Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 III 71



114 III 71

22. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 19. Oktober 1988 i.S.
Betriebliche Altersvorsorgeeinrichtung Wirte gegen Seerestaurant Zürich
AG und Obergericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Provisorische Rechtsöffnung; Begriff der durch Unterschrift
bekräftigten Schuldanerkennung (Art. 82 Abs. 1 SchKG).

    Die anerkannte Schuld muss in der vom Schuldner unterzeichneten
Urkunde nicht notwendigerweise ziffernmässig bestimmt sein; es genügt,
dass sie leicht bestimmbar ist. Es ist daher willkürlich, die provisorische
Rechtsöffnung für die Beitragsforderung einer Personalvorsorgeeinrichtung
zu verweigern, wenn deren Höhe in der vom Beitragsschuldner unterzeichneten
Anschlussvereinbarung von der gesetzlich vorgesehenen periodischen
Anpassung des koordinierten Lohnes an die AHV-Gesetzgebung abhängig
gemacht wird.

Sachverhalt

    A.- Die Seerestaurant Mythenquai AG ist der Betrieblichen
Altersvorsorgeeinrichtung Wirte (BAV Wirte) angeschlossen. In
der Anschlussvereinbarung vom 13. November 1985 hatte sie sich
unterschriftlich verpflichtet, dieser die reglementarisch geforderten
Beiträge zu leisten. Mit Gesuchen vom 8. und 9. Februar 1988 ersuchte die
BAV Wirte beim Einzelrichter im summarischen Verfahren am Bezirksgericht
Zürich für ihre Beitragsforderungen aus dem 4. Quartal 1986 und aus
dem 1. Quartal 1987 im Betrag von Fr. 13'971.90 bzw. Fr. 15'197.20 um
Erteilung der provisorischen Rechtsöffnung. Als Rechtsöffnungstitel legte
sie die Anschlussvereinbarung und die von der Schuldnerin unterzeichneten
Lohnlisten vor. Mit Verfügungen vom 2. März 1988 wies der Einzelrichter die
Rechtsöffnungsgesuche ab. Eine dagegen eingereichte Nichtigkeitsbeschwerde
wurde vom Obergericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 27. Mai 1988
abgewiesen. Gegen diesen Entscheid hat die BAV Wirte beim Bundesgericht
staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV erhoben.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Der Einzelrichter hatte die Abweisung der beiden
Rechtsöffnungsbegehren damit begründet, dass sich die Berechnungsgrundlagen
der Beitragsforderungen, auf welche in der Anschlussvereinbarung verwiesen
werde, seit deren Unterzeichnung durch Änderung von Art. 5 der Verordnung
über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom
18. April 1984 (BVV 2; SR 831.441.1) offenbar geändert hätten und dass
diese Grundlagen nicht mehr als von der Beschwerdegegnerin unterschriftlich
anerkannt gelten könnten. Das Obergericht hat darin keinen Verstoss
gegen klares Recht erblickt.

    Nach Art. 82 Abs. 1 SchKG kann die provisorische Rechtsöffnung
unter anderem dann verlangt werden, wenn die Forderung auf einer
durch Unterschrift bekräftigten Schuldanerkennung beruht. In der
dem Rechtsöffnungsrichter vorgelegten Anschlussvereinbarung vom 13.
November 1985 hatte sich die Beschwerdegegnerin unterschriftlich
verpflichtet, alle gemäss Bundesgesetz über die berufliche Vorsorge (BVG)
und Landes-Gesamtarbeitsvertrag versicherungspflichtigen Arbeitnehmer
bei der Beschwerdeführerin zu versichern und dafür die reglementarisch
geforderten Beiträge zu leisten. Sie hatte ferner erklärt, von dem auf der
Rückseite des Formulars abgedruckten Reglementsauszug Kenntnis genommen
und ihn in dieser Form akzeptiert zu haben. Im Reglementsauszug werden
die von den angeschlossenen Betrieben zu leistenden Beiträge in Prozenten
des koordinierten Lohns der zu versichernden Arbeitnehmer festgesetzt. Der
koordinierte Lohn wird als AHV-Bruttolohn abzüglich Fr. 1'380.-- monatlich,
höchstens aber Fr. 2'760.-- und mindestens Fr. 172.50 monatlich definiert,
wobei ausdrücklich beigefügt wird, diese Lohngrenzen würden jeweils den
Änderungen im BVG angepasst. Eine solche Änderung erfolgte mit Wirkung
auf den 1. Januar 1986 durch die Verordnung 86 über die Anpassung der
Grenzbeträge bei der beruflichen Vorsorge vom 11. September 1985 (AS 1985
S. 1345).

