Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 II 131



114 II 131

22. Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. Juni 1988 i.S. A. gegen Frau X.
(Berufung) Regeste

    Grundlagenirrtum des Käufers. Verjährung.

    1. Art. 23 ff. und 197 ff. OR. Bei falschen Angaben oder
Zusicherungen über die Kaufsache kann der Käufer grundsätzlich entweder
auf Gewährleistung klagen oder den Vertrag wegen eines Willensmangels
anfechten (E. 1; Bestätigung der Rechtsprechung).

    2. Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR. Umstände, unter denen ein Irrtum über
die Echtheit eines Kunstwerkes als wesentlich anzusehen ist (E. 2a).

    3. Art. 31 OR bestimmt weder ausdrücklich noch sinngemäss, dass der
Irrende neben der relativen Frist von einem Jahr auch eine absolute von
zehn Jahren zu beachten hat (E. 2b).

    4. Art. 67 Abs. 1 OR. Wird der Vertrag nach der Bezahlung des
Kaufpreises vom Käufer mit Erfolg wegen Irrtums angefochten, so ist
die ungerechtfertigte Bereicherung des Verkäufers in der Leistung
einer Nichtschuld zu erblicken. Die absolute Verjährung für den
Rückforderungsanspruch des Käufers beginnt deshalb mit der Bezahlung des
Preises zu laufen (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Am 4. Oktober 1974 kaufte A. von X., einem namhaften Kunstkenner,
eine Tusch-Zeichnung "Modèle et Sculpture" (19 x 12,5 cm), die oben das
Datum "juillet 46" trug und mit "Picasso" unterzeichnet war. Er bezahlte
Fr. 25'000.-- dafür. Mit Schreiben vom gleichen Tag erklärte der Verkäufer,
dass er für die Echtheit der Zeichnung die Garantie übernehme und "dieses
Blatt im Nachtrag zum Picasso-Oeuvre-Katalog von Zervos" veröffentlichen
lasse.

    Der Käufer liess die Echtheit der Zeichnung nicht überprüfen. Als er
diese 1985 einer Galerie in Auktion geben wollte, kamen darüber jedoch
Zweifel auf. Die Galerie wandte sich an das "Comité Picasso", das ihr am
6. November 1985 antwortete, die Zeichnung stamme nach seiner Auffassung
nicht von Picasso. A. versuchte daraufhin umsonst, den Kauf rückgängig
zu machen, indem er von der Witwe des inzwischen verstorbenen Verkäufers
verlangte, die Zeichnung zurückzunehmen und ihm den Preis zurückzuzahlen.

    B.- Am 17. Juni 1986 klagte A. beim Bezirksgericht Bremgarten
gegen Frau X. auf Zahlung von Fr. 25'000.-- nebst Zins. Er berief
sich in erster Linie auf Unverbindlichkeit des Kaufvertrages wegen
Grundlagenirrtums (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR), eventuell auf Schadenersatz
wegen absichtlicher Täuschung (Art. 31 Abs. 3 OR). Die Beklagte hielt die
Forderung jedenfalls für verjährt, weshalb die Klage schon daran scheitere.

    Das Bezirksgericht und auf Appellation hin am 11. Juni 1987 auch
das Obergericht des Kantons Aargau wiesen die Klage wegen Verjährung des
Anspruchs ab.

    C.- Der Kläger hat gegen das Urteil des Obergerichts Berufung
eingelegt, mit der er an seinen Rechtsbegehren festhält.

    Die Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene
Urteil zu bestätigen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Kläger hat sich schon im kantonalen Verfahren nicht auf
Gewährleistung, sondern auf einen Willensmangel berufen, obschon der
Streit eine ausdrücklich zugesicherte Eigenschaft der Kaufsache betrifft;
er geht davon auch vor Bundesgericht aus.

