Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 IB 152



114 Ib 152

22. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 10. Juni 1988 i.S. X. AG gegen Eidgenössisches Verkehrs- und
Energiewirtschaftsdepartement (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 1 und 2 BB über die unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und
Fernsehen; Abgrenzung der Zuständigkeiten.

    Beanstandete Radio- und Fernsehsendungen schweizerischer Veranstalter
werden von der Unabhängigen Beschwerdeinstanz daraufhin untersucht,
ob sie mit den Programmvorschriften der Konzession übereinstimmen;
die Einhaltung finanz- und betriebsrechtlicher Bestimmungen,
worunter die Werbevorschriften fallen, wird dagegen vom Verkehrs- und
Energiewirtschaftsdepartement überprüft.

Sachverhalt

    A.- Die X. AG erhielt vom Bundesrat die Erlaubnis, ein eigenes lokales
Radioprogramm zu verbreiten. Der Y.-Verband reichte gegen eine von der
X. AG wiederholt ausgestrahlte Sendung beim Eidgenössischen Verkehrs- und
Energiewirtschaftsdepartement eine Beschwerde ein, weil die beanstandete
Sendung die für lokale Rundfunkversuche geltenden Werbevorschriften
verletzt habe. Mit Verfügung vom 13. August 1987 stellte das Departement
fest, die X. AG habe die Werbevorschriften verletzt; im weiteren wurde die
X. AG förmlich ermahnt, die Werbevorschriften und die Versuchserlaubnis
einzuhalten.

    Die X. AG erhebt gegen diese Verfügung
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Sie begründet diese unter anderem damit, zur
Beurteilung der Beschwerde des Y.-Verbandes wäre statt des Eidgenössischen
Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartements das lokale Beschwerdeorgan
mit Weiterzugsmöglichkeit an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio
und Fernsehen zuständig gewesen.

Auszug aus den Erwägungen:

                  Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Die Kompetenzen der Unabhängigen Beschwerdeinstanz und des
Departementes ergeben sich aus Art. 1 und 2 des Bundesbeschlusses vom 7.
Oktober 1983 über die unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen
(BB, SR 784.45). Danach entscheidet die Unabhängige Beschwerdeinstanz
über Beanstandungen ausgestrahlter Radio- und Fernsehsendungen
schweizerischer Veranstalter, während das Departement von Amtes wegen
prüft, ob Sendungen die innere oder äussere Sicherheit des Bundes oder
der Kantone, ihre verfassungsmässige Ordnung oder die völkerrechtlichen
Beziehungen gefährden. Im übrigen kann es Sendungen bei der Unabhängigen
Beschwerdeinstanz beanstanden. In den genannten Bestimmungen wird jedoch
nicht gesagt, welche Behörde Sendungen daraufhin überprüft, ob sie die
Vorschriften über unzulässige Werbung (Art. 19 der Verordnung vom 7. Juni
1982 über lokale Rundfunk-Versuche (RVO; SR 784.401)) verletzen. Der
Wortlaut des Bundesbeschlusses vermag die Frage nach der Verteilung der
Kompetenzen nicht zu beantworten.

    Der Bundesrat führte in seiner Botschaft vom 8. Juli 1981 über
die Schaffung einer unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und
Fernsehen (BBl 1981 III 105 ff.) indessen aus, dass die Unabhängige
Beschwerdeinstanz Sendungen dahingehend zu untersuchen habe, ob sie mit
den Programmvorschriften der Konzession übereinstimmen, nicht aber, ob
sie den finanz- und betriebsrechtlichen Vorschriften entsprechen (aaO,
118). Daraus lässt sich durch Umkehrschluss ableiten, dass das Departement
auch nach Schaffung der Unabhängigen Beschwerdeinstanz zuständig bleibt,
über Beschwerden, welche die Einhaltung finanz- und betriebsrechtlicher
Vorschriften betreffen, zu entscheiden (bei lokalen Rundfunkveranstaltungen
nach Art. 32 Abs. 1 RVO, im Gegensatz zu Art. 33 Abs. 3 RVO).

