Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 IB 312



114 Ib 312

47. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 21. September 1988 i.S. Schweizer Heimatschutz gegen Meinrad
Camenzind, Gemeinde Morschach und Regierungsrat des Kantons Schwyz
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 24 RPG; Bewilligungspflicht eines Golfplatzes; Verhältnis zwischen
Ausnahmebewilligung und Nutzungsplanung.

    1. Für die Beurteilung der Bewilligungspflicht einer Baute oder
Anlage ist entscheidend, ob mit dem Vorhaben so wichtige räumliche Folgen
verbunden sind, dass ein Interesse der Öffentlichkeit oder der Nachbarn
an einer vorgängigen Kontrolle besteht (E. 2).

    2. Bauten und Anlagen, die wegen ihres Ausmasses und ihrer Auswirkungen
auf die Nutzungsordnung nur in einem Planungsverfahren angemessen erfasst
werden können, dürfen nicht nach Art. 24 RPG bewilligt werden (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Gemäss Zonenplan der Gemeinde Morschach vom 23. Oktober 1983 ist
südwestlich der Dorfkernzone, im Gebiet Axenfels, eine Kur- und Sportzone
ausgeschieden, die zur Errichtung von öffentlich zugänglichen Kur- und
Sportanlagen bestimmt ist.

    Am 12. April 1986 reichte Meinrad Camenzind beim Gemeinderat Morschach
ein Baugesuch ein für die Anlage einer 9-Loch-Golfanlage mit einer
Gesamtlänge von 2976 m. Sie beansprucht 74 050 m2. Davon befindet sich
der nördliche Teil von 17 150 m2 in der Kur- und Sportzone. Der grössere,
südliche Teil von 56 900 m2 ist im übrigen Gemeindegebiet geplant.

    Der Gemeinderat Morschach publizierte das Baugesuch am 18. April 1986
und überwies es am 15. Mai 1986 dem Kanton. Am 18. Februar 1987 erteilte
das Justizdepartement des Kantons Schwyz eine Ausnahmebewilligung nach
Art. 24 RPG. Der Regierungsrat des Kantons Schwyz wies Beschwerden des
Schweizer Heimatschutzes und der Gemeinde Morschach gegen den Entscheid
des Justizdepartements ab.

    Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 3. November 1987 beantragt der
Schweizer Heimatschutz, die Ausnahmebewilligung sei aufzuheben, eventuell
seien die vorgesehenen Terrainveränderungen im Gelände zu profilieren und
einem ordnungsgemässen Baubewilligungsverfahren zu unterziehen. Meinrad
Camenzind beantragt in seiner Vernehmlassung, auf die Beschwerde sei nicht
einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen. Landammann und Regierungsrat
des Kantons Schwyz beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen und der
Gemeinderat Morschach schliesst auf Gutheissung der Beschwerde und
Aufhebung der Ausnahmebewilligung.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- In der zweiten Vernehmlassung vor Bundesgericht vom 26.  April
1988 bestreitet der Beschwerdegegner eine Baubewilligungspflicht für das
Golfplatzprojekt, da gar keine Anlage im Sinne des RPG vorliege.

    a) Bewilligungspflichtig sind "Bauten" und "Anlagen" (Art. 22 Abs. 1
RPG). Darunter fallen auch blosse Geländeveränderungen, wenn sie erheblich
sind. Dies hat das Bundesgericht im Zusammenhang mit Kies- oder Lehmgruben
(BGE 112 Ib 28; 108 Ib 366), der Aufschüttung für einen Autoabstellplatz
(nicht veröffentlichtes Urteil i.S. Weber vom 25. Januar 1984 E. 3a)
sowie auch für eine Motocrosspiste (nicht veröffentlichtes Urteil
i.S. Möckli vom 22. April 1988 E. 5) festgestellt. Auch die Literatur ist
sich darin weitgehend einig (EJPD/BRP, Erläuterungen zum Bundesgesetz
über die Raumplanung, Bern 1981, Art. 22 N. 7; LEO SCHÜRMANN, Bau- und
Planungsrecht, 2. Auflage, Bern 1984, S. 56; HEINZ AEMISEGGER, Leitfaden
zum Raumplanungsgesetz, Bern 1980, S. 84; ERICH ZIMMERLIN, Baugesetz des
Kantons Aargau vom 2. Februar 1971, 2. Auflage, Aarau 1985, § 10 N. 6;
ALDO ZAUGG, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Bern vom 9. Juni 1985,
Bern 1987, Art. 1 N. 15). Bei der Beurteilung der Bewilligungspflicht ist
nicht allein auf die Veränderung des Terrains durch Abtragung, Auffüllung
usw. abzustellen. Es kommt vielmehr auf die räumliche Bedeutung eines
Vorhabens insgesamt an. Die Baubewilligungspflicht soll der Behörde die
Möglichkeit verschaffen, das Bauprojekt vor seiner Ausführung auf die
Übereinstimmung mit der raumplanerischen Nutzungsordnung und der übrigen
einschlägigen Gesetzgebung zu überprüfen. Massstab dafür, ob eine bauliche
Massnahme erheblich genug ist, um sie dem Baubewilligungsverfahren zu
unterwerfen, ist daher, ob damit im allgemeinen, nach dem gewöhnlichen
Lauf der Dinge, so wichtige räumliche Folgen verbunden sind, dass ein
Interesse der Öffentlichkeit oder der Nachbarn an einer vorgängigen
Kontrolle besteht. Das Bundesgericht hat dies beispielsweise für eine
Wasserski-Anlage jüngst bejaht (BGE 114 Ib 87 ff. E. 3).

