Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 III 78



114 III 78

24. Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 9. August 1988
i.S. K. (Rekurs) Regeste

    Pfändung des der Ehefrau nach Art. 164 ZGB zustehenden Betrages zur
freien Verfügung.

    Der Ehemann ist nicht legitimiert, in eigenem Namen die Pfändung des
Anspruchs seiner Ehefrau nach Art. 164 ZGB anzufechten (E. 1).

    Der Beitrag gemäss Art. 164 ZGB stellt nicht einen Lohn für den
haushaltführenden und kinderbetreuenden Ehegatten dar. Er soll vielmehr
demjenigen Ehegatten, der auf ein eigenes Erwerbseinkommen verzichtet,
ermöglichen, seine erweiterten persönlichen Bedürfnisse im gleichen
Rahmen zu befriedigen wie sein Ehepartner. Dieser Anspruch ist zwingender
Natur. Es kann auf ihn nicht zum voraus verzichtet werden. Hingegen ist ein
Verzicht auf die einzelne konkrete Leistung, wenn sie bereits entstanden
ist, zulässig. Der Anspruch aus Art. 164 ZGB als solcher ist denn auch
nicht pfändbar, wohl aber die einzelne Leistung, sofern der Pfändung eine
Schuld zugrunde liegt, die mit den erweiterten persönlichen Bedürfnissen
des Ehegatten zusammenhängt. Dazu gehören voreheliche Schulden nicht
(E. 2 und 3).

Sachverhalt

    A.- Die Schweizerische Eidgenossenschaft und der Kanton Aargau,
vertreten durch das kantonale Steueramt, leiteten gegen G. K. beim
Betreibungsamt X. die Betreibung Nr. 3615 ein. Das Betreibungsamt
pfändete daraufhin am 6. Januar 1988 den G. K. als haushaltführender
Ehefrau gemäss Art. 164 ZGB zustehenden Betrag zur freien Verfügung in
der Höhe von Fr. 30.-- als bestrittene Forderung.

    Der Ehemann der Schuldnerin focht diese Pfändung mit einer Beschwerde
bei der unteren kantonalen Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und
Konkurssachen an, wobei er verlangte, die Pfändung sei als unrechtmässig
aufzuheben. Der Bezirksgerichtspräsident wies die Beschwerde mit
Entscheid vom 7. April 1988 ab. Diesen Entscheid zog der Ehemann an die
Schuldbetreibungs- und Konkurskommission des Obergerichts des Kantons
Aargau weiter. Das Obergericht erkannte am 9. Juni 1988, der Entscheid
der ersten Instanz sei insofern abzuändern, als auf die Beschwerde nicht
eingetreten werde, und auch auf die vorliegende Beschwerde sei nicht
einzutreten.

    Die Eheleute K. führen Rekurs an die Schuldbetreibungs- und
Konkurskammer des Bundesgerichts und beantragen sinngemäss die Aufhebung
des Entscheids des Obergerichts.

    Das Bundesgericht tritt auf den Rekurs nicht ein mit folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die kantonale Aufsichtsbehörde hat den Ehemann der Schuldnerin
als an der Betreibung Nr. 3615 nicht beteiligten Dritten betrachtet, da
ihm am gepfändeten Rechtsanspruch der Schuldnerin gemäss Art. 164 ZGB
kein eigenes Recht zustehe, das er im Rahmen einer betreibungsrechtlichen
Beschwerde geltend machen könnte. Er könne auch nicht als gesetzlicher
Vertreter seiner Ehefrau handeln. Die Pfändung des Anspruchs nach Art. 164
ZGB berühre nur die Rechtsstellung der Ehefrau und greife nicht in die
Interessen des Ehemannes ein. Die Vorinstanz sprach daher dem Ehemann
die Beschwerdelegitimation ab und trat dementsprechend auf die Beschwerde
nicht ein.

