Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 III 98



114 III 98

28. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 5.
Juli 1988 i.S. Bank A. (Rekurs) Regeste

    Art. 132 Abs. 1 SchKG; Bestimmung des Verwertungsverfahrens.

    Wird die kantonale Aufsichtsbehörde ersucht, das Verwertungsverfahren
nach Art. 132 SchKG zu bestimmen, so hat sie sich auf diese Frage
zu beschränken. Über die Verteilung eines allfälligen Erlöses und die
Berücksichtigung bestimmter Gläubiger und Pfändungsgruppen hat sie nichts
zu bestimmen.

Sachverhalt

    A.- Gegen F. laufen mehrere Betreibungsverfahren. Am 26.  Januar 1988
pfändete das Betreibungsamt Flawil für die Pfändungsgruppe Nr. 1258
u.a. den Eigentumsanteil des Schuldners an einer unverteilten Erbschaft,
namentlich den Anteil an der darin befindlichen Liegenschaft.

    Nachdem drei Gläubiger der Pfändungsgruppe Nr. 1258 das
Verwertungsbegehren gestellt hatten, gelangte das Betreibungsamt am
16. März 1988 an das Gerichtspräsidium Untertoggenburg als untere kantonale
Aufsichtsbehörde mit dem Begehren, das Verwertungsverfahren zu bestimmen.

    Die untere kantonale Aufsichtsbehörde forderte die Gläubiger
und Miterben unter Hinweis auf Art. 9 ff. VVAG, wonach zunächst eine
gütliche Einigung zu suchen sei, zur Stellungnahme über das weitere
Vorgehen auf. Die Bank A. sowie eine weitere Gläubigerin teilten der
Aufsichtsbehörde ihre Vorstellungen mit, während der Schuldner die
Aufsichtsbehörde aufforderte, zunächst eigene Vorschläge vorzulegen.

    Am 11. April 1988 entschied die untere Aufsichtsbehörde, von einer
Verwertung des gepfändeten Miteigentumsanteils sei abzusehen.

    B.- Die Bank A. erhob Beschwerde an die Aufsichtsbehörde des Kantons
St. Gallen. (...)

    Mit Entscheid vom 31. Mai 1988 erwog die kantonale Aufsichtsbehörde
u.a., dass die Gläubiger der Pfändungsgruppen Nr. 1190 und Nr. 1183 am
Pfändungssubstrat ebenfalls teilhaben müssten, da der Schuldner seinen
Erbanteil bei deren Pfändungen pflichtwidrig nicht angegeben habe. Sie
hiess die Beschwerde teilweise gut und wies die untere Aufsichtsbehörde
an, das Verwertungsverfahren bezüglich des gepfändeten Erbanteils für
die Gläubiger der Gruppen Nr. 1258, Nr. 1190 und Nr. 1183 im Sinne der
Erwägungen durchzuführen.

    C.- Gegen diesen Entscheid hat die Bank A. Rekurs an die
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts erhoben. Sie
erneuert die vor der kantonalen Aufsichtsbehörde gestellten Begehren,
wonach im Ergebnis festzustellen sei, dass ein allfälliger Erlös aus der
Verwertung des gepfändeten Erbanteils allein ihr zukomme.

    Vernehmlassungen sind nicht eingeholt worden.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Gegenstand der Beschwerde an die kantonale Aufsichtsbehörde
bildete ein Entscheid der unteren Aufsichtsbehörde über die Bestimmung
des Verwertungsverfahrens nach Art. 132 SchKG.

    a) Die untere Aufsichtsbehörde hat zu Recht nicht entschieden, ob die
früheren Pfändungsgruppen Nr. 1183 und Nr. 1190 bei der Verwertung des
fraglichen Erbanteils zu berücksichtigen seien oder nicht. Hierzu wäre sie
offensichtlich unzuständig gewesen. Sie hatte entsprechend dem Ersuchen
des Betreibungsamtes nur zu bestimmen, welches Verwertungsverfahren
einzuschlagen sei, hingegen nicht, wie ein allfälliger Erlös zu verteilen
sei. Dementsprechend war aber auch die kantonale Aufsichtsbehörde nur
dazu berufen, das Verwertungsverfahren zu bestimmen. Die weitergehenden
Anträge der Rekurrentin standen ausserhalb des Verfahrens und waren
daher unzulässig.

