Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 III 26



114 III 26

8. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 22.
Januar 1988 i.S. F. Treuhand (Rekurs) Regeste

    Vor der Konkurseröffnung abgetretene künftige Lohnforderungen im
Konkurs des Zedenten (Art. 197 Abs. 2 und Art. 265 Abs. 2 SchKG).

    Im Unterschied zu gewöhnlichen Forderungen wird die noch vor der
Konkurseröffnung erfolgte Abtretung von künftigen Lohnforderungen mit der
Konkurseröffnung des Zedenten nicht hinfällig, da diese Lohnforderungen
des Gemeinschuldners vom Konkurs nicht erfasst werden (Bestätigung der
Rechtsprechung).

Sachverhalt

    A.- B. P. schloss am 26. Januar 1987 mit der F. Treuhand einen
Schuldenregulierungs- und Kreditvertrag. (...) Die Schuldsumme sollte in
monatlichen Raten von Fr. 1'170.-- zurückbezahlt werden. Als Sicherheit
trat B. P. unter anderem einen entsprechenden Anteil ihres jeweiligen
Monatseinkommens ab. Weder ihr damals gültiger noch der später
abgeschlossene Arbeitsvertrag sahen ein Abtretungsverbot vor.

    Gestützt auf eine Insolvenzerklärung wurde am 7. August 1987 über
B. P. der Konkurs eröffnet.
   (...)

    B.- Am 9. September 1987 betrieb die F. Treuhand die W. AG als
Arbeitgeberin von B. P. für die ausstehende Lohnzessionsquote des Monats
August im Betrage von Fr. 1'170.--. Die Betriebene erhob Rechtsvorschlag.

    Im Auftrage des Konkursamtes übersandte das Betreibungsamt Arbon der F.
Treuhand am 11, September 1987 folgende Verfügung:

    "Die Geltendmachung der Lohnzession wird bis zum Abschluss des

    Konkursverfahrens sistiert. Sie werden angewiesen, Ihre Forderung im

    Konkurs einzureichen. Die Rechtmässigkeit der Forderung sowie der

    Lohnabtretung wird von der Konkursverwaltung überprüft werden."

    Hiegegen erhob die F. Treuhand Beschwerde. Diese wurde von der
Rekurs-Kommission des Obergerichtes des Kantons Thurgau als kantonaler
Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs mit Beschluss vom 16.
November 1987 abgewiesen.

    C.- Gegen diesen Entscheid wendet sich die F. Treuhand mit Rekurs
gemäss Art. 19 SchKG an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
des Bundesgerichts. Sie beantragt, die angefochtene Verfügung des
Betreibungsamtes Arbon sei vollumfänglich aufzuheben.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die angefochtene Verfügung des Betreibungsamtes betrifft
einerseits die Lohnzession von B. P. und anderseits die Forderung der
Rekurrentin. Hinsichtlich der Lohnzession bestimmt die Verfügung:

    "Die Geltendmachung der Lohnzession wird bis zum

    Abschluss des Konkursverfahrens sistiert. Die Rechtmässigkeit
   der Lohnabtretung wird von der Konkursverwaltung überprüft werden."
Zu prüfen ist, ob diese Verfügung rechtmässig ergangen ist.

    a) Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts fällt dem
Gemeinschuldner der Arbeitslohn und sonstiges Erwerbseinkommen nicht
im Sinne von Art. 197 Abs. 2 SchKG an und ist daher dem Konkursbeschlag
entzogen (BGE 109 III 82; 77 III 36 f.; 72 III 85 ff. E. 3, mit Hinweisen
auf die Entstehungsgeschichte). Über seinen Lohn kann der Gemeinschuldner
somit trotz des Konkurses grundsätzlich weiterhin frei verfügen. Im
Hinblick auf den Schutzgedanken von Art. 265 Abs. 2 SchKG wird in der Lehre
allerdings vereinzelt die Auffassung vertreten, nach der Konkurseröffnung
sei die Lohnzession allgemein nur noch insoweit gültig, als der Schuldner
zu neuem Vermögen gekommen sei (BÜHRLE, Die Lohnzession im schweizerischen
Recht, Diss. Zürich 1950, S. 212 f., 216 f.). Im vorliegenden Fall geht es
indes allein um eine Lohnforderung, die bereits vor der Konkurseröffnung
abgetreten worden ist. Sie ist zwar - da sie den Monat August betrifft
- teils vor, teils erst nach der Konkurseröffnung entstanden. Weil
die Abtretung jedoch vor der Konkurseröffnung erfolgte, teilen nach
herrschender Lehre beide Lohnbestandteile das gleiche Schicksal; sie
fallen dem Zessionar zu (NÄF, Die Sicherung von Gläubigerrechten im
Hinblick auf den Konkurs des Schuldners, Diss. Freiburg 1983, S. 12 f.;
REHBINDER, Berner Kommentar, N. 17 zu Art. 325 OR; WALDER, Lohnabtretung
und Zwangsvollstreckung, S. 67 und 74; vgl. auch BGE 76 III 116). BGE 111
III 75 f. steht dem nicht entgegen. Der dort bejahte Grundsatz, wonach
die Abtretung künftiger Forderungen mit der Konkurseröffnung mangels
Verfügungsfähigkeit des Arbeitnehmers hinfällig werde, kommt nicht zum
Zuge, weil die Lohnforderung vom Konkurs gerade nicht erfasst wird (WALDER,
aaO, S. 74 f.).