    a) Erweist ein angeblich echtes Kunstwerk sich nachträglich als
gefälscht, so stehen dem Käufer mehrere Rechtsbehelfe mit verschiedenen
Ansprüchen zur Verfügung. Wenn der Verkäufer wie hier eine bestimmte
Einzelsache verspricht und sie auch liefert, wird der Vertrag erfüllt,
wenn auch vielleicht schlecht. Für eine Klage gemäss Art. 97 ff. OR auf
Erfüllung oder auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung bleibt diesfalls
kein Raum (BGE 82 II 416 E. 3b). Nach der Rechtsprechung kann der Käufer
den Vertrag jedoch wegen eines Willensmangels im Sinne von Art. 23
ff. OR anfechten oder gemäss Art. 197 ff. OR auf Gewährleistung oder
auf Schadenersatz wegen schlechter Erfüllung klagen (BGE 109 II 322
mit Hinweisen). Der Alternativität dieser Rechtsbehelfe sind allerdings
Schranken gesetzt. Eine Beschränkung ergibt sich insbesondere daraus,
dass Schadenersatz- und Gewährleistungsansprüche, die der Käufer
aus Mängeln der Kaufsache ableitet, in bezug auf seine Prüfungs- und
Rügepflichten und die Verjährung den gleichen Vorschriften unterstehen
(BGE 107 II 421 mit Hinweisen). Eine weitere besteht beim Viehkauf, wo
der Käufer sich grundsätzlich nicht auf Irrtum berufen kann (BGE 110 II 70
E. 3). Im allgemeinen Kaufrecht anerkennt das Bundesgericht hingegen seit
Jahrzehnten, dass der Käufer den Vertrag bei Mängeln, insbesondere bei
falschen Angaben oder Zusicherungen über die Kaufsache, auch wegen eines
Willensmangels anfechten kann, seine Klage in solchen Fällen folglich
nicht von den besondern Voraussetzungen der Sachgewährleistung abhängig
gemacht werden darf (BGE 108 II 104 E. 2a mit Hinweisen).

    In einem Teil der Lehre wird demgegenüber, ebenfalls seit Jahrzehnten,
die Auffassung vertreten, bei mangelhafter Erfüllung des Kaufvertrages
sei ausschliesslich Gewährleistungsrecht anwendbar (so insbesondere
BECKER, N. 22 zu Art. 24 OR; MERZ, in Festschrift (FS) Guhl S. 85 ff.;
CAVIN, in Schweizerisches Privatrecht (SPR) VII/1 S. 117 ff.; ders. in
Semjud 91/1969 S. 329 ff. und 340 ff.; VON BÜREN, OR Allg. Teil S. 203;
ENGEL, Traité des obligations en droit suisse S. 229; GUHL/MERZ/KUMMER, OR
7. Aufl. S. 353). Das Bundesgericht hat diese Auffassung stets abgelehnt,
sei es ausdrücklich oder sinngemäss unter Hinweis auf seine ständige
Rechtsprechung, der es im Entscheid 98 II 21 in Anlehnung an OFTINGER
sogar gewohnheitsrechtliche Bedeutung beigemessen hat. Die Kritik an
seiner Rechtsprechung ist auch seitdem nicht verstummt (MERZ, in ZBJV
110/1974 S. 47 und 118/1982 S. 131/32; MEIER-HAYOZ, in ZBJV 123/1987 S. 73
ff. und 81); es wird dem Bundesgericht vielmehr vorgehalten, dass es die
gegenteilige Meinung wiederholt bloss erwähnt oder sie verworfen habe,
ohne sich sachlich damit auseinanderzusetzen (GAUCH/SCHLUEP, OR Allg. Teil
I 4. Aufl. N. 608a).

    Dazu ist vorweg zu bemerken, dass das Bundesgericht sich bereits
1916 für die alternative Anwendbarkeit der Bestimmungen über den Irrtum
neben den Vorschriften über die Gewährleistung beim Kauf ausgesprochen
hat (BGE 42 II 497 E. 3). Seitdem hat es seine Auffassung nicht nur in
zahlreichen Urteilen bestätigt und mehrmals überprüft, sondern auch zu
davon abweichenden Lehrmeinungen Stellung genommen; dies ist besonders
einlässlich in BGE 82 II 412 ff. geschehen, wo es um ein als echt
verkauftes Selbstporträt des Malers van Gogh ging. Seit diesem Entscheid
hat das Bundesgericht sich mit Ergänzungen oder blossen Hinweisen begnügt
(84 II 517, 88 II 412, 102 II 103, 106 II 34), was aber nur heissen
konnte, dass es an seiner ständigen Rechtsprechung festhielt. Es durfte
dies umso mehr, als seine Auffassung inzwischen auch von einem Teil der
neueren Lehre ausdrücklich gebilligt worden ist (statt vieler GIGER,
N. 61 ff. der Vorbemerkungen zu Art. 197-210 OR mit Zitaten; BUCHER,
OR Allg. Teil S. 180 ff.; KELLER/LÖRTSCHER, Kaufrecht, 2. Aufl. S. 102 f.).

