Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 IB 168



114 Ib 168

26. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 11. November
1988 i.S. Medigros AG gegen Eidg. Oberzolldirektion und
Eidg. Zollrekurskommission (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Zollwesen; Art. 16 und 17 des Protokolls Nr. 3 zum Abkommen
zwischen der Schweiz. Eidgenossenschaft und der Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft: nachträgliche Prüfung des Ursprungsnachweises.

    Der Entscheid über den Ursprung der Waren steht allein den Behörden des
Ausfuhrstaates zu. Die schweizerischen Zollbehörden können eine Nachprüfung
bzw. deren Überprüfung verlangen, wenn sie von einer Ursprungsbestätigung
nicht überzeugt sind. Unter Umständen sind sie verpflichtet, auch um eine
Überprüfung des für den Importeur ungünstigen Nachprüfungsergebnisses
zu ersuchen. Letztlich bleiben die Zollbehörden des Einfuhrstaates aber
an den Entscheid der Behörden des Ausfuhrstaates gebunden. Sie dürfen
diesen nicht durch eine eigene Beurteilung ersetzen.

Sachverhalt

    A.- Am 16. Februar, 27. April, 12. und 14. Juli und am 30.  September
1982 führte die Medigros AG verschiedene Laborartikel (Zentrifugenröhrchen,
Pipetten usw.) in das schweizerische Zollgebiet ein. Ausser der
Sendung vom 14. Juli 1982 wurden alle Waren gestützt auf die vorgelegten
Ursprungsnachweise definitiv zollfrei abgefertigt. Die Lieferung vom
14. Juli 1982 wurde provisorisch verzollt und der entsprechende Betrag
von Fr. 180.55 hinterlegt.

    Mit Schreiben vom 14. April und 27. Juli 1983 ersuchte die
schweizerische Zollverwaltung die deutschen Zollbehörden um Überprüfung der
Echtheit und Richtigkeit des mit der Sendung vom 14. Juli 1982 vorgelegten
Ursprungsnachweises.

    Das Hauptzollamt Mainz teilte der Eidgenössischen Oberzolldirektion
am 10. Februar 1984 mit, die Nachprüfung habe ergeben, dass die fragliche
Sendung keine Ursprungswaren im Sinne des Freihandelsabkommens zwischen
der Schweiz und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft enthalten
habe. Mit Schreiben vom 9. April 1985 gab die deutsche Zollbehörde
überdies bekannt, dass es sich auch bei den übrigen Sendungen nicht um
Ursprungsware gehandelt habe. Dieser Schluss ergebe sich aufgrund der
ersten Nachprüfung. Eine neuerliche Kontrolle sei nicht mehr möglich,
weil die Exporteurin, die Imeda-Grosshandels-GmbH, am 11. November 1982
in Konkurs geraten sei.

    Die Zollkreisdirektion III gab der Medigros AG mit Schreiben vom
20. Mai 1985 Kenntnis von den Antworten der deutschen Behörde und stellte
gleichzeitig in Aussicht, dass der Zollbetrag von Fr. 469.55 nachbezogen
werde; ferner werde das Zollamt Buchs angewiesen, die provisorisch
zum Normalansatz abgefertigte Sendung vom 14. Juli 1982 definitiv zu
verbuchen. Obschon die Medigros AG noch am 30. Mai 1985 gegen diese
Absicht der Verwaltung opponiert hatte, verfügte die Zollkreisdirektion
III am 3. Juni 1985 im Sinne der ergangenen Ankündigung.

    Die Verfügung wurde von der Oberzolldirektion bestätigt, und auch
die Eidgenössische Zollrekurskommission wies am 30. Oktober 1987 die
Beschwerde der Medigros AG gegen den Entscheid der Oberzolldirektion
vollumfänglich ab.

    Die Medigros AG führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem
Antrag, das Urteil der Zollrekurskommission sowie die Verfügung der
Zollkreisdirektion III seien aufzuheben, und die Sache sei zu neuem
Entscheid zurückzuweisen. Im Eventualstandpunkt wird verlangt, das
Bundesgericht solle nach Abnahme der angebotenen Beweise die Zollfreiheit
der fraglichen Waren feststellen und das Zollinspektorat Buchs anweisen,
den hinterlegten Abgabebetrag zurückzuerstatten.

    Die Beschwerdeführerin wirft der Vorinstanz unrichtige und
unvollständige Feststellung des Sachverhalts vor. Einerseits
hätte nicht auf die Nachprüfungsberichte des Hauptzollamtes Mainz
abgestellt werden dürfen, weil diese ohne irgendwelche Abklärungen
abgefasst worden seien. Anderseits habe es die Zollrekurskommission
mit völlig unzureichender Begründung abgelehnt, die angebotenen Beweise
abzunehmen, mit denen sich belegen lasse, dass die importierten Güter
aus Mitgliedsländern der Europäischen Gemeinschaften stammten.

