Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 IB 142



114 Ib 142

21. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 23. März 1988 i.S. Interchemie AG gegen Kanton Zug und
Eidg. Schätzungskommission, Kreis 9 (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Natur der Verträge über Abtretung von Rechten an den
Nationalstrassenbau; Zuständigkeit der Eidgenössischen
Schätzungskommission.

    Voraussetzungen für die Eröffnung eines Enteignungsverfahrens für den
Nationalstrassenbau (E. 3a). Verträge über die Abtretung von Rechten an
den Nationalstrassenbau, die nach der Auflage des Ausführungsprojektes
geschlossen werden, unterstehen dem öffentlichen Recht und stellen
Enteignungsverträge dar; zuständig zur Beurteilung von Streitigkeiten
aus solchen Verträgen ist die Eidgenössische Schätzungskommission (E. 3b).

Sachverhalt

    A.- Der Bundesrat erteilte am 4. Januar 1966 dem generellen Projekt
für die Nationalstrasse 4a, Teilstrecke Blegi-Zimbel (Blickensdorf),
seine Genehmigung. Für diese Teilstrecke legte der Kanton Zug ab 16. Mai
1966 einen Projektierungszonenplan gemäss Art. 14 des Bundesgesetzes über
die Nationalstrassen (NSG) in den betroffenen Gemeinden öffentlich auf.

    Am 29. Juli 1966 erwarb die Interchemie AG (heute: Leutwyler
Dienstleistungen AG), die bereits Eigentümerin des an die SBB-Linie
Zug-Steinhausen stossenden Grundstücks Nr. 470 in Steinhausen war, die nach
dem aufgelegten Plan zwischen der Projektierungszone und ihrem Grundstück
liegende Fläche von 4950 m2 (Parzelle Nr. 490) für den Bau einer zweiten
Lagerhalle und eines Bürohauses. Im Baubewilligungsverfahren machte das
kantonale Bauamt die Grundeigentümerin jedoch darauf aufmerksam, dass
nach den anhand von elektronischen Berechnungen erstellten Detailplänen
die Zonengrenze über ihre Parzellen verlaufe und die geplante Lagerhalle
anschneide. Das Bauamt wies die Interchemie AG im weiteren darauf hin,
dass im Zuge des Baues der Unterführung der N 4a unter den SBB-Geleisen
mit einer Grundwasserspiegel-Absenkung zu rechnen sei, und riet ihr, mit
der Erstellung von Bauten entlang der Projektierungszone nach Möglichkeit
zuzuwarten, um bautechnische Schwierigkeiten zu verhindern.

    Das aufgrund des generellen Projektes ausgearbeitete Ausführungsprojekt
für die N 4a, das die definitiven sowie "provisorische", für die
Bauzeit gültige Baulinien enthielt, wurde in der Gemeinde Steinhausen
vom 23. November bis 22. Dezember 1967 publiziert. Gegen dieses Projekt
erhob die Interchemie AG Einsprache, zog diese aber nach Verhandlungen
mit der Baudirektion des Kantons Zug, die der Grundeigentümerin gegenüber
verschiedene Zusicherungen abgab, wieder zurück. Das Ausführungsprojekt
wurde am 31. Oktober 1969 durch das Eidgenössische Departement des Innern
genehmigt.

    Für den Bau der Nationalstrassen-Unterführung beanspruchte der
Kanton Zug vorübergehend ab den Parzellen Nrn. 470 und 490 rund 1500
m2. Am 3. November 1970 bewilligte der Zuger Regierungsrat gestützt
auf Art. 37 NSG die vorzeitige Inbesitznahme dieser Fläche, wobei er
erwähnte, dass für alle mit der Landumlegung zusammenhängenden Fragen
die Ausführungskommission der Gesamtmelioration "Lorze" zuständig
sei. Im Zusammenhang mit der vorzeitigen Besitzeinweisung schlossen
die Interchemie AG und die Baudirektion des Kantons Zug am 13. November
1970 eine Vereinbarung "betreffend Entschädigungs- und Detailfragen", in
welcher die Vergütung für die vorübergehende Inanspruchnahme auf jährlich
Fr. 300.-- festgesetzt und bestimmt wurde, dass die Grundeigentümerin
für allfällige betriebliche Inkonvenienzen zusätzlich entschädigt
würde. Gestützt auf diese Vereinbarung hob der Regierungsrat seinen
Beschluss über die vorzeitige Besitzeinweisung am 17. November 1970
unter dem Vorbehalt auf, dass die für den reibungslosen Ablauf des
Nationalstrassenbaus erforderlichen Arbeiten im Bereiche der Grundstücke
Nrn. 470 und 490 ungehindert fortgesetzt werden könnten.