    Die in Deutschland und Frankreich vorherrschende Auffassung ist vom
Bundesgericht schon im van Gogh-Entscheid kurz zusammengefasst worden
(BGE 82 II 420/21 mit Zitaten). Die deutsche Rechtsprechung und eine
Mehrheit der Lehre lehnen eine wahlweise Anwendbarkeit der Bestimmungen
über den Irrtum nach wie vor ab (vgl. neben den Kommentaren zu §§ 119
und 459 BGB insbesondere FLUME, Das Rechtsgeschäft, S. 484 ff.; LARENZ,
Lehrbuch des Schuldrechts, 13. Aufl. II/1 S. 73/74 sowie die Nachweise bei
GIGER unter N. 63). Andere Autoren halten an der Alternativität fest, teils
gestützt auf die schweizerische Rechtsprechung, die den Käufer zu Recht als
den schutzwürdigeren Teil behandle und unbillige Auswirkungen vermeiden
lasse (vgl. insbesondere SCHMIDT, Die Falschlieferung beim Kauf, in Neue
Juristische Wochenschrift (NJW) 1962 S. 710 ff. mit weiteren Hinweisen
auf Kritik unter Anm. 10). Wegen solcher Auswirkungen wird die geltende
deutsche Praxis auch in der neueren Lehre als problematisch bezeichnet und
eine differenziertere Beurteilung befürwortet (WESTERMANN, N. 6 vor und
N. 73 ff. zu § 459 BGB). Nach der französischen Rechtsprechung und Lehre
wird heute die alternative Anwendung dagegen grundsätzlich als zulässig
angesehen (GHESTIN, Traité de droit civil, II S. 317 ff.; CAVIN, SPR VII/1
S. 117; GIGER, N. 63). Soweit im Schrifttum an der Ausschliesslichkeit
des Gewährleistungsrechts festgehalten wird, soll dieser Vorbehalt sich
auf Mängel in den Gebrauchseigenschaften körperlicher Sachen beschränken
(PLANIOL/RIPERT/ESMEIN, Traité pratique de droit civil français, Bd. 6
S. 221 f. N. 184).

    b) Sieht das Gesetz für gleiche Tatbestände mehrere Rechtsbehelfe mit
unterschiedlichen Rechtsfolgen vor, so sind seine Normen vermutungsweise
alternativ anwendbar, wenn ihre Auslegung nicht ergibt, dass die eine als
Sonderbestimmung den andern vorgeht. Die Kritik an der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung stützt sich vorweg auf diesen Auslegungsgrundsatz, weil die
Vorschriften des Kaufrechts im Verhältnis zu Art. 24 OR als lex specialis
zu betrachten und deshalb ausschliesslich anwendbar seien (VON TUHR/PETER,
OR Allg. Teil I S. 310 mit Zitaten unter Anm. 38a). Diese Annahme geht
indes, wie bereits in BGE 82 II 421 festgehalten worden ist, zum vornherein
fehl; sie verkennt, dass die hier wie dort streitigen Rechtsbehelfe auf
verschiedenem Rechtsgrund beruhen, die Anfechtung wegen Irrtums einen
Mangel in der Willensbildung und damit der Vertragsentstehung, der Anspruch
auf Gewährleistung dagegen Mängel in der Vertragserfüllung betrifft.

    Ähnlich verhält es sich mit den Einwänden, das Gewährleistungsrecht
ordne die Folgen von Sachmängeln abschliessend, weshalb für eine
wahlweise Anwendung der Vorschriften über den Irrtum kein Raum bleibe; das
ergebe sich auch daraus, dass es die Folgen einer arglistigen Täuschung
selbständig regle. Dem ist mit BGE 82 II 421/22 vorweg entgegenzuhalten,
dass die Tatbestände, die von den Vorschriften über den Irrtum einerseits
und vom Gewährleistungsrecht anderseits erfasst werden, sich nicht decken,
sondern einander überschneiden. Schon das spricht gegen eine abschliessende
Ordnung. Dazu kommt, dass der Käufer im Gewährleistungsrecht mit der
Prüfungs- und Rügepflicht und mit der kurzen Verjährung qualifizierte
Erfordernisse zu beachten hat, die seiner Berufung auf Irrtum nicht
entgegengehalten werden können. Das leuchtet auch der Sachen nach ein. Der
Käufer wird sich vernünftigerweise erst dann auf Irrtum berufen, wenn er
den besondern Erfordernissen des Gewährleistungsrechts nicht genügt und
seine Ansprüche aus dem Kaufrecht deswegen verloren hat (GIGER, N. 26
ff. und 64 der Vorbemerkungen zu Art. 197-210 OR). Die Vorbehalte des
Gewährleistungsrechts für Fälle absichtlicher Täuschung (Art. 198/99,
203 und 210 OR) sodann lassen sich schon deshalb nicht auf den einfachen
Irrtum übertragen, weil die Rechtsfolgen der beiden Willensmängel sich
deutlich voneinander unterscheiden (BGE 108 II 107 E. 2c).

