Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 IB 254



114 Ib 254

38. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 25. November 1988 i.S. X. gegen Bundesamt für Polizeiwesen
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Auslieferung an Belgien; Art. 5 des zwischen Belgien und der Schweiz
abgeschlossenen Auslieferungsvertrages vom 13. Mai 1874.

    Das Bundesgericht prüft ein Auslieferungsersuchen zwar grundsätzlich
auf formelle Mängel hin. Die prozessuale Zuständigkeit der verfolgenden
Behörde nach dem Recht des ersuchenden Staates prüft es dabei aber nicht.

    Formerfordernisse gemäss Art. 5 des Vertrages. Eine von der Botschaft
des ersuchenden Staates in der Schweiz eingereichte Ergänzung des
Auslieferungsbegehrens ist als zulässig zu erachten.

Sachverhalt

    A.- Mit Note vom 27. Juli 1988 und ergänzender Note vom 15.  August
1988 ersuchte die belgische Botschaft die zuständigen schweizerischen
Behörden um Auslieferung der belgischen Staatsangehörigen X. Am 29. August
1988 bewilligte das Bundesamt für Polizeiwesen (BAP) die Auslieferung
an Belgien zur Verfolgung der X. im Haftbefehl des Untersuchungsrichters
von Brügge vom 19. April 1988 mit Sachverhaltsdarstellung vom 11. Juli
1988 und Ergänzung vom 29. Juli 1988 zur Last gelegten Straftat
(Hehlerei). Danach hat der Ehemann von X. in den Jahren 1984 bis
1986 durch Investitionen in fiktive Gesellschaften eine grosse Anzahl
Personen im Betrag von mehreren Millionen belgischen Franken betrogen. Im
Zusammenhang damit soll X. als Hehlerin ins Recht gefasst werden.

    X. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht mit dem
Antrag, der Entscheid des BAP vom 29. August 1988 sei aufzuheben und die
von den belgischen Behörden verlangte Auslieferung zu verweigern.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit auf sie eingetreten
werden kann.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 5

    5.- Die Beschwerdeführerin hält dafür, das Auslieferungsersuchen
und die zugehörigen Dokumente stammten nicht von den in Art. 5 des
Auslieferungsvertrages genannten "kompetenten" belgischen Behörden und
seien formungültig, weshalb die Auslieferung bereits aus formellen Gründen
unzulässig sei.

    Sie übersieht, dass das Bundesgericht, auch wenn es ein Ersuchen
grundsätzlich auf formelle Mängel hin prüft, es ablehnt, die prozessuale
Zuständigkeit der verfolgenden Behörde nach dem Recht des ersuchenden
Staates zu prüfen (so schon BGE 17 237 E. 3, 19 506 E. 3, 42 I 104 E. 1;
s. ferner HANS SCHULTZ, Das schweizerische Auslieferungsrecht, S. 63
f.). Mit dem auslieferungsvertraglich verwendeten Ausdruck "zuständige"
bzw. "kompetente Behörde" ist im übrigen - wie auch in den entsprechenden
schweizerischen Bestimmungen - nicht die prozessuale Zuständigkeit,
sondern die Gerichtsbarkeit als Zuständigkeit im Sinne der Vorschriften
über die räumliche Geltung gemeint (s. SCHULTZ, aaO, S. 64). Belgische
Gerichtsbarkeit für die von der Beschwerdeführerin gemäss Ersuchen in
Belgien begangene Straftat ist klarerweise gegeben. Von Nichtigkeit des
von den belgischen Behörden gestellten Begehrens kann daher nicht die Rede
sein, dies um so weniger, als es sich hierbei um die gemäss belgischem
Recht mit der Strafverfolgung und Anklageerhebung befassten und nicht
etwa um irgendwelche andern Behörden handelt.

    Jedenfalls der Haftbefehl des Untersuchungsrichters von Brügge
vom 19. April 1988 und die ihn ergänzende Sachverhaltsdarstellung vom
11. Juli 1988 zusammen betrachtet entsprechen der durch Art. 5 Abs. 1
des Auslieferungsvertrages verlangten Form (Originalurkunde oder amtlich
beglaubigte Abschrift, versehen mit einem kurzen Beschrieb der in Frage
stehenden Straftat). Ob auch allfällig erforderliche Ergänzungen zum
Begehren (s. Art. 5 Abs. 4 des Auslieferungsvertrages), wie sie von den
schweizerischen Behörden verlangt und von den belgischen Behörden zunächst
mittels Telex vom 29. Juli 1988 und hierauf durch Schreiben der belgischen
Botschaft in der Schweiz eingereicht wurden, der genannten Formstrenge
bedürfen, ist dem Vertrag nicht zu entnehmen. Die schweizerische Praxis
legte aber die vertraglichen und gesetzlichen Vorschriften über die
Ergänzungen eines Auslieferungsbegehrens seit jeher weit aus. Im Lichte
der bisherigen Rechtsprechung können die hier in Frage stehenden, von
seiten der belgischen Botschaft eingereichten Ergänzungen als zulässig
erachtet werden (namentlich hat es das Bundesgericht als zulässig erachtet,
einen Haftbefehl durch Noten der Gesandtschaft zu ergänzen, s. BGE 19 129;
ferner SCHULTZ, aaO, S. 194 f. mit weiteren Hinweisen; vgl. im übrigen
auch etwa BGE 109 Ib 65 f. mit Hinweisen). Von formeller Ungültigkeit des
Auslieferungsersuchens mit seinen Ergänzungen kann demnach auch insoweit
nicht die Rede sein.