    Die vorliegende Rekursschrift hat nun neben dem Ehemann auch die
betriebene Schuldnerin G. K. unterzeichnet. Nachdem sie aber in den
Verfahren vor den beiden kantonalen Instanzen nicht Partei war, kann sie
vor Bundesgericht nicht als Rekurrentin auftreten. Dazu kommt, dass im
Rekurs in keiner Weise dargelegt wird, inwiefern der vorinstanzliche
Entscheid gegen Bundesrecht verstosse, weil auf die Beschwerde
nicht eingetreten wurde. Mit der Bemerkung des Rekurrenten, seine
Beschwerdelegitimation leite sich aus seiner ehelichen Beistandspflicht
ab, lässt sich auf jeden Fall ein selbständiges rechtliches Interesse
des Ehemannes nicht begründen. Die Rekursschrift vermag daher den
Anforderungen, welche Art. 79 Abs. 1 OG an die Begründung des Rekurses
stellt, nicht zu genügen.

Erwägung 2

    2.- Unter diesen Umständen bleibt allein zu prüfen, ob die Pfändung des
Anspruchs der Ehefrau nach Art. 164 ZGB im Umfang von Fr. 30.-- nichtig
sei, weil dieser Betrag im Sinne von Art. 93 SchKG als unpfändbar gelte
und damit von Amtes wegen aufzuheben sei.

    Die Überlegungen, welche die kantonale Aufsichtsbehörde im Zusammenhang
mit dem Anspruch der haushaltführenden Ehefrau nach Art. 164 ZGB anstellt
und welche die Pfändbarkeit dieses Anspruchs rechtfertigen sollen, rufen
allerdings erheblichen Bedenken. Die Vorinstanz vergleicht nämlich den
Anspruch im Sinne von Art. 164 ZGB mit dem der Ehefrau für ihre über
die Beistandspflicht hinausgehende Mithilfe im Beruf oder Gewerbe des
Ehemannes im alten Recht zustehenden Lohnanspruch (Art. 161 Abs. 2 und
3 aZGB in Verbindung mit Art. 320 Abs. 2 OR) und gelangt zum Schluss,
dass ein solcher Lohnanteil pfändbar sein müsse. Dabei übersieht die
Vorinstanz jedoch, dass ein solcher Lohnanspruch unter Art. 165 Abs. 1
ZGB fällt, der dem im Beruf oder Gewerbe des andern mitarbeitenden
Ehegatten eine angemessene Entschädigung zuspricht, die mit dem in
Art. 164 ZGB vorgesehenen Betrag zur freien Verfügung nicht vergleichbar
ist (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Kommentar zum Eherecht, N. 10 zu Art. 164
ZGB; HEGNAUER, Grundriss des Eherechts, 2. Aufl., Rz. 16.47). Art. 164
ist neu in das Zivilgesetzbuch aufgenommen worden. Er hat nicht die
Entschädigung der haushaltsinternen Tätigkeit eines Ehegatten als
solcher zum Gegenstand. Von einem Lohn als Arbeitsentgelt für den
haushaltführenden und kinderbetreuenden Ehegatten kann nicht die Rede
sein. Er wäre auch nicht gerechtfertigt, stellt doch die Haushaltführung
und Kinderbetreuung gleicherweise einen Beitrag an den ehelichen Unterhalt
dar wie die Hingabe von Geldmitteln. Diese bleiben seitens der ehelichen
Gemeinschaft selbstverständlich auch ohne Entgelt. Daran ändert sich auch
nichts, wenn neben oder anstelle der Haushaltführung und Kinderbetreuung
auch noch eine Mithilfe im Beruf oder Gewerbe des andern Ehegatten
in Frage steht. Denn diese Mithilfe im Beruf oder Gewerbe des andern
Ehegatten wird im Rahmen von Art. 164 ZGB nur insoweit erfasst, als sie
einen indirekten Beitrag an die ehelichen Lasten darstellt. Darüber lässt
Art. 165 Abs. 1 ZGB keinen Zweifel. Die Mithilfe im Beruf oder Gewerbe des
andern Ehegatten fällt somit im Rahmen von Art. 164 ZGB ausser Betracht,
wenn der mitarbeitende Ehegatte selber wirtschaftlichen Nutzen aus ihr
zieht (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, N. 32 f. zu Art. 163 ZGB).