    Der Bau der Grundwasserwanne für die Strassenunterführung erwies
sich als äusserst schwierig und erforderte umfangreichere Aushebungen
als zunächst vorgesehen. Da auch die Grundstücke Nrn. 470 und 490
davon betroffen wurden, schlossen die Parteien am 16. Juni 1971 eine
neue Vereinbarung ("Grundvereinbarung" genannt), die unter anderem den
Ablauf der Bauarbeiten sowie die Wiederherstellung und Rückgabe des
vorübergehend beanspruchten Terrains regelte und einen Flächenabtausch
vorsah. Durch Zusatzvereinbarung vom 19. November 1971 gestattete die
Grundeigentümerin dem Kanton Zug, weitere Abtragungen vorzunehmen. Nach
erneuter Verschlechterung der Gelände- und Bauverhältnisse kam am 3. März
1972 eine zweite Zusatzvereinbarung zustande, in der sich die Interchemie
AG damit einverstanden erklärte, dass der Kanton Zug die von ihr erstellte,
durch Absenkungen gefährdete Heizzentrale entferne.

    In der Folge zeigte sich, dass die Rückgabe des vorübergehend
beanspruchten Terrains auf den vorgesehenen Zeitpunkt nicht möglich war,
und es ergaben sich Streitigkeiten über die vertraglichen Pflichten
der Parteien, im Laufe derer die Interchemie AG schliesslich beim
Bundesgericht gestützt auf Art. 42 OG Klage gegen den Kanton Zug erhob
und bei diesem zudem zuhanden der Eidgenössischen Schätzungskommission
vorsorglich Entschädigungsbegehren einreichte, die im noch zu
eröffnenden Enteignungsverfahren zu behandeln seien. Im Klageverfahren
vor Bundesgericht kamen die Parteien überein, dass die geltend gemachten
Forderungen ausschliesslich im Expropriationsverfahren zu beurteilen seien
und die eingereichte Klage unter dem Vorbehalt zurückgezogen werde, dass
sie bei Unzuständigkeit der Schätzungskommission wieder anhängig gemacht
werden könne.

    Entsprechend der Vereinbarung ersuchte der Kanton Zug den Präsidenten
der Eidgenössischen Schätzungskommission, Kreis 9, um Eröffnung eines
Enteignungsverfahrens und um Erlaubnis zur Durchführung des abgekürzten
Verfahrens im Sinne von Art. 33 des Bundesgesetzes über die Enteignung
(EntG). Gemäss der persönlichen Anzeige, die der Enteigneten am
23. August 1977 zuging, verlangte der Kanton Zug die Abtretung eines
Landstreifens von 60 m2 für den Bau einer Pump- und Trafo-Station. Nach
Beizug eines Gutachters und verschiedenen Schriftenwechseln setzte
die Schätzungskommission mit Entscheid vom 29. April 1983 die Höhe der
Entschädigung für einzelne Teilbegehren der Enteigneten fest, trat aber
auf andere Forderungspunkte nicht ein, da die Schätzungskommission
nicht zuständig sei zur Beurteilung, ob die zwischen den Parteien
geschlossenen zivilrechtlichen Verträge gültig seien und inwieweit sie
der Grundeigentümerin einen Entschädigungsanspruch - namentlich für die
verspätete Rückgabe des Landes - verschafften.