    Durch das Gewährleistungsrecht wird der Käufer übrigens in
verschiedener Hinsicht auch begünstigt, da er insbesondere zwischen
Wandelung und Minderung wählen, im einen wie im andern Fall zudem
Schadenersatz verlangen kann und der Verkäufer zu beweisen hat, dass der
Käufer den Mangel schon zur Zeit des Vertragsschlusses gekannt habe. Die
formellen Erfordernisse sind daher bloss das Gegenstück zur materiellen
Begünstigung und damit die Rechtfertigung für die von der Irrtumsanfechtung
abweichende Ordnung. Auch das ist bereits in BGE 82 II 422 ff. eingehend
auseinandergesetzt worden. Nicht zu übersehen ist ferner, dass der
Anfechtung wegen Irrtums in Art. 25 und 26 OR ebenfalls Schranken gesetzt
sind, aber auch im Rahmen dieser Bestimmungen der Interessenabwägung
Rechnung getragen werden kann, die dem Gewährleistungsrecht zugrunde
liegt (KELLER/LÖRTSCHER, S. 103). Dagegen geht es schon nach dem Sinn
und Zweck dieser Schranken nicht an, bei Irrtum und Täuschung auf die
gleiche Interessenlage zu schliessen.

    Ein weiterer Vorwurf geht dahin, die bundesgerichtliche Rechtsprechung
entbehre der Folgerichtigkeit, wenn sie einerseits Ansprüche aus Art. 97
ff. und aus Art. 41 ff. neben solchen aus Gewährleistung nur unter
den Voraussetzungen der Art. 197 ff. OR zulasse, anderseits aber die
alternative Anfechtung wegen Irrtums nicht von diesen Voraussetzungen
abhängig mache (MERZ, FS Guhl S. 106 f.). Dass die Art. 197 ff. im
Verhältnis zu den Art. 97 ff. OR als Sonderbestimmungen anzusehen sind, den
allgemeinen folglich vorgehen, erhellt schon aus ihrer Einordnung. Beide
betreffen aber die Vertragserfüllung und beruhen letztlich auf dem gleichen
Rechtsgrund, weshalb es nahe liegt, Ansprüche aus den allgemeinen gleich
zu behandeln wie solche aus den besondern. Gegen diese Beschränkung der
allgemeinen Klage auf Erfüllung haben indes gerade Autoren, welche auf
Sachmängel ausschliesslich Gewährleistungsrecht angewendet wissen wollen,
beachtliche Gründe vorgebracht, so insbesondere CAVIN (SPR VII/1 S. 112),
der sich zudem dagegen wehrt, dass konkurrierende Deliktsansprüche den
formellen Schranken des Gewährleistungsrechts unterstellt werden (S. 113);
ob diesfalls an der Rechtsprechung festzuhalten sei, ist in BGE 90 II 88
E. 2 übrigens offengelassen worden. Der Einwand schliesslich, dass Art. 373
Abs. 2 OR gemäss BGE 109 II 335 als Sonderregel der allgemeinen Bestimmung
über den Irrtum vorgeht, ergibt entgegen F. SCHÖBI (Grundlagenirrtum neben
Gewährleistung?, in recht 1984 S. 134 ff.) keinen Widerspruch; denn damit
wird übersehen, dass die Sonderbestimmung nicht nur die Erfüllung, sondern
wie Art. 24 OR auch die Entstehung des Vertrages betrifft, insoweit
Inhalt und Rechtsgrund der beiden Ordnungen folglich identisch sind.

    c) Für die alternative Anwendbarkeit der Irrtumsvorschriften neben
dem Gewährleistungsrecht sprechen sodann praktische Überlegungen. Zu Recht
weist BUCHER (S. 181 f.) darauf hin, dass sich keine eindeutigen Kriterien
ermitteln lassen, wenn Sachmängel und Sacheigenschaften voneinander zu
unterscheiden sind, jene zwar Gewährleistungsansprüche begründen, nach
Auffassung der Kritiker aber keine Anfechtung wegen Irrtums zulassen,
und umgekehrt (vgl. auch OFTINGER, Bundesgerichtspraxis zum Allg. Teil OR,
S. 104). Besondere Schwierigkeiten ergeben sich z.B. bei Sachverhalten der
vorliegenden Art, weil in solchen Fällen in der Lehre auch die Auffassung
vertreten wird, die fehlende Echtheit eines Gemäldes stelle überhaupt
keinen Sachmangel, sondern bloss einen Willensmangel dar (BUCHER,
S. 182). Ähnlich verhält es sich bei Aktienkäufen, wenn streitig ist,
ob der Mangel die Kaufsache, den wirtschaftlichen Wert der Aktien oder
bloss den Bestand und Umfang der damit veräusserten Rechte betrifft (BGE
107 II 422; CAVIN, SPR VII/1 S. 118). Die Alternativität erleichtert daher
auch praktikable, dem Sinn und Zweck des Gesetzes angemessene Lösungen
(BGE 100 IV 255 E. 1c, 96 I 605 E. 4).

