Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 IA 377



114 Ia 377

63. Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 26. Juli 1988
i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft und Obergericht des Kantons Aargau
(staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 10 EMRK; Art. 204 StGB; Art. 84 Abs. 2 OG i.V.m. Art.  269 Abs. 1
BStP; Rechtsmittel.

    Die Rüge einer mittelbaren Verletzung der Europäischen
Menschenrechtskonvention ist mit Nichtigkeitsbeschwerde vorzubringen.

Sachverhalt

    A.- X., verantwortlicher Geschäftsführer einer Videothek, wurde
von der I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Aargau kantonal
letztinstanzlich wegen unzüchtiger Veröffentlichungen (Art. 204 StGB)
zu einer Busse verurteilt, nachdem er über einen längeren Zeitraum
verschiedenen Kunden Videofilme pornographischen Inhalts überlassen
hatte. Auf eine gegen den obergerichtlichen Entscheid erhobene
staatsrechtliche Beschwerde, mit der X. eine Verletzung von Art. 10 EMRK
rügt, tritt das Bundesgericht nicht ein aus folgender

Auszug aus den Erwägungen:

                           Erwägung:

    Nach Art. 84 Abs. 2 OG ist die staatsrechtliche Beschwerde in
den in Abs. 1 dieses Artikels genannten Fällen nur zulässig, wenn die
behauptete Rechtsverletzung nicht sonstwie durch Klage oder Rechtsmittel
beim Bundesgericht oder einer anderen Bundesbehörde gerügt werden kann. Im
vorliegenden Fall macht der Beschwerdeführer richtigerweise nicht geltend,
die Strafbestimmung von Art. 204 StGB sei als solche mit der EMRK
unvereinbar, er rügt vielmehr, das angefochtene Urteil verletze Art. 10
EMRK, und Art. 204 StGB müsse im Lichte dieser Konventionsbestimmung neu
ausgelegt werden. Damit rügt er aber eine Verletzung von Bundesrecht, über
die das Bundesgericht nicht im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren,
sondern nur im Rahmen einer Nichtigkeitsbeschwerde zu befinden hat
(Art. 84 Abs. 2 OG i.V.m. Art. 269 Abs. 1 BStP).

    Der Beschwerdeführer wendet demgegenüber unter Hinweis auf BGE 107
IV 193 E. 6 ein, dass es der Kassationshof des Bundesgerichtes in der
Vergangenheit abgelehnt habe, im Rahmen einer Kassationsbeschwerde auf
Rügen der vorliegenden Art einzutreten. Diese Einschätzung trifft, wie der
Kassationshof in einem jüngst durchgeführten Meinungsaustausch bestätigt
hat, nicht zu. Auch wenn einzuräumen ist, dass der vom Beschwerdeführer
angeführte Entscheid in diesem Punkt etwas verkürzt wiedergegeben
ist, so geht doch aus verschiedenen anderen publizierten Urteilen des
Kassationshofes deutlich hervor, dass die Rüge der konventionswidrigen
Auslegung bundesrechtlicher Bestimmungen, also der mittelbaren Verletzung
der Konvention, mit der Nichtigkeitsbeschwerde vorgebracht werden kann
(zuletzt BGE 112 IV 139 E. 1; vgl. auch 111 IV 154 E. 6; 104 IV 93
E. 1c; 102 IV 155 E. 1b). Steht aber die Möglichkeit der eidgenössischen
Nichtigkeitsbeschwerde offen, bleibt Art. 84 Abs. 2 OG zufolge für die
staatsrechtliche Beschwerde kein Raum.