    Das Bundesgericht weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab aus
folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Mit dem zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft
und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) abgeschlossenen
Freihandelsabkommen vom 22. Juli 1972 (AS 1972, 3115; 1975, 1437)
wurde die schrittweise Beseitigung von Einfuhrzöllen bis zum Jahre 1977
vereinbart. In den Genuss der von der Schweiz zu gewährenden Zollfreiheit
gelangen ausschliesslich Waren, die ihren Ursprung in den Staaten der EWG
haben. Der Begriff des Ursprungs sowie die Form des Ursprungsnachweises
sind im Protokoll Nr. 3 zum erwähnten Abkommen geregelt (AS 1972, 3184;
1978, 601; ab 1. Januar 1985 gültige Neufassung des ganzen Protokolls AS
1985, 79; weitere Änderungen AS 1987, 1112; 1988, 570; SR 0.632.401.3).

    b) Die Warenverkehrsbescheinigung EUR. 1 wird bei der Ausfuhr der
Waren, auf die sie sich bezieht, von den Zollbehörden des Ausfuhrstaates
erteilt (Art. 9 Abs. 1 des Protokolls). Für Sendungen, deren Wert 1500
Rechnungseinheiten (Art. 8 Abs. 1 lit. b des Protokolls in der Fassung
von 1978) bzw. 3'400 ECU (Fassung von 1985) nicht überschreitet, kann
das Formblatt EUR. 2 verwendet werden, das unter der Verantwortlichkeit
des Ausführers von diesem oder von seinem bevollmächtigten Vertreter
auszufüllen und zu unterzeichnen ist (Art. 14 des Protokolls). Das
Formblatt EUR. 2 wurde mit der Änderung des Protokolls im Jahre 1987
durch eine entsprechende Erklärung des Ausführers auf der Rechnung ersetzt
(AS 1987, 1112; Art. 8 Abs. 1 lit. b).

    c) Bei Vorlage der Nachweise EUR. 1, EUR. 2 bzw. der auf den Rechnungen
abgegebenen Erklärungen haben die Zollbehörden des Einfuhrstaates
eingeführte Waren als Ursprungserzeugnisse anzuerkennen (Art. 8 Abs. 1 des
Protokolls). Haben sie begründete Zweifel an der Echtheit des Dokuments
oder an der Richtigkeit der Angaben über den tatsächlichen Ursprung der
betreffenden Waren, so können sie von den Zollbehörden des Ausfuhrstaates
die nachträgliche Prüfung verlangen (Art. 17 des Protokolls). Das Verfahren
dieser nachträglichen Prüfung ist im Protokoll nicht geregelt. Es bestimmt
sich vielmehr nach dem innerstaatlichen Recht des Ausfuhrstaates (BGE
111 Ib 326/7). An dessen Ergebnis sind die Behörden des Einfuhrstaates
gebunden (BGE 110 Ib 309).

    Diese Rechtsprechung des Bundesgerichts deckt sich mit jener des
Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften. In seinem Urteil i.S. Les
Rapides Savoyards vom 12. Juli 1984 (EuGH, Slg. 1984, S. 3105) hat der
Gerichtshof ausgeführt, der Ursprung der Waren sei von den Behörden des
Ausfuhrstaates zu bestimmen, weil diese am besten in der Lage seien, die
Tatsachen, von denen der Ursprung abhänge, unmittelbar festzustellen. Das
Funktionieren der Regelung beruhe auf dieser Verteilung der Aufgaben
zwischen den Zollverwaltungen der Parteien des Freihandelsabkommens und
auf dem Vertrauen, das den von den beteiligten Verwaltungen erlassenen
Massnahmen gebühre. Die Zollverwaltung des Einfuhrstaates habe die
Entscheidung der Behörden des Ausfuhrstaates anzuerkennen (EuGH, aaO,
S. 3123/24).

    d) Die in Art. 16 und 17 des Protokolls statuierten Amtshilfepflichten
schliessen bei Zweifeln am Nachprüfungsergebnis Rückfragen und
Ergänzungen nicht ausdrücklich aus. Die amtliche Zusammenarbeit
kann zwar nicht unbegrenzt sein, doch wird sie einschliessen müssen,
was zur Feststellung des Ursprungs einer Ware notwendig und zumutbar
ist. Wenn die Überprüfungsmitteilung missverständlich oder möglicherweise
unvollständig ist, steht es den Behörden des Einfuhrstaates daher frei,
ein nochmaliges Begehren um Überprüfung zu stellen. Völkerrechtswidrig
wäre dies jedenfalls nicht.

    Frage des landesinternen Rechts des Einfuhrstaates ist es folglich,
ob der Importeur Anspruch darauf hat, dass bei den Zollbehörden
des Ausfuhrstaates um eine Überprüfung des für ihn ungünstigen
Nachprüfungsergebnisses nachgesucht wird. Für das schweizerische
Recht hatte das Bundesgericht schon Gelegenheit, diese Frage aufgrund
neuer Beweismittel zu bejahen in einem Fall, in dem die Behörden
des Ausfuhrstaates ausdrücklich die Bereitschaft zu einer nochmaligen
Nachprüfung erklärten, die schweizerischen Zollbehörden diese Nachprüfung
durch die Behörden des Ausfuhrstaates aber zu verhindern trachteten
(BGE 111 Ib 323).