    b) Im vorliegenden Fall scheinen sich die Kompetenzen der Unabhängigen
Beschwerdeinstanz und des Departements zu überschneiden. Die umstrittene
Werbung wurde innerhalb des Programmteils der X. AG ausgestrahlt. Steht
dabei die Verletzung finanz- und betriebsrechtlicher Vorschriften in Frage,
so ist das Departement zum Entscheid zuständig; ist die im Programmteil
ausgestrahlte Werbung jedoch geeignet, die Programmvorschriften der
Konzession zu verletzen, so müssen das lokale Beschwerdeorgan und
die Unabhängige Beschwerdeinstanz entscheiden. Nach der Praxis, die
sich zwischen der Unabhängigen Beschwerdeinstanz und dem Departement
herausgebildet hat, ist zu unterscheiden zwischen Programmgesichtspunkten
und solchen rein finanzieller Art. Aspekte mit Programmnatur liegen vor,
wenn es sich um Fragen der Meinungs- und Willensbildung, um die Transparenz
einer Sendung oder um Fragen von verfälschter Information handelt. In
solchen Fällen erachtet sich die Unabhängige Beschwerdeinstanz als
zuständig, weil es um die Frage geht, ob die unabhängige Willensbildung des
Publikums gewährleistet ist, deren Schutz der Beschwerdeinstanz übertragen
ist. Fragen finanzpolitischer Natur, unternehmerische Gesichtspunkte und
Finanzierungsaspekte fallen, nach dieser Auffassung, in die Kompetenz des
Departementes. Nicht ausgeschlossen ist schliesslich, dass im gleichen
Fall die Zuständigkeit sowohl des Departementes wie der Unabhängigen
Beschwerdeinstanz gegeben ist (VPB 51 (1987), S. 312 f.). Gestützt
hierauf wurde die Zuständigkeit des Departementes in einigen Fällen mit
der Begründung bejaht, bei der Werbung stehe immer die finanzielle Seite
im Vordergrund (z.B. VPB 51 (1987), Nr. 52 B E. 1; Nr. 52 C).

    c) Diese von Beschwerdeinstanz und Departement entwickelte
Rechtspraxis, die der Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche dient,
erscheint als zweckmässig. Am Gehalt der Werbung ändert sich nichts,
ob sie innerhalb des Programmteils erscheint oder ob sie von diesem
getrennt wird. Deshalb untersteht verbotene Werbung auch dann den
Finanzierungsvorschriften, wenn sie im Programmteil erscheint. Damit
ist die Zuständigkeit des Departements im konkreten Fall gegeben, denn
auch hier ist zu prüfen, ob eine unzulässige Werbung vorliegt. Weil das
Departement die Sendung ausschliesslich unter diesem Aspekt und nicht
unter Programmgesichtspunkten geprüft hat, hat es weder Art. 32 noch
Art. 33 RVO verletzt.

    d) Nicht stichhaltig ist der Einwand der Beschwerdeführerin, das
Departement habe die Zuständigkeitsabgrenzung gegenüber der falschen
Instanz vorgenommen, denn es geht ausschliesslich darum, ob die -
allenfalls wie hier: lokale - Beschwerdeinstanz oder das Departement
zuständig sei. Als ebenso unbegründet erweist sich der weitere Einwand
der Beschwerdeführerin, "im Sinne der Rechtssicherheit müsste die
Zuständigkeitsfrage mindestens in einem Beschluss des Bundesrates geregelt
werden". Es stellen sich nämlich nicht Probleme der Rechtsetzung, sondern
der Rechtsanwendung; die Rechtsanwendung ist von den dazu zuständigen
Organen vorzunehmen und, gegebenenfalls, auf dem Rechtsweg zu überprüfen.

    Unerheblich sind weiter die Erörterungen der Beschwerdeführerin
zum Begriff der Aufsichtsbeschwerde, denn entscheidend ist nur, dass
die Vorinstanz - von sich aus oder auf Anzeige hin - befugt war, als
Aufsichtsbehörde einzuschreiten.