Formulierung,
die weit mehr persönliche Klagen am Belegenheitsort zulässt, als die
am Vertragsabschluss Beteiligten geahnt haben (PILLET, Les conventions
internationales, S. 106), nicht entscheidend sein, zumal sich die
Rechtsprechung zum Gerichtsstandsvertrag seit jeher über den Wortlaut
hinwegsetzen musste, um brauchbare Ergebnisse zu erzielen (SCHNITZER,
Handbuch, Bd. II, S. 910). Immerhin weist der französische Wortlaut von
Art. 4 Satz 2 im Gegensatz zur deutschen Fassung, welche "la jouissance
d'un immeuble" mit "Benutzungsrechten an Immobilien" übersetzt, darauf hin,
dass der Bestand von solchen Rechten allein nicht unbedingt ausreicht, um
den vorausgesetzten Bezug zur gelegenen Sache zu begründen; der Begriff
der "jouissance" umfasst sowohl das Benutzungsrecht als solches wie
dessen Ausübung.

    b) Die Entstehungsgeschichte des Gerichtsstandsvertrags zeigt,
dass dieser namentlich Schweizer ohne genügenden Bezug zu Frankreich
davor schützen sollte, von einem Franzosen vor französischen Gerichten
eingeklagt zu werden, die vor 1869 ihre Zuständigkeit ohne weiteres bejaht,
vorgeladen und häufig in contumaciam zum Nachteil von Schweizern geurteilt
hatten. Inskünftig sollte ein Schweizer nicht "mit vielen Kosten und
Zeitaufwand zuerst einen Prozess vor dem unnatürlichen Richter im fremden
Lande führen" müssen, "um dort für die Anerkennung seines natürlichen
Richters zu kämpfen" (Botschaft zum neuen Staatsvertrag mit Frankreich
betreffend zivilrechtliche Verhältnisse vom 28. Juni 1869, BBl 1869 II
S. 481 f.; zur Bedeutung der Botschaft als "seul commentaire officiel
... en l'absence de procès-verbal de négociations" DROIN, A propos d'un
centenaire, in: Recueil de travaux publié à l'occasion de l'assemblée de
la Société suisse des juristes, Genf 1969, S. 38 Fn. 7). Dieses Ziel wurde
insbesondere verwirklicht durch die Pflicht zur Zuständigkeitsprüfung
von Amtes wegen (Art. 11 des Gerichtsstandsvertrags sowie Erläuterndes
Protokoll), durch die Beseitigung von Sondergerichtsständen und den
umfassenden Grundsatz (BGE 93 II 197 f. E. 5), dass Streitigkeiten zwischen
Schweizern und Franzosen über bewegliche Sachen und persönliche Ansprüche
vor dem "natürlichen" Richter am Wohnsitz, Sitz oder Aufenthalt des
Beklagten auszutragen sind (Art. 1 Abs. 1 des Gerichtsstandsvertrags),
soweit der Vertrag selbst keinen besonderen Gerichtsstand vorsieht
(GULDENER, Das internationale und interkantonale Zivilprozessrecht der
Schweiz, S. 125 Ziff. 2; MEILI, Das internationale Zivilprozessrecht,
S. 326; FLATTET, Un traité centenaire, in: Revue critique de droit
international privé, 58/1969, S. 579 und 589 f.).