    Die Interchemie AG hat gegen das Urteil der Schätzungskommission
Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben, mit der sie unter anderem den
Nichteintretensentscheid anficht. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde
in einem Teilentscheid insoweit gut, als sie die Frage der Zuständigkeit
der Schätzungskommission betrifft.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Den Erwägungen der Schätzungskommission über ihre eigene
Zuständigkeit ist nicht durchwegs zuzustimmen.

    a) Im angefochtenen Entscheid wird zu Recht ausgeführt, dass nach
ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung die Schätzungskommission
in der Regel nur vom Unternehmen, das bereits über das Enteignungsrecht
verfügt oder noch damit ausgestattet werden soll, um Eröffnung eines
Expropriationsverfahrens ersucht werden kann; die Privaten können sich erst
dann mit ihren Entschädigungsbegehren direkt an die Schätzungskommission
wenden, wenn das Verfahren durch eine öffentliche Planauflage im Sinne
von Art. 30 EntG oder durch eine persönliche Anzeige gemäss Art. 33
f. EntG bereits eingeleitet worden ist (BGE 112 Ib 125 f., 110 Ib 371
f. E. 1, 106 Ib 234 E. 2a). Im weiteren kann die Spezialgesetzgebung die
Eröffnung des Enteignungsverfahrens an zusätzliche formelle Voraussetzungen
knüpfen. So haben die Kantone auf dem Gebiet des Nationalstrassenbaus,
für den sie von Gesetzes wegen das Enteignungsrecht besitzen oder dieses
den Gemeinden übertragen können (Art. 39 Abs. 1 NSG), bei Einleitung des
Verfahrens nachzuweisen, dass das Ausführungsprojekt nach Behandlung der
Einsprachen vom zuständigen Departement genehmigt worden ist (Art. 39
Abs. 2 in Verbindung mit Art. 27 und 28 NSG). Enteignungsverfahren,
die von der Schätzungskommission vor dem Vorliegen dieser Genehmigung
eröffnet werden, sind nichtig und werden vom Bundesgericht von Amtes wegen
aufgehoben (BGE 99 Ib 488 ff.; 109 Ib 133 E. 2b; nicht publ. Entscheid vom
20. März 1984 i.S. Staat Wallis E. 1a und 2b). Ist dagegen ein Verfahren
formell richtig eingeleitet worden, so steht dem Privaten der Weg zum
Richter offen und braucht er - entgegen der im angefochtenen Entscheid
vertretenen Meinung - sich nicht darauf zu beschränken, nur für jene Rechte
Entschädigung zu verlangen, die vom Unternehmen als Enteignungsobjekt
bezeichnet worden sind. Sonst wäre der Nachbar eines Werkes, von dem
tatsächlich oder angeblich übermässige Immissionen ausgehen, kaum je in
der Lage, seinen Entschädigungsanspruch für die Unterdrückung seiner
Abwehrrechte anzumelden, da der Enteigner nach Art. 27 Abs. 2 EntG
nur verpflichtet ist, die für die Erstellung des Werkes beanspruchten
Rechte in der Grunderwerbstabelle zu nennen, dagegen in der Regel nicht
angeben kann, welche Nachbarrechte durch den zukünftigen Werkbetrieb
beeinträchtigt werden (nicht publ. Entscheid vom 9. Dezember 1983
i.S. Stiftung WWF Schweiz E. 3). Der Enteigner ist denn auch aufgrund von
Art. 22ter BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK gehalten, dem Privaten den Zugang
zum Richter zu ermöglichen, selbst wenn er den Eingriff in fremde Rechte
grundsätzlich bestreitet (BGE 112 Ib 178, 294, 111 Ib 231 f. E. 2e, 110
Ib 372 E. 1). Wo es die Spezialgesetzgebung vorsieht, kann allerdings der
Private mit seinem Entschädigungsgesuch direkt an die Schätzungskommission
gelangen; es handelt sich hiebei um Fälle der materiellen Enteignung,
deren Beurteilung der Gesetzgeber für besondere Sachbereiche ebenfalls
den Eidgenössischen Schätzungskommissionen übertragen hat (BGE 112 Ib 126
E. 2, 106 Ib 234). Zwar wird sich der Private auch in solchen Fällen -
wie in Art. 18 und 25 NSG vorgesehen - zunächst mit dem Enteigner zu
einigen versuchen, doch unterlässt er dies, liegt darin kein Grund, ihm
den direkten Zugang zur Schätzungskommission zu verwehren. Beigefügt
sei, dass der Gesetzgeber die (erstinstanzliche) Zuständigkeit der
Schätzungskommission zur Beurteilung von Entschädigungsbegehren für
materielle Enteignung unter anderem zur Entlastung des Bundesgerichtes
geschaffen hat, welches sonst über diese Forderungen, die gestützt auf
Art. 116 lit. c OG mit verwaltungsrechtlicher Klage vorzutragen wären,
als erste und einzige Instanz zu befinden hätte.