    Zu bedenken ist ferner, dass Bedeutung und Funktionen des einfachen
Kaufvertrages mit der technischen Entwicklung und der allgemeinen Tendenz
zum Massenvertrag sich gewandelt haben, weshalb der Käufer mehr denn
je als der schutzwürdigere Teil erscheint, wenn er schlecht bedient
worden ist (BÜHLER, Zur sogenannten Alternative Gewährleistung - Irrtum
im Kaufrecht, SJZ 74/1978 S. 1 ff.). Das spricht ebenfalls dafür, dem
Käufer, der die Sache nicht rechtzeitig geprüft oder die Klagefrist gemäss
Art. 210 OR verpasst hat, nicht auch noch die Berufung auf Willensmängel zu
versagen. Dazu gehört auch, dass die als Begründung für die kurzen Fristen
angeführten Verkehrsbedürfnisse in Wirklichkeit einseitig den Verkäufer
begünstigen und die Interessen des Käufers ausser acht lassen (SCHMIDT, NJW
S. 711 und 713). Schliesslich ist auch in diesem Zusammenhang zu beachten,
dass die Verschiedenheit der Interessenlage und deren Ursachen nicht gegen,
sondern für die wahlweise Zulassung der beiden Rechtsbehelfe sprechen.

    d) Aus diesen Erwägungen ist auch nach erneuter Überprüfung an der
bisherigen Rechtsprechung festzuhalten. Eine Änderung müsste sich zudem
auf sachliche und ernsthafte Gründe stützen können, zumal wenn es wie
hier um eine langjährige Praxis geht (BGE 111 Ia 162 E. 1a und 111 II 310
E. 2 mit Hinweisen). Diese ist zwar von einem Teil der Lehre beharrlich
kritisiert oder angezweifelt, von einem andern, ebenso gewichtigen Teil
aber von Anfang an begrüsst und bis in die neueste Zeit ausdrücklich
gebilligt worden. Das kann nur heissen, dass weder die eine noch die
andere Lehrmeinung sich bisher durchzusetzen vermochte, sich vielmehr für
beide gute Gründe anführen lassen. Unter diesen Umständen geht es auch aus
Überlegungen der Rechtssicherheit nicht an, eine ständige Rechtsprechung
leichthin aufzugeben, selbst wenn ihr angesichts der anhaltenden Kritik
möglicherweise nicht gewohnheitsrechtliche Geltung zuerkannt werden
kann. Wenn der Kaufvertrag sich wie hier auf eine Speziessache mit einer
bestimmten Eigenschaft bezieht, die angeblich fehlt, ist es dem Käufer
daher weiterhin nicht verwehrt, sich wahlweise auf die Vorschriften über
den Irrtum oder auf Gewährleistungsrecht zu berufen.

Erwägung 2

    2.- Ein wesentlicher Irrtum macht den Vertrag gemäss Art. 23 OR für
den Irrenden unverbindlich. Als wesentlich gilt namentlich der sogenannte
Grundlagenirrtum im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR. Auf einen solchen
kann ein Vertragsschliessender sich berufen, wenn er sich über einen
bestimmten Sachverhalt geirrt hat, den er als eine notwendige Grundlage
des Vertrages ansah und nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr auch
bei objektiver Betrachtungsweise als gegeben voraussetzen durfte (BGE 98
II 18 mit Hinweisen).

    a) Die Echtheit eines Kunstwerkes gehört bei solcher Betrachtungsweise
zur notwendigen Geschäftsgrundlage, weshalb sich eine falsche Vorstellung
darüber grundsätzlich nicht als blosser Irrtum im Beweggrund ausgeben
lässt (BGE 82 II 424 E. 7, 56 II 426/27, 52 II 145 ff.). Von besonderer
Bedeutung ist dabei, dass die Urheberschaft namentlich dann, wenn sie
einem berühmten Künstler zugeschrieben wird, auch den Wert des Werkes
beeinflusst, der Käufer den danach bestimmten Preis aber nicht bezahlt
hätte, wäre er von der Echtheit des Werkes nicht überzeugt gewesen (BGE 82
II 424 E. 7). Dass hier die Vorstellung, die streitige Zeichnung stamme aus
der Hand von Picasso, einen solchen Faktor darstellte, ist offensichtlich.