    Die Sondergerichtsstände im Gerichtsstandsvertrag sind
dem Vertragszweck entsprechend als Ausnahmen vom Grundsatz des
Wohnsitzrichters und damit restriktiv auszulegen. Das gilt insbesondere
für die in Art. 4 Satz 2 erwähnten persönlichen Klagen, die im Gegensatz
zu den dinglichen Klagen aus Immobiliarsachenrecht an sich unter Art. 1
Abs. 1 des Gerichtsstandsvertrags fallen (E. CURTI, Der Staatsvertrag
zwischen der Schweiz und Frankreich betreffend den Gerichtsstand
und die Urteilsvollziehung vom 15. Juni 1869, Diss. Zürich 1879,
S. 73). Auch wenn das Erläuternde Protokoll zu Art. 4 die Fälle
der vom Richter am Belegenheitsort zu beurteilenden persönlichen
Ansprüche nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung und überwiegender
Lehre nicht abschliessend aufzählt (BGE 45 I 80 f.; DUTOIT/KNOEPFLER
ET AL., aaO S. 59 N. 209; CURTI, aaO S. 73, AUJAY, Etudes sur le traité
franco-suisse, S. 424, PILLET, aaO S. 105, A. ESCHER, Neuere Probleme aus
der Rechtsprechung zum französisch-schweizerischen Gerichtsstandsvertrag,
Diss. Zürich 1937, S. 81; für abschliessende Aufzählung hingegen
ROGUIN, Conflits des lois suisses, S. 696 Nr. 562), zeigt es doch,
dass der Wille der vertragsschliessenden Staaten darauf gerichtet war,
diesen Gerichtsstand nur in besonderen Fällen zuzulassen (BGE 80 II 393;
ESCHER, aaO).

    Dass die vorliegende Klage des schweizerischen Vermieters gegen
den französischen Mieter auf Ersatz des negativen Interesses aus einem
Mietvertrag über ein in der Schweiz zu erstellendes Hotel nicht einem im
Erläuternden Protokoll ausdrücklich genannten Fall entspricht, schliesst
somit die Zuständigkeit des Schweizer Richters gemäss Art. 4 Satz 2 des
Gerichtsstandsvertrags nicht schlechthin aus. Als Ausnahmevorschrift ist
die Bestimmung jedoch mit Zurückhaltung anzuwenden. Damit dem Schweizer
Richter nicht der gleiche Vorwurf gemacht werden kann wie seinerzeit
den französischen Gerichten vor 1869, ist für die Zuständigkeit am
Belegenheitsort in der Schweiz zu fordern, dass zwischen der Beklagten
und dem geplanten Mietobjekt in Wallisellen ein ausreichender Bezug
besteht, der an Intensität den im Erläuternden Protokoll genannten
Fällen gleichkommt und es deshalb rechtfertigt, den eingeklagten
obligatorischen Anspruch trotz des Sitzes der Beklagten in Frankreich
durch den schweizerischen Richter beurteilen zu lassen.

    c) Im einzelnen begründet die Klägerin ihren Anspruch damit, die
Beklagte sei gemäss Ziffer 14 des beidseitig unterzeichneten Mietvertrags
vom 16. April 1986 im Zeitpunkt des Vertragsschlusses verpflichtet gewesen,
zur Sicherstellung der ersten beiden Jahresmietzinse eine Bankgarantie
von 2,3 Mio. Franken zu leisten. Weiter habe eine Verpflichtung der
Mieterin bestanden, die zum Betrieb des geplanten Hotels als IBIS-Hotel
erforderliche IBIS-Franchise zu erlangen. Beiden Obliegenheiten sei die
Beklagte trotz Ansetzung einer Nachfrist gemäss Art, 107 OR auf den 6. März
1987 nicht nachgekommen. Folglich habe sie den Mietvertrag gebrochen und
sei gehalten, die Klägerin finanziell in die gleiche Lage zu versetzen, wie
wenn vom Vertrag nie die Rede gewesen wäre. Zu ersetzen seien namentlich
die Aufwendungen für nutzlose Planungsarbeiten und Bewilligungsverfahren.

    aa) In BGE 45 I 76 sah das Bundesgericht von den im Erläuternden
Protokoll genannten Voraussetzungen des Grundeigentums im anderen Staat
sowie der Beklagteneigenschaft des Grundeigentümers ab und bejahte im
Vollstreckungsverfahren die Zuständigkeit der französischen Gerichte am
Belegenheitsort, die den schweizerischen Pächter eines in Frankreich
gelegenen landwirtschaftlichen Guts zum Ersatz des dem französischen
Eigentümer, Verpächter und Kläger aus Vertragsbruch entstandenen Schadens
verurteilt hatten. Entscheidend für die über das Erläuternde Protokoll
hinausgehende Auslegung von Art. 4 Satz 2 des Gerichtsstandsvertrags war
die Erwägung, dass die Durchführung des Prozesses am Belegenheitsort
namentlich das Beweisverfahren erleichtere (aaO S. 81). Der Bezug des
schweizerischen Beklagten zu Frankreich erschöpfte sich allerdings nicht
im Abschluss eines Pachtvertrags über ein französisches Grundstück, was
sowohl die Vorinstanz als auch die Klägerin übersehen. Der schweizerische
Pächter hatte das am 15. Februar 1914 auf die Dauer bis zu neun Jahren
gepachtete Landgut vom 25. März 1914 bis unmittelbar nach Ausbruch des
ersten Weltkriegs auch tatsächlich bewirtschaftet.