    Aus dem Gesagten ergibt sich, dass im angefochtenen Entscheid zu
Unrecht ausgeführt wird, der Kanton Zug habe die Forderungseingaben
der Interchemie AG vom 23. August und 23. September 1976 der
Schätzungskommission in der irrigen Annahme überwiesen, dass die Enteignete
ihre Begehren direkt bei der Kommission anhängig machen könne. Soweit sich
die Forderungen auf Art. 18 und 25 NSG stützten, traf dies tatsächlich
zu. Insofern andere Entschädigungsbegehren erhoben wurden, hätte der
Kanton, um deren Beurteilung durch den Richter zu ermöglichen, sofort die
Schätzungskommission um Verfahrenseröffnung ersuchen sollen, auch wenn
er die Ansprüche der Interchemie AG für unbegründet hielt: Wie bereits
erwähnt, ist es nicht Sache des Werkeigentümers, sich über die materielle
Berechtigung der geltend gemachten Entschädigungsbegehren auszusprechen,
und darf sich dieser nur in Ausnahmefällen der Verfahrenseinleitung
widersetzen (vgl. BGE 112 Ib 178 E. 3b und dort zitierte Entscheide).

    b) Die Schätzungskommission erklärt im angefochtenen Entscheid,
die "Grundvereinbarung" der Parteien vom 16. Juni 1971 und die beiden
Zusatzvereinbarungen seien keine Enteignungsverträge, sondern wiesen rein
zivilrechtlichen Charakter auf; die Schätzungskommission sei daher für
die Beurteilung der vertraglichen Ansprüche nicht kompetent.

    aa) Zum sogenannten Enteignungsvertrag ist zunächst vorauszuschicken,
dass sich dieser nicht notwendigerweise auf die Abtretung von dinglichen
Rechten für den Bau eines öffentlichen Werkes beschränken muss. Als
Vertragsinhalt fallen zahlreiche andere Punkte in Betracht, die
normalerweise im Rahmen des Enteignungsverfahrens zu regeln sind. So
können nach Lehre und Rechtsprechung durch Enteignungsvertrag
der Rückzug einer Einsprache oder der Verzicht auf diese, die
Ausdehnung oder Reduktion der Enteignung, auch wenn die gesetzlichen
Voraussetzungen hiefür nicht gegeben sind (vgl. Art. 12 und 13 EntG),
die Vornahme von Wiederherstellungsarbeiten auf nicht enteigneten
Restflächen, die Einzelheiten einer vorübergehenden Beanspruchung
sowie die Höhe der Entschädigung für abgetretene Rechte oder für andere
Ansprüche vereinbart werden (BGE 102 Ia 559 f. E. 4a, 99 Ib 273, je mit
Hinweisen auf die Literatur, 77 II 78 f., 52 I 37 f.; HESS/WEIBEL, Das
Enteignungsrecht des Bundes, 1986, N. 1 und 9 zu Art. 53 EntG und N. 1,
2 und 6 zu Art. 54 EntG, GRISEL, Traité de droit administratif, S. 763,
IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung Nr. 126 IV a). Das
Enteignungsgesetz regelt zwar einzig den Fall der vertraglichen Festsetzung
der Entschädigung, für welchen es bestimmt, dass die nach Einleitung
des Enteignungsverfahrens, aber ausserhalb des Einigungsverfahrens
zustandegekommene Verständigung zu ihrer Verbindlichkeit der schriftlichen
Form bedürfe und dem Präsidenten der Schätzungskommission mitzuteilen
sei (Art. 54 Abs. 1 EntG). Das bedeutet aber nicht, dass der Gesetzgeber
andere Arten von Enteignungsverträgen habe ausschliessen, noch, dass er
sie dem Privatrecht habe zuweisen wollen (vgl. zit. Entscheide).

