Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 IA 278



114 Ia 278

44. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 7.
September 1988 i.S. X. gegen Stadt Zürich, Regierungsrat des Kantons Zürich
und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste

    Ablehnung von Richtern und Beamten; Art. 23 OG, Art. 4 und 58
Abs. 1 BV.

    - Ein Richter darf nicht bloss deswegen abgelehnt werden, weil er in
einem früheren Verfahren gegen den heutigen Beschwerdeführer entschieden
hat (E. 1).

    - Der von einem Gerichts- oder Verwaltungsentscheid Betroffene hat
Anspruch darauf, die Namen der am Entscheid mitwirkenden Personen zu
erfahren (E. 3b).

    - Es verstösst gegen Treu und Glauben, einen Richter oder Beamten
erst im Rechtsmittelverfahren abzulehnen, obwohl der Ablehnungsgrund
schon vorher bekannt war (E. 3e).

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Der Beschwerdeführer lehnt sämtliche Bundesrichter ab, die
bereits früher einmal in irgendeiner Auseinandersetzung zwischen ihm und
zwei bestimmten Firmen mitwirkten. Er verlangt, dass durch Bezeichnung
ausserordentlicher Ersatzmänner eine beschlussfähige Gerichtsabteilung
gebildet werde (Art. 26 Abs. 3 OG). Der Beschwerdeführer begründet seine
Ablehnung ausschliesslich damit, die abgelehnten Richter hätten in früheren
Verfahren gegen ihn entschieden und seien deshalb befangen.

    Der Zweck des Ablehnungsverfahrens besteht darin, eine objektive
Rechtsprechung durch unabhängige Richter zu gewährleisten. Die vom
Beschwerdeführer abgelehnten Richter haben zwar tatsächlich in früheren
Verfahren gegen ihn entschieden. Indessen war die Unabhängigkeit dieser
Richter schon im früheren Verfahren in keiner Weise beeinträchtigt;
sie wurden damals vom Beschwerdeführer auch nicht abgelehnt. Ein
unabhängiger, nur dem Gesetz unterworfener Richter (Art. 21 Abs. 3
OG) verliert seine Unabhängigkeit nicht, wenn er gegen eine bestimmte
Partei entscheidet. Einem Richter kann deshalb die Unabhängigkeit nicht
abgesprochen werden, nur weil er einmal gegen den heutigen Beschwerdeführer
entschieden hatte (BGE 105 Ib 304 E. 1c). Eine derart begründete Ablehnung
ist unzulässig, weshalb auch kein Ausstandsverfahren nach Art. 26 Abs. 1
OG durchzuführen ist. Auf das Begehren des Beschwerdeführers ist vielmehr
nicht einzutreten.

Erwägung 3

    3.- a) Der Beschwerdeführer bringt vor, aus Art. 4 BV und Art. 6
Ziff. 1 EMRK folge ein Anspruch auf Nennung der bei einem Entscheid
mitwirkenden Richter oder Beamten. Dieser Anspruch sei vom Bezirksrat
Zürich verletzt worden.

    b) Unabhängig vom anwendbaren Verfahrens- und
Gerichtsorganisationsrecht gewährleistet Art. 58 Abs. 1 BV einerseits
die richtige Besetzung des Gerichts und anderseits die Beurteilung der
Streitsache durch ein unparteiisches und unabhängiges Gericht. Entscheidet
nicht eine gerichtliche, sondern - wie im vorliegenden Fall - eine
verwaltungsbehördliche Rechtspflegeinstanz, so ergibt sich aus Art. 4 BV
ein gleichartiger Anspruch. Der Anspruch auf Unparteilichkeit des Gerichts
oder der Verwaltungsbehörde bedeutet, dass kein befangener Richter oder
Beamter am Entscheid mitwirken darf. Wenn jedoch dem Betroffenen nicht
mitgeteilt wird, welche Personen am Entscheid mitgewirkt haben, kann
er nicht beurteilen, ob sein verfassungsmässiger Anspruch auf richtige
Besetzung des Gerichts oder der Verwaltungsbehörde und eine unparteiische
Beurteilung seiner Sache gewahrt worden ist. Vor allem ist es ihm ohne
Kenntnis der personellen Zusammensetzung des Gerichts oder der Behörde
nicht möglich, Ausstandsgründe zu erkennen und gegebenenfalls geltend zu
machen. Die Garantie des verfassungsmässigen Richters nach Art. 58 BV
und der aus Art. 4 BV fliessende Anspruch auf richtige Zusammensetzung
der entscheidenden Verwaltungsbehörde umfasst deshalb auch einen Anspruch
auf Bekanntgabe der personellen Zusammensetzung der entscheidenden Behörde
(BGE 114 V 61 f. E. 2).

    c) Der erwähnte Anspruch auf Bekanntgabe der am Entscheid mitwirkenden
Personen bedeutet jedoch nicht, dass die Namen dieser Personen im
Rubrum des Entscheides selbst aufgeführt werden müssen. Vielmehr genügt
die Bekanntgabe in irgendeiner Form. Die mitwirkenden Personen können
dem Betroffenen statt im Entscheid auch in einem besonderen Schreiben
mitgeteilt werden. Der Anspruch auf Bekanntgabe der entscheidenden Richter
oder Beamten ist selbst dann gewahrt, wenn deren Namen dem Betroffenen
gar nicht persönlich mitgeteilt werden, diese jedoch einer allgemein
zugänglichen Publikation wie etwa einem Staatskalender entnommen werden
können.

    d) Im vorliegenden Fall hat der Bezirksrat dem Beschwerdeführer
mitgeteilt, dass seine fünf ordentlichen Mitglieder am Entscheid
mitgewirkt haben. Im übrigen konnte der Beschwerdeführer deren Namen dem
Staatskalender des Kantons Zürich entnehmen. Sein Anspruch auf Bekanntgabe
der mitwirkenden Bezirksräte wurde dadurch erfüllt. Die staatsrechtliche
Beschwerde ist soweit unbegründet.

    e) Ein Richter oder ein Beamter ist so früh wie möglich
abzulehnen. Es verstösst gegen Treu und Glauben, Einwände dieser Art
erst im Rechtsmittelverfahren vorzubringen, wenn der Mangel schon vorher
hätte festgestellt werden können. Wer den Richter oder Beamten nicht
unverzüglich ablehnt, wenn er vom Ablehnungsgrund Kenntnis erhält, sondern
sich stillschweigend auf den Prozess einlässt, verwirkt den Anspruch
auf spätere Anrufung der verletzten Verfassungsbestimmung (BGE 114 V 62
E. 2b; BGE 112 Ia 340). Der Beschwerdeführer hätte schon im Verfahren vor
dem Bezirksrat Statthalter D. ablehnen können. Weil er dies unterliess,
kann heute auf sein Ablehnungsbegehren nicht mehr eingetreten werden.