    Um wie im vorliegenden Fall nie ausgeübte obligatorische Rechte ging es
demgegenüber im von der Beklagten angerufenen BGE 80 II 390. Dort verneinte
das Bundesgericht denn auch den in Art. 4 Satz 2 des Gerichtsstandsvertrags
vorausgesetzten Bezug des persönlichen Anspruchs zum Belegenheitsort
in Frankreich und bejahte die Zuständigkeit des schweizerischen
Richters. Schweizerische Eigentümer von französischen Grundstücken
hatten gegen eine schweizerische und eine französische Gesellschaft auf
Schadenersatz aus Vertrag zu Lasten einer zur Nutzung der Wasserkraft des
Doubs noch zu gründenden, dann aber nicht gegründeten Drittgesellschaft
geklagt (Art. 111 OR). Mit der Klage sollten die Kläger so gestellt werden,
als hätte die Drittgesellschaft von den Beklagten die ihnen durch die
Kläger eingeräumte Kaufoption übernommen und in Ausübung dieser Option auf
den fraglichen Grundstücken ein Elektrizitätswerk errichtet. Einerseits
mit Rücksicht auf den Grundsatz des natürlichen Richters und anderseits
in Anlehnung an ein Urteil der Cour de cassation vom 13. Februar 1906
gelangte das Bundesgericht zum Schluss, dass persönliche Klagen im
Sinne von Art. 4 Satz 2 des Gerichtsstandsvertrags die "propriété ou
... jouissance proprement dites" von Immobilien zum Gegenstand haben
müssten; das Vorliegen von Ansprüchen "nées à l'occasion d'un immeuble"
genüge nicht. Der eingeklagte Schadenersatz sei ein rein vertraglicher
Anspruch ohne "incidence sur la propriété ou la jouissance des immeubles"
(BGE 80 II 393 f. E. a).

    Die Anlehnung an die höchstrichterliche französische Rechtsprechung
bestätigt, dass es nach der schweizerischen Rechtsprechung für die
Zuständigkeit des Richters am Belegenheitsort nicht genügen kann, dem im
anderen Staat domizilierten Vertragspartner obligatorische, in Zukunft
auszuübende Benutzungsrechte an zu erstellenden Mietobjekten einzuräumen;
vielmehr muss zumindest die Möglichkeit bestehen oder wenigstens vor
Klageerhebung einmal bestanden haben, das Benutzungsrecht auch tatsächlich
auszuüben. Im noch heute massgebenden (DALLOZ, Répertoire de droit
international, Bd. I., Paris 1968, Compétence civile et commerciale,
Nr. 168) Urteil vom 13. Februar 1906 hat die Cour de cassation den
Gerichtsstand am Belegenheitsort für Preisforderungen aus Liegenschaftskauf
mit der Begründung verneint, dass sich der Käufer vor jeder Benutzung der
Liegenschaft zur Preiszahlung verpflichte ("... l'engagement pris dans
un acte de vente par l'acquéreur d'un immeuble d'en payer le prix est
antérieur à ... toute jouissance ..."; DALLOZ, Jurisprudence générale,
1907, Première partie, S. 130; sodann CURTI, aaO S. 73, AUJAY, aaO S. 425
Nr. 325, PILLET, aaO S. 106, ESCHER, aaO S. 84 je mit Hinweisen auf weitere
französische Urteile unterer Instanzen). Was für die im Hinblick auf die
Ausübung des Eigentums als intensivster Rechtsbeziehung zu einer Sache
eingegangenen Vertragspflichten gilt, muss um so mehr gelten, wenn es
wie im vorliegenden Fall um obligatorische Benutzungsrechte geht.