    Ob die falsche Vorstellung des Irrenden auch notwendige
Vertragsgrundlage seines Partners sein und dieser zudem erkennen müsse,
dass die Vorstellung für jenen eine unerlässliche Voraussetzung für den
Abschluss des Vertrages gewesen sei, wird in der Rechtsprechung und im
Schrifttum unterschiedlich beantwortet (statt vieler BGE 113 II 29 mit
Hinweisen; VON TUHR/PETER, S. 309/10; KELLER/SCHÖBI, Allgemeine Lehren
des Vertragsrechts, 3. Aufl. S. 168/69; GAUCH/SCHLUEP, N. 592 f.),
kann vorliegend jedoch offenbleiben; das eine wie das andere ergibt
sich hier schon daraus, dass der Verkäufer die Echtheit der Zeichnung
ausdrücklich zugesichert hat. Zu Recht sind daher schon die Vorinstanzen
davon ausgegangen, der Kläger habe sich bei Abschluss des Vertrages in
einem wesentlichen Irrtum befunden, sollte die Zeichnung sich als Fälschung
erweisen. Das ist auch die Meinung der Parteien im Berufungsverfahren.

    b) Gemäss Art. 31 OR hat der Irrende dem Vertragspartner innert
Jahresfrist seit Entdeckung des Willensmangels zu erklären, dass er den
Vertrag anfechte; andernfalls gilt dieser als genehmigt. Dass diese
Frist vorliegend gewahrt wurde, ist unbestritten. Offen ist dagegen,
ob die Berufung auf Irrtum einzig dieser zeitlichen Schranke unterliegt
oder allenfalls auch in dem Sinne absolut begrenzt ist, dass sie nach
Ablauf einer bestimmten Frist seit Vertragsschluss keine Rechtswirkungen
mehr zeitigt.

    Das schweizerische Recht kennt etwa im Gegensatz zum deutschen, das
die Anfechtung wegen Irrtums auf 30 Jahre seit Abgabe der mangelhaften
Willenserklärung begrenzt (§ 121 Abs. 2 BGB), in dieser Richtung keine
ausdrückliche zeitliche Beschränkung. Die herrschende Lehre schliesst
daraus, dass der Irrende einzig die relative Jahresfrist zu beachten hat
und sich grundsätzlich noch Jahrzehnte nach Abschluss des Vertrages auf
den Willensmangel berufen kann, sofern sein Zuwarten Treu und Glauben
nicht widerspricht (VON TUHR/PETER, S. 333 Anm. 22; GUHL/MERZ/KUMMER,
S. 126, BUCHER, S. 187; GILLARD, Scriptum CO partie générale, S. 388;
K. OGUZMAN, in SJZ 59/1963 S. 265 ff.). Einzelne Autoren halten dagegen
die allgemeine Verjährungsfrist von zehn Jahren für anwendbar (z.B. ENGEL,
S. 233) oder lassen die Frage offen (GAUCH/SCHLUEP, N. 689); dies ist
auch in BGE 101 II 210 geschehen.

    Die Meinung, ausser der Jahresfrist des Art. 31 OR bestehe noch
eine absolute zehnjährige Verwirkungsfrist, beruft sich auf VON TUHR
(ZSR NF 16/1897 S. 1 ff. und 17/1898 S. 1 ff., insbesondere S. 53
und S. 62). Dass dieser Autor neben der relativen Frist, die er für zu
lang bemessen hält, die analoge Anwendung einer zusätzlichen absoluten
befürworte, ist den zitierten Stellen indes nicht zu entnehmen. Das folgt
weder aus seiner Erörterung der deutschen Regelung (S. 53 Anm. 2) noch aus
seinen Ausführungen zum Rückforderungsanspruch, der nach der allgemeinen
Regel in zehn Jahren verjähre (S. 62). Rückforderung und Anfechtung sind
nämlich nicht das gleiche; nach dem Wortlaut des Art. 31 OR schliesst die
Rückforderung lediglich die Anfechtung ein. Diese ist aber auch für sich
allein denkbar, wo der Irrende noch nicht geleistet, folglich auch nichts
zurückzufordern hat. Ebensowenig hat VON TUHR die Irrtumsanfechtung in der
ersten Auflage seines Allgemeinen Teils des Obligationenrechts von 1924
(S. 275 Anm. 22) einer absoluten Frist unterstellen wollen.