    b) Der Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde über die Beteiligung
der früheren Pfändungsgruppen verkennt nicht nur die Tragweite des
vorliegenden Beschwerdeverfahrens. Er ist auch inhaltlich unrichtig. Die
Anweisung, das Verwertungsverfahren bezüglich des gepfändeten Erbanteils
für alle drei Pfändungsgruppen gleichberechtigt durchzuführen, läuft
für die früheren Pfändungsgruppen Nr. 1183 und 1190 nämlich auf eine
automatische Anschlusspfändung hinaus. Dies ist im Gesetz jedoch nirgends
vorgesehen.

    c) Aus dem Hinweis auf die Lehre (AMONN, Grundriss des
Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, N 19 zu § 25; vgl. ferner
FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht,
Anm. 17 zu § 32), wonach eine Nachpfändung auch dann angezeigt sei, wenn
das Pfändungsgut der Pfändung widerrechtlich entzogen worden sei, vermag
die kantonale Aufsichtsbehörde nichts für ihren Standpunkt abzuleiten. Eine
Nachpfändung setzt ein aktives Handeln des Betreibungsamtes voraus.
Nur wenn das Betreibungsamt tatsächlich eine Nachpfändung vornimmt, können
die Gläubiger der entsprechenden Pfändungsgruppen vom nachgepfändeten
Pfändungssubstrat profitieren. Hieran mangelt es im vorliegenden Fall.

    Art. 110 Abs. 1 SchKG lässt ergänzende Pfändungen von Amtes wegen zudem
nur während oder unmittelbar nach Ablauf der - hier längst verstrichenen
- Anschlussfrist zu (BGE 83 III 134 unten). Eine Nachpfändung von Amtes
wegen im Sinne von Art. 145 SchKG kann anderseits bloss erfolgen, wenn
der Erlös den Betrag der Forderungen nicht deckt, setzt also voraus, dass
die Verwertung der gepfändeten Sachen bereits stattgefunden hat (BGE 83
III 135; 70 III 46; 63 III 145). Dies trifft hier offensichtlich nicht zu.

    d) Im übrigen behält Art. 145 SchKG ausdrücklich die Rechte der
inzwischen erfolgten Pfändungen vor. Die Auffassung der kantonalen
Aufsichtsbehörde, wonach der Erlös allen drei Pfändungsgruppen
gleichberechtigt zugute kommen solle, ist auch unter diesem Gesichtspunkt
unzutreffend.

Erwägung 2

    2.- Die Rekurrentin beantragt weiter, es sei festzustellen, dass die
übrigen Gläubiger der Pfändungsgruppe Nr. 1258 am allfälligen Ergebnis
aus der Liquidation des Erbteils nicht teilhätten.

    Auch dieser Antrag geht über den Gegenstand des vorliegenden
Beschwerdeverfahrens hinaus. Er ist zudem unbegründet. Die Rekurrentin
beruft sich zu Unrecht auf FRITZSCHE/WALDER (N 20 zu § 32): Die
betreffende Literaturstelle bezieht sich nicht auf den vorliegenden Fall,
sondern auf den Kollokationsprozess. Die von der Rekurrentin zitierten
bundesgerichtlichen Entscheide belegen ferner, dass eine allfällige
Abänderung oder Aufhebung einer betreibungsrechtlichen Massnahme
auf dem Beschwerdeweg gerade für alle Beteiligten, nicht nur für den
Beschwerdeführer, wirksam ist. Wie das Bundesgericht ausgeführt hat, kann
ein und dieselbe Pfändung nicht zugunsten des einen Gruppengläubigers
aufgehoben oder geändert werden und für die anderen Gruppengläubiger
unverändert Bestand haben. Die Schwierigkeiten einer derart doppelspurigen
Weiterführung des Verfahrens liessen eine solche Lösung auch dort als
unerwünscht erscheinen, wo sie nicht geradezu unmöglich wäre (BGE 70
III 48; 64 III 136). Die Rekurrentin weist keine Gründe nach, die eine
Änderung dieser Rechtsprechung nahelegen könnten.