Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 III 18



114 III 18

5. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 4.
Februar 1988 i.S. X. AG (Rekurs) Regeste

    Ausübung eines im Grundbuch vorgemerkten Kaufsrechts während
der Hängigkeit einer das fragliche Grundstück betreffenden
Grundpfandbetreibung.

    1. Die hängige Betreibung auf Grundpfandverwertung steht einer
Handänderung zufolge Ausübung des Kaufsrechts nicht entgegen; insbesondere
fallen die Erklärungen, die vom kaufsrechtsbelasteten Eigentümer hiefür
abzugeben sind, nicht unter die zur Sicherung der Pfandverwertung
vorgemerkte Verfügungsbeschränkung (Erw. 3).

    2. Der Kaufsberechtigte hat keinen Anspruch darauf, dass mit der
Verwertung des Grundstücks zugewartet wird, bis er die Fläche, auf die
sich das Kaufsrecht bezieht, zu Eigentum erworben hat (Erw. 4).

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Durch die Vormerkung erhält ein persönliches Recht wie unter
anderem das Kaufsrecht gemäss Art. 959 Abs. 2 ZGB Wirkung (Vorrang)
gegenüber jedem später erworbenen Recht. Die Vormerkung begründet nicht
etwa ein selbständiges dingliches Recht, sondern verleiht lediglich dem
aus dem obligatorischen Vertrag hervorgehenden Anspruch einen verstärkten
Schutz in dem Sinne, dass er nicht nur gegen den persönlich Verpflichteten
geltend gemacht, sondern auch Dritten entgegengehalten werden kann, die
nachträglich Rechte am Grundstück erworben haben (vgl. BGE 44 II 366);
durch die Vormerkung wird der persönliche Anspruch mit einem dinglichen
Nebenrecht verstärkt (vgl. BGE 104 II 176 f. mit Hinweisen; TUOR/SCHNYDER,
Das schweizerische Zivilgesetzbuch, 10. Aufl., S. 656).

    Im Falle des Kaufsrechts ist zu beachten, dass der Belastete
bereits beim Abschluss des Vertrags insofern über das Grundstück
verfügt, als er sich verpflichtet, dieses dem Berechtigten zu den
festgelegten Bedingungen zu Eigentum zu übertragen, falls dieser sein
Recht ausübt. Betreibungsrechtliche Massnahmen, die nach der Vormerkung
eines Kaufsrechts angeordnet werden, beeinträchtigen die Stellung
des Kaufsberechtigten nicht und stehen namentlich einer Handänderung
infolge Ausübung des Kaufsrechts nicht entgegen. Die Erklärungen, die der
kaufsrechtsbelastete Eigentümer im Hinblick auf die Grundbucheintragung
abzugeben hat (vgl. Art. 963 Abs. 1 ZGB), fallen nicht unter die zur
Sicherung der Pfandverwertung vorgemerkte Verfügungsbeschränkung (vgl. BGE
103 III 110 E. c; 102 III 23 mit Hinweisen).

    Erwirbt der aus einem vorgemerkten Kaufsrecht Berechtigte das Eigentum
während der Hängigkeit einer Betreibung auf Pfandverwertung, so bleibt das
Grundstück denjenigen Gläubigern weiterhin verhaftet, deren Pfandrechte dem
Kaufsrecht im Range vorgegangen waren. Das Vollstreckungsverfahren nimmt in
einem solchen Fall somit seinen Fortgang, es sei denn, der neue Eigentümer
befriedige die erwähnten Pfandgläubiger. Übt der Kaufsberechtigte sein
Recht vor der Versteigerung nicht aus, so wird das vorgemerkte Kaufsrecht
dem Ersteigerer überbunden, sofern nicht ein vorgehender Pfandgläubiger,
der im Sinne von Art. 142 SchKG den doppelten Aufruf verlangt hatte,
die Löschung der Vormerkung hat erwirken können. Pfandrechte, die dem
vorgemerkten Kaufsrecht im Range nachgehen, kann der Kaufsberechtigte
dagegen löschen lassen, sobald er als Eigentümer eingetragen ist
(HAAB/SIMONIUS, N 10 zu Art. 683 ZGB; HOMBERGER/MARTI, SJK Nr. 432, S. 4).

Erwägung 4

    4.- Mit Schreiben vom 29. Juni 1987 hat die Rekurrentin erklärt, sie
übe das Kaufsrecht aus. Durch eine Erklärung dieser Art wird der zuvor
suspensiv bedingte Kaufvertrag zu einem unbedingten Rechtsgeschäft, d.h.
wird der für eine Handänderung erforderliche Rechtsgrund perfekt. Zur
Übertragung des Eigentums bedarf es in einem Fall wie dem vorliegenden
neben einem gültigen Rechtsgrund indessen noch der Eintragung in das
Grundbuch. Der Rechtsgrund allein verleiht dem Erwerber nur einen
persönlichen Anspruch gegen den Eigentümer auf Abgabe der für die
Eintragung notwendigen Erklärungen (vgl. TUOR/SCHNYDER, aaO S. 627 f.). Im
vorliegenden Fall hätte Y. zudem bei der Neuparzellierung mitzuwirken,
die vorgängig noch durchzuführen wäre.

    Y., der den Kaufsrechtsvertrag für ungültig hält, hat seine für eine
Handänderung erforderliche Mitwirkung bisher verweigert, so dass sich die
Rekurrentin veranlasst sah, gegen ihn einen Zivilprozess einzuleiten. Die
Rekurrentin vermag keine gesetzliche Bestimmung namhaft zu machen,
die das Betreibungsamt verpflichten würde, mit der Steigerung des mit
dem Kaufsrecht belasteten Grundstücks zuzuwarten, bis sie die fragliche
Fläche erworben hat, im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen ist und
von den ihr gemäss den Art. 827 und 845 ZGB gebotenen Möglichkeiten
zur Ablösung von Pfandrechten hat Gebrauch machen können. Damit besteht
auch kein Anspruch auf eine Änderung des Lastenverzeichnisses, die erst
dadurch veranlasst würde. Eine Verzögerung des Verwertungsverfahrens
wäre hier um so stossender, als gewisse Pfandrechte dem Kaufsrecht im
Range vorzugehen scheinen und die betreffenden Gläubiger unter Hinweis
auf das Kaufsrecht denn auch den Doppelaufruf verlangt haben. Dass
dies zu einer Löschung des Kaufsrechts führen könnte (Art. 142 SchKG),
vermag am Gesagten nichts zu ändern. Sollte die Rekurrentin durch das
Verhalten von Y. geschädigt werden, hätte sie die Möglichkeit, gegen ihn
gestützt auf die Art. 97 ff. OR allenfalls Schadenersatz zu verlangen (vgl.
MEIER-HAYOZ, N 247 zu Art. 681 ZGB). Entgegen ihrer Ansicht verleiht ihr
das Zwangsvollstreckungsrecht keinen Schutz.