    b) Was die kantonale Aufsichtsbehörde hiegegen vorbringt, überzeugt
nicht. Nachdem die Lohnforderung ohnehin nicht in die Konkursmasse fällt,
kann durch eine Abtretung der Lohnforderung vor der Konkurseröffnung das
Prinzip der Gleichstellung aller Gläubiger im Konkurs nicht verletzt
werden. Es kann auch keine Rolle spielen, ob private Geldgeber von
der Möglichkeit einer Lohnzession weniger häufig Gebrauch machen als
institutionelle Geldverleiher. Die Weitergeltung der Abtretung über
den Konkurs hinaus kann nicht von der Person des Gläubigers abhängig
gemacht werden. Auch wenn institutionelle Geldverleiher im übrigen
gewinnorientiert sein mögen und oftmals hohe Zinssätze verlangen, wie die
kantonale Aufsichtsbehörde ausführt, so liegt darin noch keineswegs ein vom
Gesetz verpöntes Verhalten. Zudem ist es nach dem geltenden Recht nicht
Aufgabe des Konkursrechts, solche Missbräuche - die für den vorliegenden
Fall nicht dargetan sind - zu bekämpfen.

    Zwar ist der kantonalen Aufsichtsbehörde darin beizupflichten,
dass es für den Gemeinschuldner eine grosse Härte bedeuten kann, wenn
eine Lohnzession über die Konkurseröffnung hinaus in Kraft bleibt und
dem Gemeinschuldner dadurch der Wiederanfang und die Bildung neuen
Vermögens im Sinne von Art. 265 Abs. 2 SchKG erschwert wird. Sinn und
Zweck des Gesetzes werden jedoch keineswegs umgangen. Dass die Abtretung
einer Lohnforderung über die Konkurseröffnung hinaus wirksam bleibt,
ist lediglich die unvermeidliche Folge davon, dass der Lohnanspruch
nicht in die Konkursmasse fällt. Weil der Lohnanspruch ausserhalb des
Konkurses bleibt und der Gemeinschuldner die Verfügungsfähigkeit über
seinen Lohn behält, kann der Konkurs eine diesbezügliche Verfügung des
Arbeitnehmers nicht unwirksam machen. Würde die Einrede des mangelnden
neuen Vermögens auch in einem solchen Fall zugelassen, wäre zudem einem
rechtsmissbräuchlichen Vorgehen des Schuldners Tür und Tor geöffnet, indem
dieser sich durch die Erklärung der Zahlungsunfähigkeit einer Lohnzession
auch dann entledigen könnte, wenn kein zwingender Grund zum persönlichen
Konkurs bestanden hat (BGE 76 III 116; WALDER, aaO, S. 78 f.).

    Ob die geschilderte Härte für den Gemeinschuldner dadurch gemildert
wird, dass die Lohnzession nach der Konkurseröffnung nur noch für eine
bestimmte Dauer gültig sei, wie die Rekurrentin behauptet, ist umstritten
(vgl. REHBINDER, Berner Kommentar, N. 10 zu Art. 325 OR im Gegensatz
zu STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N. 18 zu Art. 325 OR). Darüber ist im
vorliegenden Verfahren jedoch nicht zu entscheiden.

    c) Es ergibt sich somit, dass Lohnforderungen, die vom Gemeinschuldner
vor der Konkurseröffnung abgetreten worden sind, vom Konkursbeschlag
nicht erfasst werden. Die Konkursverwaltung ist daher nicht befugt,
die Lohnzession für die Dauer des Konkursverfahrens zu sistieren. Ferner
erübrigt es sich, die Rechtmässigkeit der Lohnabtretung zu prüfen. Soweit
es dabei nicht um die Abgrenzung des Konkursbeschlagsrechts gemäss Art. 197
SchKG geht, ist das Betreibungsamt ohnehin nicht zu einem Entscheid
berufen. Denn die Frage der Rechtsgültigkeit der Lohnzession ist eine
solche des materiellen Rechts und daher vom Zivilrichter zu entscheiden
(BGE 110 III 116).

    Hinsichtlich der Lohnzession ist die angefochtene Verfügung der
Konkursverwaltung demzufolge vollumfänglich aufzuheben.