    bb) Als Enteignungsverträge gelten nach der zitierten Lehre
und Rechtsprechung nur jene Vereinbarungen, die nach Eröffnung des
Enteignungsverfahrens geschlossen werden. Solange das Gemeinwesen
beim Erwerb der für ein öffentliches Werk benötigten Rechte nicht
hoheitlich, sondern gleich wie ein Privater auftritt, handelt es auf
dem Boden des Zivilrechts: Form und Inhalt solcher Verträge unterstehen
den privatrechtlichen Vorschriften, und Vertragsstreitigkeiten sind
vor dem Zivilrichter auszutragen; dem Verwaltungsrichter steht
allenfalls eine "vorfrageweise" Beurteilung dieser Verträge zu,
solange sich der Zivilrichter hiezu nicht geäussert hat. Vom Moment
an jedoch, in dem der Werkeigentümer gegenüber dem Privaten als mit
Zwangsmitteln ausgestatteter Hoheitsträger auftritt, kann nicht mehr
von Beziehungen unter rechtlich Gleichgestellten gesprochen werden, und
gelten die unter solchen Umständen abgeschlossenen Vereinbarungen als
öffentlichrechtliche. Dieses Unterscheidungs-Kriterium ist nichts anderes
als ein Ausfluss aus der sogenannten Subordinationstheorie, also einer
der verschiedenen Theorien, auf die sich das Bundesgericht je nach den
Umständen im Einzelfall für die Abgrenzung von Privat- und öffentlichem
Recht stützt (vgl. BGE 109 Ib 149 E. 1b, 152 E. 3). Allerdings ist
festzustellen, dass sich die Parteien beim Erwerb von Grundstücken, auch
wenn ein Subordinationsverhältnis besteht, manchmal der privatrechtlichen
Formen bedienen (öffentliche Beurkundung). Ob in solchen Fällen ein
öffentlich- oder ein privatrechtlicher Vertrag vorliege, ist oft schwer
zu beurteilen. Jedenfalls darf nicht leichthin angenommen werden,
dass der Private auf die ihm vom Enteignungsgesetz gewährten Garantien
(wie das Rückforderungsrecht) verzichtet habe. In diesem Sinne ist
denn auch das Bundesgericht in Ausnahmefällen schon vom Bestehen eines
Enteignungsvertrages ausgegangen, obwohl die fragliche Vereinbarung
schon vor Einleitung des Enteignungsverfahrens geschlossen worden war
(nicht publ. Entscheide i.S. PTT c. Galeries de commerce vom 28. Juli
1951 und i.S. Erben Gobbi vom 14. September 1966).

    cc) Das genannte Unterscheidungs-Kriterium - Abschluss des Vertrages
vor oder nach Einleitung der Enteignung - ist ohne weiteres auf die
Verfahren anwendbar, die sich ausschliesslich nach dem Bundesgesetz über
die Enteignung richten. In solchen Fällen wird das Enteignungsverfahren
im weiteren Sinne, das sowohl das Einsprache- wie auch das eigentliche
Enteignungsverfahren umfasst (vgl. Art. 30, 35 und 36 EntG), durch
die öffentliche Auflage der Pläne und der Grunderwerbstabelle oder, im
abgekürzten Verfahren, durch die persönliche Anzeige in Gang gesetzt
(Art. 30 und 33 EntG). In diesem Moment gibt der Werkeigentümer klar
zu erkennen, dass er von der ihm verliehenen oder noch zu verleihenden
Befugnis zur Zwangsanwendung Gebrauch machen will. Gleichzeitig tritt
auch zu seinen Gunsten der Enteignungsbann ein und werden damit dem
Privaten Verfügungsbeschränkungen auferlegt (Art. 44 ff. EntG).

