Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 IA 332



114 Ia 332

55. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 7. Juni 1988 i.S. Dr. X. gegen Bezirksanwaltschaft Zürich und
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 4 BV. Rechtsverweigerung; Auslegung eines Dispositivs in bezug
auf Parteientschädigung.

    1. Spricht sich das Dispositiv eines Entscheides nicht über die
Parteientschädigung aus, so ist damit formell über ein gestelltes
Entschädigungsbegehren entschieden. Von dieser Betrachtungsweise ist
nur abzuweichen, wenn mit triftigen Gründen angenommen werden kann, das
Gericht habe es tatsächlich unterlassen, über die Parteientschädigung zu
entscheiden (E. 2).

    2. Gegenstandslosigkeit eines Rekurses, weil eine anfänglich
gerechtfertigte Massnahme zufolge Änderung der Verhältnisse
aufgehoben worden ist. Die Nichterwähnung der Parteientschädigung im
Abschreibungsbeschluss ist in diesem Fall als Ablehnung einer Entschädigung
zu interpretieren (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Dr. X. trat als Vermittler zwischen der Y.-Versicherung als
Versichererin zweier gestohlener Bilder und Z. auf, welcher von den
Dieben oder Hehlern dieser Bilder kontaktiert worden sein soll. Es
wurde vereinbart, dass die Bilder der Versicherung gegen Bezahlung eines
Geldbetrages übergeben würden und dass diese Transaktion, insbesondere
die Zahlung, über Dr. X. abgewickelt werden solle. Am 18. Januar 1988
wurden die Bilder von der Versicherung übernommen. Gleichentags ordnete
die Bezirksanwaltschaft Zürich eine Sperre über den Safe von Dr. X. bei der
Zürcher Kantonalbank an, in den er den von der Versicherung zur Weitergabe
an Z. erhaltenen Betrag gelegt hatte. Trotz der Beteuerungen von Dr. X.,
das Geld bereits weitergegeben zu haben, gab die Bezirksanwaltschaft den
Safe erst am 9. Februar 1988 nach einer Sichtung des Safeinhaltes und
weiteren Untersuchungshandlungen frei.

    Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich schrieb nach erfolgter
Aufhebung der Sperre einen Rekurs als gegenstandslos ab, den Dr. X. am
1. Februar 1988 gegen die Verfügung der Bezirksanwaltschaft vom 18. Januar
1988 eingereicht hatte. Im Abschreibungsbeschluss findet sich kein
ausdrücklicher Entscheid über die Frage einer Parteientschädigung für
Dr. X. Auch die Begründung des Beschlusses enthält dazu keine Bemerkungen.

    Mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV
beantragt Dr. X. im wesentlichen, der Entscheid der Staatsanwaltschaft
sei aufzuheben und diese sei anzuweisen, über seinen Antrag auf Zusprechung
einer angemessenen Umtriebsentschädigung zu entscheiden. Das Bundesgericht
weist die Beschwerde ab, soweit darauf eingetreten werden kann.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer wirft der Staatsanwaltschaft eine Verletzung
von Art. 4 BV vor, da sie seinen Antrag auf Zusprechung einer angemessenen
Umtriebsentschädigung nicht behandelt habe.