    bb) Als Folge eines gescheiterten Mietverhältnisses und damit bloss
"nées à l'occasion d'un immeuble" sind die eingeklagten Ansprüche nach
den Grundsätzen von BGE 80 II 390 rein vertraglicher Natur und ohne
Bezug zur "jouissance", wie sie Art. 4 Satz 2 des Gerichtsstandsvertrags
voraussetzt. Grundlage der Schadenersatzforderung ist nicht die Benutzung
oder die Möglichkeit dazu, sondern die Gewissheit, dass die Beklagte das
Mietobjekt nie benutzen wird. Dass der Klägerin im Hinblick auf die
erwartete Benutzung Aufwendungen entstanden sind, ersetzt die für die
Begründung des forum rei sitae notwendige Mindestanforderung, dass das
eingeräumte obligatorische Recht ausgeübt werden kann, nicht. Ob dessen
tatsächliche Ausübung die Klage des Mieters bereits zu einer "action
immobilière" im Sinne von Art. 4 Satz 1 des Gerichtsstandsvertrags werden
liesse oder ob die Zuständigkeit des Richters am Belegenheitsort auch
in diesem Fall aufgrund von Art. 4 Satz 2 gegeben wäre, kann vorliegend
offenbleiben.

    Auch gebietet es kein sachlicher Grund, den schweizerischen Kläger
für die Klage auf Zahlung des Kaufpreises eines Grundstücks in der
Schweiz an den französischen Richter und für eine Klage auf Ersatz des
negativen Interesses wie die vorliegende an den schweizerischen Richter
zu verweisen. Die in BGE 45 I 81 entscheidende Praktikabilitätserwägung
der grösseren Sachnähe des Richters am Belegenheitsort liesse auch für
die Kaufpreisklage das forum rei sitae als geeigneter erscheinen, wenn
der Käufer die Zahlung etwa wegen Gegenansprüchen aus Sachgewährleistung
verweigert. Art. 4 Satz 2 des Gerichtsstandsvertrags enthält keine Regel
des Inhalts, dass derjenige Richter zuständig ist, der den Prozess
nach den Umständen des konkreten Falls mit dem geringeren Aufwand
durchführen kann. Im übrigen bedarf es keiner besonderen Sachnähe, um
wie im vorliegenden Fall zu entscheiden, ob zwischen den Parteien ein
Mietvertrag abgeschlossen worden ist, ob die Beklagte diesen gebrochen
hat und welche Aufwendungen der Klägerin dadurch entstanden sind.

    Gegen den Gerichtsstand am Belegenheitsort spricht schliesslich,
dass das Bundesgericht in BGE 80 II 390 diesen Gerichtsstand
verneint hat, obwohl der Bezug der Beklagten zur gelegenen Sache
enger war als im vorliegenden Fall. Dort hatten nicht nur die Kläger,
sondern auch die Beklagten Aufwendungen im Hinblick auf das geplante
Vorhaben getätigt. Sodann beruhte die Klage, weil auf Ersatz des
positiven Interesses gerichtet, auf der Hypothese, die Kaufoption
sei ausgeübt, französisches Grundeigentum erworben und darauf ein
Elektrizitätswerk errichtet worden. Demgegenüber beschränken sich
im vorliegenden Fall die tatsächlichen Beziehungen der Beklagten
zur Schweiz auf Vertragsverhandlungen und die Unterzeichnung des
behaupteten Mietvertrags in Zürich. Dass dies für die Zuständigkeit
des schweizerischen Richters nicht genügt, ergibt sich auch aus Art. 1
Abs. 3 des Gerichtsstandsvertrags. Danach ist die Klage auf Erfüllung
eines vom Beklagten ausserhalb des Zuständigkeitsbereichs des natürlichen
Richters eingegangenen Vertrags nur dann am Abschlussort zu beurteilen,
wenn beide Parteien dort im Zeitpunkt der Anhängigmachung des Prozesses
ihren Aufenthalt haben.