    Anders ist die Situation dagegen in jenen Verfahren, in
denen neben oder teilweise anstelle des Enteignungsgesetzes die
bundesrechtliche Spezialgesetzgebung anzuwenden ist. Das betrifft - was
die Schätzungskommission hier übersehen hat - auch den Landerwerb für
den Nationalstrassenbau. Nach dem Bundesgesetz über die Nationalstrassen
wird der zwangsweise Landerwerb - sei es auf dem Wege der Enteignung
oder auf jenem der Landumlegung (Art. 30 NSG) - durch die öffentliche
Auflage des Ausführungsprojektes eingeleitet. Das durch diese Publikation
eröffnete Einspracheverfahren (Art. 27 NSG) tritt an die Stelle des
enteignungsrechtlichen Einspracheverfahrens und ersetzt dieses in
allen Belangen (BGE 108 Ib 507 E. 2, 106 Ib 23). Im nachfolgenden
eigentlichen Enteignungsverfahren sind nur noch die angemeldeten
Entschädigungsforderungen zu behandeln (Art. 39 Abs. 2 NSG; Art. 30
Abs. 1 lit. c EntG). Auf dem Gebiet des Nationalstrassenbaus fällt
somit der Zeitpunkt, von dem an der Kanton gegenüber dem Privaten
als Hoheitsträger auftritt, mit der Auflage des Ausführungsprojektes
zusammen. Dieser Zeitpunkt muss deshalb, wie das Bundesgericht schon im
(nicht publizierten) Entscheid vom 30. April 1971 i.S. Rauss gegen
Kanton Waadt festgehalten hat, auch für die Charakterisierung der
zwischen Kanton und Privaten geschlossenen Verträge massgebend sein:
Die vor der Auflage des Ausführungsprojektes zustandegekommenen
Vereinbarungen sind privatrechtlicher, die nach der Publikation
geschlossenen öffentlichrechtlicher Natur. Im gleichen Sinne hat
das Bundesgericht im Falle Gauger (BGE 106 Ib 20 ff.) mit eingehender
Begründung ausgeführt, dass der Enteignungsbann (Art. 42 EntG) bereits im
Zeitpunkt der ersten Publikation des Ausführungsprojektes und nicht erst
bei Eröffnung des eigentlichen Schätzungsverfahrens zu wirken beginne;
hieraus ist auf die Kompetenz der Schätzungskommission zur Festsetzung der
Entschädigung für die dem Grundeigentümer auferlegte Verfügungsbeschränkung
geschlossen worden (Art. 44 EntG). Schliesslich ist die Zuständigkeit
der Schätzungskommission zur Beurteilung von Entschädigungsforderungen
für Verfügungsbeschränkungen sogar in einem Fall bejaht worden, in dem
der Kanton im Hinblick auf den geplanten Nationalstrassenbau Anzahlungen
geleistet hatte, das eingeleitete Enteignungsverfahren aber, da überhaupt
kein Ausführungsprojekt vorlag, nichtig war und deshalb an sich auch
kein Enteignungsbann bestand. In diesem Entscheid hat das Bundesgericht
darauf hingewiesen, dass der Kanton stets als Hoheitsträger aufgetreten
sei und der nichtige Enteignungsbann faktisch zu den selben Auswirkungen
wie eine rechtmässige Verfügungsbeschränkung geführt hätte, so dass
die hiefür geltend gemachte Entschädigungsforderung der Grundeigentümer
nicht anders als enteignungsrechtlich qualifiziert werden könne, auch
wenn ein Enteignungsbann rechtlich gesehen nie eingetreten sei (nicht
veröffentlichter Entscheid vom 20. März 1984 i.S. Kanton Wallis gegen
Schwery E. 1).