    Die klare Unterscheidung, die der Gesetzgeber in Art. 31 OR einerseits
(bloss einjährige relative Frist) und in den Art. 60 und 67 anderseits
(zehnjährige absolute neben der einjährigen relativen Frist) getroffen hat,
lässt auf eine bewusst und gewollt abweichende Regelung schliessen. Dafür
spricht auch, dass die Jahresfrist des Art. 31 OR nicht als Verjährungs-,
sondern als Verwirkungsfrist zu qualifizieren ist (BGE 101 II 209;
OSER/SCHÖNENBERGER, N. 22 zu Art. 31 OR; BECKER, N. 5 zu Art. 31 OR).

    c) Geht die Möglichkeit des Irrenden, sich auf den Willensmangel
zu berufen, aber nicht durch Zeitablauf unter, so konnte der Kläger
den Vertrag auch noch im Herbst 1985, als das "Comité Picasso" ihm
seine Zweifel über die Echtheit der Zeichnung bestätigte, wegen Irrtums
anfechten. Eine andere Frage ist, ob sein Anspruch auf Rückerstattung des
Kaufpreises damals bereits verjährt gewesen sei, was noch zu prüfen ist.

Erwägung 3

    3.- Der Käufer kann den Preis nach den Bestimmungen über die
ungerechtfertigte Bereicherung zurückverlangen, wenn der Vertrag sich für
ihn wegen Irrtums als unverbindlich erweist (BGE 102 II 99 E. 1). Sein
Anspruch verjährt gemäss Art. 67 Abs. 1 OR mit Ablauf eines Jahres seit
Kenntnis davon, jedenfalls aber mit Ablauf von zehn Jahren seit seiner
Entstehung, wobei für den Lauf dieser Frist nicht von Bedeutung ist, wann
der Irrende von seinem Anspruch Kenntnis erhalten hat (BGE 64 II 134 E. 2).

    a) Es ist unbestritten, dass der Kläger die relative Verjährungsfrist
von einem Jahr rechtzeitig unterbrochen hat. Streitig ist dagegen, ob die
absolute Verjährung eingetreten ist. Die Antwort hängt davon ab, ob für
die Entstehung des Rückforderungsanspruchs und damit für den Beginn der
zehnjährigen Verjährungsfrist der Zeitpunkt der Leistung oder der Zeitpunkt
der Anfechtung massgebend ist. Dabei fragt sich, ob der Anspruch eine
Nichtschuld oder eine Leistung aus nachträglich weggefallenem Rechtsgrund
betrifft, weil im ersten Fall die absolute Verjährungsfrist mit dem
Zeitpunkt der Leistung, im zweiten aber mit dem Wegfall des Rechtsgrundes
zu laufen beginnt (VON TUHR/PETER, S. 518; OSER/SCHÖNENBERGER, N. 2
zu Art. 67 OR; ENGEL, S. 407; KELLER/SCHAUFELBERGER, Ungerechtfertigte
Bereicherung, S. 97).

    Das Bundesgericht hat die Frage bisher nicht einheitlich
beantwortet. In den Entscheiden 64 II 135 E. 2 und 92 II 179 E. 6c,
wo es um Rückforderungen wegen Unverbindlichkeit von Verträgen ging,
vertrat es die Auffassung, es liege Bezahlung einer Nichtschuld vor. In
den Entscheiden 87 II 139 E. 7 und 109 II 327 E. 4c sprach es hingegen
von einer Leistung aus nachträglich weggefallenem Grund, obschon
auch diesen Fällen Tatbestände von Willensmängeln zugrunde lagen. Die
verjährungsrechtlichen Folgen, die sich aus dem Unterschied der beiden
Bereicherungsansprüche ergeben, standen allerdings weder im einen noch
im andern Fall im Vordergrund.

    b) In der Lehre werden über die Wirkungen eines Vertrages, bei dessen
Abschluss sich eine Partei in einem wesentlichen Irrtum befunden hat,
verschiedene Auffassungen vertreten. Nach der Ungültigkeitstheorie ist
der Vertrag von Anfang an ungültig, entfaltet folglich überhaupt keine
Wirkungen; solche entstehen nur, wenn das Rechtsgeschäft nachträglich
vom Irrenden ausdrücklich oder durch konkludentes Verhalten genehmigt
wird (GAUCH/SCHLUEP, N. 673 ff. mit Hinweisen; ENGEL, S. 232/33). Der
Vertrag ist somit suspensiv bedingt. Nach der Anfechtungstheorie gilt
er hingegen vorerst als gültig, kann aber vom Irrenden durch Berufung
auf den Willensmangel aufgelöst werden, weshalb er als resolutiv bedingt
erscheint. Diese Auffassung soll zur Zeit in der schweizerischen Lehre
vorherrschen (GAUCH/SCHLUEP, N. 681 mit Hinweisen). Nach einer dritten
Theorie schliesslich, die von einer geteilten Ungültigkeit ausgeht, ist der
Vertrag für die betroffene Partei von Anfang an ungültig, für die andere
dagegen gültig, für jene also suspensiv, für diese resolutiv bedingt
(VON TUHR/PETER, S. 338, insbesondere unter Anm. 37a). Unterschiedlich
wird nach diesen Theorien auch der Bereicherungsanspruch qualifiziert,
der sich ergibt, wenn der Irrende den Vertrag mit Erfolg anficht. Nach
der Ungültigkeitstheorie betrifft der Anspruch eine Nichtschuld, weshalb
die absolute Verjährung mit der Leistung zu laufen beginnt; nach der
Anfechtungstheorie dagegen erweist er sich als Leistung aus nachträglich
weggefallenem Grund mit Beginn der absoluten Verjährungsfrist im Zeitpunkt
der Anfechtung, während er nach der geteilten Ungültigkeitstheorie für den
Irrenden als Leistung einer Nichtschuld, für den Vertragspartner aber als
Leistung aus nachträglich weggefallenem Grund erscheint (GAUCH/SCHLUEP, N.
1106; OSER/SCHÖNENBERGER, N. 12 zu Art. 62 OR; BUCHER, S. 693 Anm. 162;
VON TUHR/PETER, S. 338 Anm. 37a).