    c) Neben den - wenn auch geringfügigen - Terrainveränderungen erweisen
sich die Folgen für die Nachbarn, die Landwirtschaft sowie insbesondere
hinsichtlich der Infrastruktur als so bedeutungsvoll, dass eine vorgängige
Kontrolle durch die zuständigen Behörden nötig ist. Die Tatsache, dass
diese Infrastrukturanlagen im konkreten Fall in der Kur- und Sportzone
vorgesehen sind, ändert an der Bewilligungspflicht des Golfplatzprojektes
nichts. Dieses bildet vielmehr ein untrennbares Ganzes und unterliegt
somit einer Gesamtbeurteilung (BGE 111 Ib 87 E. 2).

    Es ist deshalb zu Recht ein Baubewilligungsverfahren durchgeführt
worden, welches ja auch vom Beschwerdegegner selber in Gang gesetzt wurde.

Erwägung 3

    3.- Der Beschwerdeführer und vor allem die Gemeinde machen geltend, das
Golfplatzvorhaben dürfe nur in einer entsprechenden Nutzungszone und nicht
auf dem Wege einer Ausnahmebewilligung gemäss Art. 24 RPG gestattet werden.

    a) Die Kantone haben eine der zweckmässigen Nutzung des Bodens und der
geordneten Besiedlung des Landes dienende Raumplanung zu schaffen (Art.
22quater Abs. 1 BV). Dazu werden namentlich Richt- und Nutzungspläne
erlassen sowie Baubewilligungsverfahren durchgeführt. Sie stehen
untereinander in einem Zusammenhang und sollen ein sinnvolles Ganzes
bilden, in dem jeder Teil eine spezifische Funktion erfüllt. In einem
Verfahren, das Rechtsschutz (Art. 33 f. RPG) und demokratische Mitwirkung
(Art. 4 Abs. 1 und 2 RPG) sichert, entstehen auf Grund einer umfassenden
Abstimmung und Abwägung (Art. 1 Satz 2, Art 2 Abs. 1 RPG) nach Massgabe
des Richtplanes (Art. 6 ff., Art. 26 Abs. 2 RPG) die für die privaten
verbindlichen Nutzungspläne (Art. 14 ff. RPG).

    Das Baubewilligungsverfahren dient dagegen der Abklärung, ob Bauten und
Anlagen der im Nutzungsplan ausgedrückten räumlichen Ordnungsvorstellung
entsprechen (Art. 22 RPG). Es bezweckt einzelfallweise Planverwirklichung,
soll aber nicht selbständige Planungsentscheide hervorbringen. Das
Baubewilligungsverfahren verfügt weder über das sachlich nötige
Instrumentarium, noch ist es bezüglich Rechtsschutz und demokratischer
Legitimation geeignet, den Nutzungsplan im Ergebnis zu ergänzen oder
zu ändern. Auch Ausnahmebewilligungen gemäss Art. 24 RPG haben den
planerischen Stufenbau zu beachten. Ihr Entscheidungsbereich reicht zwar
weiter als derjenige der Baubewilligung, weil sie für Vorhaben erteilt
werden, welche nicht dem Zweck einer Nutzungszone ausserhalb der Bauzonen
entsprechen. Für Bauten und Anlagen, die ihrer Natur nach nur in einem
Planungsverfahren angemessen erfasst werden können, dürfen aber keine
Ausnahmebewilligungen erteilt werden (BGE 113 Ib 374 E. 5; siehe auch BGE
112 Ib 28 E. 2a und 114 Ib 188 E. 3c cb). Wann ein nichtzonenkonformes
Vorhaben hinsichtlich seines Ausmasses und seiner Auswirkungen auf die
Nutzungsordnung so gewichtig ist, dass es erst nach einer Änderung des
Nutzungsplans bewilligt werden darf, ergibt sich aus der gesetzlichen
Planungspflicht (Art. 2 RPG), den Planungsgrundsätzen und -zielen (Art. 3
und Art. 1 RPG), dem kantonalen Richtplan (Art. 6 ff. RPG) sowie der
Bedeutung des Projekts im Lichte der im Raumplanungsgesetz festgelegten
Verfahrensordnung (Art. 4 und Art. 33 f. RPG).