    a) Das Dispositiv des angefochtenen Entscheides spricht sich
über eine Entschädigung des Beschwerdeführers nicht ausdrücklich
aus. Das Bundesgericht hat sich mit derartigen Fällen wiederholt
in Revisionsverfahren gemäss Art. 136 lit. c OG befasst und
dabei festgestellt, wenn in einem Urteil keine Parteientschädigung
zugesprochen werde, so sei damit auf jeden Fall formell über das gestellte
Entschädigungsbegehren entschieden. Bei diesem Vorgehen besteht allerdings
die Möglichkeit, dass der urteilende Richter die Entschädigungsfrage durch
Nichterwähnen dieses Punktes im Urteilsdispositiv formell entscheidet,
ohne jedoch die Frage tatsächlich geprüft und beurteilt zu haben. Von
der erwähnten Betrachtungsweise weicht das Bundesgericht deshalb ab und
lässt die Revision zu, wenn mit triftigen Gründen angenommen werden kann,
das Gericht habe es tatsächlich unterlassen, über die Parteientschädigung
zu entscheiden, sei es, weil es diesen Punkt bei der Urteilsfällung
überhaupt ausser acht liess, sei es, weil es irrtümlich davon ausging, ein
Entschädigungsbegehren sei nicht gestellt worden (nicht veröffentlichtes
Urteil i.S. Milchlieferungsgesellschaft Götighofen c. F. und EVD vom
13. Oktober 1978 E. 4a und b). Es rechtfertigt sich, diese Praxis im
vorliegenden Fall einer staatsrechtlichen Beschwerde gegenüber einer
kantonalen Instanz, der Rechtsverweigerung durch Nichtbeurteilung eines
Antrages auf Parteientschädigung vorgeworfen wird, analog anzuwenden.

    b) Wird beispielsweise eine Beschwerde abgewiesen, so versteht sich
von selbst, dass der unterlegene Beschwerdeführer seine Kosten selber zu
tragen hat. Die stillschweigende Abweisung seines Entschädigungsbegehrens
bedarf somit keiner weiteren Begründung. Doch kann selbst dann, wenn
das Entschädigungsbegehren einer obsiegenden Partei in solcher Weise
ohne Begründung übergangen wurde, noch nicht ohne weiteres auf eine
fälschliche Nichtbeurteilung dieses Antrages geschlossen werden. Ist die
Ablehnung des Entschädigungsbegehrens aufgrund der in derartigen Fällen
geltenden gesetzlichen Bestimmungen oder infolge von dem Betroffenen
bekannten Umständen ohne weiteres verständlich, so ist zu vermuten, dass
das Gericht den Antrag in entsprechendem Sinne beurteilt hat. Lediglich
dann, wenn die Ablehnung des Entschädigungsbegehrens aufgrund der
einschlägigen Verfahrensvorschriften und der übrigen Umstände nicht oder
nicht ohne weiteres verständlich ist, darf aus der fehlenden Begründung
des Kostenentscheides gefolgert werden, das Entschädigungsbegehren sei
unbeurteilt geblieben.

    c) Es geht vorliegend somit einzig um die Frage, ob nach den Akten
die Verweigerung einer Parteientschädigung verständlich erscheint. Ist
dies zu bejahen, so kann nach der dargestellten Praxis davon ausgegangen
werden, die Staatsanwaltschaft habe das Entschädigungsbegehren geprüft
und beurteilt.

Erwägung 3

    3.- (Es ist aufgrund der Akten nachvollziehbar, dass Bezirks- und
Staatsanwaltschaft davon ausgingen, die Sperre des Safes sei angesichts
der recht undurchsichtigen Umstände bis zu ihrer Aufhebung gerechtfertigt
gewesen.)

    ... Geht die Gegenstandslosigkeit des Rekurses lediglich darauf
zurück, dass eine anfänglich gerechtfertigte Massnahme später zufolge
Änderung der Verhältnisse aufgehoben wird, so ist darin materiell
nicht ein Obsiegen des Rekurrenten zu erblicken, das ohne weiteres
nach einer Parteientschädigung ruft. Gegenteils ist ein Entscheid, der
in dieser Situation keine Parteientschädigung zuspricht, durchaus als
stillschweigende Ablehnung einer Parteientschädigung zu interpretieren.

    Auch der Umstand, dass dem Beschwerdeführer keine amtlichen Kosten
auferlegt wurden, spricht nicht gegen diese Betrachtungsweise. Es kommt
nämlich nicht selten vor, dass bei blossen Abschreibungsbeschlüssen
aus prozessökonomischen Gründen von der Erhebung von Kosten selbst
dann abgesehen wird, wenn sich diese an sich begründen liesse. Das ist
offensichtlich auch die im Kanton Zürich geltende Praxis; jedenfalls tut
der Beschwerdeführer nichts Gegenteiliges dar.