    Umgekehrt soll Art. 164 ZGB die Stellung jenes Ehegatten
verbessern, der auf eine eigene Erwerbstätigkeit verzichtet, um sich
der Haushaltführung und Kinderbetreuung zu widmen oder um im Beruf oder
Gewerbe des andern einen Unterhaltsbeitrag zu leisten. Der Verzicht auf
eigenes Erwerbseinkommen soll nicht dazu führen, dass der eine Ehegatte im
erweiterten Rahmen des ehelichen Unterhalts weniger persönliche Bedürfnisse
zu befriedigen vermag als sein Ehepartner. Der Anspruch gemäss Art. 164 ZGB
dient somit der Sicherung einer gewissen materiellen Gleichstellung der
Ehegatten und ist insoweit auch zweckgebunden (Botschaft des Bundesrates
vom 11. Juni 1979, Ziff. 214.2). Dementsprechend ist dieser Anspruch auch
zwingender Natur, so dass auf ihn nicht zum voraus verzichtet werden
kann. Hingegen ist ein Verzicht auf eine einzelne konkrete Leistung,
sofern sie bereits entstanden ist, möglich.

    Zweckgebundenheit und teilweise Unverzichtbarkeit des Anspruchs
nach Art. 164 ZGB wirken sich auch auf dessen Pfändbarkeit aus
(HAUSHEER/REUSSER/GEISER, N. 32 und 37 zu Art. 164 ZGB). Ein
unverzichtbarer Anspruch kann nicht als solcher pfändbar sein, während die
Pfändbarkeit der einzelnen Leistung grundsätzlich nicht auszuschliessen
ist, wenn der Pfändung eine Schuld zugrunde liegt, die im Rahmen einer
zweckgemässen Verwendung des Betrages gemäss Art. 164 ZGB bleibt,
d.h. wenn sie in irgendeiner Form der Befriedigung der erweiterten
persönlichen Bedürfnisse des Ehegatten dient. Diesen Zweck erfüllt aber
die Tilgung vorehelicher Schulden des anspruchsberechtigten Ehegatten nicht
(HAUSHEER/REUSSER/GEISER, N. 37 zu Art. 164 ZGB).

Erwägung 3

    3.- Aus dem Dargelegten ergibt sich, dass die in der Rekursschrift
erhobene Rüge, die angefochtene Pfändung sei zur Tilgung vorehelicher
Schulden der Ehefrau vorgenommen worden, grundsätzlich begründet ist,
sofern die tatsächlichen Voraussetzungen gegeben sind. Doch muss diese
Rüge im vorliegenden Fall unbeachtlich bleiben, weil hier nur geprüft
werden kann, ob die Vorinstanz die in Art. 93 SchKG für die Pfändung
vorgeschriebene Schranke missachtet habe. Die Pfändung wäre nämlich
nichtig, wenn dadurch in das Existenzminimum der Schuldnerin eingegriffen
würde (anderer Meinung HEGNAUER, aaO, Rz. 16.47). Die Beschränkung der
Pfändbarkeit nach Art. 93 SchKG wird allerdings im Zusammenhang mit
dem Anspruch nach Art. 164 ZGB kaum je von Bedeutung sein, weil dieser
Anspruch in der Regel nur konkretisiert werden kann, wenn das Einkommen
der Ehegatten ihr Existenzminimum übersteigt (HAUSHEER/REUSSER/GEISER,
N. 37 zu Art. 164 ZGB).

    Im vorliegenden Fall ist nun aber in keiner Weise dargetan, dass der
im Rahmen von Art. 163 ZGB der betriebenen Ehefrau zukommende eheliche
Unterhalt ihr Existenzminimum nicht zu decken vermöchte, so dass ein
Anspruch nach Art. 164 ZGB gar nicht erst entstehen könnte. In der
Rekursschrift wird sogar zugegeben, dass die Ehegatten K. - wenn auch
nur knapp - über dem Existenzminimum leben. Unter diesen Umständen ist
die Pfändung keinesfalls nichtig und damit auch nicht von Amtes wegen
aufzuheben. Es hat daher dabei zu bleiben, dass auf den Rekurs nicht
eingetreten werden kann.