    Das Obergericht hat im angefochtenen Entscheid zu Recht darauf
hingewiesen, dass sich eine Schuldanerkennung auch aus einer Gesamtheit von
Urkunden ergeben kann, sofern die notwendigen Elemente daraus hervorgehen,
und dass die anerkannte Schuld in der vom Schuldner unterzeichneten
Urkunde nicht notwendigerweise ziffernmässig bestimmt sein muss, sondern
dass es genügt, dass die Schuldsumme leicht bestimmbar ist (BGE 106 III
99 E. 3). Diese Voraussetzung ist hier aber entgegen der Auffassung der
kantonalen Instanzen klarerweise erfüllt. Die Beschwerdegegnerin hat nicht
nur die Anschlussvereinbarung unterzeichnet, sondern auch die Lohnlisten
für die beiden Quartale, für welche die Versicherungsbeiträge verlangt
werden. Da die Anschlussvereinbarung auch die Beitragssätze enthält,
lässt sich der Schuldbetrag aus der Gesamtheit dieser Urkunden ohne
weiteres bestimmen. Fragen kann sich nur, ob die anerkannte Schuld allein
wegen der inzwischen erfolgten Anpassung der Vorschriften betreffend
den koordinierten Lohn, von welchem bei der Berechnung der Beiträge
auszugehen ist, nicht mehr als leicht bestimmbar gelten kann. Diese Frage
ist jedoch ohne Zweifel zu verneinen. Der Begriff des koordinierten Lohns,
der in Art. 8 BVG umschrieben wird, ist für die berufliche Vorsorge von
grundlegender Bedeutung und ist jedem in diesem Bereich Tätigen bekannt,
namentlich auch den Arbeitgebern, die ihre Arbeitnehmer für diesen
Teil des Lohns versichern müssen. Ebenso allgemein bekannt ist, dass
die obere und die untere Grenze des koordinierten Lohns vom Bundesrat
periodisch den Änderungen der AHV-Gesetzgebung angepasst werden, wie
dies hier der Fall war (Art. 9 BVG). Es ist nicht einzusehen, weshalb
eine derartige auf Gesetz beruhende Änderung der Berechnungsgrundlagen
vom Beitragsschuldner unter dem Gesichtspunkt von Art. 82 Abs. 1 SchKG
nicht zum voraus sollte anerkannt werden können. Es kann hier nichts
anderes gelten als bei Schuldverpflichtungen, die mit einer Indexklausel
versehen sind. Für solche Schuldverpflichtungen wird in der Praxis ständig
Rechtsöffnung erteilt, auch wenn deren endgültige Höhe im Zeitpunkt der
Unterzeichnung der Schuldanerkennung - bei der definitiven Rechtsöffnung
im Zeitpunkt der Urteilsfällung - nicht feststeht (vgl. z.B. JT 1973 II
93; BJM 1976 S. 107). Gilt eine Schuldverpflichtung, deren definitive
Höhe sich erst aus der nachträglichen Entwicklung eines Indexes ergibt,
als durch die Unterschrift unter die Schuldanerkennung gedeckt,
so kann es sich nicht anders verhalten, wenn in der unterzeichneten
Schuldanerkennung die Änderung der für die Bestimmung des koordinierten
Lohns massgebenden Grenzbeträge vorbehalten wird. Auch in einem solchen
Fall ist der Schuldbetrag ohne weiteres bestimmbar. Die Berücksichtigung
der gesetzlichen Anpassung des koordinierten Lohns, wie sie hier für
die Berechnung der Versicherungsbeiträge notwendig ist, ist für den
Rechtsöffnungsrichter denn auch nicht komplizierter als die Anwendung
einer Indexklausel. Im vorliegenden Fall erschöpfen sich die Auswirkungen
dieser Gesetzesänderung praktisch darin, dass vom AHV-Bruttolohn statt
Fr. 1'380.--, wie ursprünglich vorgesehen, Fr. 1'440.-- pro Monat abgezogen
werden müssen, um den koordinierten Lohn zu ermitteln. Dieser und damit
auch die von der Beschwerdegegnerin geschuldeten Beiträge sind somit
geringer, als wenn noch vom ursprünglichen Betrag ausgegangen worden
wäre. Um so stossender ist es, die Rechtsöffnung wegen dieser quantitativ
geringfügigen und sich überdies zugunsten der Schuldnerin auswirkenden
gesetzlichen Änderungen der Berechnungsgrundlagen zu verweigern.

    Entgegen der Auffassung des Obergerichts lässt sich der vorliegende
Fall in keiner Weise mit BGE 106 III 97 vergleichen. In jenem Entscheid
ist das Bundesgericht zum Ergebnis gelangt, dass die stillschweigende
Genehmigung eines Kontokorrentauszugs zusammen mit dem vom Schuldner
unterzeichneten Krediteröffnungsvertrag keinen Rechtsöffnungstitel für den
Passivsaldo des Kontos darstelle. Es liegt in der Tat auf der Hand, dass
die Höhe des Saldos durch die Unterzeichnung des Krediteröffnungsvertrags
nicht gedeckt ist. Auch wenn sich der Bankkunde verpflichtet, den nicht
innert Frist beanstandeten Kontoauszug als richtig anzuerkennen, so
fehlt es an der für die Rechtsöffnung erforderlichen unterschriftlichen
Anerkennung des Saldos. Dieser ist aufgrund der vom Kunden unterzeichneten
Urkunde auch in keiner Weise bestimmbar, liegt es doch völlig in der
Hand der Bank, welche Zahlen sie in den Kontoauszug aufnehmen will. Im
vorliegenden Fall lässt sich die Schuldsumme demgegenüber aufgrund der
Schuldanerkennung anhand objektiver, dem Willen der Parteien entzogener
Umstände, nämlich der gesetzlichen Anpassung der für die Ermittlung des
koordinierten Lohns massgebenden Grenzbeträge an die AHV-Gesetzgebung,
denen sich die Beschwerdegegnerin zum voraus unterworfen hat, ohne
weiteres berechnen.

    Die Annahme der kantonalen Instanzen, die Beschwerdeführerin habe für
die in Betreibung gesetzten Beitragsforderungen keine durch Unterschrift
bekräftigte Schuldanerkennung vorgelegt, erweist sich somit als unhaltbar,
weshalb die Beschwerde gutzuheissen ist.