    b) aa) Die Zulässigkeit einer Golfplatzanlage in der Kur- und
Sportzone der Gemeinde Morschach ist unbestritten. Diese Zone ist für die
Aufnahme des projektierten Golfplatzes allerdings zu klein, weshalb er
zu einem grossen Teil im übrigen Gemeindegebiet läge. Seine Bewilligung
käme somit faktisch einer erheblichen Erweiterung der Kur- und Sportzone
gleich. Mit einem solchen Vorgehen würden der Informationsanspruch und die
Mitwirkungsrechte der Bevölkerung bei der Planung (Art. 4 Abs. 1 und 2 RPG)
umgangen. In Anbetracht der mit dem Projekt verbundenen Infrastrukturfolgen
und der Auswirkungen auf Nachbarschaft und landwirtschaftliche Nutzung
erscheint dies unzulässig. Das Bundesgericht hat denn auch schon im
Zusammenhang mit einer Minigolfanlage entschieden, eine solche gehöre
in eine Freihaltezone oder eine Spezialzone für Sportanlagen und
Vergnügungsstätten, da Anlagen, die ihrer Zweckbestimmung gemäss eine
Nutzungszone voraussetzten, nicht gestützt auf Art. 24 RPG bewilligt
werden könnten, ohne dass die bundesrechtlich vorgesehene Nutzungsordnung
umgangen werde (unveröffentlichtes Urteil i.S. Gemeinde Risch vom 2. März
1987 E. 4). In gleichem Sinne wurde auch für eine grössere Sportanlage
(offene und gedeckte Tennisfelder, zwei Fussballfelder, Dienstgebäude
und Parkplätze) entschieden (BGE 114 Ib 186 E 3c).

    bb) Die Gemeinde Morschach hat im übrigen ihre Landwirtschaftszone
noch auszuscheiden (Art. 2 Abs. 1, Art. 14 Abs. 2, Art. 16 RPG; § 15
und 19 des Planungs- und Baugesetzes des Kantons Schwyz vom 14. Mai 1987
(PBG)). Nach dem kantonalen Richtplan gehört namentlich das Gebiet des
projektierten Golfplatzes zum sogenannten "Futterbaugebiet". Gemäss
Richtplan ist solches als Landwirtschaftszone auszuscheiden, sofern
kein überwiegendes Interesse die Zuweisung in eine andere Nutzungszone
aufdrängt. Am Augenschein wurde dargelegt, dass das fragliche Gebiet
zum besten Landwirtschaftsland der Gemeinde gehöre. Der Gemeinderat
beabsichtigt seine Aufnahme in die Landwirtschaftszone. Berücksichtigt
man überdies, dass nach den Vorstellungen des Kantons in Morschach eine
noch grössere Landwirtschaftszone ausgeschieden werden sollte als von
der Gemeinde bisher beabsichtigt, so zeigt sich, dass eine Zuweisung
des streitigen Gebietes "Fronalp" zur Landwirtschaftszone sehr wohl in
Frage kommt.

    Auf den hauptsächlich bespielten Flächen, die mindestens ein Mal, teils
mehrmals wöchentlich gemäht werden müssen, ist eine ordentliche Nutzung
für die Landwirtschaft nicht möglich und auch sonst sind Konflikte zwischen
Landwirtschaft und Spielbetrieb zu erwarten. Dies dürfte vorliegend um so
eher der Fall sein, als eine sehr intensive Golfplatznutzung geplant ist,
handelt es sich beim Vorhaben des Beschwerdegegners doch um einen 9-Loch-
Golfplatz mit rund 7,5 ha, während ein durchschnittlicher Golfplatz 18
Löcher und eine Fläche von rund 50 ha aufweist. Nach Darstellung der
fachkundigen Vertreter des Bundesamtes für Landwirtschaft erfährt der als
Golfplatz genutzte Boden im Laufe der Jahre zudem eine Veränderung, weshalb
er auch nicht in kurzer Frist wieder einer umfassenden landwirtschaftlichen
Nutzung zugeführt werden kann.

    Solange die Landwirtschaftszonenplanung der Gemeinde Morschach
nicht abgeschlossen ist, erscheint es daher unzulässig, rund
6 ha landwirtschaftlich bestgeeigneten Landes auf dem Wege der
Ausnahmebewilligung einer anderen Nutzung zuzuführen.