    Wenn das Bundesgericht in den Erwägungen des genannten Entscheids den
Eindruck erweckt haben sollte, der Importeur könne von den schweizerischen
Zollbehörden aufgrund neuer Beweismittel verlangen, den Sachverhalt über
den wahren Ursprung der Waren selber festzustellen und so das Ergebnis
der Nachprüfung durch die Behörden des Ausfuhrstaates zu überprüfen,
könnte daran nicht festgehalten werden. Diese Kompetenz steht nach
der im Protokoll vereinbarten Aufgabenverteilung ausschliesslich den
Zollbehörden des Ausfuhrstaates zu. Vor diesen sind allfällige Rechtsmittel
nach den Bestimmungen des entsprechenden Staates zu ergreifen. Die
Verfahrensgarantien des landesinternen Rechts des Einfuhrstaates können
dem Importeur lediglich garantieren, dass auch zu seinen Gunsten (und
nicht nur zugunsten des Zolls) eine Nachprüfung durch die Behörden des
Ausfuhrstaates anbegehrt wird. Halten diese letztlich an der negativen
Beurteilung des Ursprungs fest, bleibt der Einfuhrstaat daran gebunden
und der Importeur kann sich dagegen vor den schweizerischen Behörden
nicht mehr mit Erfolg wehren.

Erwägung 2

    2.- a) Die Beschwerdeführerin will den Beweis dafür erbringen, dass
der grösste Teil der von ihr importierten Waren italienischen Ursprungs
sei und dass die restlichen Waren aus andern Staaten der Europäischen
Gemeinschaft stammten. Zu Unrecht macht sie nach dem Gesagten allerdings
geltend, sie habe nach dem schweizerischen Verfahrensrecht Anspruch auf
die Abnahme dieser Beweise durch die schweizerischen Behörden. Fragen
kann sich nur, ob die schweizerischen Zollbehörden gehalten sind, bei
den deutschen Zollbehörden um eine erneute Nachprüfung zu ersuchen.

    b) Bei den am 14. Juli 1982 von der Beschwerdeführerin eingeführten
Waren bemerkte das Zollamt Buchs, dass sich darunter neben den auf
Formblatt EUR. 2 aufgeführten Waren zusätzlich ein Karton mit Kanülen
japanischer Herkunft befand. Dies veranlasste die Eidg. Oberzolldirektion,
die Amtshilfe der deutschen Zollbehörden nach Art. 16/17 des Protokolls
zu beanspruchen. Die Nachprüfung des Hauptzollamtes Mainz ergab, dass die
gesamte Sendung keine Ursprungswaren im Sinne des Freihandelsabkommens
enthielt. Aufgrund dieses Berichtes ersuchte die Eidg. Oberzolldirektion
auch um Nachprüfung der weiteren Sendungen aus dem Jahre 1982. Das
Hauptzollamt Mainz war nun allerdings wegen Konkurses der Exporteurin
nicht mehr in der Lage, eine eigentliche Kontrolle durchzuführen. Es
zog aber aus dem Ergebnis der ersten, die Sendung vom 14. Juli 1982
betreffenden Nachprüfung den Schluss, dass auch die weiteren Sendungen
nicht als Ursprungswaren gelten können und teilte dies der Eidg.
Oberzolldirektion mit.

    Ob sich eine weitere Rückfrage zugunsten der Beschwerdeführerin
rechtfertigt, beurteilt sich danach, ob ihre Vorbringen erwarten lassen,
dass das Hauptzollamt Mainz auf seine Auffassung zurückkommt. Dabei
ist davon auszugehen, dass der Beweis für die Richtigkeit des
Ursprungsnachweises dem Exporteur obliegt (BGE 110 Ib 308/9).

    c) Die Beschwerdeführerin beruft sich darauf, dass sich ein Teil der
fraglichen Waren noch immer bei ihr am Lager befinde. Auch würden solche
Produkte noch immer in Italien produziert; als Beweismittel nennt sie
Preislisten und Verkaufsprospekte. Sodann könnten Vertreter der konkursiten
Exporteurin einvernommen werden sowie der Geschäftsführer einer weiteren
deutschen Firma, die mit denselben Artikeln handle.

    Solche Beweismittel sind indessen ungeeignet, den Beweis für die
Ursprungsqualität der im Jahre 1982 eingeführten Waren zu erbringen. Dazu
wäre eine Kontrolle bei der Exporteurin selbst unabdingbar. Weil eine
solche nach der Darstellung des Hauptzollamtes Mainz zufolge Konkurses
nicht mehr möglich ist, kann nicht erwartet werden, dass die deutschen
Zollbehörden zu einer neuen Beurteilung der Ursprungseigenschaft
gelangen. Daher konnte ohne Verletzung der Verfahrensgarantien des
schweizerischen Rechts auf eine weitere Rückfrage verzichtet werden.