    dd) Hieraus ergibt sich, dass im vorliegenden Fall die
Schätzungskommission ihre Kompetenz zur Beurteilung der von der
Interchemie AG aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen erhobenen
Entschädigungsansprüche zu Unrecht verneint hat. Sowohl der Rückzug der
Einsprache, zu der sich die Interchemie AG aufgrund der Zusicherungen
des Kantons entschloss, als auch der Abschluss der Vereinbarungen vom
13. November 1970, vom 16. Juni 1971, vom 19. November 1971 und vom
3. März 1972 erfolgten erst nach der Auflage des Ausführungsprojektes.
Die Vereinbarungen sind zudem alle erst nach dem Beschluss des Zuger
Regierungsrates vom 3. November 1970 zustandegekommen, durch den
die vorzeitige Inbesitznahme des beanspruchten Bodens gestützt auf
Art. 37 NSG bewilligt wurde. Nun ist Art. 37 NSG, wie in BGE 105 Ib 103
ff. E. 7 dargelegt, nichts anderes als die im Landumlegungsverfahren
anwendbare Parallelvorschrift zu Art. 76 EntG und tritt der Kanton
im nationalstrassenbedingten Meliorationsverfahren bekanntlich in der
Doppelrolle als Teilnehmer und als Enteigner auf, bestimmt er doch
zum vornherein, einseitig und in zwingender Weise, welcher Boden - das
Strassentrassee und die für den Strassenbau benötigten Flächen - ihm im
Verfahren zuzuweisen sei (BGE 105 Ib 335 E. 1b, 99 Ia 497 E. 4b). Dass
hier der Regierungsrat die vorzeitige Besitzeinweisung nachträglich wieder
rückgängig machte, ändert nichts daran, dass der Kanton im fraglichen
Verfahren als Enteigner handelte; übrigens wurde die Anordnung nur aufgrund
der inzwischen mit der Interchemie AG geschlossenen Vereinbarung und mit
dem ausdrücklichen Vorbehalt zurückgezogen, dass die begonnenen Bauarbeiten
keine Verzögerung erfahren dürften. Die genannten Vereinbarungen sind somit
alle vom Kanton in der Rolle des Hoheitsträgers, des Enteigners, getroffen
worden. Sie stellen Enteignungsverträge dar, deren Beurteilung in den - in
Art. 64 EntG nicht abschliessend umschriebenen - Zuständigkeitsbereich der
Schätzungskommission fällt. Der angefochtene Entscheid verstösst insoweit,
als er die Kompetenzfrage anders beantwortet, gegen Bundesrecht und ist
in Gutheissung der Beschwerde aufzuheben. ee) Damit kann die Frage offen
bleiben, ob sich die Schätzungskommission nicht aufgrund von Art. 69
Abs. 2 EntG zum Entscheid über die vertraglichen Streitigkeiten hätte
zuständig erklären müssen, selbst wenn die Vereinbarungen privatrechtlicher
Natur wären, sind doch die Parteien vor Bundesgericht übereingekommen,
dass die geltend gemachten Forderungen ausschliesslich in dem für
Expropriationsstreitigkeiten vorgesehenen Verfahren zu beurteilen
seien. Zwar kann durch Parteivereinbarung keine Zuständigkeit geschaffen
werden, die es an sich nicht gibt. Da jedoch der Gesetzgeber selbst
die Möglichkeit vorgesehen hat, den Entscheid über die zivilrechtliche
Frage des Bestands eines Rechtes aus Gründen der Prozessökonomie der
Schätzungskommission anheimzustellen, so wäre kaum einzusehen, weshalb
dieser nicht auch Streitigkeiten über Verträge unterbreitet werden
könnten, welche - ähnlich wie gewisse im Besitzeinweisungsverfahren
geschlossene Vereinbarungen - die vorübergehende Inanspruchnahme des für
den Bau des Werkes benötigten Bodens regeln. Dass sich die Enteignete
vorsorglicherweise vorbehalten hat, allenfalls direkte Klage beim
Bundesgericht einzureichen, kann die Abrede der Parteien, ihren Streit
einer einzigen Instanz zu unterbreiten, nicht berühren. Wie gesagt braucht
indessen hier über die Anwendung von Art. 69 Abs. 2 EntG nicht entschieden
zu werden.