    Den Grundgedanken und den Zielen, die sich aus der Entstehung des
Gesetzes ergeben, entspricht indes nur die Ungültigkeit des Vertrages,
sei diese Wirkung nun als ein- oder zweiseitig anzusehen, bevor der
Irrende sich auf den Mangel beruft. Dies hat namentlich GAUCH in einer
rechtshistorischen Studie (Vertrag und Parteiwille, in 100 Jahre OR S. 343
ff.) überzeugend dargetan. Der Versuch, die einseitige Unverbindlichkeit
durch eine eigentliche Anfechtbarkeit ("annulabilité") des Vertrages
zu ersetzen, wurde in den Vorarbeiten ausdrücklich abgelehnt. Das
schweizerische Recht sollte sich dadurch nicht nur klar vom deutschen
unterscheiden, das auf dem Grundsatz der Anfechtbarkeit beruht, sondern
Ungewissheiten einer verwirrenden Terminologie vorbeugen und die Anwendung
des Gesetzes erleichtern (GAUCH/SCHLUEP, N. 682; OSER/SCHÖNENBERGER,
N. 1 ff. zu Art. 31 OR; VON TUHR, ZSR NF 17/1898 S. 44 ff.). Die an diesem
historischen Verständnis insbesondere von PIOTET (in ZBJV 121/1985 S. 148
ff.) geübte Kritik vermag demgegenüber nicht zu überzeugen. Ist aber
von der Ungültigkeit des Vertrages auszugehen, so ist die Bereicherung
in Fällen wie hier in der Bezahlung eines nichtgeschuldeten Kaufpreises
zu erblicken, weshalb die absolute Verjährung mit der Leistung zu laufen
beginnt.

    Diese verjährungsrechtliche Folge ergibt sich übrigens auch aus
der Anfechtungstheorie, nehmen deren Vertreter doch an, der Vertrag
werde diesfalls ex tunc aufgehoben, folglich von Anfang an unwirksam
(GAUCH/SCHLUEP, N. 680; BUCHER S. 639 Anm. 162; GILLARD, S. 386). Das
deutsche Recht sieht diese Rückwirkung denn auch ausdrücklich vor
(§ 142 Abs. 1 BGB), und die deutsche Lehre scheint nun ebenfalls
mehrheitlich der Meinung zu sein, die Bereicherung lasse sich deshalb
nicht als Leistung aus nachträglich weggefallenem Grund ausgeben
(STAUDINGER/LORENZ, 12. Aufl. N. 87 zu § 812 BGB mit Zitaten; SCHMIDT,
NJW 1962 S. 713). Entscheidend ist somit nicht, ob von Anfang an
beidseitige Ungültigkeit anzunehmen sei, sondern dass die Nichtigkeit des
Rechtsgeschäftes so oder anders auf dessen Abschluss zurückzubeziehen
ist, wenn der Vertrag erfolgreich wegen Irrtums angefochten wird. Dem
entspricht auch die positivrechtliche Regelung in § 200 BGB.

    c) Bei diesem Auslegungsergebnis hat vorliegend die absolute
Verjährungsfrist von zehn Jahren im Oktober 1974, als der Kläger
den Kaufpreis bezahlt hat, zu laufen begonnen und ist im Oktober 1984
abgelaufen; der Bereicherungsanspruch war somit bereits verjährt, bevor
der Kläger sich im Herbst 1985 auf Irrtum berufen hat. Das angefochtene
Urteil ist daher zu bestätigen.