Erwägung 4

    4.- Der Grundsatz "actor sequitur forum rei" gilt nicht nur im
Bereich des Gerichtsstandsvertrags, sondern auch nach den Landesrechten
der Vertragsstaaten, was ebenfalls gegen eine extensive Auslegung von
Art. 4 Satz 2 des Gerichtsstandsvertrags spricht. In der Schweiz hat
der Grundsatz Verfassungsrang (Art. 59 BV) und beherrscht auch die
internationale Zuständigkeitsordnung nach dem neuen IPR-Gesetz vom
18. Dezember 1987 (Art. 2 und 112 Abs. 1; BBl 1988 I S. 5 und 33); in
Frankreich ist der Grundsatz sowohl in Art. 15 des Code civil wie in
Art. 42 Abs. 1 des Code de procédure civile verankert, welch letztere
Vorschrift gleich den nachfolgenden Bestimmungen auch die Zuständigkeit im
internationalen Verhältnis regelt (DALLOZ, Répertoire de procédure civile,
Bd. II, 2. Auflage, Compétence internationale, Nr. 20 f. und Nr. 24). Der
zwingende Sondergerichtsstand am Ort der gelegenen Sache für Klagen aus
dinglichen Rechten an Immobilien (Art. 44; DALLOZ, Répertoire, aaO Nr. 25;
dazu bereits CURTI, aaO S. 69) fände auf die vorliegende Vertragsklage
zum vornherein keine Anwendung, weshalb der französische Richter selbst
dann zuständig wäre, wenn er seine Zuständigkeit nicht aufgrund des
französischen Gesetzen vorgehenden Gerichtsstandsvertrags (GHESTIN/GOUBEAU,
Traité de droit civil, 2. Auflage 1982, S. 228 f. Ziff. 285), sondern
aufgrund der französischen Zivilprozessordnung bestimmen würde; die dort
für Vertragsklagen eingeführten weiteren ausserordentlichen Gerichtsstände
sind fakultativ neben dem Gerichtsstand am Wohnsitz bzw. Sitz des
Beklagten vorgesehen (Art. 46; HUET, Le nouveau Code de procédure
civile du 5 décembre 1975 et la compétence internationale des tribunaux
français, in: Journal du droit international, 103/1976, S. 351). Die
seit 1948 feststellbare Tendenz in der französischen Rechtsprechung, die
Sondergerichtsstände des Code de procédure civile anzunehmen, wenn sie der
Gerichtsstandsvertrag nicht ausdrücklich zugunsten des natürlichen Richters
ausschliesst (FLATTET, aaO S. 581 und 592; DALLOZ, Répertoire, Entraide
judiciaire, Nr. 8), würde somit an der Zuständigkeit der französischen
Gerichte für die Beurteilung der eingeklagten Schadenersatzforderung
nichts ändern. Unerheblich ist schliesslich, dass der französische Richter
nach französischem IPR wahrscheinlich Schweizer Recht anwenden wird
(HOLLEAUX/FOYER/DE GEOUFFRE DE LA PRADELLE, Droit international privé,
Paris 1987, S. 598 Nr. 1389).

Erwägung 5

    5.- Für die Zuständigkeit des Richters am Belegenheitsort gemäss Art. 4
Satz 2 des Gerichtsstandsvertrags kann es somit nach Sinn und Zweck dieses
Vertrags, der dazu in beiden Vertragsstaaten ergangenen Rechtsprechung
und in Übereinstimmung mit den Zuständigkeitsordnungen nach Landesrecht
nicht genügen, dass ein Benutzungsrecht an einem in Frankreich oder in
der Schweiz gelegenen, noch zu erstellenden Mietobjekt eingeräumt wird,
ohne dass wenigstens die Möglichkeit der tatsächlichen Ausübung dieses
Rechts bestanden hat. Das Handelsgericht hat seine Zuständigkeit deshalb zu
Unrecht bejaht. Die Klage auf Ersatz des negativen Vertragsinteresses ist
daher gemäss Art. 1 Abs. 1 des Gerichtsstandsvertrags vor dem natürlichen
Richter der Beklagten in Frankreich zu erheben.