Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 IB 241



114 Ib 241

36. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 23. September 1988 i.S. A. gegen Flurgenossenschaft Güterstrasse
Flüe, Einwohnergemeinde Giswil und Regierungsrat des Kantons Obwalden
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Forstpolizei, Rodung für eine Waldstrasse.

    Interessenabwägung nach Art. 26 Abs. 1 FPolV bei Beurteilung eines
Gesuchs betreffend Rodung für eine Güterregulierungssache, hier eine
Strasse. Überwiegendes Rodungsinteresse bejaht für ein Vorhaben, das
in einer nur untergeordneten Verbreiterung eines heute schon vorhandenen
Fussweges besteht und eine für eine landwirtschaftliche Bewirtschaftung
unerlässliche Erschliessung herbeiführt.

Sachverhalt

    A.- Die Flurgenossenschaft Flüe beabsichtigt den Bau einer Güterstrasse
von Giswil bis zur Liegenschaft Flüe. Die Gründungsversammlung fand am
4. November 1982 statt. Am 28. Mai 1985 genehmigte der Regierungsrat des
Kantons Obwalden die Statuten, den Plan für die Linienführung der Strasse
und den Kostenvoranschlag. A. ist als Eigentümer der Parzellen Nr. 495
und 1019 Mitglied der Flurgenossenschaft.

    Der Gemeinderat Giswil erteilte der Flurgenossenschaft am 4. November
1985 die Baubewilligung. Daran schloss sich ein Beschwerdeverfahren bis
vor Bundesgericht an. Dieses wies die Beschwerde mit Urteil vom 29. Juni
1987 im Sinne der Erwägungen ab, soweit darauf einzutreten war. Zur
Begründung des damaligen Urteils führte das Bundesgericht aus, das Areal
einer Waldstrasse gelte als Wald; diene die Strasse dagegen - wie dies vom
Beschwerdeführer behauptet werde - nichtforstlichen Zwecken, so bedinge
deren Bau eine Rodungsbewilligung. Am Augenschein habe sich gezeigt,
dass die vom Kantonsoberförster anerkannte forstliche Zweckbestimmung
der in Frage stehenden Strasse nur von untergeordneter Bedeutung sei;
forstlich würde ein blosser Maschinenweg zum Wald oder allenfalls
etwas in den Wald hinein ausreichen. Ebenso sei der Nachweis einer -
von seiten der Kantonsvertreter behaupteten - einschlägigen kantonalen
Praxis, wonach für eine derartige, forstlichen Zwecken dienende Strasse
keine Rodungsbewilligung erforderlich sei, nicht gelungen. Die Frage
der forstlichen Zulässigkeit des Vorhabens bedürfe offensichtlich noch
näherer Abklärungen. Die Baubewilligung sei daher unter Vorbehalt dieser
Abklärungen und einer allfällig erforderlichen Rodungsbewilligung zu
erteilen.

    Am 6. Januar 1988 stellte S. namens der Flurgenossenschaft Flüe
das Gesuch um eine Rodung für 1450 m2 Wald auf den Parzellen Nr. 493
und Nr. 497 sowie auf dem A. gehörenden Grundstück Nr. 495 für den Bau
einer Güterstrasse zur Erschliessung zweier Heimwesen und kleinerer
Waldparzellen. Mit Entscheid vom 8. März 1988 erteilte der Regierungsrat
die Rodungsbewilligung.

    Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 11. April 1988 beantragt A.,
der Entscheid des Regierungsrates vom 8. März 1988 sei aufzuheben und die
Sache zur Neuentscheidung und zur Durchführung des örtlichen Verfahrens
an den Regierungsrat zurückzuweisen; evtl. sei das Gesuch abzuweisen und
demzufolge die Rodung nicht zu bewilligen.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit auf sie eingetreten
werden kann.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- e) In der Interessenabwägung ist davon auszugehen, dass das
Walderhaltungsinteresse von Gesetzes wegen überwiegt (nicht publ. BGE
vom 3. Dezember 1986 i.S. Ligue suisse pour la protection de la nature
und EDI c. Favre, S. 5 f.). Es hat bloss zurückzutreten, wenn ein
überwiegendes Rodungsinteresse nachgewiesen ist (Art. 26 Abs. 1 FPolV; BGE
112 Ib 200 E. 2a und 108 Ib 268 f.). Im allgemeinen erfüllt das Interesse
an der Landgewinnung für eine Güterregulierung diese Anforderung nicht,
es sei denn, das Unternehmen werde sonst in seinem Kern verunmöglicht
(vgl. BGE 114 Ib 235 E. dc; 113 Ib 408 E. 4e; 108 Ib 183 ff. und 98 Ib 128
ff.). Es muss um eigentliche Existenzfragen gehen. Ausnahmen werden nur
in geringem Ausmass zur Vornahme kleiner Korrekturen gemacht, allenfalls
auch, wenn sich sonst ein Landwirtschaftsbetrieb vernünftigerweise
nicht mehr aufrechterhalten liesse oder wenn damit wenigstens eine sehr
beachtliche Ertragssteigerung erreicht würde und keine gewichtigen Gründe
des Landschaftsschutzes entgegenstehen (s. BGE 108 Ib 184 und das erwähnte
Urteil vom 3. Dezember 1986 E. 3c, ferner nicht publ. BGE vom 30. April
1986 i.S. Yvorne und Corbeyrier E. 3a, vom 22. August 1979 i.S. SBN
c. Wilhelm E. 2 sowie vom 3. Oktober 1975 i.S. SBN c. Rhyner E. 4).

    aa) Die von der Flurgenossenschaft vorgesehene Güterstrasse Flüe
erfüllt diese Anforderungen. Es geht dabei nicht wie im Normalfall der
erwähnten Rechtsprechung um die Gewinnung von Acker- oder Wiesland,
sondern um eine strassenmässige Verbindung. Das Vorhaben besteht nur in
einer doch untergeordneten Verbreiterung eines heute schon vorhandenen
Fussweges und soll eine Erschliessung herbeiführen, wie sie für eine
landwirtschaftliche Bewirtschaftung unerlässlich ist; die heutigen
Erschliessungsverhältnisse über den erwähnten Fussweg oder die Fahrspur
sind ungenügend. Dem Beschwerdeführer schwebt offenbar immer noch eine
Erschliessung durch die Fahrspur über das Aecherli vor; diese ist aber
offensichtlich ungenügend. Dagegen soll die projektierte Waldstrasse
selbst nach den Angaben des Beschwerdeführers nach dem Projekt des
Meliorationsamtes lastwagenbefahrbar erstellt werden; auf andere Angaben
etwa im Privatgutachten Grunder kommt es insoweit gar nicht an. Also wäre
mit dem Werk der Erschliessungszweck erreichbar.